Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 405/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 12/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Mitteilung des Auszahlungsbetrags der Rente ist keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X. Der bloße Hinweis auf das rechnerische Ergebnis einer Subtraktion hat keinen eigenständigen Regelungswert.
2. Ein bloß formeller Verwaltungsakt verletzt den von ihm Betroffenen in seinen Rechten und ist deshalb notwendig aufzuheben.
Zu 1.:
Entgegen: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016, L 10 R 1154/15
Zu 1. und 2.:
Anschluss an: BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R
2. Ein bloß formeller Verwaltungsakt verletzt den von ihm Betroffenen in seinen Rechten und ist deshalb notwendig aufzuheben.
Zu 1.:
Entgegen: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016, L 10 R 1154/15
Zu 1. und 2.:
Anschluss an: BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 geändert, als darin der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 (richtig: 24. November 2010) teilweise aufgehoben wurde, und die Klage auch insoweit abgewiesen.
II. Die Anschluss-Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 vollständig aufgehoben worden ist.
III. Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
IV. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 wegen Einkommensanrechnung sowie die Erstattung der sich daraus ergebenden Überzahlung von 85.994,11 EUR.
Die 1953 geborene Klägerin ist Witwe des 1951 geborenen und 1987 verstorbenen Versicherten C. A., mit dem sie am xx. xxx 1975 die Ehe schloss und die im September 1975 und im Juli 1983 geborenen Söhne hat.
Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Klägerin am 11. Juni 1987 bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente und gab im Antrag an, über kein eigenes Arbeitsentgelt zu verfügen.
Mit Bescheid vom 12. August 1987 erkannte die Beklagte den Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit einem Rentenbeginn am 8. Juni 1987 an und stellte eine monatliche Rentenhöhe von 1.086,70 DM sowie einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung fest. Der Bescheid enthielt Hinweise auf die Regelung zur Einkommensanrechnung sowie die Verpflichtung der Klägerin, Erhöhungen oder Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
Im März 1988 nahm die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung auf, seit Februar 1994 war sie in Vollzeit beschäftigt. Die Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung zeigte sie der Beklagten nicht an; eine Anzeige über den Beginn der Vollzeitbeschäftigung ist nicht aktenkundig.
Mit Bescheid vom 8. März 2004 setzte die Beklagte Änderungen bei der Beitragszahlung zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. April 2004 um, woraus sich ein monatlicher (Aus-)Zahlbetrag der Rente von 717,63 EUR ergab.
Mit "Rentenbescheid" vom 17. Juni 2004 berechnete die Beklagte die bisherige große Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Januar 2004 neu. Für die Zeit ab dem 1. August 2004 ergab sich ein monatlicher (Aus-)Zahlbetrag von 717,63 EUR. Als Gründe für die Neuberechnung werden auf Seite 2 ein anderer Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung genannt. Aus der Anlage 1 war ersichtlich, dass die Beklagte kein Einkommen der Klägerin berücksichtigte.
Im Rahmen einer Beratung am 10. November 2009 in der Auskunfts- und Beratungsstelle A-Stadt der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen über ihre spätere Altersrente stellte sich heraus, dass die Klägerin laufend Witwenrente bezog, jedoch ohne Einkommensanrechnung.
Aufgrund dessen berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2010 die große Witwenrente ab dem 1. Juli 1994 neu. Für die Zeit ab 1. Februar 2010 belaufe sich der monatliche (Aus-)Zahlbetrag auf 65,00 EUR. Für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Januar 2010 ergebe sich eine Überzahlung von 85.994,11 EUR, die zu erstatten sei. Der Rentenbescheid vom 12. August 1987 werde mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben wegen Einkommensanrechnung, so dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt seien.
Dagegen legte die Klägerin am 11. Januar 2010 Widerspruch ein und machte nach Akteneinsicht geltend, dass sie die Änderung ihrer Einkommensverhältnisse zum 1. Februar 1994 mitgeteilt habe. Die Krankenversicherung sei über ihr Einkommen stets informiert gewesen. Insbesondere sei im Rahmen der Meldung zur Krankenversicherung der Rentner das eigene Einkommen bekannt gewesen. Dazu legte die Klägerin eine Kopie ihres Schreibens vom 9. April 1994 an die Rechtsvorgängerin der Beklagten vor, in dem sie die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung anzeigte.
Auf Nachfrage der Beklagten gab sie weiter an, dass sie hinsichtlich der Waisenrente ihrer Kinder unaufgefordert Vordrucke in regelmäßigen Abständen erhalten und mit normaler Post zurückgesandt habe. Auch ihre Mitteilung vom 9. April 1994 habe sie mit normaler Post verschickt und sei davon ausgegangen, damit ihre Auskunftspflicht erfüllt zu haben. Da im Anschluss keine Nachfrage gekommen sei, sei sie davon ausgegangen, dass die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung keine rentenrechtlichen Konsequenzen haben werde. "Eingangsbestätigungen" der Beklagten habe sie nie erhalten.
In seiner Sitzung vom 30. Juli 2010 lehnte es der Widerspruchsausschuss ab, über den Widerspruch zu entscheiden und wies u.a. darauf hin, dass hinsichtlich des Zeitraums ab 1. Januar 2004 noch eine Korrektur des Neuberechnungsbescheids vom 17. Juni 2004 erforderlich sei auf der Grundlage des § 45 SGB X.
Daraufhin erließ die Beklagte am 7. September 2010 einen "Ergänzungsbescheid", wonach in Ergänzung des Bescheides vom 5. Januar 2010 mitgeteilt werde, dass der Bescheid vom 17. Juni 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gemäß § 45 SGB X hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben werde. Auswirkungen auf die bereits ermittelte Überzahlungshöhe ergäben sich hierdurch nicht. Der Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei, könne sie sich auf Vertrauen in den Rentenbescheid vom 17. Juni 2004 nicht berufen. Es liege kein atypischer Fall vor. Besondere Umstände, die die getroffene Entscheidung als unbilligen, unzumutbaren Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin erscheinen ließen, habe die Klägerin nicht nachgewiesen.
Am 10. Dezember 2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben, mit der sie sich gegen die Aufhebung der Rentenbewilligung für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 wandte.
Nachdem die Beklagte hinsichtlich eines gerichtlichen Vergleichs von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht und mitgeteilt hatte, dass sich für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 2003 eine Überzahlung von 40.990,82 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Januar 2010 von 45.003,29 EUR ergebe, hat das Sozialgericht Wiesbaden mit Urteil vom 11. Oktober 2013 den Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 (richtig: 24. November 2010) insoweit aufgehoben, als der darin geforderte Erstattungsbetrag hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 2003 den Betrag von 40.990,82 EUR übersteige. Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 (richtig: 24. November 2010) werde insoweit aufgehoben, als darin der Bescheid vom 17. Juni 2004 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Januar 2010 aufgehoben worden sei. Im Übrigen wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 SGB X erfüllt seien. Es liege kein atypischer Fall vor. Hinsichtlich der Rücknahme des Bescheids vom 17. Juni 2004 fehle es in dem Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 an der nach § 45 SGB X erforderlichen Ermessensausübung.
Gegen das ihr am 16. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Januar 2014 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin hat am 30. Januar 2014 Anschluss-Berufung gegen das ihr am 10. Dezember 2013 zugestellte Urteil bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass sie nach erneuter Überprüfung der Rechtslage der Überzeugung sei, dass es gar keiner Rücknahme des Bescheides vom 17. Juni 2004 nach § 45 SGB X bedurft hätte. Dieser sei nur aufgrund einer stornierten Fehlermeldung der Krankenkasse vom 8. Juni 2004 im maschinellen Verfahren ergangen. Der Bescheid vom 17. Juni 2014 enthalte allenfalls eine Regelung zur Höhe der aus der Rente einzubehaltenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Da der Bescheid vom 17. Juni 2004 nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Regelung zur Rentenhöhe enthalte, sei er diesbezüglich unbeachtlich und somit auch der Rücknahmebescheid vom 7. September 2010. Vielmehr entfaltete der Aufhebungsbescheid vom 5. Januar 2010 seine volle Wirkung.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 aufzuheben, soweit darin der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 und der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 aufgehoben worden sind,
die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
sowie im Wege der Anschluss-Berufung unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2014 sowie den Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 auch insoweit aufzuheben, als die Bescheide vom 12. August 1987 und 17. Juni 2004 bezüglich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 aufgehoben wurden und sie einen Betrag in Höhe von 85.994,11 EUR erstatten soll.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, dass ein atypischer Fall vorliege. Zudem berufe sie sich auf die Einrede der Verjährung. Aufgrund der Meldung vom 8. Juni 2004 hätte die Beklagte eine weitergehende Prüfung veranlassen müssen, so dass die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht beachtet worden sei. Auch sei sie vor Erlass des Bescheides vom 5. Januar 2010 nicht angehört worden. Es könne dahinstehen, wie die Beklagte intern die datenmäßigen Konsequenzen im Zusammenhang mit Änderungen im Bereich der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vollziehe. Die Beklagte selbst sei bei Erlass des Bescheides vom 17. Juni 2004 davon ausgegangen, dass er einen Verfügungssatz enthalte und mit dem Widerspruch angefochten werden könne. Eine inhaltliche Regelung liege damit vor. Hinsichtlich der weiteren Angaben der Klägerin u.a. zu ihrer Mitteilung an die Beklagte aus dem Jahr 1994 wird auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins am 10. August 2017 Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie auch aufgrund der Meldung vom 8. Juni 2004 keine positive Kenntnis von anzurechnendem Einkommen gehabt habe. Bezüglich eines Anhörungsfehlers werde auf § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X verwiesen. Der Änderung im Bereich der Beitragstragung zum 1. April 2004 sei bereits durch den Bescheid vom 8. März 2004 förmlich Rechnung getragen worden. Somit sei weiterhin davon auszugehen, dass es sich bei dem Bescheid vom 17. Juni 2004 um einen reinen "Beitragsbescheid" handele, der die hier in Rede stehende Regelung "Rentenhöhe" nicht berührt habe. Im Bescheid vom 17. Juni 2004 werde als Grund für die Neuberechnung angegeben, dass in der Kranken- und Pflegeversicherung ein anderer Beitragssatz maßgebend sei. Ersichtlich sollte also die Regelung "Rentenhöhe", die sich aus § 64 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) ergebe, nicht neu geregelt werden.
Die Beteiligten haben sich am 9. Oktober 2017 und 13. Oktober 2017 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Rentenakten des Versicherten. Deren Inhalt war Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß § 143 Abs. 1, § 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG); hingegen war die Anschluss-Berufung der Klägerin nicht fristgebunden.
Die Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 kann keinen Bestand haben und ist zu ändern, soweit damit die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 (§ 95 SGG) Erfolg hatte. Dieser Bescheid ist insgesamt rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Im Übrigen bleibt die Berufung der Beklagten aber erfolglos.
Die Anschluss-Berufung der Klägerin dagegen war zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 vollständig aufgehoben worden ist. Denn die Tenorierung des sozialgerichtlichen Urteils legt nahe, dass dieser Bescheid einen weiteren als den "insoweit" aufgehobenen Regelungsgehalt hat, obwohl er sich in dieser Aussage erschöpft. Darüber hinaus war die Anschluss-Berufung der Klägerin aber ebenfalls erfolglos.
Neben der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 12. August 1987 enthält der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 die Festsetzung einer Überzahlung in Höhe von 85.994,11 EUR und ein entsprechendes Zahlungsgebot an die Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 R 8/12 R, juris, Rdnr. 14). Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 verlautbart lediglich die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 17. Juni 2004.
Soweit der monatliche Rentenzahlanspruch teilweise auch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde, ist diese Regelung nicht streitgegenständlich, da die Klägerin diese Regelung nicht mit ihrer Klage angegriffen hat, so dass insoweit Bestandskraft eingetreten ist (§ 77 SGG).
Das maßgebliche Begehren der Klägerin ist damit auf die Aufhebung von vier Verwaltungsakten (§ 31 SGB X) im Wege der zulässigen objektiven Häufung (§ 56 SGG) von vier isolierten Anfechtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) gerichtet. Damit kann die Klägerin aber nur hinsichtlich des Bescheides vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 Erfolg haben. Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 ist hingegen sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 stützt sich auf § 48 SGB X. Er ist formell rechtmäßig, auch wenn die Beklagte die Klägerin vor dessen Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört hat.
Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen (§ 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X). Eine Verletzung des § 24 SGB X ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Die Anhörung kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X).
Ausgehend davon hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheides vom 5. Januar 2010 zwar nicht ordnungsgemäß angehört. Sie konnte bezüglich der Anrechnung von Einkommen auf die Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X verzichten, nicht jedoch hinsichtlich der Erstattungsforderung. Die Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X greift nur dann ein, wenn die Veränderung des Einkommens der einzige entscheidungsrelevante Gesichtspunkt für den Erlass des Verwaltungsaktes ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1981, 5b/5 RJ 56/80, juris = SozR 1200 § 34 Nr. 14), nicht hingegen, wenn außer den Einkommensverhältnissen noch weitere Feststellungen zu treffen sind (vgl. Vogelsang in: Hauck/Noftz, SGB, 04/12, § 24 SGB X, Rdnr. 32), wie zum Beispiel für die nach § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzte Erstattungsforderung (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017, B 13 R 21/15 R, juris, Rdnr. 15).
Insoweit ist allerdings eine Heilung im Rahmen des Vorverfahrens eingetreten (vgl. zu dieser Möglichkeit: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 13 RJ 67/99 R, juris, Rdnr. 26 = SozR 3-1300 § 1 Nr. 1). Allein der Umstand, sich im Rahmen eines Widerspruchs äußern zu können, reicht dafür zwar nicht aus. Vielmehr muss die Nachholung der erforderlichen Anhörung dieselbe rechtliche Qualität haben wie die an sich nach § 24 Abs. 1 SGB X gebotene Handlung (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91, juris, Rdnr. 26 = SozR 3-1300 § 42 Nr. 1). Es kommt mithin darauf an, ob die Beklagte der Klägerin im Rahmen des Vorverfahrens hinreichend Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für ihre Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hierzu ist es notwendig, dass der Verwaltungsträger die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass dieser sie als solche erkennen und sich zu ihnen sachgerecht äußern kann. Welche dies sind, beurteilt sich anhand der Ermächtigungsgrundlage, die die Behörde nach ihrer materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zugrunde legt (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91, juris, Rdnr. 28 = SozR 3-1300 § 42 Nr. 1; BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 4 RA 35/02 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-2600 § 313 Nr. 1).
Ausgehend davon konnte sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren zu den entscheidungserheblichen Tatsachen äußern. Die Beklagte hat auf Seite 6 des Bescheides vom 5. Januar 2010 die Rechtsgrundlage für die Aufhebung (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) dargestellt sowie den Umstand, dass die Einkommensanrechnung zur teilweisen Aufhebung der Witwenrente ab dem 1. Juli 1994 führt, zudem wurde die Höhe des Erstattungsbetrags mitgeteilt. Zur Frage der groben Fahrlässigkeit bedurfte es keiner Anhörung, da die Beklagte bei ihrer Entscheidung am 5. Januar 2010 diese nicht als entscheidungserhebliche Tatsache ansah. Die zeitlich später ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rechtsgrundverweisung in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X (Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R; Urteil vom 2. November 2015, B 13 R 27/14 R) konnte und musste sie nicht berücksichtigen.
Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 12. August 1987 teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 1. Juli 1994 aufzuheben und die Erstattung der Überzahlung zu verlangen.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ein Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führen würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt dabei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X kann eine Rücknahme bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Eintritt der Änderung der Verhältnisse erfolgen. Sofern es sich um eine laufende Geldleistung handelt, die bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde, ist eine Rücknahme auch noch nach Ablauf von zehn Jahren möglich (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X). Des Weiteren muss die Behörde die Aufhebung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.
Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Dies soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden (§ 50 Abs. 3 SGB X).
Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf anzurechnen. Ein Zusammentreffen von Einkommen und Witwenrente liegt im Rechtssinne vor, wenn der Rentenberechtigte für denselben Zahlungszeitraum gegen den Träger der Rentenversicherung aus seinem Renten(stamm)recht einen Zahlungsanspruch auf Rente hat und ihm zeitgleich außerdem ein Recht auf Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Mai 2014, B 5 R 6/13 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-2600 § 97 Nr. 2).
Ausgehend davon ist nach Bekanntgabe des Bescheides vom 12. August 1987, mit dem die Witwenrente ab dem 8. Juni 1987 festgestellt wurde und bei dem es sich um einen Verwaltungsakt über eine laufende (wiederkehrende) Geldleistung (Dauerbescheid) handelt, eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten.
Der Bescheid vom 8. Juni 1987 enthält die notwendigen vier Verfügungssätze für die Feststellung einer Rente, die als Verwaltungsakt jeweils selbständig in Bindung erwachsen können: Die Entscheidung über die Rentenart, über die Höhe sowie Beginn und Dauer des Anspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 1996, 4 RA 108/94, juris, Rdnr. 30 = SozR 3-2600 § 88 Nr. 1). Hinsichtlich der Regelung zur Höhe des monatlichen Rentenzahlanspruchs ist zum 1. Juli 1994 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, da das aus der Vollzeitbeschäftigung erzielte Arbeitsentgelt aufgrund seiner Höhe zu einer Minderung des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Juli 1994 in der von der Beklagten ausgewiesenen Höhe führte. Bei einem Hinzuverdienst wird nicht das Stammrecht auf Rente selbst (ganz oder teilweise) vernichtet bei Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze im jeweiligen Monat, sondern ausschließlich betroffen ist der für den jeweiligen Monat aus dem Stammrecht entstandene Einzelanspruch auf Zahlung (BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 4 RA 35/02, juris, Rdnr. 21 = SozR 4-2600 § 313 Nr. 1). Auf diesen ist der festzusetzende monatliche Anrechnungsbetrag anspruchsvernichtend "anzurechnen" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 4 RA 110/00 R, juris, Rdnr. 21 = SozR 3-2600 § 97 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27. Mai 2017, B 5 R 6/13 R, juris, Rdnr. 12 = SozR 4-2600 § 97 Nr. 2). Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der Überzahlung in Höhe von 85.994,11 EUR.
Die Beklagte war aufgrund dieser wesentlichen Änderung in den Verhältnissen berechtigt, die Regelung zur Rentenhöhe im Bescheid vom 12. August 1987 mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben, da sowohl die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X gegeben sind.
Die Klägerin hat zum einen Einkommen erzielt, das - unstreitig - zur Minderung des Anspruchs führte (Nr. 3). Zum anderen muss sich die Klägerin vorhalten lassen, ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen zu sein (Nr. 2).
Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchtet; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R, juris = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 m.w.N.).
Ausgehend davon muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für sie nachteiliger Veränderungen in den Verhältnissen nicht nachgekommen ist. Der sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ergebenden Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin in dem Bescheid vom 12. August 1987 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, ist die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die von der Klägerin vorgelegte schriftliche Mitteilung über die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung im Jahr 1994 ist nicht aktenkundig. Unter Berücksichtigung der Hinweise in dem Bescheid vom 12. August 1987 sowie des Umstandes, dass die Mitteilung von der Klägerin abgesandt wurde, weil sie von einer Arbeitskollegin darauf hingewiesen wurde, dass das Einkommen auf die Rente anzurechnen sei und sie deshalb eine Mitteilung vornehmen solle, hat die Klägerin mehr oder weniger die Augen davor verschlossen, dass die Witwenrente ohne Einkommensanrechnung weiterhin gezahlt wurde. Die Klägerin hat aber im Rahmen ihrer Mitteilungspflichten dafür Sorge zu tragen, dass die Information bei der Beklagten ankommt.
Liegen die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, erfolgt die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit. Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen abweichen kann (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris, Rdnr. 57 m.w.N. = SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische Fälle" eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 19; BSG, Urteil vom 11. Februar 1988, 7 RAr 55/86, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1983, 7 RAr 13/82, juris = SozR 3-4100 § 63 Nr. 2). Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts ebenfalls durch nachträgliche Veränderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris, Rdnr. 58 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Dabei ist zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistung nach Lage des Falls eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in atypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen. Ebenso ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einzubeziehen. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falls im Sinne einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu werten ist, kann im Einzelfall die Atypik des verwirklichten Tatbestands nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergeben. Ein atypischer Fall liegt zum Beispiel vor, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Aufhebung verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 19), wenn er sonst für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistung, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1984, 4 RJ 79/83, juris = SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1983, 10 RKg 17/82 = SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe liegt bei der Klägerin kein atypischer Fall vor. Die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung ist für sich genommen noch nicht geeignet, einen "atypischen Fall" zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1986, 7 RAr 65/85, juris; BSG, Urteil vom 15. August 2002, B 7 AL 24/01 R, juris = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Juni 2003, B 11 AL 70/02 R, juris; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 13 RJ 28/03 R, juris = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2). Das entspricht dem in §§ 275 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis" oder ein Fall der "Entreicherung" ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar. Auch der Umstand, dass die Klägerin die Rente in einer Höhe versteuert hat, die ihr nunmehr nicht zusteht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies trifft auf alle Bezieher einer Rente zu, bei denen es zu einer rückwirkenden Aufhebung wegen Einkommensanrechnung kommt, und unterscheidet den Fall der Klägerin damit nicht von anderen Fällen.
Die Beklagte durfte die Bewilligung auch mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 teilweise aufheben gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X, da bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung die Witwenrente laufend gezahlt wurde. Es bedurfte keiner Entscheidung dazu, ob es sich bei dieser Verweisung um eine Rechtsgrund- (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R) oder Rechtsfolgenverweisung (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 08/17, § 48 SGB X Rdnr. 113) handelt. Denn selbst für eine Rechtsgrundverweisung wären die Voraussetzungen erfüllt, da die Klägerin "bösgläubig" war.
Die Aufhebung der Rentenbewilligung mit Bescheid vom 5. Januar 2010 erfolgte gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auch innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn die Beklagte erfuhr erstmals im Anschluss an eine persönliche Beratung der Klägerin durch die DRV Hessen am 10. November 2009 von den Einkünften der Klägerin aus Erwerbstätigkeit. Die Mitteilung der Krankenversicherung über ein geändertes Krankenversicherungsverhältnis gibt hingegen keine positive Kenntnis des für die Aufhebung zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten, auf den es bei § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ankommt (vgl. Steinwedel in: Kass. Kommentar, § 45 SGB X, Rdnr. 30), dass es zu einer Änderung in den Einkommensverhältnissen gekommen sein könnte.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010, der den monatlichen Rentenzahlanspruch ab dem 1. Januar 2010 teilweise aufheben will, ist hingegen rechtswidrig, da der Bescheid vom 17. Juni 2004 keine Regelung zur Höhe des monatlichen Rentenzahlanspruchs enthält. Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 kann deshalb keine Regelungswirkung entfalten, geht damit ins Leere und ist allein deshalb aufzuheben.
Ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X trifft eine Regelung, wenn er darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen, wenn er also ein subjektives Recht feststellt oder beseitigt oder eine Pflicht begründet (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987, 7 C 83/84, juris, Rdnr. 9 m.w.N. = BVerwGE 77, 268-276). Die Qualifizierung von Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt richtet sich nicht danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist. Maßgeblich ist vielmehr in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) der objektive Sinngehalt ihrer Erklärung, d.h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 31, Rdnr. 26 m.w.N.). Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann. Musste von einem objektiven Empfängerhorizont aus die Erklärung als rechtsverbindliche Feststellung verstanden werden, liegt nicht nur ein formeller Verwaltungsakt, sondern ein materieller Verwaltungsakt vor (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnrn. 17, 18 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1).
Ausgehend davon stellt die Aussage in dem Bescheid vom 17. Juni 2004 "Für die Zeit ab 01.08.2004 werden laufend monatlich 717,63 EUR gezahlt." lediglich eine Mittelung über den bloßen Auszahlungsbetrag (irreführend als "monatlicher Zahlbetrag" bezeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 14)) dar. Dieser Auszahlungsbetrag ist das Ergebnis des Einbehalts der Rente zur Erfüllung der Beitragsforderung der Kranken- und Pflegeversicherung; dies ist eine verkürzte Form der Verrechnung (§ 52 SGB I) (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnrn. 25, 26 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Die rechtmäßige Einbehaltung bewirkt, dass der Beitragsanspruch des Dritten gegen den Rentner und dessen Rentenanspruch gegen den einbehaltenden Träger kraft Gesetzes erloschen ist. Die Mitteilung des Auszahlungsbetrags ist keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X, denn der bloße Hinweis auf das rechnerische Ergebnis einer Subtraktion hat keinen eigenständigen Regelungswert (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr.14 = SozR 4-2500, § 255 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, B 5 R 14/10 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 15; BSG, Urteil vom 11. Mai 2011, B 5 R 8/10 R, Rdnr. 17, juris = SozR 4-5050 § 31 Nr. 1; aA LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016, L 10 R 1154/15, juris, Rdnr. 17). Eine Regelung in Bezug auf den monatlichen Rentenzahlanspruch, wie er sich aus § 64 SGB VI ergibt, wird damit nicht getroffen.
Die Aussage: "Die bisherige große Witwenrente wird ab 01.01.2004 neu berechnet." ist entgegen ihres Wortlauts ebenfalls keine Regelung in Bezug auf den Rentenzahlanspruch. Zwar könnte der Terminus "wird neu berechnet" dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte zwar keine Neufestsetzung in Bezug auf § 64 SGB VI vornehmen, wohl aber eine Neuberechnung des monatlichen Rentenzahlanspruchs durchführen wollte, z.B. unter Berücksichtigung der anspruchsvernichtenden Einrede des Hinzuverdienstes, eines Ruhens nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG) oder des Erfüllungseinwands nach § 107 Abs. 1 SGB X. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände und Zusammenhänge wird aber erkennbar, dass eine solche "Neuberechnung" nicht von der Beklagten beabsichtigt war. Aus der Begründung auf Seite 2 des Bescheides vom 17. Juni 2004 wird auch für den Adressaten des Bescheides unzweifelhaft klar, dass die "Neuberechnung" aufgrund einer Änderung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erfolgt ist. Es ist deshalb auch für den Empfänger des Bescheides erkennbar, dass keine Regelung zum monatlichen Rentenzahlanspruch getroffen, sondern lediglich der Beitragsänderung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung Rechnung getragen werden sollte. Etwas anderes ergibt sich abschließend auch nicht daraus, dass in der Anlage 1 des Bescheides vom 17. Juni 2004 der Zahlungsanspruch aus der Rente im Rahmen der dargestellten Verrechnung der Rente mit den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aufgeführt wird. Dies geschieht nur, um überhaupt die Verrechnung darlegen zu können, nicht aber, um eine Regelung hinsichtlich des monatlichen Rentenzahlanspruchs zu treffen.
Enthält der Bescheid vom 17. Juni 2004 keine Regelung zum monatlichen Rentenzahlanspruch, so geht der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 hinsichtlich der einzig beabsichtigten Regelung ins Leere und kann keine Regelungswirkung herbeiführen. Der Bescheid vom 7. September 2010 ist daher lediglich als sogenannter formeller Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ein formeller Verwaltungsakt vermittelt dem Adressaten den Eindruck, er verlautbare einen materiellen Verwaltungsakt, unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 16 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Dies kann z.B. durch die Benutzung von Leitwörtern wie "Bescheid", "Verfügung" oder "Verwaltungsakt" geschehen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, B 5 R 14/10 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 15), oder auch dadurch, dass - wie im Bescheid vom 17. Juni 2004 - eine Rechtsmittelbelehrung angefügt ist.
Ein solcher bloß formeller Verwaltungsakt verletzt jeden von ihm Betroffenen in seinen Rechten und ist deshalb notwendig aufzuheben (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 21 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Allein die Existenz eines formellen Verwaltungsakts ist für die Klägerin mit dem Risiko behaftet, dass ihr dieser in Zukunft als ein insoweit "bestandskräftiger Verwaltungsakt" entgegengehalten werden könnte, der unabhängig von der materiellen Rechtslage teilweise das Erlöschen des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Januar 2004 feststellt (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1).
Da der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 außer der (teilweisen) Rücknahme des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Januar 2010 keine weitere Regelung enthalten sollte, war in Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden klarzustellen, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 insgesamt aufgehoben wurde.
Nach alledem musste die Berufung der Beklagten im tenorierten Umfang Erfolg haben und die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin hinsichtlich ihres Hauptziels keinen Erfolg hatte.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Anschluss-Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 vollständig aufgehoben worden ist.
III. Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
IV. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 wegen Einkommensanrechnung sowie die Erstattung der sich daraus ergebenden Überzahlung von 85.994,11 EUR.
Die 1953 geborene Klägerin ist Witwe des 1951 geborenen und 1987 verstorbenen Versicherten C. A., mit dem sie am xx. xxx 1975 die Ehe schloss und die im September 1975 und im Juli 1983 geborenen Söhne hat.
Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Klägerin am 11. Juni 1987 bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente und gab im Antrag an, über kein eigenes Arbeitsentgelt zu verfügen.
Mit Bescheid vom 12. August 1987 erkannte die Beklagte den Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit einem Rentenbeginn am 8. Juni 1987 an und stellte eine monatliche Rentenhöhe von 1.086,70 DM sowie einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung fest. Der Bescheid enthielt Hinweise auf die Regelung zur Einkommensanrechnung sowie die Verpflichtung der Klägerin, Erhöhungen oder Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
Im März 1988 nahm die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung auf, seit Februar 1994 war sie in Vollzeit beschäftigt. Die Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung zeigte sie der Beklagten nicht an; eine Anzeige über den Beginn der Vollzeitbeschäftigung ist nicht aktenkundig.
Mit Bescheid vom 8. März 2004 setzte die Beklagte Änderungen bei der Beitragszahlung zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. April 2004 um, woraus sich ein monatlicher (Aus-)Zahlbetrag der Rente von 717,63 EUR ergab.
Mit "Rentenbescheid" vom 17. Juni 2004 berechnete die Beklagte die bisherige große Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Januar 2004 neu. Für die Zeit ab dem 1. August 2004 ergab sich ein monatlicher (Aus-)Zahlbetrag von 717,63 EUR. Als Gründe für die Neuberechnung werden auf Seite 2 ein anderer Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung genannt. Aus der Anlage 1 war ersichtlich, dass die Beklagte kein Einkommen der Klägerin berücksichtigte.
Im Rahmen einer Beratung am 10. November 2009 in der Auskunfts- und Beratungsstelle A-Stadt der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen über ihre spätere Altersrente stellte sich heraus, dass die Klägerin laufend Witwenrente bezog, jedoch ohne Einkommensanrechnung.
Aufgrund dessen berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2010 die große Witwenrente ab dem 1. Juli 1994 neu. Für die Zeit ab 1. Februar 2010 belaufe sich der monatliche (Aus-)Zahlbetrag auf 65,00 EUR. Für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Januar 2010 ergebe sich eine Überzahlung von 85.994,11 EUR, die zu erstatten sei. Der Rentenbescheid vom 12. August 1987 werde mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben wegen Einkommensanrechnung, so dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt seien.
Dagegen legte die Klägerin am 11. Januar 2010 Widerspruch ein und machte nach Akteneinsicht geltend, dass sie die Änderung ihrer Einkommensverhältnisse zum 1. Februar 1994 mitgeteilt habe. Die Krankenversicherung sei über ihr Einkommen stets informiert gewesen. Insbesondere sei im Rahmen der Meldung zur Krankenversicherung der Rentner das eigene Einkommen bekannt gewesen. Dazu legte die Klägerin eine Kopie ihres Schreibens vom 9. April 1994 an die Rechtsvorgängerin der Beklagten vor, in dem sie die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung anzeigte.
Auf Nachfrage der Beklagten gab sie weiter an, dass sie hinsichtlich der Waisenrente ihrer Kinder unaufgefordert Vordrucke in regelmäßigen Abständen erhalten und mit normaler Post zurückgesandt habe. Auch ihre Mitteilung vom 9. April 1994 habe sie mit normaler Post verschickt und sei davon ausgegangen, damit ihre Auskunftspflicht erfüllt zu haben. Da im Anschluss keine Nachfrage gekommen sei, sei sie davon ausgegangen, dass die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung keine rentenrechtlichen Konsequenzen haben werde. "Eingangsbestätigungen" der Beklagten habe sie nie erhalten.
In seiner Sitzung vom 30. Juli 2010 lehnte es der Widerspruchsausschuss ab, über den Widerspruch zu entscheiden und wies u.a. darauf hin, dass hinsichtlich des Zeitraums ab 1. Januar 2004 noch eine Korrektur des Neuberechnungsbescheids vom 17. Juni 2004 erforderlich sei auf der Grundlage des § 45 SGB X.
Daraufhin erließ die Beklagte am 7. September 2010 einen "Ergänzungsbescheid", wonach in Ergänzung des Bescheides vom 5. Januar 2010 mitgeteilt werde, dass der Bescheid vom 17. Juni 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2004 gemäß § 45 SGB X hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben werde. Auswirkungen auf die bereits ermittelte Überzahlungshöhe ergäben sich hierdurch nicht. Der Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei, könne sie sich auf Vertrauen in den Rentenbescheid vom 17. Juni 2004 nicht berufen. Es liege kein atypischer Fall vor. Besondere Umstände, die die getroffene Entscheidung als unbilligen, unzumutbaren Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin erscheinen ließen, habe die Klägerin nicht nachgewiesen.
Am 10. Dezember 2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben, mit der sie sich gegen die Aufhebung der Rentenbewilligung für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 wandte.
Nachdem die Beklagte hinsichtlich eines gerichtlichen Vergleichs von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht und mitgeteilt hatte, dass sich für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 2003 eine Überzahlung von 40.990,82 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Januar 2010 von 45.003,29 EUR ergebe, hat das Sozialgericht Wiesbaden mit Urteil vom 11. Oktober 2013 den Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 (richtig: 24. November 2010) insoweit aufgehoben, als der darin geforderte Erstattungsbetrag hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 2003 den Betrag von 40.990,82 EUR übersteige. Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 (richtig: 24. November 2010) werde insoweit aufgehoben, als darin der Bescheid vom 17. Juni 2004 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Januar 2010 aufgehoben worden sei. Im Übrigen wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 SGB X erfüllt seien. Es liege kein atypischer Fall vor. Hinsichtlich der Rücknahme des Bescheids vom 17. Juni 2004 fehle es in dem Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 an der nach § 45 SGB X erforderlichen Ermessensausübung.
Gegen das ihr am 16. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Januar 2014 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin hat am 30. Januar 2014 Anschluss-Berufung gegen das ihr am 10. Dezember 2013 zugestellte Urteil bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass sie nach erneuter Überprüfung der Rechtslage der Überzeugung sei, dass es gar keiner Rücknahme des Bescheides vom 17. Juni 2004 nach § 45 SGB X bedurft hätte. Dieser sei nur aufgrund einer stornierten Fehlermeldung der Krankenkasse vom 8. Juni 2004 im maschinellen Verfahren ergangen. Der Bescheid vom 17. Juni 2014 enthalte allenfalls eine Regelung zur Höhe der aus der Rente einzubehaltenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Da der Bescheid vom 17. Juni 2004 nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Regelung zur Rentenhöhe enthalte, sei er diesbezüglich unbeachtlich und somit auch der Rücknahmebescheid vom 7. September 2010. Vielmehr entfaltete der Aufhebungsbescheid vom 5. Januar 2010 seine volle Wirkung.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 aufzuheben, soweit darin der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 und der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 aufgehoben worden sind,
die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
sowie im Wege der Anschluss-Berufung unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2014 sowie den Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 auch insoweit aufzuheben, als die Bescheide vom 12. August 1987 und 17. Juni 2004 bezüglich der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Januar 2010 aufgehoben wurden und sie einen Betrag in Höhe von 85.994,11 EUR erstatten soll.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, dass ein atypischer Fall vorliege. Zudem berufe sie sich auf die Einrede der Verjährung. Aufgrund der Meldung vom 8. Juni 2004 hätte die Beklagte eine weitergehende Prüfung veranlassen müssen, so dass die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht beachtet worden sei. Auch sei sie vor Erlass des Bescheides vom 5. Januar 2010 nicht angehört worden. Es könne dahinstehen, wie die Beklagte intern die datenmäßigen Konsequenzen im Zusammenhang mit Änderungen im Bereich der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vollziehe. Die Beklagte selbst sei bei Erlass des Bescheides vom 17. Juni 2004 davon ausgegangen, dass er einen Verfügungssatz enthalte und mit dem Widerspruch angefochten werden könne. Eine inhaltliche Regelung liege damit vor. Hinsichtlich der weiteren Angaben der Klägerin u.a. zu ihrer Mitteilung an die Beklagte aus dem Jahr 1994 wird auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins am 10. August 2017 Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie auch aufgrund der Meldung vom 8. Juni 2004 keine positive Kenntnis von anzurechnendem Einkommen gehabt habe. Bezüglich eines Anhörungsfehlers werde auf § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X verwiesen. Der Änderung im Bereich der Beitragstragung zum 1. April 2004 sei bereits durch den Bescheid vom 8. März 2004 förmlich Rechnung getragen worden. Somit sei weiterhin davon auszugehen, dass es sich bei dem Bescheid vom 17. Juni 2004 um einen reinen "Beitragsbescheid" handele, der die hier in Rede stehende Regelung "Rentenhöhe" nicht berührt habe. Im Bescheid vom 17. Juni 2004 werde als Grund für die Neuberechnung angegeben, dass in der Kranken- und Pflegeversicherung ein anderer Beitragssatz maßgebend sei. Ersichtlich sollte also die Regelung "Rentenhöhe", die sich aus § 64 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) ergebe, nicht neu geregelt werden.
Die Beteiligten haben sich am 9. Oktober 2017 und 13. Oktober 2017 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Rentenakten des Versicherten. Deren Inhalt war Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß § 143 Abs. 1, § 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG); hingegen war die Anschluss-Berufung der Klägerin nicht fristgebunden.
Die Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Oktober 2013 kann keinen Bestand haben und ist zu ändern, soweit damit die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 (§ 95 SGG) Erfolg hatte. Dieser Bescheid ist insgesamt rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Im Übrigen bleibt die Berufung der Beklagten aber erfolglos.
Die Anschluss-Berufung der Klägerin dagegen war zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 vollständig aufgehoben worden ist. Denn die Tenorierung des sozialgerichtlichen Urteils legt nahe, dass dieser Bescheid einen weiteren als den "insoweit" aufgehobenen Regelungsgehalt hat, obwohl er sich in dieser Aussage erschöpft. Darüber hinaus war die Anschluss-Berufung der Klägerin aber ebenfalls erfolglos.
Neben der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 12. August 1987 enthält der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 die Festsetzung einer Überzahlung in Höhe von 85.994,11 EUR und ein entsprechendes Zahlungsgebot an die Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 R 8/12 R, juris, Rdnr. 14). Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 verlautbart lediglich die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 17. Juni 2004.
Soweit der monatliche Rentenzahlanspruch teilweise auch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde, ist diese Regelung nicht streitgegenständlich, da die Klägerin diese Regelung nicht mit ihrer Klage angegriffen hat, so dass insoweit Bestandskraft eingetreten ist (§ 77 SGG).
Das maßgebliche Begehren der Klägerin ist damit auf die Aufhebung von vier Verwaltungsakten (§ 31 SGB X) im Wege der zulässigen objektiven Häufung (§ 56 SGG) von vier isolierten Anfechtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) gerichtet. Damit kann die Klägerin aber nur hinsichtlich des Bescheides vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 Erfolg haben. Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 ist hingegen sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 stützt sich auf § 48 SGB X. Er ist formell rechtmäßig, auch wenn die Beklagte die Klägerin vor dessen Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört hat.
Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen (§ 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X). Eine Verletzung des § 24 SGB X ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Die Anhörung kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X).
Ausgehend davon hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheides vom 5. Januar 2010 zwar nicht ordnungsgemäß angehört. Sie konnte bezüglich der Anrechnung von Einkommen auf die Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X verzichten, nicht jedoch hinsichtlich der Erstattungsforderung. Die Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X greift nur dann ein, wenn die Veränderung des Einkommens der einzige entscheidungsrelevante Gesichtspunkt für den Erlass des Verwaltungsaktes ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1981, 5b/5 RJ 56/80, juris = SozR 1200 § 34 Nr. 14), nicht hingegen, wenn außer den Einkommensverhältnissen noch weitere Feststellungen zu treffen sind (vgl. Vogelsang in: Hauck/Noftz, SGB, 04/12, § 24 SGB X, Rdnr. 32), wie zum Beispiel für die nach § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzte Erstattungsforderung (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017, B 13 R 21/15 R, juris, Rdnr. 15).
Insoweit ist allerdings eine Heilung im Rahmen des Vorverfahrens eingetreten (vgl. zu dieser Möglichkeit: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 13 RJ 67/99 R, juris, Rdnr. 26 = SozR 3-1300 § 1 Nr. 1). Allein der Umstand, sich im Rahmen eines Widerspruchs äußern zu können, reicht dafür zwar nicht aus. Vielmehr muss die Nachholung der erforderlichen Anhörung dieselbe rechtliche Qualität haben wie die an sich nach § 24 Abs. 1 SGB X gebotene Handlung (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91, juris, Rdnr. 26 = SozR 3-1300 § 42 Nr. 1). Es kommt mithin darauf an, ob die Beklagte der Klägerin im Rahmen des Vorverfahrens hinreichend Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für ihre Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hierzu ist es notwendig, dass der Verwaltungsträger die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass dieser sie als solche erkennen und sich zu ihnen sachgerecht äußern kann. Welche dies sind, beurteilt sich anhand der Ermächtigungsgrundlage, die die Behörde nach ihrer materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zugrunde legt (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91, juris, Rdnr. 28 = SozR 3-1300 § 42 Nr. 1; BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 4 RA 35/02 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-2600 § 313 Nr. 1).
Ausgehend davon konnte sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren zu den entscheidungserheblichen Tatsachen äußern. Die Beklagte hat auf Seite 6 des Bescheides vom 5. Januar 2010 die Rechtsgrundlage für die Aufhebung (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) dargestellt sowie den Umstand, dass die Einkommensanrechnung zur teilweisen Aufhebung der Witwenrente ab dem 1. Juli 1994 führt, zudem wurde die Höhe des Erstattungsbetrags mitgeteilt. Zur Frage der groben Fahrlässigkeit bedurfte es keiner Anhörung, da die Beklagte bei ihrer Entscheidung am 5. Januar 2010 diese nicht als entscheidungserhebliche Tatsache ansah. Die zeitlich später ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rechtsgrundverweisung in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X (Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R; Urteil vom 2. November 2015, B 13 R 27/14 R) konnte und musste sie nicht berücksichtigen.
Der Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 12. August 1987 teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 1. Juli 1994 aufzuheben und die Erstattung der Überzahlung zu verlangen.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ein Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führen würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt dabei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X kann eine Rücknahme bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Eintritt der Änderung der Verhältnisse erfolgen. Sofern es sich um eine laufende Geldleistung handelt, die bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde, ist eine Rücknahme auch noch nach Ablauf von zehn Jahren möglich (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X). Des Weiteren muss die Behörde die Aufhebung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.
Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Dies soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden (§ 50 Abs. 3 SGB X).
Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf anzurechnen. Ein Zusammentreffen von Einkommen und Witwenrente liegt im Rechtssinne vor, wenn der Rentenberechtigte für denselben Zahlungszeitraum gegen den Träger der Rentenversicherung aus seinem Renten(stamm)recht einen Zahlungsanspruch auf Rente hat und ihm zeitgleich außerdem ein Recht auf Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Mai 2014, B 5 R 6/13 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-2600 § 97 Nr. 2).
Ausgehend davon ist nach Bekanntgabe des Bescheides vom 12. August 1987, mit dem die Witwenrente ab dem 8. Juni 1987 festgestellt wurde und bei dem es sich um einen Verwaltungsakt über eine laufende (wiederkehrende) Geldleistung (Dauerbescheid) handelt, eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten.
Der Bescheid vom 8. Juni 1987 enthält die notwendigen vier Verfügungssätze für die Feststellung einer Rente, die als Verwaltungsakt jeweils selbständig in Bindung erwachsen können: Die Entscheidung über die Rentenart, über die Höhe sowie Beginn und Dauer des Anspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 1996, 4 RA 108/94, juris, Rdnr. 30 = SozR 3-2600 § 88 Nr. 1). Hinsichtlich der Regelung zur Höhe des monatlichen Rentenzahlanspruchs ist zum 1. Juli 1994 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, da das aus der Vollzeitbeschäftigung erzielte Arbeitsentgelt aufgrund seiner Höhe zu einer Minderung des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Juli 1994 in der von der Beklagten ausgewiesenen Höhe führte. Bei einem Hinzuverdienst wird nicht das Stammrecht auf Rente selbst (ganz oder teilweise) vernichtet bei Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze im jeweiligen Monat, sondern ausschließlich betroffen ist der für den jeweiligen Monat aus dem Stammrecht entstandene Einzelanspruch auf Zahlung (BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 4 RA 35/02, juris, Rdnr. 21 = SozR 4-2600 § 313 Nr. 1). Auf diesen ist der festzusetzende monatliche Anrechnungsbetrag anspruchsvernichtend "anzurechnen" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 4 RA 110/00 R, juris, Rdnr. 21 = SozR 3-2600 § 97 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27. Mai 2017, B 5 R 6/13 R, juris, Rdnr. 12 = SozR 4-2600 § 97 Nr. 2). Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der Überzahlung in Höhe von 85.994,11 EUR.
Die Beklagte war aufgrund dieser wesentlichen Änderung in den Verhältnissen berechtigt, die Regelung zur Rentenhöhe im Bescheid vom 12. August 1987 mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben, da sowohl die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X gegeben sind.
Die Klägerin hat zum einen Einkommen erzielt, das - unstreitig - zur Minderung des Anspruchs führte (Nr. 3). Zum anderen muss sich die Klägerin vorhalten lassen, ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen zu sein (Nr. 2).
Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchtet; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R, juris = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 m.w.N.).
Ausgehend davon muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für sie nachteiliger Veränderungen in den Verhältnissen nicht nachgekommen ist. Der sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ergebenden Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin in dem Bescheid vom 12. August 1987 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, ist die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die von der Klägerin vorgelegte schriftliche Mitteilung über die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung im Jahr 1994 ist nicht aktenkundig. Unter Berücksichtigung der Hinweise in dem Bescheid vom 12. August 1987 sowie des Umstandes, dass die Mitteilung von der Klägerin abgesandt wurde, weil sie von einer Arbeitskollegin darauf hingewiesen wurde, dass das Einkommen auf die Rente anzurechnen sei und sie deshalb eine Mitteilung vornehmen solle, hat die Klägerin mehr oder weniger die Augen davor verschlossen, dass die Witwenrente ohne Einkommensanrechnung weiterhin gezahlt wurde. Die Klägerin hat aber im Rahmen ihrer Mitteilungspflichten dafür Sorge zu tragen, dass die Information bei der Beklagten ankommt.
Liegen die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, erfolgt die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit. Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen abweichen kann (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris, Rdnr. 57 m.w.N. = SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische Fälle" eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 19; BSG, Urteil vom 11. Februar 1988, 7 RAr 55/86, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. Mai 1983, 7 RAr 13/82, juris = SozR 3-4100 § 63 Nr. 2). Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts ebenfalls durch nachträgliche Veränderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris, Rdnr. 58 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Dabei ist zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistung nach Lage des Falls eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in atypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen. Ebenso ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einzubeziehen. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falls im Sinne einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu werten ist, kann im Einzelfall die Atypik des verwirklichten Tatbestands nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergeben. Ein atypischer Fall liegt zum Beispiel vor, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Aufhebung verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, juris = SozR 1300 § 48 Nr. 19), wenn er sonst für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistung, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1984, 4 RJ 79/83, juris = SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1983, 10 RKg 17/82 = SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe liegt bei der Klägerin kein atypischer Fall vor. Die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung ist für sich genommen noch nicht geeignet, einen "atypischen Fall" zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1986, 7 RAr 65/85, juris; BSG, Urteil vom 15. August 2002, B 7 AL 24/01 R, juris = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Juni 2003, B 11 AL 70/02 R, juris; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 13 RJ 28/03 R, juris = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2). Das entspricht dem in §§ 275 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis" oder ein Fall der "Entreicherung" ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar. Auch der Umstand, dass die Klägerin die Rente in einer Höhe versteuert hat, die ihr nunmehr nicht zusteht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies trifft auf alle Bezieher einer Rente zu, bei denen es zu einer rückwirkenden Aufhebung wegen Einkommensanrechnung kommt, und unterscheidet den Fall der Klägerin damit nicht von anderen Fällen.
Die Beklagte durfte die Bewilligung auch mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 teilweise aufheben gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X, da bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung die Witwenrente laufend gezahlt wurde. Es bedurfte keiner Entscheidung dazu, ob es sich bei dieser Verweisung um eine Rechtsgrund- (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R) oder Rechtsfolgenverweisung (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 08/17, § 48 SGB X Rdnr. 113) handelt. Denn selbst für eine Rechtsgrundverweisung wären die Voraussetzungen erfüllt, da die Klägerin "bösgläubig" war.
Die Aufhebung der Rentenbewilligung mit Bescheid vom 5. Januar 2010 erfolgte gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auch innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn die Beklagte erfuhr erstmals im Anschluss an eine persönliche Beratung der Klägerin durch die DRV Hessen am 10. November 2009 von den Einkünften der Klägerin aus Erwerbstätigkeit. Die Mitteilung der Krankenversicherung über ein geändertes Krankenversicherungsverhältnis gibt hingegen keine positive Kenntnis des für die Aufhebung zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten, auf den es bei § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ankommt (vgl. Steinwedel in: Kass. Kommentar, § 45 SGB X, Rdnr. 30), dass es zu einer Änderung in den Einkommensverhältnissen gekommen sein könnte.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010, der den monatlichen Rentenzahlanspruch ab dem 1. Januar 2010 teilweise aufheben will, ist hingegen rechtswidrig, da der Bescheid vom 17. Juni 2004 keine Regelung zur Höhe des monatlichen Rentenzahlanspruchs enthält. Der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 kann deshalb keine Regelungswirkung entfalten, geht damit ins Leere und ist allein deshalb aufzuheben.
Ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X trifft eine Regelung, wenn er darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen, wenn er also ein subjektives Recht feststellt oder beseitigt oder eine Pflicht begründet (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987, 7 C 83/84, juris, Rdnr. 9 m.w.N. = BVerwGE 77, 268-276). Die Qualifizierung von Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt richtet sich nicht danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist. Maßgeblich ist vielmehr in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) der objektive Sinngehalt ihrer Erklärung, d.h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 31, Rdnr. 26 m.w.N.). Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann. Musste von einem objektiven Empfängerhorizont aus die Erklärung als rechtsverbindliche Feststellung verstanden werden, liegt nicht nur ein formeller Verwaltungsakt, sondern ein materieller Verwaltungsakt vor (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnrn. 17, 18 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1).
Ausgehend davon stellt die Aussage in dem Bescheid vom 17. Juni 2004 "Für die Zeit ab 01.08.2004 werden laufend monatlich 717,63 EUR gezahlt." lediglich eine Mittelung über den bloßen Auszahlungsbetrag (irreführend als "monatlicher Zahlbetrag" bezeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 14)) dar. Dieser Auszahlungsbetrag ist das Ergebnis des Einbehalts der Rente zur Erfüllung der Beitragsforderung der Kranken- und Pflegeversicherung; dies ist eine verkürzte Form der Verrechnung (§ 52 SGB I) (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnrn. 25, 26 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Die rechtmäßige Einbehaltung bewirkt, dass der Beitragsanspruch des Dritten gegen den Rentner und dessen Rentenanspruch gegen den einbehaltenden Träger kraft Gesetzes erloschen ist. Die Mitteilung des Auszahlungsbetrags ist keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X, denn der bloße Hinweis auf das rechnerische Ergebnis einer Subtraktion hat keinen eigenständigen Regelungswert (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr.14 = SozR 4-2500, § 255 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, B 5 R 14/10 R, juris, Rdnr. 17 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 15; BSG, Urteil vom 11. Mai 2011, B 5 R 8/10 R, Rdnr. 17, juris = SozR 4-5050 § 31 Nr. 1; aA LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016, L 10 R 1154/15, juris, Rdnr. 17). Eine Regelung in Bezug auf den monatlichen Rentenzahlanspruch, wie er sich aus § 64 SGB VI ergibt, wird damit nicht getroffen.
Die Aussage: "Die bisherige große Witwenrente wird ab 01.01.2004 neu berechnet." ist entgegen ihres Wortlauts ebenfalls keine Regelung in Bezug auf den Rentenzahlanspruch. Zwar könnte der Terminus "wird neu berechnet" dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte zwar keine Neufestsetzung in Bezug auf § 64 SGB VI vornehmen, wohl aber eine Neuberechnung des monatlichen Rentenzahlanspruchs durchführen wollte, z.B. unter Berücksichtigung der anspruchsvernichtenden Einrede des Hinzuverdienstes, eines Ruhens nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG) oder des Erfüllungseinwands nach § 107 Abs. 1 SGB X. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände und Zusammenhänge wird aber erkennbar, dass eine solche "Neuberechnung" nicht von der Beklagten beabsichtigt war. Aus der Begründung auf Seite 2 des Bescheides vom 17. Juni 2004 wird auch für den Adressaten des Bescheides unzweifelhaft klar, dass die "Neuberechnung" aufgrund einer Änderung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erfolgt ist. Es ist deshalb auch für den Empfänger des Bescheides erkennbar, dass keine Regelung zum monatlichen Rentenzahlanspruch getroffen, sondern lediglich der Beitragsänderung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung Rechnung getragen werden sollte. Etwas anderes ergibt sich abschließend auch nicht daraus, dass in der Anlage 1 des Bescheides vom 17. Juni 2004 der Zahlungsanspruch aus der Rente im Rahmen der dargestellten Verrechnung der Rente mit den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aufgeführt wird. Dies geschieht nur, um überhaupt die Verrechnung darlegen zu können, nicht aber, um eine Regelung hinsichtlich des monatlichen Rentenzahlanspruchs zu treffen.
Enthält der Bescheid vom 17. Juni 2004 keine Regelung zum monatlichen Rentenzahlanspruch, so geht der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 hinsichtlich der einzig beabsichtigten Regelung ins Leere und kann keine Regelungswirkung herbeiführen. Der Bescheid vom 7. September 2010 ist daher lediglich als sogenannter formeller Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ein formeller Verwaltungsakt vermittelt dem Adressaten den Eindruck, er verlautbare einen materiellen Verwaltungsakt, unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 16 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Dies kann z.B. durch die Benutzung von Leitwörtern wie "Bescheid", "Verfügung" oder "Verwaltungsakt" geschehen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, B 5 R 14/10 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 15), oder auch dadurch, dass - wie im Bescheid vom 17. Juni 2004 - eine Rechtsmittelbelehrung angefügt ist.
Ein solcher bloß formeller Verwaltungsakt verletzt jeden von ihm Betroffenen in seinen Rechten und ist deshalb notwendig aufzuheben (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 21 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1). Allein die Existenz eines formellen Verwaltungsakts ist für die Klägerin mit dem Risiko behaftet, dass ihr dieser in Zukunft als ein insoweit "bestandskräftiger Verwaltungsakt" entgegengehalten werden könnte, der unabhängig von der materiellen Rechtslage teilweise das Erlöschen des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Januar 2004 feststellt (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, juris, Rdnr. 20 = SozR 4-2500 § 255 Nr. 1).
Da der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 außer der (teilweisen) Rücknahme des monatlichen Rentenzahlanspruchs ab dem 1. Januar 2010 keine weitere Regelung enthalten sollte, war in Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden klarzustellen, dass der Bescheid vom 7. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2010 insgesamt aufgehoben wurde.
Nach alledem musste die Berufung der Beklagten im tenorierten Umfang Erfolg haben und die Anschluss-Berufung der Klägerin zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin hinsichtlich ihres Hauptziels keinen Erfolg hatte.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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