L 4 SO 229/16 KL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 229/16 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für eine Klage und eine Widerklage gegen einen Schiedsspruch der Schiedsstelle gemäß § 80 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sind § 57 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGG anwendbar. Es gibt keine Vorschrift, nach der das Landessozialgericht für die im Lande ansässigen Schiedsstellen zuständig wäre.
Das Hessische Landessozialgericht ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das sachlich und örtlich zuständige Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Ernst-Ludwig-Platz 1, 55116 Mainz, verwiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten wenden sich mit Klage und Widerklage gegen einen Schiedsspruch der Hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), mit dem die Investitionsaufwendungen für das "Pflegeheim C.", das in belegen ist und von der Klägerin getragen wird, pflegetäglich auf 15,25 EUR bei einer Laufzeit ab 1. Februar 2015 festgesetzt wurden.
Nachdem in den Schriftsätzen der Beteiligten zunächst als Anschrift der Klägerin die Adresse des Pflegeheims angegeben wurde, hat die Beklagte einen Handelsregisterauszug vorgelegt (Anlage 7, Bl. 134 d.A.), aus dem hervorgeht, dass die Klägerin bereits im Jahr 2013 ihren Sitz nach A-Stadt verlegt hat.
Mit Verfügung vom 1. Februar 2018 hat der Berichterstatter die Beteiligten zum Sitz der Klägerin sowie zur örtlichen Unzuständigkeit und zur Verweisung des Rechtsstreits an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz angehört.

II.

Das Hessische Landessozialgericht ist örtlich unzuständig. Der Senat hat dies nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen gemäß § 98 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das sachlich und örtlich zuständige Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zu verweisen.
Die örtliche Zuständigkeit für Klage und Widerklage gegen einen Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII, deren sachliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts sich aus § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG ergibt, richtet sich im vorliegenden Fall allein nach § 57 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG. Hiernach ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz hat. Klagt eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, so ist der Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten maßgebend, wenn dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist.
§ 57 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG finden auch Anwendung auf die örtliche Zuständigkeit bei erstinstanzlich dem Landessozialgericht nach § 29 Abs. 2 SGG zugewiesenen Angelegenheiten; nur soweit § 29 SGG in den Absätzen 3 und 4 Regelungen über die örtliche Zuständigkeit enthält oder sich andernorts Sonderregelungen finden, gehen diese vor (Keller, in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2017, § 29 Rn. 4; Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 29 Rn. 5; Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl, 2014, § 29 Rn. 1). Insbesondere enthält § 29 Abs. 2 SGG keine konkludente Regelung über die örtliche Zuständigkeit dergestalt, dass das Landessozialgericht für die im Lande ansässigen Schiedsstellen zuständig wäre (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2013 - L 27 P 28/12 KL -, juris; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2013 - L 4 P 758/11 KL -, juris, Rn. 91). Die Entstehungsgeschichte von § 29 Abs. 2 SGG lässt keine Hinweise darauf erkennen, dass auch eine örtliche Zuständigkeit geregelt werden sollte, vielmehr wurde "zur Entlastung der Sozialgerichte und zur Verkürzung der Phase der Unsicherheit, mit der die Parteien während des im Instanzenzug teilweise über Jahre anhängigen Rechtsstreits belastet sind, ( ) eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Landessozialgerichte für die genannten Rechtsstreitigkeiten geschaffen" (BT-Drs. 16/7716, S. 16), was allein die sachliche Zuständigkeit betrifft. Die Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit im Entwurf betreffen allein die Absätze 3 und 4.
Auch aus anderen Vorschriften kann keine Zuständigkeit des Hessischen Landessozialgerichts begründet werden. Eine Vorschrift wie § 57a SGG, die der Prozessökonomie und der Bündelung von Erfahrungswissen an einem Gericht dient, fehlt für den Bereich des Sozialhilferechts, obwohl sie hier ebenso sinnvoll wäre wie im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Die eindeutige Systematik und Entstehungsgeschichte von § 29 Abs. 2 SGG sowie die fehlende Analogiefähigkeit der an der Sachmaterie des Krankenversicherungsrechts ausgerichteten Spezialregelung des § 57a SGG stehen jedoch einer entsprechenden Anwendung hier entgegen. § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII regelt nur Zuständigkeit des Vertragspartners am "Sitz" der Einrichtung (und nach vorherrschender Ansicht nicht des Einrichtungsträgers) und damit hier mittelbar die Zuständigkeit der Hessischen Schiedsstelle, trifft aber keine Aussage über die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, die sich allein nach den allgemeinen Regeln des SGG richtet.
Da die Klägerin bereits vor Klageerhebung ihren Sitz in A-Stadt hatte, ist das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz sowohl für die Klage als auch für die Widerklage einer Anstalt des öffentlichen Rechts zuständig.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§§ 98 Satz 2, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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