L 7 AL 65/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 102/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 65/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 77/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Beginn des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der 1973 geborene Kläger meldete sich am 4. November 2013 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. Dezember 2013. Mit Bescheid vom 2. Januar 2014 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld antragsgemäß ab dem 1. Dezember 2013 für die Dauer von 180 Kalendertagen (bis 30. Mai 2014) in Höhe von 31,85 EUR täglich (Bl. 35 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten, künftig: VA).

In der Zeit vom 8. September 2014 bis 22. Juni 2015 war der Kläger als Assistent der Geschäftsführung bei der C. Company D. beschäftigt. Der Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung am 22. Juni 2015. Hiergegen wendete sich der Kläger mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Darmstadt.

Am 22. Juni 2015 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte wiederum die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 23. Juni 2015. Mit Bescheid vom 15. Juli 2015 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Der am 1. Dezember 2013 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erschöpft. Seither sei der Kläger weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher keine neue Anwartschaftszeit erfüllt (Bl. 51 VA). Den hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 2015 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 als unbegründet zurück (Bl. 67 VA).

Am 28. Januar 2016 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte wiederum die Gewährung von Arbeitslosengeld. Hierzu füllte er den formularmäßigen Leistungsantrag der Beklagten aus und legte das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Arbeitsgerichts Darmstadt in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 Ca 121/15 vom 21. Januar 2016 vor. In dem darin enthaltenen gerichtlichen Vergleich wurde ausgeführt, dass zwischen dem Kläger und dem ehemaligen Arbeitgeber, der C. Company D., Einigkeit bestehe, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung mit Ablauf des 7. September 2015 sein Ende gefunden habe. Die außerordentliche Kündigung vom 22. Juni 2015 sowie die ordentliche Kündigung vom gleichen Tag seien gegenstandslos.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger sodann Arbeitslosengeld ab dem 28. Januar 2016 für die Dauer von 180 Kalendertage in Höhe von 26,68 EUR täglich (Bl. 98 ff. VA).

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 2. März 2016 Widerspruch bei der Beklagten. Der Widerspruch richte sich insbesondere gegen den Bewilligungszeitraum bzw. den Beginn der Leistungen. Der Antrag auf Arbeitslosengeld sei bereits am 22. Juni 2015 gestellt worden. Ihm stehe Arbeitslosengeld daher bereits ab dem 8. September 2015 zu.

Mit Änderungsbescheid vom 23. März 2016 (Bl. 108 VA) gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin Arbeitslosengeld ab dem 28. Januar 2016 in Höhe von 26,91 EUR täglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2016 (Bl. 114 VA) wies die Beklagte sodann den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei der Bescheid vom 24. Februar 2016, der auf der Antragstellung vom 28. Januar 2016 beruhe. Über den Antrag vom 22. Juni 2015 sei bereits mit Bescheid vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 entschieden worden. Die persönliche Arbeitslosmeldung sei am 28. Januar 2016 erfolgt. Der insoweit maßgebende Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 8. September 2014 bis 7. September 2015. In diesem Bemessungszeitraum sei an 266 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 21.916,67 EUR erzielt worden. Hieraus folge ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 82,39 EUR sowie ein tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 26,91 EUR.

Gegen diese Entscheidung der Beklagten richtet sich die am 11. April 2016 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangene Klage, mit welcher der Kläger sich weiterhin gegen den Anspruchsbeginn ab dem 28. Januar 2016 wendet und die Gewährung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab 8. September 2015 begehrt. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass er bereits im Rahmen der Antragstellung im Juni 2015 der Beklagten mitgeteilt habe, dass er gegen die Kündigung durch seinen früheren Arbeitgeber arbeitsgerichtlich vorgegangen sei und das Ergebnis noch ausstehe. Dennoch habe die Beklagte seinerzeit den Antrag voreilig mit Bescheid vom 15. Juli 2015 abgelehnt.

Dem ist die Beklagte unter Verweis auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 entgegen getreten.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 19. April 2016 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Gerichtsbescheid vom 7. Juni 2016 die Klage abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte habe zutreffend mit Bescheid vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016 festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 28. Januar 2016 habe.

Ebenfalls zutreffend sei die Auffassung der Beklagten, dass über den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 22. Juni 2015 bereits mit Bescheid vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 bindend entschieden worden sei.

Ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld sei frühestens mit der persönlichen Meldung des Klägers am 28. Januar 2016 entstanden.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit habe nach § 137 Abs. 1 SGB III, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Bis zur Entscheidung über den Anspruch könne die antragstellende Person nach Absatz 2 der Vorschrift bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

Die oder der Arbeitslose habe sich nach § 141 Abs. 1 SGB III persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung sei auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten sei.

Für den vorliegenden Fall folge hieraus, dass zunächst der Tag der tatsächlichen persönlichen Vorsprache des Klägers am 28. Januar 2016 maßgebend sei. Eine Fiktion der persönlichen Arbeitslosmeldung auf den 8. September 2016 sei nicht möglich. Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 SGB III führe nicht zu der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge. Auch könne er unter Zugrundelegung des §137 Abs. 2 SGB III keine Wirkung seiner Meldung in die Vergangenheit bewirken. Der hier maßgebende Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erst am 28. Januar 2016 entstanden. Auch bestünden nach Erlass des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 keine Bedenken an der Höhe der gewährten Leistungen (wird näher ausgeführt).

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main ist dem Kläger am 9. Juni 2016 zugestellt worden. Am 11. Juli 2016 (einem Montag) hat sein Bevollmächtigter für den Kläger hiergegen bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Danach könne der Kläger bereits ab dem 8. September 2015 Arbeitslosengeld beanspruchen, da die Beklagte über den im Juni 2015 gestellten Antrag angesichts des geführten Kündigungsrechtsstreits nicht hätte entscheiden dürfen. Die Beklagte, der der Kündigungsrechtsstreit bekannt gewesen sei (Verweis auf Widerspruch vom 17. Juli 2015, Bl. 64 VA), habe ihn nicht über die Folgen der Antragsbescheidung aufgeklärt und ihn auch nicht über die Möglichkeit beraten, eine Disposition nach § 137 Abs. 2 SGB III zu treffen. Infolge der unterlassenen Beratung komme daher der sozialrechtliche Herstellungsanspruch in Betracht, sodass er so zu stellen sei, als hätte er nach ordnungsgemäßer Beratung von der Möglichkeit des § 137 Abs. 2 SGB III Gebrauch gemacht (Verweis auf SG Karlsruhe vom 31. Oktober 2012 - S 16 AL 726/12, Rn. 26 sowie auf Urteil des Hessischen LSG vom 6. Dezember 2013, L 7 AS 141/12, Rn. 35). Die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 15. Juli 2015 stehe dem nicht entgegen, weil dieser Bescheid gleichsam zu korrigieren sei.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 2016 und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016 sowie unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 15. Juli 2015 die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld bereits ab dem 8. September 2015 in gesetzlichem Umfang zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die ihrer Auffassung nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Entgegen der Auffassung des Klägers sei dieser auch nicht von der Beklagten unzureichend beraten worden. Auch hätten konkrete Anhaltspunkte, die eine Pflicht der Beklagten zur Spontanberatung ausgelöst hätten, nicht vorgelegen (Verweis auf Beschluss des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 19. Juni 2014, L 6 AS 83/13 PKH, in juris). Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 berufe, werde darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung durch Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Dezember 2014, B 11 AL 2/14 R komplett aufgehoben worden sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die hier fehlende persönliche Arbeitslosmeldung zum 8. September 2015 nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden könne.

Die Beteiligten haben sich mit Erklärungen vom 8. September 2017 (Beklagte) und 11. September 2017 (Klägerseite) mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch den bestellten Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils bei der Entscheidung vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch den bestellten Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, § 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Gegenstand des Verfahrens ist dabei der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016, mit dem die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 28. Januar 2016 - und nicht wie vom Kläger gewünscht bereits ab 8. September 2015 - gewährt hat.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die auf Abänderung der o.a. Bescheide und Gewährung von Arbeitslosengeld bereits ab 8. September 2015 gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Senat schließt sich nach eigener Überzeugung den Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Auch der Vortrag im Berufungsverfahren gibt zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Insbesondere ergeben sich daraus für den Senat keine Anhaltspunkte, von seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die fehlende Ersetzungsmöglichkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. Urteil des Senats vom 23. September 2011, L 7 AL 174/10, in juris) abzuweichen.

Zudem ergab sich zur Überzeugung des Senats vorliegend für die Beklagte im Rahmen der Antragstellung im Juni 2015 auch keine Pflicht zur Spontanberatung im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 137 Abs. 2 SGB III. Auf dem vom Kläger persönlich unter dem 7. Juli 2015 unterschriebenen Antragsvordruck auf Gewährung von Arbeitslosengeld finden sich keinerlei Angaben zu einem eingeleiteten, anhängigen oder beabsichtigten Arbeitsgerichtsverfahren (Frage 3e ist sogar ausdrücklich verneint worden). Auch aus der vom Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 9. Juli 2015 ist in dieser Richtung nichts erkennbar. Ebenso in dem vom Kläger unter dem 6. Juli 2015 zurückgegebenen Fragebogen bei Arbeitgeberkündigung hat der Kläger keine Angaben zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren gemacht. Zwar hat er gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. Juli 2015 mit Schreiben vom 17. Juli 2015 Widerspruch eingelegt und darin neben dem Hinweis auf eine im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 30. August 2014 ausgeübte Pflegetätigkeit als Pflegeperson seiner pflegebedürftigen Mutter in Litauen auch ausgeführt, dass er gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat; den daraufhin ergangen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. August 2015 hat er jedoch bestandskräftig werden lassen. Ein neuer Anspruch konnte somit erst wieder nach erneuter Arbeitslosmeldung am 28. Januar 2016 entstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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