L 5 R 134/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 10 R 3/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 134/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 50/18 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1955 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger marokkanischer Herkunft, will in Marokko zum Aushilfslehrer ausgebildet worden sein. Im Jahr 1984 ist der Kläger dann seinen eigenen Angaben zufolge in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt worden und war hier als Kommissionierer und Eisenbieger tätig. Am 23. Oktober 1992 schied er aus dem sozialversicherungspflichtigen Erwerbsleben aus. Wegen eines Tötungsdelikts saß der Kläger seit dem 24. Juli 2002 zunächst in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landgerichts Gießen vom 13. November 2003 wurde er zu einer 12-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Im Versicherungsverlauf des Klägers sind bis zum 23. Oktober 1992 insgesamt 58 Monate und ab dem 24. Oktober 1992 bis 30. April 2003 weitere 124 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Weitere rentenrechtliche Zeiten in der deutschen Rentenversicherung hat der Kläger seitdem nicht zurückgelegt.

Am 10. November 2011 beantragte der Kläger formlos die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund, die den Antrag an die Beklagte weiterleitete. Zur Begründung seines Rentenantrags machte der Kläger geltend, bereits vor seiner Inhaftierung wegen psychisch-seelischer Störungen, Asthma bronchiale, Depression, Psychose, Schizophrenie, posttraumatischer Belastungsstörung, Schwindel und Leistenbruch erwerbsgemindert gewesen zu sein. Hierzu hätten aber auch die unwürdigen Haftbedingungen beigetragen.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger ausgehend von einer Antragstellung am 10. November 2011 in dem dann maßgeblichen fünfjährigen Vorbelegungszeitraum vom 10. November 2006 bis 9. November 2011 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen habe.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er eine Vielzahl von (medizinischen) Unterlagen vorlegte, darunter auch das psychologische Zusatzgutachten des Dipl. Psychologen H. vom 20. Dezember 2002 und das Gutachten des Dr. med. C. - Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie - vom 12. Februar 2003, beide erstellt für die Staatsanwaltschaft Gießen im Ermittlungsverfahren Az.: 403 Js 15680/02.

Nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen gelangte Dr. med. D. - Facharzt für Orthopädie - vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 4. Juli 2012 zu der Einschätzung, dass der Kläger ausgehend von den Diagnosen

1. Dissoziale Persönlichkeitsstörung im Rahmen einer langjährigen Inhaftierung
2. Prostatahyperplasie
3. Hämorrhoidalleiden I. Grades

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mittelschwere Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen (keine Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, keine Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen und Maschinen, keine Tätigkeiten mit erleichtertem Zugang zu Suchtmitteln, wie z.B. im Alten- und Krankenpflegebereich) verrichten könne.

Durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, indem sie zunächst nochmals ausführte, dass in dem maßgeblichen und nicht verlängerbaren Fünf-Jahres-Zeitraum kein Monat mit Pflichtbeiträgen belegt sei. Darüber hinaus sei der Kläger derzeit weder teilweise noch voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Als ungelernter Arbeiter dürfe er auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Am 12. Oktober 2012 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Marburg (Az.: S 4 R 192/12), das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 an das Sozialgericht Kassel verwies.

Zur Begründung seiner Klage machte der Kläger geltend, die Beklagte habe die neben den psychiatrischen Einschränkungen bestehenden weiteren gesundheitlichen Probleme (Prostataentfernung am 15. Januar 2008, Asthma, Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Sehstörung, Angstzustände, Schlafstörungen) nicht hinreichend berücksichtigt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen sollte.

Demgegenüber wies die Beklagte zunächst darauf hin, dass der Leistungsfall spätestens im März 2005 (letzter Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären) eingetreten sein müsste.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts holte das Sozialgericht zunächst einen Befundbericht bei Dr. med. E. - Arzt für Allgemeinmedizin - vom 18. Februar 2013 ein. Außerdem reichte Dr. med. C. eine Stellungnahme vom 4. Juli 2013 zur Akte.

Sodann erhob das Sozialgericht von Amts wegen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. F. - Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin - vom 27. Oktober 2013, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am 11. Oktober 2013 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kassel bei dem Kläger folgende Diagnosen stellte:

Symptomdiagnosen:
- schizotype Persönlichkeitsstörung mit schizoid-paranoiden und antisozialen Anteilen, leichte kognitive Störungen
- Zustand nach Drogenabhängigkeit 1990 bis 2001 mit Dealen (Heroin, Kokain)
- Zustand nach Verdacht auf Drogenpsychose 1975 in Marokko mit Psychiatrie-Aufenthalt bei übermäßigem Hasch-Konsum; DD: vorübergehende psychotische Störung

Strukturdiagnosen:
- schizotype Persönlichkeitsstörung mit emotionalen und sozialen Verhaltensauffälligkeiten und aufgehobener individueller Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit der Struktur

Körperliche Diagnosen im Übrigen (übernommen):
- leichtgradige obstruktive Lungenfunktionsstörung
- Zustand nach Prostata-OP in 2009 mit leichtgradiger Inkontinenz (Vorlage)
- Zustand nach Tbc-Erkrankung 1983.

Damit sei der Kläger nur noch in der Lage, weniger als drei Stunden leichte bis mittelschwere Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Die Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit seien nicht mehr gegeben. Diese Leistungsbeurteilung gelte bereits für die Zeit seit der Inhaftierung. Der davor liegende Zeitraum sei schwer überschaubar, vor allem, weil keine ärztlichen Befunde vorliegen würden.

Hiergegen wandte die Beklagte ein, dass ein in rentenmaßgeblichem Umfang herabgesetztes Leistungsvermögen bei dem Kläger nicht mit erforderlicher Sicherheit nachgewiesen sei, geschweige denn, dass eine solche Leistungsminderung bereits seit der Inhaftierung bzw. seit März 2005 bestanden habe. Im Übrigen hätte der psychopathologische Befund vor der Inhaftnahme wegen der Suchtproblematik noch erheblicher ausfallen müssen, sodass das Leistungsvermögen eigentlich sogar bis zur Arbeitsaufgabe zurückverfolgt werden müsste (Stellungnahme von Dr. med. G. vom 21. Februar 2014).

Daraufhin holte das Sozialgericht bei dem Sachverständigen Dr. med. F. eine ergänzende Stellungnahme vom 14. April 2014 ein, der nunmehr der Argumentation von Dr. med. G. folgte, wonach bei der komplexen chronischen Persönlichkeitsstörung des Klägers und dessen Suchterkrankung der psychopathologische Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit schon vor der Inhaftierung noch schwerwiegender ausgefallen sei. Nach nochmaliger Recherche ergäben sich durchaus gesicherte Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsvermögen nicht erst zu Beginn der Haftzeit bestanden habe, sondern bereits im Jahr 1992.

Hierauf erwiderte die Beklagte, dass der Nachweis eines in rentenberechtigendem Umfang geminderten Leistungsvermögens und ab welchem Zeitpunkt dieses vorgelegen habe weiterhin nicht erbracht sei (Stellungnahme von Dr. med. G. vom 18. Juli 2014). Bei einem bereits im Oktober 1992 eingetretenen Leistungsfall wäre im Übrigen die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt. Erst für die Zeit ab dem 1. Dezember 1992 hätten alle versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vorgelegen.

Mit Urteil vom 11. Februar 2016 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger bei Eintritt des Leistungsfalles die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle, weil er im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum vor der Rentenantragstellung am 10. November 2011 bzw. vor der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. med. F. am 11. Oktober 2013 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen habe. Ein Tatbestand, aufgrund dessen dieser Zeitraum verlängert werden könnte, sei nicht gegeben. Auf das Erfordernis dieser besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente könne vorliegend auch nicht verzichtet werden, weil insoweit kein Ausnahme- bzw. Übergangstatbestand erfüllt sei. Es müsste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass das Leistungsvermögen bereits in der Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 31. März 2005 aufgehoben gewesen sei. Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen. Dem Nachweis eines seit dem Jahr 1992 bzw. dem Jahr 2001 durchgängig verminderten zeitlichen Leistungsvermögens stehe entgegen, dass der Zeitraum vor dem Jahr 2001 schwer überschaubar sei, wie der Sachverständige Dr. med. F. eingeräumt habe. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger nie in regelrechter ambulant-psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Aus den in den vorliegenden Befundberichten genannten Diagnosen folge keine Einschätzung zum zeitlichen Leistungsvermögen seit dem Jahr 1992 bzw. dem Jahr 2001.

Gegen das ihm am 19. April 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Mai 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass das Sozialgericht schon deshalb verfahrensfehlerhaft entschieden habe, weil es ungeachtet etwaiger medizinischer Grundkenntnisse nicht zu einer eigenständigen Beurteilung medizinischer Sachverhalte berechtigt sei. Sofern das Gericht die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens ablehne, dürfe es sich hierbei nicht ersatzweise auf eingeholte Befundberichte stützen, sondern sei gehalten, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Die Ausführungen von Dr. med. C. zur Arbeitsfähigkeit seien nicht weiter begründet worden und im Übrigen auch nicht mit dem Sachverständigengutachten von Dr. med. F. in Einklang zu bringen. Sein psychisches Leiden habe sich keinesfalls gebessert. Zur Stütze seines Rentenbegehrens legt der Kläger noch weitere Unterlagen vor, darunter auch den Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales (HAVS) Kassel vom 5. Mai 2014, wonach ihm ein Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) von 80 zuerkannt worden ist. Schon daraus lasse sich seine Erwerbsminderung ableiten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2016 und den Bescheid vom 2. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. November 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren Bescheid und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid Bezug. Auf Anforderung des Senats legt die Beklagte noch einen aktuellen Versicherungsverlauf des Klägers vom 31. Mai 2016 vor.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat vom Universitätsklinikum Gießen Marburg (UKGM) - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen die dort über den Kläger vorhandenen Krankenunterlagen beigezogen sowie bei Dr. med. C. einen Befundbericht vom 2. Februar 2017 eingeholt. Sodann hat der Senat weiter von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme bei dem Sachverständigen Dr. med. F. vom 24. April 2017. Danach könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter konkretisiert werden, dass der Kläger über den 23. Oktober 1992 hinaus nur noch in der Lage gewesen sei, am allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden arbeitstäglich aufzubringen.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2017 sind die Beteiligten zu der Absicht des Senats angehört worden, die Berufung durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte des Klägers Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der Beratung.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten von der in § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und zur Beschleunigung des Verfahrens durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2016 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 20012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig ergangen und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sogenannten Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zwar ist seine Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß herabgemindert. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI war jedoch letztmals für einen im März 2005 eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Für die somit maßgebliche Zeit bis zum 31. März 2005 kann das Vorliegen einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung des Klägers allerdings nicht als nachgewiesen angesehen werden. Zur Überzeugung des Senats ist der Nachweis der Erwerbsminderung erst mit der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Dr. med. F. am 11. Oktober 2013 erbracht.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. F. leidet der Kläger auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet an einer schizotypen Persönlichkeitsstörung mit schizoid-paranoiden, antisozialen Anteilen bei leichten kognitiven Störungen, mit emotionalen und sozialen Verhaltensauffälligkeiten und aufgehobener individueller Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit der Struktur, an einem Zustand nach Drogenabhängigkeit 1990 bis 2001 mit Dealen (Heroin, Kokain) sowie an einem Zustand nach Verdacht auf Drogenpsychose 1975 in Marokko mit Psychiatrie-Aufenthalt bei übermäßigem Hasch-Konsum, differenzialdiagnostisch vorrübergehende psychotische Störung. Daraus resultiert eine außerordentlich schwere Persönlichkeitsstörung mit pathologischen Verhaltensauffälligkeiten, welche die individuelle Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit der Struktur für eine Arbeitsbewältigung aufhebt und auch kein ausreichendes Umstellungs- und Anpassungsvermögen mehr erlaubt. Der Kläger besitzt keine ausreichenden Fähigkeitsmerkmale mehr zum situationsadäquaten Denken und Handeln bei unterschiedlichen körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen im Arbeitsprozess und deren Flexibilität. Er ist nicht mehr in der Lage, allgemeine Aufgaben und Anforderungen zu erfüllen, einfache oder komplexe Mehrfachaufgaben auszuführen, eine tägliche Routine zu entwickeln sowie mit Stress oder anderen psychischen Anforderungen umzugehen. Der Kläger ist vor allem auch in der Kommunikation gestört, sich angemessen mitzuteilen und sich zielgerichtet auf den jeweiligen Gesprächspartner bezogen zu unterhalten. Darüber hinaus liegt bei ihm eine interpersonelle Störung vor, das heißt der Kläger kann keine realen und sozialen Beziehungen aufbauen bzw. aufrechterhalten oder Kontakte aufnehmen. Er ist in bedeutenden Lebensbereichen gestört, ist privat gescheitert und nicht mehr in der Lage, erwerbstätig und wirtschaftlich eigenständig zu sein. Aufgrund seiner skurril-eigenbrötlerischen Persönlichkeit ist ihm außerdem eine Teilnahme am Gemeinschafts-, sozialen und staatsbürgerlichen Leben nicht mehr möglich. Der Kläger ist antisozial beeinträchtigt, sich sozial angemessen bewegen zu können. Bei Art, Schwere und Komplexität seiner Gesundheitsstörung liegt ein Nicht-Können im Sinne einer inneren Unfreiwilligkeit vor, sodass sich die Krankheitssymptome einer willentlichen Steuerung entziehen und daher ein Arbeitshindernis darstellen. Der Kläger könnte die Gesundheitsstörungen mit zumutbarer Willensanspannung bei ihrer Chronizität weder beherrschen noch überwinden.

Die hiergegen von der Beklagten insbesondere auf der Grundlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. med. G. vom 21. Februar 2014 vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine andere Sicht der Dinge.

Der Senat geht nicht davon aus, dass der Kläger anlässlich der ambulanten Untersuchung in der JVA Kassel seinen Gesundheitszustand - vom Sachverständigen Dr. med. F. unbemerkt - lediglich simuliert oder er aggraviert haben könnte. Diese Annahme der Beklagten lässt sich nicht hinreichend sicher objektivieren. Soweit sie sich hierbei darauf beruft, dass auch Dr. med. C. und der Dipl. Psychologe H. eine gewisse bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenz beim Kläger erkannt hätten, ist darauf hinzuweisen, dass beide Gutachter den Kläger im Zusammenhang mit dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (Az.: 403 Js 15680/02) untersucht hatten. Es dürfte außer Frage stehen, dass die in ihren Gutachten vom 20. Dezember 2002 und 12. Februar 2003 festgehaltenen Erkenntnisse keine hinreichend sicheren Rückschlüsse auf den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers am 11. Oktober 2013 erlauben. Eben davon scheint sich jedoch die Beklagte leiten zu lassen, wenn sie eine Simulation oder Aggravation des Klägers annimmt.

Im Übrigen sind die von der Beklagten unterstellte Realitätsnähe und ihre Annahme eines bewussten Handelns dem Sachverständigen Dr. med. F. zufolge nur annähernd und teilweise zutreffend. Insoweit hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. April 2014 klargestellt, dass die Persönlichkeitsmerkmale des Klägers einer Realitätssicht nur geringe Chancen einräumen und dass die Simulation und Aggravation in der paranoiden Verhaltensweise des Klägers aufgehen. Daher bedurfte es anlässlich der Untersuchung am 11. Oktober 2013 auch keiner Konfrontation des Klägers mit der Realität in Form von kritischen Nachfragen zu den von ihm getätigten Äußerungen. Denn seine Aussagen beruhen auf einer komplexen Persönlichkeitsstörung mit psychosozialen Inhalten, die deshalb nicht in ihrem Wahrheitsgehalt nachvollziehbar sind. Vor diesem Hintergrund kann sicherlich auch keine Rede davon sein, dass der Sachverständige Dr. med. F. einem "Knastmärchen" aufgesessen sei, wie Dr. med. G. meint. Auch die Motivationslage für die Rentenantragstellung ist keinesfalls unaufgeklärt. Denn die Beweggründe des Klägers lassen sich ohne Zweifel aus der paranoiden Persönlichkeit und der Rebellion gegen Autoritäten nachvollziehen, wie der Sachverständige Dr. med. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. April 2014 weiter ausgeführt hat.

Sofern der Sachverständige Dr. med. F. einen in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfall annimmt - zunächst ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung des Klägers, später korrigiert auf den 23. Oktober 1992, dem Ausscheiden des Klägers aus dem sozialversicherungspflichtigen Erwerbsleben - überzeugt dies dagegen nicht. Die von ihm in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen lassen nicht den Schluss auf ein schon damals nachweislich rentenrelevant gemindertes oder gar aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers zu. Keinesfalls reicht es vorliegend für eine Rückdatierung des Leistungsfalles aus, aufgrund der komplexen chronischen Persönlichkeitsstörung des Klägers und seiner Suchterkrankung darauf zu schließen, dass der psychopathologische Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit schon vor der Inhaftierung noch schwerwiegender ausgefallen sei. Denn einfache Wahrscheinlichkeitserwägungen, wie sie der Sachverständige Dr. med. F. damit letztlich anstellt, genügen nicht, um vom Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ausgehen zu können. Der vollständige Beweis (Nachweis) für das Vorliegen einer Rentenberechtigung ist nämlich erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu schon: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 144). Der Beweiswert einer rückschauenden Leistungsbeurteilung ist dabei umso größer, je genauer seitens des Sachverständigen differenziert wird zwischen den anlässlich der (eigenen) Untersuchung getroffenen aktuellen Feststellungen und der daraus bezogen auf diesen Zeitpunkt abgeleiteten Beurteilung einerseits und der hiervon ausgehend - unter Zuhilfenahme von geeigneten Anknüpfungspunkten im medizinischen Berichtswesen - entwickelten Einschätzung hinsichtlich der Vergangenheit andererseits. Je lückenloser die Kette der sogenannten Brückensymptome in die Vergangenheit zurückreicht und je eingehender die Aussagekraft von Untersuchungsberichten aus früherer Zeit im Gutachten erläutert wird, umso nachvollziehbarer, einleuchtender und schließlich auch überzeugender kann eine rückschauende Leistungsbeurteilung sein mit der Folge eines dann nachvollziehbar auch in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles.

Daran gemessen ist vorliegend der Nachweis weder für einen am 23. Oktober 1992 noch für einen zum Zeitpunkt der Inhaftierung am 24. Juli 2002 eingetretenen Leistungsfall erbracht. Für einen bereits am 23. Oktober 1992 und damit beinahe 21 Jahre vor der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Dr. med. F. eingetretenen Leistungsfall fehlt es an entsprechenden Brückensymptomen, weil - wie er in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2013 ausdrücklich eingeräumt hat - der Zeitraum vor der Inhaftierung mangels ärztlicher Befundberichte schwer überschaubar ist. Der Senat hält es sogar für schlichtweg ausgeschlossen, für diesen Zeitraum auch nur ansatzweise irgendwelche belastbaren Feststellungen zum Leistungsvermögen des Klägers zu treffen. Die fehlenden Brückensymptome lassen sich dabei auch nicht mit dem Hinweis auf die seelischen Funktionsdefizite ersetzen, die durch die Art, Schwere und Komplexität der Persönlichkeitsstörung des Klägers ausgelöst worden seien. Denn gerade für die Vergangenheit gibt es im Falle des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, welche konkreten Auswirkungen seine Erkrankung bereits damals tatsächlich hatte. Ohne die genauen Verhältnisse im konkreten Einzelfall in Erfahrung gebracht zu haben, reicht allein das pauschale Abstellen auf allgemeine wissenschaftliche Daten und die psychiatrische Kenntnis einer solchen Gesundheitsstörung nicht aus. Das gilt umso mehr, als sämtliche vom Sachverständigen Dr. med. F. in seiner im Berufungsverfahren abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 24. April 2017 genannten Brückensymptome den hier maßgeblichen Zeitraum ab 23. Oktober 1992 gerade nicht so lückenlos abdecken, um einen in der Vergangenheit eingetretenen und vor allem auch überdauernden Leistungsfall als nachgewiesen ansehen zu können. Dass es dem Sachverständigen Dr. med. F. zufolge zwischen 1992 und 2001 eines oder mehrerer Entzüge oder einer Langzeitentwöhnungsbehandlung bedurft hätte, um eine Leistungsfähigkeit des Klägers für den allgemeinen Arbeitsmarkt herzustellen, hilft in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht weiter. Denn mit dieser Argumentation knüpft er daran an, dass der Kläger in der Vergangenheit nicht erwerbsfähig war, was jedoch gerade nicht hinreichend sicher feststeht, zumal der Kläger jedenfalls bis zum 23. Oktober 1992 im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung tatsächlich auch gearbeitet hatte.

Aber auch ein erst am 24. Juli 2002 eingetretener Leistungsfall ist nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen. Soweit sich der Sachverständige Dr. med. F. hierbei auf die Aussagen der JVA-Beamtin J. bezieht, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil offen geblieben ist, ob ihre Fremdanamnese tatsächlich den gesamten Haftzeitraum seit Juli 2002 erfasst. Hierbei darf vor allem nicht verkannt werden, dass der Kläger seit seiner Inhaftnahme nicht ausschließlich nur in der JVA Kassel, sondern in verschiedenen hessischen Justizvollzugsanstalten untergebracht war. Schon aus diesem Grund ist die JVA-Beamtin J. keine geeignete Erkenntnisquelle, um die Beeinträchtigungen des Klägers durchgehend seit seiner Inhaftierung beurteilen zu können. Schließlich darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, dass Dr. med. C. und der Dipl. Psychologe H. in ihren beiden Gutachten vom 12. Februar 2003 bzw. 20. Dezember 2002 einen wesentlich positiveren Befund und ein bei weitem nicht so eingeschränktes Verhalten des Klägers beschrieben haben wie die JVA-Beamtin J. im Rahmen ihrer Fremdanamnese. Dies lässt darauf schließen, dass sich das Krankheitsbild des Klägers während der Haft verschlechtert haben könnte. Auch der Sachverständige Dr. med. F. geht davon aus, dass in der Haft die schizotype Persönlichkeit des Klägers mit dem Rückzug von Kontakten als Eigenbrötlertum besonders deutlich wird, mithin die Umstände der Haft sich auf den Gesundheitszustand des Klägers und seine Leistungsfähigkeit ausgewirkt haben. Im Übrigen ist selbst der Kläger der Ansicht, dass er durch die Haft erwerbsgemindert geworden sei.

Dass dem Sachverständigen Dr. med. F. zufolge ein dreistündiges Leistungsvermögen des Klägers nicht auf den 11. Oktober 2013 bezogen werden könne, sofern eine gravierende Persönlichkeitsstörung und eine Suchterkrankung erheblichen Umfangs zugestanden würden, gebietet schlussendlich keine andere Sicht der Dinge. Zwar erscheint es mit Blick auf sein Sachverständigengutachten und die beiden ergänzenden Stellungnahmen durchaus denkbar und auch möglich, dass bei dem Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt als demjenigen der ambulanten Untersuchung am 11. Oktober 2013 eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß bestanden haben könnte. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist nämlich, dass der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises für ein weniger als sechsstündiges bzw. weniger als dreistündiges Leistungsvermögen erbracht ist. Die insoweit im Falle der Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verbliebenen Zweifel an der Richtigkeit eines bereits am 24. Juli 2002 bzw. sogar am 23. Oktober 1992 eingetretenen Leistungsfalles stehen im vorliegenden Fall indes zur Überzeugung des Senats der Annahme eines solchen Vollbeweises entgegen.

Der Hinweis des Klägers auf den ihm mittlerweile zuerkannten GdB von 80 (Bescheid des HAVS Kassel vom 5. Mai 2014) ist vorliegend unbeachtlich. Das folgt schon daraus, dass sich der GdB im Schwerbehindertenrecht auf die Auswirkungen einer Behinderung in allen Lebensbereichen und nicht nur auf die Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bezieht, weshalb ein GdB bei der Beurteilung von Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung keine entscheidende Rolle spielt (vgl. U. Freudenberg, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI Rdnr. 29). Abgesehen davon erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern eine GdB-Festsetzung im Jahr 2014 Rückschlüsse auf einen in der Vergangenheit vorhandenen Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zulassen könnte.

Vor diesem Hintergrund kann es auch bei einer dem Kläger besonders wohlwollenden Betrachtungsweise nicht im Sinne eines Vollbeweises als nachgewiesen angesehen werden, dass spätestens am 31. März 2005, also zu dem Zeitpunkt, in welchem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erfüllt waren, ein aufgehobenes oder herabgesetztes Leistungsvermögen bestanden hat. Mangels anderweitiger belastbarer Anknüpfungstatsachen im medizinischen Berichtswesen kann dieser Nachweis stattdessen erstmals mit der Untersuchung des Klägers bei dem Sachverständigen Dr. med. F. im erstinstanzlichen Klageverfahren am 11. Oktober 2013 als geführt angesehen werden.

Bei dieser Sachlage ergeben sich keine Anhaltspunkte für zielgerichtete weitere Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet. Der Senat hat sich insbesondere nicht gedrängt fühlen müssen, dem Einwand des Klägers im Berufungsverfahren zu folgen und von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen. Denn das Gericht ist in der Würdigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89 - juris Rdnr. 5 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B - juris Rdnr. 5 m.w.N.). Es ist dann lediglich gehalten, sich mit den gutachtlichen Ausführungen auseinander zu setzen, denen es nicht folgt. Diesen Grundsatz hat im Übrigen auch das Sozialgericht bei seiner Entscheidung ganz offenkundig beachtet.

Für die Zeit bis zum 31. März 2005 ist auch nicht der Nachweis erbracht, dass bei dem Kläger besondere Umstände vorgelegen haben, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwerten. Es ist weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung feststellbar (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104), noch fällt der Kläger wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 - beide veröffentlicht in juris). Darüber hinaus war dem Kläger bis zum 31. März 2005 auch der Arbeitsmarkt nicht rentenbegründend verschlossen. Dass er bereits damals nicht mehr in der Lage gewesen sein könnte, an sich zumutbare Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten oder Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 - juris Rdnr. 23), ist nicht nachgewiesen. Einem solchen Nachweis stehen schon die Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. F. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2013 entgegen, der beides ausdrücklich verneint hat. Dass einer der weiteren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Seltenheitsfälle (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Juni 1986, 4a RJ 55/84 - juris Rdnr. 16 m.w.N.) gegeben sein könnte, ist im Übrigen nicht ersichtlich.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann eine rentenberechtigende Erwerbsminderung bei dem Kläger für die Zeit bis zum 31. März 2005 nicht als nachgewiesen angesehen werden, sondern erst ab dem 11. Oktober 2013. Dann aber scheitert sein Rentenbegehren daran, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind. Denn bei Eintritt des Leistungsfalles ab dem 1. April 2005 oder später ist weder die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderliche Vorversicherungszeit (drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) erfüllt, noch einer der gesetzlich zugelassenen Ausnahmetatbestände gegeben.

Dem im Berufungsverfahren vorgelegten Versicherungsverlauf vom 31. Mai 2016 zufolge hat der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für den maßgeblichen Vorbelegungszeitraum vom 31. März 2000 bis 30. März 2005 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge zurückgelegt. Denn der Kläger weist Pflichtbeiträge lediglich bis zum 30. April 2003 auf, wobei vom 10. August bis 1. November 2000 (zwei Monate) keine Pflichtbeitragszeit, sondern eine Überbrückungszeit gespeichert ist. Ausgehend von einem erst anlässlich der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Dr. med. F. nachgewiesenen Leistungsfall am 11. Oktober 2013 umfasst der Vorbelegungszeitraum die Zeit vom 11. Oktober 2008 bis 10. Oktober 2013. In diesem Zeitraum weist der Versicherungsverlauf des Klägers jedoch keinen einzigen Monat mit Pflichtbeiträgen aus.

Eine Verlängerung des Vorbelegungszeitraums auf die Zeit vor dem 11. Oktober 2008 kommt vorliegend nicht in Betracht, weil sich für Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Auch der Kläger selbst hat entsprechende Zeiten nicht aufgezeigt.

Auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Vorversicherungszeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI kann im vorliegenden Fall auch nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen nicht erfüllt sind. So ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei dem Kläger infolge einer der in § 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 SGB VI angesprochenen Fallkonstellationen (Arbeitsunfall oder dergleichen) eingetreten sein könnte. Des Weiteren gehört der Kläger nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllen können. Denn nach dem Versicherungsverlauf vom 31. Mai 2016 ist bereits die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) vor dem 1. Januar 1984 nicht erfüllt, weil vor diesem Zeitpunkt ebenfalls kein einziger Monat mit Pflichtbeitragszeiten belegt ist. Die allgemeine Wartezeit hat der Kläger erst ab dem 1. Dezember 1992 erfüllt. Überdies ist die Erwerbsminderung des Klägers auch nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten. Die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 6 SGB VI kommt schließlich ebenfalls nicht zum Tragen, da der Kläger nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen war.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) steht dem mittlerweile 62-jährigen Kläger als ungelerntem Arbeiter bei einem erst am 11. Oktober 2013 nachgewiesenen Leistungsfall ebenfalls nicht zu. Denn Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten können auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden und genießen daher keinen besonderen Berufsschutz, sodass es im Falle des Klägers zur Abwendung von Berufsunfähigkeit nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Kläger bis zum 10. Oktober 2013 sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden konnte, die er gesundheitlich noch in der Lage war zu verrichten. Damit ist vorliegend eine Berufsunfähigkeit ganz offenkundig nicht gegeben.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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