S 1 U 169/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 169/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die am 00.00.1978 geborene Klägerin ist als Sekretärin bei der Firma B T KG in I beschäftigt.

In einer Unfallanzeige vom 06.09.2011 teilte die Firma B T KG der Beklagten mit, die Klägerin sei am 03.09.2011 im Rahmen einer Mountain-Bike-Tour, die von T organisiert und finanziert worden sei, mit dem Fahrrad durch starkes Bremsen gestürzt und habe sich dabei einen Oberschenkel-Trümmerbruch zugezogen. Es habe sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt, die zur Förderung der positiven Zusammenarbeit der Mitarbeiter der drei deutschen T-Standorte angeboten worden sei.

Am 04.10.2011 teilte die Firma T der Beklagten ergänzend mit, die Veranstaltung (Mountain-Bike-Tour) habe am 01.09.2011 begonnen und am 03.09.2011 geendet. Die Veranstaltung sei von Herrn L C organisiert worden. Die Veranstaltung habe im Waldhotel C1 in 00000 M stattgefunden, als Ausgangspunkt für Touren in den Thüringer Wald per Mountain Bike. Die Kosten der Veranstaltung habe die Firma B T KG getragen. Die gesamte Belegschaft der B T KG umfasse circa 2.000 Personen. An der Veranstaltung hätten insgesamt 34 Personen teilgenommen, davon seien 33 Betriebsangehörige gewesen.

Nach Aktenvermerken der Beklagten teilte Herr C der Beklagten später ergänzend telefonisch mit, dass alle Mitarbeiter der B T KG an der Mountain-Bike-Tour hätten teilnehmen können, es hätten sich aber nur 34 Beschäftigte gemeldet. Es habe auch die Möglichkeit bestanden, sich die Räder auszuleihen, was einige Beschäftigte auch gemacht hätten. Die Ausschreibung der Mountain-Bike-Tour habe für alle der 2.000 Beschäftigten gegolten. Es hätten aber nur maximal etwa 50 Leute daran teilnehmen können, da die Übernachtungsmöglichkeiten nur begrenzt gewesen seien. Bei weiteren 20 Teilnehmern wäre es eng geworden.

Mit Bescheid vom 29.11.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls der Klägerin vom 03.09.2011 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22.09.2009 - B 2 U 4/08 R -) müssten folgende Voraussetzungen erfüllt sein, um bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen:

- Der Arbeitgeber will die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander und mit ihnen durchführen.

- Er hat für alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abwechselnde Abteilungen des Betriebes alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen. Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen.

- Die Teilnahme muss ferner vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offen stehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Nur in Ausnahmefällen, in denen Beschäftigte von vornherein nicht teilnehmen können, weil etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrechterhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle Mitarbeiter bestehen; dann sind aber diejenigen Beschäftigten einzuladen, deren Teilnahme möglich ist.

Im vorliegenden Fall betrage die Belegschaft der B T KG 2.000 Beschäftigte. Es habe nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber zwar für sämtliche Mitarbeiter die Möglichkeit bestanden, an der Mountain-Bike-Tour teilzunehmen. Aufgrund der begrenzten Übernachtungsmöglichkeiten (für maximal 50 Leute) sei die Möglichkeit der Teilnahme nur für eine kleine Gruppe der Beschäftigten gegeben gewesen. Aus diesem Grund sei das Ereignis vom 03.09.2011 als Arbeitsunfall abzulehnen.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 20.12.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, es sei zwar richtig, dass die Firma B T KG circa 2.000 Mitarbeiter beschäftige. Der Einwand der Beklagten, es habe aufgrund der begrenzten Übernachtungsmöglichkeiten für maximal 50 Personen nur die Teilnahmemöglichkeit für eine kleine Gruppe der Beschäftigten bestanden, gehe allerdings ins Leere. Grundsätzlich sei es so gewesen, dass sich die Einladung der Sozialabteilung der Firma B T KG an alle Mitarbeiter des Betriebes gerichtet habe. Die Einladung sei am schwarzen Brett des Unternehmens an sämtlichen Firmensitzen (Niederlassung in I, C2 und P) ausgehängt gewesen. Der Arbeitgeber habe sämtlichen Mitarbeitern Gelegenheit gegeben, an der "5. Tour-de-T" im Thüringer Wald teilzunehmen. Theoretisch hätten daher alle 2.000 Mitarbeiter von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können. Die Veranstaltung sei nicht auf einen zahlenmäßig begrenzten Teilnehmerkreis reduziert gewesen. Unrichtig sei daher auch die Unterstellung, aufgrund der begrenzten Übernachtungsmöglichkeit für maximal 50 Personen sei die Teilnahme nur für eine kleine Gruppe der Beschäftigten möglich gewesen. Hätten sich mehr Mitarbeiter für die Tour-de-T angemeldet, wäre es für den Arbeitgeber ein Leichtes gewesen, für entsprechende Übernachtungskapazitäten zu sorgen. Das Hotel sei in Abhängigkeit von der angemeldeten Teilnehmerzahl gebucht worden. Bei weiteren Teilnehmern hätte die Firma B T KG zusätzliche Hotelkapazitäten hinzugebucht. Die Mountain-Bike-Tour sei für alle Belegschaftsmitglieder angeboten worden und nicht etwa nur für einen kleinen, auserwählten Kreis. Vor diesem Hintergrund sei die Mountain-Bike-Tour Teil einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gewesen, die der Pflege der Verbundenheit unter den Betriebsangehörigen gedient habe. Im Übrigen sei die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung ohnehin verpflichtet, den Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall anzuerkennen. Auf derselben Veranstaltung habe ein anderer Mitarbeiter der B T KG, nämlich der Mitarbeiter D U, ebenfalls einen Unfall erlitten, der von der Beklagten entschädigt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte im Falle von Herrn U von einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ausgehe, im Falle der Klägerin jedoch nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2012 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die geplante Mountain-Bike-Tour habe konzeptionell nicht auf eine Teilnahme aller, sondern nur eines Teils der Beschäftigten des Unternehmens abgezielt. Dies bestätige auch die geringe Teilnehmerzahl, da hier nur sportlich ambitionierte Mitarbeiter hätten teilnehmen können. Die Gesamtplanung des Wochenendes sei nicht geeignet gewesen, allen eine Teilnahme zu ermöglichen. Auch die Tatsache, dass vorab nur eine geringe Anzahl von Hotelzimmern reserviert worden sei, zeige, dass schon im Vorfeld nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass sich der Großteil der Belegschaft hierzu anmelden würde.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.05.2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, sie sei von der Geschäftsleitung der Firma B T KG aufgefordert worden, an der Mountain-Bike-Tour teilzunehmen. Dies ergebe sich aus dem an sie gerichteten Schreiben der Firma B T KG vom 12.04.2011. Dieses Schreiben sei zwar als höfliche Bitte formuliert worden, aber es sei deutlich gemacht worden, dass seitens der B T KG die Erwartung bestanden habe, dass die Klägerin die Geschäftsleitung vor Ort repräsentiere. Selbstverständlich habe sie sich einer solchen "Bitte" nicht entziehen können. Möge somit auch die Teilnahme für die anderen Teilnehmer freiwillig gewesen sein, für die Klägerin sei sie dies nicht gewesen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2012 zu verurteilen, den Unfall vom 03.09.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist bei ihrer Auffassung geblieben, die angefochtene Verwaltungsentscheidung entspreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat Auskünfte von der Firma B T KG eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2012 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.

Die Beklagte hat die Anerkennung des Unfalls der Klägerin am 03.09.2011 als Arbeitsunfall zu Recht abgelehnt.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist danach Voraussetzung, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 -).

Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden, soweit die betreffende Veranstaltung im Interesse des Unternehmens liegt und wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst betrieblichen Zwecken dient. Veranstaltungen zur Freizeitgestaltung oder zur Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen der Beschäftigten stehen demgegenüber auch dann nicht unter Versicherungsschutz, wenn sie im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit erfolgen und von dem Unternehmen gebilligt oder unterstützt werden. Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigen sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens - bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblichen Einheiten - offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden, um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" - Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander - zu erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 20.02.2001 - B 2 U 7/00 R -). Hierfür reicht es nicht aus, dass lediglich allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigten des Unternehmens oder Unternehmensteils ausgerichteten Veranstaltung offen steht (BSG, Urteil vom 07.12.2004 - B 2 U 47/03 R - m.w.N.). Eine Zurechnung der Teilnahme eines Beschäftigten an einer geselligen Veranstaltung des Arbeitgebers zu seiner versicherten Beschäftigung ist nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber erklärtermaßen an einer auch objektiv möglichen Teilnahme der gesamten Belegschaft gelegen ist. Daran fehlt es, wenn er die Teilnahme an einer Veranstaltung von vornherein nur einem Teil der Belegschaft ermöglicht. Dies ist gerade auch dann der Fall, wenn die Veranstaltung mit Gefahren verbunden ist, die erwarten lassen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Belegschaft von einer Teilnahme Abstand nehmen wird (BSG, Urteil vom 16. Mai 1984 - 9b R U 6/83 -). Die Veranstaltung muss auch von ihrem Programm her geeignet sein, die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anzusprechen (BSG, Urteile vom 07.12.2004 - B 2 U 47/03 R - sowie vom 22.09.2009 - B 2 U 27/08 R -). Nur in Ausnahmefällen, in denen Beschäftigte von vornherein nicht teilnehmen können, weil etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrecht erhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorisch-technischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle Mitarbeiter bestehen. In diesem Fall sind dann aber zumindest alle diejenigen Beschäftigten einzuladen, deren Teilnahme möglich ist. Veranstaltungen, die sich nur an eine ausgewählte Gruppe von Betriebsangehörigen, die etwa besonders "Erfolgreichen" bzw. "Verdienten" richten oder bei denen ein nennenswerter Teil der Betriebsangehörigen wegen des Fehlens bestimmter für die Teilnahme erforderlicher Eigenschaften oder wegen der Begrenzung der Teilnehmerzahl von einer Teilnahme faktisch ausgeschlossen ist, können grundsätzlich nicht der Pflege der Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dienen und stehen deshalb nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt vor allem für die bei Unternehmen vielfach üblichen Incentive- oder Motivationsreisen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.06.2011 - L 6 U 248/08 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.08.1994 - 2 RU 23/93 -).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stand die Teilnahme der Klägerin an der "Mountain-Bike-Tour" nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Gericht stellt zunächst fest, dass es der Begründung des Bescheides vom 29.11.2011 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2012 folgt und sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung hier insbesondere deshalb nicht angenommen werden kann, weil die "Mountain-Bike-Tour" einem nennenswerten Teil der Betriebsangehörigen wegen des Fehlens bestimmter für die Teilnahme erforderlichen Eigenschaften verschlossen war, und weil die Teilnehmerzahl faktisch auf einen geringen Teilnehmerkreis begrenzt war. Zur Überzeugung des Gerichts stand die "Mountain-Bike-Tour" faktisch nicht allen Mitarbeiter der B-T-KG offen. Zwar wurden alle Angehörigen hierzu eingeladen, die Firma T KG hat in ihrem Schreiben vom 10.12.2012 jedoch auch darauf hingewiesen, es habe sich um eine sportliche Veranstaltung gehandelt, die eine entsprechende Kondition und Fahrtechnik voraussetze. Angesichts der erheblichen körperlichen Anforderungen an die Fitness der Teilnehmer, sowie die mit dem Mountain-Bike-Fahren verbundende hohe Gefahr körperlicher Schäden, welche auch darin zum Ausdruck kommen, dass sich mindestens zwei Teilnehmer der Tour verletzt haben, kommt die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung von vornherein nur für einen begrenzten Personenkreis in Betracht (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.06.2011 - L 6 U 248/08 -). Es ist allgemein bekannt, dass Personen, die Mountain-Bike-Fahren wollen, über eine gute Kondition und eine besondere Geschicklichkeit beim Fahrradfahren verfügen müssen. Es kann daher grundsätzlich erwartet werden, dass Menschen mit geringer Risikobereitschaft, mangelnder körperlicher Fitness oder Behinderungen von der Ausübung dieser sportlichen Betätigung Abstand nehmen werden (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.).

Schließlich kann bei einer Mitarbeiterzahl von 4.193 (im Widerspruchsverfahren war nur von 2.000 Beschäftigten die Rede gewesen) auch nicht davon ausgegangen werden, dass für alle Mitarbeiter der Firma T KG eine Teilnahmemöglichkeit bestanden hätte. Insoweit hat die Firma B T KG in ihrem Schreiben vom 10.12.2012 auch selbst angegeben, es hätten sicherlich nicht für 4.193 Mitarbeiter Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden können.

Darüber hinaus ist Unfallversicherungsschutz auch deshalb zu verneinen, weil die Zahl der Betriebsangehörigen und die Zahl der Teilnehmer in einem offensichtlichen Missverhältnis stand. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII Anm.7.20.4 m.w.N.) ist die erforderliche Mindestbeteiligung bei 20 v.H. erfüllt, während die Teilnahme von 3 bis 15 von 150 ein "eindeutiges Missverhältnis" darstellt. Hier lag ebenfalls ein eindeutiges Missverhältnis vor, weil - ausgehend von einer Mitarbeitergesamtzahl von 4.193 - weniger als 1% der Mitarbeiter der B T KG an der "Mountain-Bike-Tour" teilgenommen haben. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist das Risiko einer unversicherten Teilnahme dem Versicherten zwar nicht zumutbar, wenn sich ihm der fehlende gemeinschaftsfördernde Zweck der Veranstaltung wegen zu geringer Beteiligung nicht aufdrängen musste, zumal die geringe Zahl der Teilnehmer ggf. erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt wird (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2) oder er der Veranstaltung bei Erkennen des betrieblichen Zusammenhangs nicht mehr ohne weiteres fernbleiben kann (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O.). Nur wenn eine geringere Zahl vorab für den Versicherten erkennbar war - zum Beispiel weil die Veranstaltung mit Gefahren verbunden ist, die erwarten lassen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Belegschaft von einer Teilnahme Abstand nehmen wird -, ist Unfallversicherungsschutz zu versagen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O, unter Hinweis auf BSGE 56, 283, 284). Dies war hier der Fall. Wie bereits oben dargelegt, war die "Mountain-Bike-Tour" mit Gefahren und Anforderungen verbunden, die es erwarten ließen, dass ein Großteil der Beschäftigten der T KG nicht daran teilnehmen wird.

Es gibt schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnahme der Klägerin an der "Mountain-Bike-Tour" aus den arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten der Klägerin folgte. Die Klägerin ist als Sekretärin bei der Firma B T KG beschäftigt und die aktive Teilnahme an einer "Mountain-Bike-Tour" gehörte erkennbar nicht zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten. Im Übrigen hat auch die Firma T KG in ihrem Schreiben vom 18.07.2013 mitgeteilt, die Teilnahme der Klägerin an der "Mountain-Bike-Tour" sei freiwillig gewesen und es habe auch keine entsprechende Anweisung der Firma B T KG zur verpflichtenden Teilnahme gegeben. Die Entscheidung zur Teilnahme an der "Mountain-Bike-Tour" habe der Klägerin oblegen. Es gibt hier auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine faktische betriebliche Teilnahmepflicht durch die Erwartungshaltung der Kollegen bzw. des Arbeitgebers, die der Klägerin ohne Inkaufnahme beträchtlicher Nachteile keine andere Möglichkeit gelassen hätte, als an der "Mountain-Bike-Tour" teilzunehmen, vorgelegen hat. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten für konkrete dienstliche Nachteile von erheblichem Gewicht für den Fall, dass sich die Klägerin der Teilnahme entzogen hätte (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.05.2011 - L 3 U 87/09 -). Der Arbeitgeber der Klägerin, die Firma T KG, hat in ihrem Schreiben vom 18.07.2013 vielmehr ausdrücklich ausgeführt, die Klägerin hätte selbstverständlich mit keinen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie sich gegen die Teilnahme entschieden hätte.

Darüber hinaus reicht ein irgendwie gearteter moralischer Druck zur Teilnahme nicht aus, um für die Teilnahme an einer Veranstaltung Versicherungsschutz anzunehmen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Wie das BSG wiederholt dargelegt hat (BSG, Urteile vom 27. Mai 1997 - 2 RU 29/96 -; 16. März 1995 - 2 RU 17/94 -; 25.08.1994 - 2 RU 23/93 -) gibt es sehr unterschiedliche aus dem Arbeitsleben abgeleitete gesellschaftliche Erwartungshaltungen, die für den Betroffenen oft einen nicht unerheblichen Druck bedeuten, sich an bestimmten Veranstaltungen, Zusammenkünften sowie Besuchen und Gegenbesuchen zu beteiligen, ohne dass allein deshalb bei einer Teilnahme Versicherungsschutz anzunehmen ist. Ob die Teilnahme aufgrund einer Erwartungshaltung, auf Wunsch oder sogar auf Weisung seitens des Arbeitgebers erfolgt ist, spielt hier hinsichtlich des Versicherungsschutzes keine entscheidende Rolle (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Denn der Unternehmer hat es nicht in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung von sich aus auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten (vgl. hierzu u.a. BSG, Urteile vom 13.12.2005 – B 2 U 29/04 R - und 17.12.2004 - B 2 U 47/03 R -).

Schließlich kann die Klägerin sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, da die Beklagte (angeblich) den Unfall eines Mitarbeiters der Klägerin bei der gleichen Veranstaltung als Arbeitsunfall anerkannt hat. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung des Unfalls des Arbeitskollegen der Klägerin als Arbeitsunfall nach einem in der Verwaltungsakte befindlichen Vermerk abgelehnt wurde. Darüber hinaus würde sich auch im Falle einer unrechtmäßigen Anerkennung des Unfalls des Arbeitskollegen der Klägerin kein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihres Unfalls als Arbeitsunfall ergeben, da es keinen sich aus Vertrauensschutzgründen ergebenden Anspruch auf eine Wiederholung eines früheren Fehlers gibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1988 - 1 BvR 1298/88). Einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" gewährt Artikel 3 GG nicht (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zum Beispiel Beschlüsse vom 17.01.1979 - 1 BvL 25/77, und vom 12.09.2007 - 2 BvR 1413/06).

Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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