S 5 KR 34/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 34/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 verurteilt, der Klägerin eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Finanzierung einer Magenbypass-Operation hat.

Die am 00.00.1983 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie leidet seit ihrer Kindheit an einer massiven Adipositas. Bereits im Jahr 2012 hatte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Magenverkleinerungsoperation gestellt. In diesem Zusammenhang hatte sie angegeben, bei einer Körpergröße von 168 cm ein Körpergewicht von 154 kg zu haben. Am 06.03.2013 hatte eine Untersuchung bei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung X-M (MDK) stattgefunden. Eine Indikation zu der beantragten operativen Therapiemaßnahme wurde nicht gesehen. Zunächst sei eine multimodalen Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten durchzuführen. Diese solle aus Ernährungs- und Bewegungstherapie bestehen. Die Beklagte solle der Klägerin beratend zur Seite stehen. Die Beklagte hatte daraufhin den Antrag der Klägerin mündlich abgelehnt. Die Erteilung eines schriftlichen Bescheides wurde von ihr nicht gefordert.

Am 18.05.2014 beantragte die Klägerin erneut die Genehmigung einer Magenbypass-Operation. Sie wies nochmals darauf hin, dass bei ihr weiterhin ein BMI von 59,17 kg/m2 bestehe. Sie habe inzwischen unzählige Versuche unternommen, ihr Übergewicht in den Griff zu bekommen. Nie sei sie in der Lage gewesen, die mühsam errungenen Erfolge langfristig zu sichern. Darunter leide sie auch in psychischer Hinsicht sehr. Die Klägerin legte Berichte über die zwischenzeitlich durchgeführten Maßnahmen vor.

Die Beklagte leitete den Vorgang am 28.05.2014 an den MDK weiter. Mit Schreiben vom 30.05.2014 wurde der zwischenzeitlich eingeschalteten Rechtsanwältin Akteneinsicht gewährt. Gleichzeitig erhielt die Bevollmächtigte Hinweis, dass sich die Unterlagen dem zuständigen Gutachter befinden.

Am 11.06.2014 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass nach wie vor keine Indikation zur Durchführung einer adipositaschirurgischen Maßnahmen gegeben sei. Es sei zunächst der Verlauf der für den 18.06.2014 geplanten Rehabilitationsmaßnahme abzuwarten. Erst nach Abschluss könne über den weiteren Verlauf entschieden werden.

In der Zeit vom 18.06.2014 bis 23.06.2014 befand sich die Klägerin im Rehazentrum S in C C1 zur Durchführung einer psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme. Die Klägerin hatte dort jedoch bereits nach 5 Tagen den Wunsch geäußert, abzureisen, da sie sich nicht wohl fühlte und nicht überzeugt war, von der Behandlung zu profitieren. Sie verwies darauf, dass ihre Probleme nur mit dem Übergewicht zusammen hingen.

Am 15.07.2014 wandte sich die Bevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und wies darauf hin, dass sie bislang keine weitere Nachricht zu dem im Mai 2014 gestellten Antrag erhalten habe. Die Rehamaßnahme sei nicht hilfreich gewesen, zumal eine strukturierte Ernährungsberatung dort nicht stattgefunden habe. Der Aufenthalt sei allein psychosomatisch ausgerichtet gewesen.

Am 17.07.2014 wurde die Klägerin zu einer weiteren Untersuchung durch den MDK eingeladen. Mit Gutachten vom 19.08.2014 kam der MDK erneut zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für den beantragten Eingriff vorliege. Vordergründig seien zunächst die Behandlungen am Wohnort mit Durchführung eines Basisprogramms zur konservativen Therapie der Adipositas und mit einer intensivierten psychiatrischen Behandlung aufgrund der bestehenden mittelgradigen depressiven Episode bei rezidivierend depressiver Störung durchzuführen.

Mit Bescheid vom 25.08.2014 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Die operative Therapie der Adipositas sei die letzte Möglichkeit in der Behandlung des krankhaften Übergewichtes, die nur infrage komme, wenn andere Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden und gescheitert sind. Da diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht vorlägen, komme eine Kostenübernahme für die begehrte Operation nicht in Betracht.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie verwies darauf, dass sie bereits seit ihrem 11. Lebensjahr Maßnahmen ergriffen habe, um ihr Übergewicht in den Griff zu bekommen. Im Übrigen ergebe sich auch aus der maßgeblichen Leitlinie zur Behandlung eines krankhaften Übergewichts, dass eine chirurgische Intervention dann indiziert ist, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten innerhalb von 12 Monaten das Therapieziel nicht erreicht haben. Ebenso erwähnt die Leitlinie Härtefälle, wonach ab einem BMI von 35 kg/m2 und noch ausgeprägter ab einem BMI von 40 kg/m2 in der Regel Komorbiditäten mit Beeinträchtigung der Lebensqualität und einem Risiko für vorzeitige Sterblichkeit bestehen. In diesen Fällen sei eine zielführende Therapie durch einen bariatrischen Eingriff erforderlich.

Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung durch den MDK. Dieser kam am 21.10.2014 weiterhin zu dem Ergebnis, dass das multimodale Konzept zunächst umzusetzen sei. Die Operation sei eine lebensverändernde und einschneidende Maßnahme. Sie erfordere eine intensive psychotherapeutische Vor- und Nachbehandlung. Das Ergebnis der Begutachtung wurde der Klägerin am 03.11.2014 mitgeteilt.

Der von der Klägerin aufrechterhaltene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass keine Indikation für eine operative Maßnahme gegeben sei. Bereits im Jahr 2013 sei der MDK zu dem Ergebnis gekommen, dass zunächst das multimodale Konzept umzusetzen sei. Dies gelte weiterhin. Die Maßnahmen des verhaltenstherapeutischen Trainings könnten zu einer Änderung des Essverhaltens und zu vermehrter körperlicher Bewegung führen. Die neurologisch-psychiatrischen Maßnahmen seien mit dem multimodalen Behandlungskonzept zu kombinieren.

Bereits am 21.01.2015 hatte die Klägerin Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage des § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) der Antrag vom 23.05.2014 als genehmigt gelte. Die Beklagte habe die 5-Wochenfrist des § 13 Abs. 3a S. 1 2. Alt. SGB V nicht eingehalten und es sei auch keine rechtzeitige schriftliche Mitteilung erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei die gesetzliche Genehmigungsfiktion eingetreten. Daher sei die Beklagte mit allen anderen Einwendungen ausgeschlossen.

Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides hat die Klägerin sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2014 zu verurteilen, der Klägerin eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung weist sie erneut darauf hin, dass eine medizinische Indikation für den begehrten Eingriff nicht vorliege. Über das Ergebnis der Begutachtung vom 11.06.2014 sei die Klägerin am 17.06.2014 telefonisch informiert worden. Vor diesem Hintergrund sei der Klägerin klar gewesen, dass zunächst der Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme abzuwarten sei. Im Übrigen löse ein Fristversäumnis nicht automatisch einen Anspruch auf die beantragte Leistung nach § 13 Abs. 3a SGB V aus. Sinn und Zweck der Vorschrift sei lediglich die Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens, nicht jedoch die Bewilligung medizinisch nicht erforderlicher Leistungen. Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3a SGB V bestehe daher nur, wenn dem Grunde nach auch ein Sachleistungsanspruch gegeben sei. Die Klägerin habe die Maßnahme jedoch weder selbst beschafft, noch habe sie einen Anspruch auf die Leistung. Dies stehe nach den Ausführungen des MDK fest.

Das Gericht hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die Klage ist aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) zulässig und begründet.

Statthafte Klageart hinsichtlich der Genehmigungsfiktion ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Mit dieser Klageart kann die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Ein solcher Fall ist bei Eintritt der gesetzlichen Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V gegeben. Die prozessuale Situation entspricht dem Fall, dass ein erteilter Bewilligungsbescheid von der Verwaltungsbehörde nicht vollzogen wird. Auch dann ist eine echte Leistungsklage zulässig, da ein Verwaltungsakt nicht mehr zu ergehen braucht (vgl. dazu Sozialgericht [SG] Augsburg Urteil vom 03.06.2014 - S 6 KR 339/13 -; SG Nürnberg Urteil vom 27.03.2014 - S 7 KR 520/13 -; SG Dessau-Roßlau Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13 -, jeweils juris). Statthafte Klageart hinsichtlich des Ablehnungsbescheides vom 25.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, da diese Bescheide einen der Genehmigungsfiktion entgegenstehenden Rechtsschein setzen, der mit der Anfechtungsklage beseitigt werden kann.

Klage ist auch begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 25.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Finanzierung einer Magenbypass-Operation. Dieser Anspruch ist durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 13 Abs. 3a S. 1SGB V). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a S. 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a S. 3 SGB V). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (§ 13 Abs. 3a S. 4 SGB V). Kann die Krankenkasse Fristen nach S. 1 oder S. 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S. 7 SGB V). Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden (§ 13 Abs. 3a S. 8 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15, 9. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Zuständigkeitserklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S. 9 SGB V).

Die Vorschrift wurde mit dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (Patientenrechtegesetz, BGBl I 2013, 277) eingefügt. Durch die Auferlegung von Fristen im Verwaltungsverfahren sollen die Entscheidungsprozesse der Krankenkasse beschleunigt werden, damit Versicherte nicht unzumutbar lange auf eine Entscheidung warten müssen.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung tritt die Genehmigungsfiktion nicht lediglich bei Kostenerstattungsansprüchen, sondern auch bei Sachleistungsansprüchen ein. Das BSG hat ausdrücklich klargestellt, dass die Genehmigungsfiktion "zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch" begründet, "dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzenden naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz" entspricht (Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R Rn. 25). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Abgesehen davon geht bereits der Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V davon aus, dass die Leistung nach Fristablauf als genehmigt gilt (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-X, Urteil 06.12.2016, L 1 KR 680/15, www.juris.de).

Ebenso wenig ist der Anspruch auf solche Leistungen beschränkt, die bereits Gegenstand des Leistungskataloges der GKV sind. Nach der Rechtsprechung des BSG führt die in § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V geregelte Begrenzung auf "erforderliche" Leistungen zu einer Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Die Begrenzung führt mithin zu einer Rechtsmissbrauchskontrolle, nicht jedoch zu einer Beschränkung auf Leistungen, die bereits jetzt ohne weiteres als Sachleistung zulasten der GKV gewährt werden müssen (vgl. BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B1 KR 25/15 R Rn. 26; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.09.2016 - L 4 KR 320/16 juris Rn. 52).

Die Beklagte hat den Antrag auf Genehmigung der Magenbypass-Operation am 23.05.2014 erhalten. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten aufgrund der notwendigen Einschaltung des MDK von einer 5-Wöchigen-Entscheidungsfrist ausgegangen wird, wurde diese nicht eingehalten. Die Entscheidungsfrist begann am 24.05.2014 zu laufen und endete mit Ablauf des 27.06.2014. Die Entscheidung der Beklagten erging allerdings erst am 25.08.2014.

Die Klägerin wurde nach Stellungnahme des MDK vom 11.06.2014 nicht darüber informiert, welche weiteren Schritte beabsichtigt seien, um endgültig über den Antrag auf Durchführung einer Magenverkleinerungsoperation zu entscheiden. Ebenso wenig ist in den Verwaltungsakten dokumentiert, dass nach Stellungnahme des MDK ein Gespräch mit der Klägerin stattgefunden hat, indem der Antrag mündlich abgelehnt worden ist. Sofern sich die Beklagte auf eine rechtzeitige fristgemäße Entscheidung beruft, muss sie die hierfür maßgebenden Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen. Nach Auffassung der Kammer reicht es insbesondere nicht aus, auf ein eventuell stattgefundenes Telefongespräch zu verweisen. Der weitere Verlauf des Verwaltungsverfahrens spricht auch gegen eine mündliche Ablehnung des Antrags. Denn die Bevollmächtigte der Klägerin wandte sich gerade mit einer Sachstandsanfrage am 15.07.2014 an die Beklagte. Sofern bereits ein ablehnender Bescheid - wenn auch nur mündlich - erteilt worden wäre, hätte es nahegelegen, die Sachstandsanfrage als Aufforderung zur Erteilung einer schriftlichen Bestätigung anzusehen. Demgegenüber ist jedoch auch die Beklagte noch nicht von einem Abschluss des Verfahrens ausgegangen und hat die Unterlagen erneut dem MDK vorgelegt. Eine zwischenzeitliche Mitteilung, aus welchem Grund eine Verzögerung in der Bearbeitung der Angelegenheit eintritt, erfolgte nicht.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin über die weiteren Ermittlungsschritte informiert war und die Erkenntnisse aus der zwischenzeitlich begonnenen und dann abgebrochenen Rehamaßnahme nicht ihrem Verantwortungsbereich zugerechnet werden können.

Die Beklagte hat nämlich zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, innerhalb welcher Frist sie nun die Angelegenheit zur Entscheidung bringen kann oder will. Der Umstand, dass auf die Stellungnahme des MDK und auf das Ergebnis einer Rehabilitationsmaßnahme gewartet werden soll, ist zwar verständlich. Allerdings hat die Beklagte unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 08.03.2015 (a.a.O.) mitzuteilen, innerhalb welcher Frist eine Entscheidung über den gestellten Antrag erfolgen wird. Schließlich soll das gesetzliche Erfordernis der Mitteilung bewirken, dass der Versicherte Klarheit über die Entscheidungsfristen erlangt und die Krankenkasse trotz Ablaufs der Frist den Eintritt der Genehmigung verhindern kann. Sofern sich folglich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist herausstellt, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - gegebenenfalls wiederholt - mitteilen (BSG, Urteil vom 08.03.2015, a.a.O.). Ohne exakte Benennung, welche neue Frist die Krankenkasse für die geplante Entscheidung im Rahmen ihrer Prognose setzt, kann den Anforderungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht Genüge geleistet werden. Würde bereits jeder Hinweis auf eine Verzögerung in der Bearbeitung den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindern, würde dem gesetzgeberischen Willen nicht Rechnung getragen werden. Dies zeigt auch der bereits skizzierte weitere Verlauf der Antragsbearbeitung, da eine endgültige Entscheidung von der Beklagten erst mehr als 2 Monate nach der ersten MDK-Begutachtung getroffen wurde, obgleich eine Entscheidung bereits zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Gerade um derartige (unnötige) Verzögerungen zu verhindern, bedarf es nach Auffassung der Kammer einer eindeutigen Mitteilung der Krankenkasse, bis zu welchem Zeitpunkt sie eine Entscheidung zu treffen beabsichtigt.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Antrag sei nicht hinreichend bestimmt gewesen.

Damit eine beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags (vgl. § 42 VwVfG). Angesichts des Umstandes, dass der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann somit nur dann eintreten, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 Rn. 23). An die Bestimmtheit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Da der fingierte Verwaltungsakt einem in ordnungsgemäßen Verfahren erlassenen - ausdrücklich erteilten - Verwaltungsakt gleichgestellt ist, reicht es aus, wenn sich sein Inhalt aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Akten im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Um von der Genehmigungsfiktion erfasst werden zu können, muss die Leistung in dem Antrag so genau beschrieben werden, dass später über die Art der Leistung und ihren Umfang kein Streit entstehen kann: Denn anderenfalls wäre die Fiktion der Bewilligung für den Versicherten wertlos, weil die fiktive Leistungsbewilligung den Anspruch nicht endgültig klären würde, sondern diese Feststellungen einem neuen, weiteren Verwaltungsverfahren vorbehalten wäre. Dem Antrag muss daher eindeutig oder durch Auslegung zu entnehmen sein, ob eine ärztliche Leistung oder die eines anderen Leistungserbringers begehrt wird, ob die Leistungserbringung ambulant oder stationär erfolgen soll, ob Arzneimittel, Hilfs- und Heilmittel eingesetzt werden sollen, ob sich die Leistungserbringung auf eine einmalige Leistung bezieht oder eine Serie von Behandlungen erbracht werden soll und ob es sich bei diesen Leistungen um "konventionelle" Leistungen handelt oder um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.02.2016, L 9 KR 412/15 B ER, www.juris.de).

Aber auch bei Anwendung dieser strengen Voraussetzungen ist von einem fiktionsfähigen Antrag auszugehen. Aus den Ausführungen der Klägerin geht bereits eindeutig hervor, dass sie zur Behandlung der bei ihr bestehenden krankhaften Adipositas die Durchführung einer Magenbypass-Operation begehrt. Aufgrund bereits im Vorfeld erfolglos gestellter Anträge hatte die Klägerin ihren erneuten Antrag aktuelle Berichte beigefügt, aus denen sich wiederum die Notwendigkeit einer operativen Therapie zur Behandlung der Adipositas ergab. So legte sie Berichte des Neurologen und Psychiaters Dr. F1 und der Psychotherapeutin F2 N vor. Auch der behandelnde Orthopäde empfahl die Durchführung einer operativen Maßnahme. Bereits unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts durfte die Klägerin aus ihrer subjektiven Sicht davon ausgehen, dass in ihrem Fall eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen kann. Insoweit enthalten bereits die ärztlichen Berichte hierzu eine eindeutige Aussage. Auch wenn kein Kostenvoranschlag für eine bariatrische Operation beigefügt war, wird aus dem Vortrag der Klägerin und den beigefügten Berichten hinreichend deutlich, welche Leistungen die Klägerin begehrt.

Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion lagen daher nach Auffassung der Kammer vor.

Die Beklagte war folglich entsprechend verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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