S 11 SO 92/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 SO 92/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Erstattung von Kosten für ihr Tätigwerden im Widerspruchsverfahren nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Die Klägerin ist mit Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 17.09.2013 zur rechtlichen Betreuerin für die Frau B M bestellt worden, die zunächst in P lebte. Die Frau M zog dann am 22.09.2013 in das Frauenhaus in C ein und die Klägerin beantragte daraufhin am 24.09.2013 die Übernahme der dadurch entstehenden Kosten bei der Beklagten.

Die Beklagte übernahm die Kosten für die Unterbringung im Frauenhaus mit Bescheid vom 11.12.2013, nicht jedoch die Kosten für die bisherige Wohnung in P.

Die Klägerin legte im Namen der Frau M am 16.12.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.12.2013 ein. Diesen begründete sie damit, dass auch die Unterkunftskosten für die Wohnung in P zu übernehmen seien. Die Frau M habe ihre Wohnung nur vorübergehend verlassen und sei nach einiger Zeit wieder dorthin zurückgekehrt. Die Überschneidungskosten seien unvermeidbar gewesen, so dass ausnahmsweise doppelte Unterkunftskosten zu übernehmen seien.

Die Beklagte half dem Widerspruch der Frau M mit Bescheid vom 08.01.2013 dadurch ab, dass sie für den Monat Oktober 2013 auch die Miete für die Wohnung in P übernahm.

Die Klägerin reichte am 03.02.2014 ihre Kostenrechnung für das Widerspruchsverfahren bei der Beklagten ein. Darin macht sie eine Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 EUR zuzüglich von Nebenkosten bei der Beklagten geltend.

Die Beklagte setzte die Kosten für das Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 27.02.2014 auf insgesamt 202,30 EUR fest. Dabei ging sie von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 EUR aus. Darauf sei nach der Vorbemerkung 2.3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV-RVG) die aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen. Es verbleibe daher für das Widerspruchsverfahren noch eine Geschäftsgebühr in Höhe von 150,00 EUR, zuzüglich der Nebenkosten ergebe sich dann der festgesetzte Gesamtbetrag in Höhe von 202,30 EUR.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 25.03.2014 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass sie im Rahmen der Antragstellung als Betreuerin für die Frau M tätig geworden sei. Es sei daher für das Antragsverfahren keine Geschäftsgebühr nach dem RVG entstanden, die auf die Gebühren für das Widerspruchsverfahren angerechnet werden könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Betreuerin bereits vor der Widerspruchserhebung mit dem Sachverhalt vertraut gewesen sei. Diese Vertrautheit mit dem Sachverhalt erleichtere die Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens, so dass hier eine Anrechnung der Geschäftsgebühr gerechtfertigt sei.

Die Klägerin hat am 11.04.2014 Klage erhoben. Diese begründet sie damit, dass eine Anrechnung von im Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren auf die Gebühren des Widerspruchsverfahrens nicht zulässig sei. Sie habe den Antrag auf Kostenübernahme für das Frauenhaus nicht als Anwältin, sondern als Betreuerin für die Frau M gestellt. Dementsprechend seien im Antragsverfahren keine Rechtsanwaltsgebühren entstanden, die im Widerspruchsverfahren angerechnet werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 27.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für das Widerspruchsverfahren weitere Kosten in Höhe von 178,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die sie für rechtmäßig hält. Die Klägerin sei bereits im Antragsverfahren für die Frau M tätig geworden, so dass es hier gerechtfertigt sei, die im Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren zur Hälfte auf die Gebühren des Widerspruchsverfahrens anzurechnen. Es könne insoweit keinen Unterschied machen, ob die Klägerin als Betreuerin oder als Anwältin für die Frau M tätig werde.

Das Gericht hat am 05.07.2016 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt. Diese haben sich im Rahmen des Termins mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer entscheidet gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 27.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2014 erweist sich als rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung höherer Gebühren für das Widerspruchsverfahren nach § 63 SGB X.

Nach § 63 Abs. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Widerspruch der Frau M gegen den Bescheid vom 11.12.2013 war erfolgreich. Die Beklagte hat ihm mit Bescheid vom 08.01.2014 abgeholfen.

Es besteht daher nach § 63 Abs. 1 SGB X dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren, zu denen nach § 63 Abs. 2 SGB X auch die Kosten eines Rechtsanwaltes gehören können.

Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Grundsätzlich steht der Anspruch nach § 63 Abs. 1 SGB X demjenigen zu, der den Widerspruch erhoben hat. Dies war die Frau M, so dass sie die Kosten grundsätzlich im eigenen Namen hätte geltend machen müssen. Die Frau M hat den Anspruch nach § 63 Abs. 1 SGB X jedoch an die Klägerin abgetreten, so dass diese nunmehr im eigenen Namen klagen kann. Die Abtretung von Ansprüchen nach § 63 Abs. 1 SGB X ist nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zulässig (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.05.2007 - L 16 KR 229/06; Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 63, Rand-Nr. 46).

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung höherer Kosten für das Widerspruchsverfahren.

Anzuwenden ist nach § 60 Abs. 1 RVG das Gesetz in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung, denn die Klägerin ist erst nach dem Inkrafttreten der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Gesetzesänderung für die Frau M tätig geworden.

Nach § 2302 VV-RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) 50,00 bis 640,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 300,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor, so dass maximal die sogenannte Schwellengebühr in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt werden kann.

Auf diese Schwellengebühr in Höhe von 300,00 EUR ist jedoch nach Auffassung der Kammer aufgrund des Tätigwerdens der Klägerin im Antragsverfahren die insoweit entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen, so dass für das Widerspruchsverfahren lediglich eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR verbleibt. Dies ergibt sich aus der Vormerkung 2.3 Abs. 4 zum Abschnitt 3 des VV-RVG. Danach wird eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstands für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, zur Hälfte auf eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dient, angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen hier nach Auffassung der Kammer vor, denn die Klägerin ist schon im Antragsverfahren für die Frau M tätig geworden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie zugleich Betreuerin der Frau M war und den Antrag in dieser Funktion gestellt haben will. Dann hätte sie auch den Widerspruch für die M als Betreuerin einlegen müssen, mit der Folge, dass überhaupt keine Kosten für das Widerspruchsverfahren zu erstatten wären. Die Klägerin kann sich nach Auffassung der Kammer nicht die jeweilige Funktion aussuchen, in der sie auftritt, um dadurch ihre Gebühren zu optimieren.

Nach dem Sinn und Zweck der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 ist eine Anrechnung der Gebühr auf die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren jedenfalls gerechtfertigt, denn dieser besteht darin, die Arbeitserleichterung, die bei einer Vorbefassung mit der Angelegenheit eintritt, bei der Gebührenfestsetzung entsprechend zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, wonach der durch die vorangegangene Tätigkeit gesparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren (vgl. BT-Drucksache 17/11471, Seite 273). Die Arbeitserleichterung aufgrund der Vorbefassung liegt im vorliegenden Verfahren auf der Hand und wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 zu Abschnitt 3 des VV-RVG ist daher eine Anrechnung der Gebühr auf die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren zur Hälfte gerechtfertigt (so auch SG Marburg, Urteil vom 20.10.2011 - S 9 SO 58/11; SG Detmold, Beschluss vom 02.12.2013 - S 16 SO 145/12; a.A. LSG Hessen, Urteil vom 25.07.2012 - L 4 SO 296/11 jeweils zum VV-RVG a.F.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Berufung bedurfte nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da die Klägerin im vorliegenden Verfahren lediglich einen Betrag in Höhe von 178,50 EUR geltend macht. Die Kammer hat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst. Die streitige Frage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und betrifft eine Vielzahl von Fällen.
Rechtskraft
Aus
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