S 10 AL 407/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 407/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 40/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 150,- Euro auferlegt. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 07.06.2004 hat.

Der Kläger wurde am 00.00.1946 geboren.

Am 07.06.2004 beantragte er die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.06.2004 ab. Der Kläger habe die notwendige Anwartschaftszeit für den geltend gemachten Anspruch nicht erfüllt.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 18.11.2004 zurück. Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nach § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur, wer u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Diese habe nach § 123 SGB III grundsätzlich erfüllt, wer in der Rahmenfrist von 12 Monaten in einem Versicherungsverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist betrage 3 Jahre und beginne mit der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, § 124 Abs. 1 SGB III. Versicherungspflichtig seien insbesondere Beschäftigungszeiten als Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis. Dabei würden Zeiten, für die kein Entgelt gezahlt würde, nicht mitgerechnet, soweit sie länger als einen Monat gedauert hätten. Die Rahmenfrist nach § 124 SGB III umfasse somit den Zeitraum vom 07.06.2001 bis zum 06.06.2004. Innerhalb dieser Rahmenfrist seien für den Kläger insgesamt 293 Tage beitragspflichtiger Beschäftigung nachgewiesen, die bei der Feststellung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld berücksichtigt werden könnten. Das ergebe sich aus der Arbeitsbescheinigung der JVA C, in welcher der Arbeitsverlauf des Klägers ordnungsgemäß dokumentiert sei.

Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt der Kläger weiterhin die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei zu Unrecht abgelehnt worden. Die versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten seien seitens der Justizvollzugsanstalt C nicht zutreffend bescheinigt worden. Die in den Lohnbescheinigungen eingebrachten Fehlzeiten (unverschuldete Nichtbeschäftigung sowie Zeiten von Arbeitsmangel) seien falsch, da zu viele Tage als Fehlzeiten in Abzug gebracht worden seien. An diesen Tagen habe ein Anspruch auf Ausfallentschädigung gemäß den §§ 42 und 45 Strafvollzugsgesetz bestanden. Während bestimmter Zeiten, nämlich vom 19.11. bis 30.11.2003 sowie vom 09.12.2003 bis zum 05.02.2004 habe er nicht arbeiten können, weil keine Arbeit vorhanden gewesen sei. Zudem seien in den Bescheinigungen der JVA C Tage berücksichtigt worden, an denen er krank gewesen sei. So sei er beispielsweise manchmal freitags wegen Erkrankungen zum Arzt gegangen. Eine anschließende Arbeitsaufnahme sei dann nicht mehr möglich gewesen. Die folgenden Wochenenden (Samstag und Sonntag) müssten aber noch als versicherungspflichtige Tage berücksichtigt werden. Im Übrigen stimmten die Arbeitsbescheinigungen nicht mit seinen Lohnscheinen überein. Er sei daher der Auffassung, die Anwartschaftszeit zu erfüllen. Der Kläger legt im Einzelnen dar, an welchen Tagen er seines Erachtens nach beschäftigt war, weil er unverschuldet nicht wieder der Arbeit zugeführt wurde bzw. im Anschluss an der Erkrankung aufgrund der Wochenenden nicht wieder einer Arbeit zugeführt werden konnte. Er habe insgesamt vom 14.05.2003 bis zum 30.05.2004 gearbeitet und sei während dieser Zeit lediglich an 8 Tagen arbeitsunfähig krank gewesen. Die übrigen Tage müssten berücksichtigt werden. Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass bei der Aufnahmeuntersuchung am 13.12.2003 festgestellt worden sei, dass er nur eingeschränkt arbeitsfähig sei. Ihm sei trotzdem eine Tätigkeit in der Wäscherei zugewiesen worden, welche er aufgrund der attestierten Allergien und Schuppenflechte nicht habe ausüben können. Diese habe er daher berechtigterweise abgelehnt. Am 17.03.2003 sei erneut attestiert worden, dass er lediglich für leichte Arbeiten einsatzfähig sei. Er sei jedoch erst zwei Monate später, nämlich am 14.05.2003, in die Werkhalle 2 geführt worden, obwohl er nach seiner Erinnerung dort hätte bereits früher anfangen können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2004 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 07.06.2004 Arbeitslosengeld zu zahlen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen und Argumentationen im Verwaltungsverfahren. Der Streit beruhe auf den Arbeitsbescheinigungen der JVA C vom 03.06.2004 an die Beklagte gemäß § 312 Abs. 4 SGB III. Weitere sozialversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten seien vom Kläger nicht nachgewiesen worden.

Die Klage ist vom Kläger am 17.12.2004 eingereicht worden. Sie ist von ihm trotz mehrfacher Erinnerungen und Fristsetzung des Gerichts unter Hinweis auf die mögliche Tragung von Kosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst nicht begründet worden. Das Gericht hat daraufhin am 05.01.2006 einen Verkündungstermin für den 03.02.2006 bestimmt. Zu diesem Termin bzw. unmittelbar vor dem Termin hat sich der Kläger mit seinem damaligen Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt F, zerstritten. Als Grund hat der Kläger angegeben, dass keine Klagebegründung vorgelegen habe, er hierüber nicht informiert worden sei und der Anwalt auch nicht seine neue Anschrift an das Gericht weitergeleitet habe. Der Kläger hat ohne Anwalt im Verkündungstermin vom 03.02.2006 keinen Antrag stellen wollen, sondern Vertagung beantragt. Diesem Antrag ist das Gericht gefolgt. Erst durch den neu vom Kläger beauftragten, jetzigen Prozessbevollmächtigten ist die Klage begründet worden.

Das Gericht hat den Kläger auf die mögliche Kostentragung nach § 192 SGG in den Terminen vom 03.02.2006 und vom 30.03.2007 hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte S 10 AL 296/04 und die Verwaltungsakte der Beklagte betreffend den Kläger mit der Stamm-Nr. 0 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 07.06.2004. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zutreffend und umfassend dargelegt. Deswegen wird gemäß § 153 Abs. 1, § 136 Abs. 3 SGG auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und von einer weiteren Darstellung abgesehen.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen.

Beim Kläger und der von ihm im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübten Tätigkeit handelt es sich nicht um einen sogenannten Freigänger, der bei privaten Arbeitgebern gegen Entgelt tätig war. Vielmehr wurde er von der JVA im Rahmen des Strafvollzugs verschiedenen Beschäftigungen zugeführt. Da es sich nicht um freiwillige Beschäftigung privatrechtlicher Art handelte, lag keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor (Fuchs in Gaggel, SGB III Kommentar, 27. Ergänzungslieferung, § 26 Rn. 24 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III bestand für den Kläger als Strafgefangenen daher nur Versicherungspflicht, soweit ihm Arbeitsentgelt oder Ausfallentschädigung gemäß der §§ 43 - 45 Strafvollzugsgesetz zustand. Die Tage, an denen ihm entsprechende Entgelte zustanden, sind von der JVA C dokumentiert worden. Es sind insgesamt 293 Tage.

An anderen Tagen stand dem Antragsteller entgegen seiner Auffassung kein Ar-beitsentgelt zu, so dass er auch nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III war. Das gilt auch für die Tage, an denen er nach einer Krankmeldung zwar arbeitsfähig war aber keiner Arbeit zugeführt wurde. An diesen Tagen hat er tatsächlich nicht gearbeitet. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Strafvollzugsgesetz stand ihm für diesen Tag insgesamt kein Arbeitsentgelt zu, unabhängig davon, ob er unverschuldet keiner Arbeit zugeführt wurde oder nicht.

Folgten auf solche Tage oder auf Krankheitstage dann Feiertage oder Wochenenden, so konnte der Kläger auch an den darauf folgenden Tagen von der JVA C keiner Arbeit zugeführt werden. An diesen Tagen ergab sich ebenfalls kein Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Strafvollzugsgesetz. Entsprechend bestand auch keine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.

Aus derselben Überlegung stand dem Kläger auch an den übrigen streitigen Tagen kein Arbeitsentgelt zu, da er unstreitig an diesen Tagen nicht gearbeitet hat, so dass er auch nicht versicherungspflichtig im Sinne des SGB III war.

Da § 45 Strafvollzugsgesetz in der Form, die eine Entschädigung für ausgefallene Arbeit vorsieht, nicht in Kraft gesetzt worden ist, ergibt sich auch über diesen Weg keine Versicherungspflicht des Klägers.

Soweit der Kläger insofern an einigen Tagen oder in einigen Wochen ungleich behandelt wurde gegenüber anderen Strafgefangenen, denen Arbeit zugewiesen wurde und die somit in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen, ist dies im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung gerechtfertigt (BSG, Beschluss vom 05.12.2001, B 7 AL 74/01 B). Eine Behandlung der gesamten Strafhaft gleichsam als Beitragszeit, unabhängig von der Ausübung einer zugewiesenen und tatsächlich auch ausgeübten Arbeit gegen Entgelt, widerspräche der Regelung der §§ 37, 41 und 43 Strafvollzugsgesetz und ist verfassungsrechtlich nicht geboten (Beschluss des Bundessozialgerichtes vom 05.12.2001, B 7 AL 74/01 B).

Der geltend gemachte Anspruch besteht danach nicht.

Die Beklagte obsiegt im Verfahren. Sie muss dem Kläger gemäß §§ 193, 183 SGG keine Kosten erstatten.

Dem Kläger waren nach § 192 Abs. 1 Ziffer 1 SGG Verschuldenskosten in Höhe von 150,- Euro zu verhängen. Durch das Verschulden des Klägers war die Vertagung der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2006 notwendig. Der Kläger hatte bis dahin seine Klage nicht begründet. Die Klage war somit abweisungsreif. Erst aufgrund der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass und warum er die versicherungsrechtlichen Zeiten für den geltend gemachten Anspruch erfüllt, konnte das Gericht das Verfahren fortbetreiben. Es waren jedoch noch weitere Ermittlungen notwendig. Die Beklagte konnte sich zudem nicht umfassend zu den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung äußern. Eine Vertagung war daher notwendig. Dies beruht auf ein Verschulden des Klägers oder ein Verschulden seines früheren Bevollmächtigten. Dessen Verschulden wird dem Kläger Im Rahmen des § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG zugerechnet. Zudem hat der Kläger durch die Auseinandersetzung mit seinem Prozessbevollmächtigten unmittelbar vor dem Termin am 03.02.2006 bewirkt, dass dieser das Mandat niederlegte. Der Kläger selbst teilte mit, dass er dem Prozessbevollmächtigten sonst das Mandat von sich aus entzogen hätte. Ohne Prozessbevollmächtigten konnte und wollte er im Termin keinen Antrag in der Sache stellen, sondern beantragte die Vertagung. Auch das stellt ein Verschulden des Klägers dar. Er hätte sich früher -das Verfahren läuft bereits seit Dezember 2004- um die fehlende Klagebegründung kümmern können und müssen.

Die Verhängung von 150,- Euro erfolgte gemäß § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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