S 43 KR 536/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
43
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KR 536/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Einbeziehung der Direktversicherung der Klägerin in die Beitragspflichtigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung rechtswidrig ist. Die Klägerin hat 20 Jahre lang die vollen Versicherungsbeiträge aus ihrem Gehalt an die Versicherung überwiesen. Es handelt sich hier also um eine Direktversicherung, die nicht vom Arbeitgeber finanziert worden ist. Auch nachdem die Klägerin erwerbsunfähig geworden ist, ließ sie die vollen Beiträge noch weitere fünf Jahre von ihrem privaten Konto abbuchen. Der Klägerin wurde von der Bayerischen Beamtenversicherung am 29.2.2004 eine einmalige Zahlung in Höhe von 55.797,30 Euro ausgezahlt. Mit Bescheid vom 23.3.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass auch eine solche Kapitalabfindung zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörte. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die Abfindung an Stelle eines laufenden beitragspflichtigen Versorgungsbezugs gezahlt werde. Die Berechnung werde unter Berücksichtigung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V vorgenommen und ergebe einen Betrag von Euro 75,32 monatlicher Beitrag zur Gesamtversicherung und zur Pflegeversicherung. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch. Sie wies die Beklagte insbesondere darauf hin, dass die Beitragszahlung an die Direktversicherung von Januar 1970 bis Mai 1999 monatlich von ihrem Gehalt vom Arbeitgeber direkt an die Bayerische Beamtenversicherung weitergeleitet worden sei, ab Juni 1999 bis Februar 2004 sei der Bayerische Beamtenversicherung von ihrem privaten Girokonto ein monatlicher Betrag von 160,- DM abgebucht worden. Sie habe sich nach ihrer Krebserkrankung mit 55 Jahren und einer daraus bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente entschlossen, die Versicherung nicht ruhen zu lassen. Beiträge für ihre Versicherung seien alle von ihr alleine bezahlt, deshalb sei sie auch nicht bereit, ihr von ihrer sauer ersparten Altersvorsorge ein Vermögen von 17.700,- DM kampflos nehmen zu lassen. Es handle sich bei ihrer ehemaligen Direktversicherung eben nicht um eine vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrente. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2004 zurück. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Leistungen der Bayerischen Beamtenversicherung Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, d.h. Renten aus der betrieblichen Altersversorgung, seien. Wie die Klägerin selbst und auch die vorgelegten Unterlagen bestätigen würden, sei die dortige Versicherung als sog. Direktversicherung begründet worden, aus der die Klägerin sogar eine unfallfreie Anwartschaft im Sinne des § 1 b Abs. 2 BetriebAVG erworben hätte. Der Begriff der Renten der betrieblichen Altersversorgung in § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V sei weiter gefasst und zu verstehen, als nach dem BetriebAFG. Soweit allerdings sogar Leistungen nach dem BetrAVG vorliegen würden, seien diese Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V. Der Begriff des Versorgungsbezuges ansich oder einer Rente der betrieblichen Altersversorgung setze nicht notwendig voraus, dass allein der Arbeitgeber oder sonstige Dritte die Beiträge/Prämien dafür aufgebracht hätten. Selbst die alleinige Beitrags-/Prämienzahlung, wie es die Klägerin dies für einen gewissen Zeitraum geltend machen würde, schließe die Zuordnung zu den Versorgungsbezügen und die Beitragsberechnung nach dem Zahlbetrag nicht aus, wenn der Zugang durch eine frühere Berufstätigkeit eröffnet worden wäre. Daher sei bei der Höhe des auf 120 Monate zurückliegenden Zahlbetrags auch kein Abzug für den "privat finanzierten Antei" vorzunehmen. Soweit die Klägerin die Beitragspflicht schon von "seit Jahrzehnten laufenden Direktversicherung" beanstanden würde, stelle weder dies noch die ab 1.1.2004 vorgenommene Ausweitung auf Einmalzahlungen einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht dar. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz schütze grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Zahlungsverpflichtungen, so dass die Beitragspflicht zur Krankenversicherung grundsätzlich auf weitere Einnahmen ausgedehnt werden könne. Es würden nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Soweit die Klägerin die Verdoppelung des Beitragssatzes als Grundrechtsverstoß rügen würde, würde die Beklagte auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.3.2000 hinweisen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei insofern nicht ersichtlich. Dagegen richtet sich die Klage. Sie wird im Wesentlichen damit begründet, dass die vom Gesetzgeber mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz getroffene Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Grundgesetz verstoßen würde. Zumindest dadurch, dass der Gesetzgeber keine Vertrauensschutzregelungen getroffen hätte, verstoße er mit seiner Regelung dagegen. Weiter würde der Gesetzgeber mit der Begründung der Neuregelung des § 248 SGB V gegen das in der gesamten Sozialversicherung geltende Solidarprinzip verstoßen. Auch in der Verdoppelung der Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen selbständiger Tätigkeit würde die Klägerseite einen Verstoß gegen das Solidarprinzip als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz sehen. Der wahre Grund für die Beitragsverpflichtung sei, dass dies der einfachste Weg sei, die finanzielle Schieflage in der gesetzlichen Krankenversicherung abzumelden und eine Gruppe einseitig zu belasten. Schließlich habe die Klägerin im Vertrauen auf die bei Abschluss der Altersversorgung geltenden Regelung nicht nur umkehrbare Vermögensdispositionen getroffen. Diese seien nun nicht mehr realisierbar. Dadurch verletzte der Gesetzgeber die Klägerin in ihrtn Eigentumsrechten aus Art. 14 Grundgesetz. Die Beklagte erwidert insbesondere, dass die Fortführung der Direktversicherung eine betriebliche Altersversorgung durch eine Beitragszahlung der Zuordnung der Leistung als solche der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V nicht entgegenstehen würde. Dies habe das Bundessozialgericht bei anderen Arten der zusätzlichen Altersversorgung bereits mehrfach entschieden. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, zwischen den verschiedenen Formen der zusätzlichen Altersversorgung zu differenzieren. Die übergangslose Einbeziehung von einmaligen Leistungen in der betrieblichen Altersversorgung in der Form der Direktversicherung in die Beitragspflicht verstoße nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes. Bereits im Widerspruchsbescheid sei diesbezüglich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.1988 hingewiesen worden. Zwischen einer sofortigen Einmalzahlung im Versicherungsfall und erst nach Eintritt des Versicherungsfalles an die Stelle laufender Zahlungen tretenden Einmalzahlung würden keine solchen Unterschiede bestehen, die eine unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung rechtfertigen würden. In beiden Fällen würde die Möglichkeit der Verwendung der Einmalzahlung in einer Summe oder in der Verwendung für die laufenden Ausgaben zum Lebensunterhalt weiter bestehen. Was die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes auf die Versorgungsbezüge angehe, so sei auch hier im Widerspruchsbescheid auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht hingewiesen worden.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 23.3.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2004 auf die Erhebung von Beitragszahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw. die Verdoppelung die Beiträge für die Direktversicherung/Betriebsrente der Klägerin zu verzichten, sowie Sprungrevision zuzulassen.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen und stimmt der Zulassung der Sprungrevision zu.

Dem Gericht liegen die Verfahrensakte S 43 KR 536/04 sowie die Akte der Beklagten vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, auf die insbesondere zur Ergänzung des Tatbestands ausdrücklich Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.3.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2004 nicht in ihren Rechten verletzt, er ist nicht rechtswidrig. Die gesamte Kapitalleistung ist der Beitragspflicht nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu unterwerfen. Es handelt sich bei der Einmalzahlung an die Klägerin um "Versorgungsbezüge" gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Die Klägerin hat nur aufgrund ihrer früheren Berufstätigkeit Mitglied der Einrichtung werden können, hat sich insofern der betrieblichen Alterversorgung angeschlossen und sich damit auch in gewissem Umfang ihre Vorteile nutzbar gemacht. Die Beklagte verweist insofern zu Recht darauf, dass das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung insofern bereits über eine der streitigen Fragen entschieden hat (vgl. Urteil vom 6. Februar 1992, 12 RK 37/92). Am 10. Mai 2006 hat das BSG ebenso nach mündlicher Verhandlung entschieden, dass die gesetzliche Regelung, nach der ab 1. Januar 2004 bei Pflichtversicherten, aber auch ausnahmslos bei allen freiwillig Versicherten Rentnern für die Beiträge auf Versorgungsbezügen der volle allgemeine Beitrag gilt und die Beiträge allein vom Versicherten zu tragen sind, nach Überzeugung des Bundessozialgerichts nicht verfassungswidrig ist. Im Übrigen wird auf das Urteil des Sozialgerichts Ulm Bezug genommen (Az.: S 1 KR 1562/05). Die Sprungrevision wird nicht zugelassen, da eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach Ansicht der Kammer nicht (mehr) vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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