Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
43
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KA 2027/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid des Beklagten vom 16. September 2002 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers vom 18. Februar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war notwendig.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses im Quartal 4/00 in Höhe von 84,19 Euro. Der Kläger ist als Hautarzt in N. zur vertragsärztlichen Versorgung niedergelassen. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 84,19 Euro wegen unzulässiger Verordnung des Präparates "Berniter Gel" fest. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Prüfbescheid sei sowohl formell, als auch materiell rechtswidrig. Er sei nicht ausreichend begründet und gehe nicht auf die vorgetragenen Argumente des Widerspruchsführers ein. Das Präparat Berniter Gel sei ein Arzneimittel, welches nach § 27 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Die Patienten, welche das streitige Präparat verordnet bekommen hätten, hätten an einer behandlungsbedürftigen Krankheit gelitten und das Präparat Berniter Gel sei ein Arzneimittel, welches nach der Roten Liste verschreibungspflichtig sei. Die Behandlung mit Berniter Gel sei auch nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien Haarwaschmittel dann verordnungsfähig, wenn das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt werde bzw. die Nutzung unzumutbar sei. Dies treffe auf das Präparat Berniter Gel zu. Zum einen bedürfe die Anwendung aus verschiedenen Gründen der Beratung eines Arztes, zum anderen verströme das Präparat einen anhaltend abstoßenden Geruch. Zudem behandle man mit Berniter Gel nicht nur die Haare, sondern den ganzen Kopf einschließlich Gesicht.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte zurück. Der Widerspruch sei unbegründet. Das Präparat Berniter Gel enthalte 0,5 % Steinkohleteer, waschaktive Substanzen (Syndets), Geruchstoffe. Es werde vom Hersteller zur Anwendung bei seborröischer Dermatitis der Kopfhaut, gesteigerter Talgproduktion, Kopfschuppen sowie zur unterstützenden Therapie bei Psoriasis der Kopfhaut empfohlen. Die in dem Präparat enthaltenen Syndex würden nicht nur das Aufbringen von Steinkohleteer auf dem behaarten Kopfteil gewährleisten, sondern würden auch wegen ihrer hohen Benetzbarkeit der Haut, der emulgierenden Wirkung auf Hautoberflächensekret und der dispergierenden Wirkung auf Schuppen eine entsprechende Reinigung und Pflege von Kopfhaut ermöglichen. Da Waschsyndets grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen seien, diese aber als notwendiger Bestandteil im Präparat Berniter Kopfhautgel überhaupt erst die Wirkung des Steinkohleteers in dieser besonderen Anwendungsform ermöglichten, müsse das gesamte Produkt unter die Bestimmung von Ziffer 17.1 c der Arzneimittel-Richtlinien fallen. Dies seien Mittel, die auch zur Reinigung und Pflege der Haut und des Haares dienen würden. Die Behauptung des Klägers, Berniter Gel sei nicht zur Haarwäsche geeignet, treffe nicht zu. Aufgrund des hohen, für eine Haarwäsche völlig ausreichenden Anteils an Tensiden sei das Präparat vielmehr durchaus für diesen Zweck geeignet. Bei Anwendung in der vom Hersteller empfohlenen Weise ersetze Berniter Gel das sonst übliche Haarwaschmittel. Auch die Behauptung, wegen eines abstoßenden Geruchts könne das Mittel nicht als Haarwaschmittel benutzt werden, widerspreche Firmenmitteilungen. In einer an Ärzte gerichteten Werbeschrift habe der Hersteller die Eigenschaften des Produkts folgendermaßen beschrieben: "Geruch: kaum noch wie Teer, Aussehen: nicht schwarz, sondern bernsteinfarbig". Aussehen und Handhabung würden das Produkt ohne weiteres in die Gruppe der medizinischen Haarwaschmittel einreihen. Das Präparat sei bis zum 30.6.2000 frei verkäuflich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wurden als Arzneimittel zugelassene steinkohleteerhaltige Produkte der Verschreibungspflicht unterstellt. Grund hierfür wäre das Verbot von Steinkohleteer enthaltenen Kosmetika wegen der krebserzeugenden Inhaltsstoffe. Dies würde jedoch nichts an der Eignung für die Kopfhaut- und Haarreinigung ändern. Im Ergebnis sei die Verordnung des Präparats aufgrund der Außenbestimmungen in 17.1 c der AMR nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage. Die Klägerseite begründet sie u.a. damit, dass Haarwaschmittel dann verordnungsfähig seien, wenn das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt werden bzw. die Nutzung unzumutbar sei. Die Klägerseite verweist hier auf das Urteil des Bundessozialgericht vom 10. Mai 1990 (Az.: 6 Rka 15/89).
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen, den Bescheid des Beklagten vom 16.9.2002 aufzuheben und über den Widerspruch des Klägers vom 18.2.2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 16. September 2002 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Gemäß 17.1 c AMR dürfen Mittel, die auch zur Reinigung und Pflege oder Färbung der Haut, des Haares, der Nägel, der Zähne, der Mundhöhle usw. dienen einschließlich medizinischer Haut- und Haarwaschmittel sowie medizinischer Haarwässer und kosmetischer Mittel nicht verordnet werden. Ausgenommen sind als Arzneimittel zugelassene Basiscremes, Basissalben, Haut- und Kopfhautpflegemittel, auch Rezepturgrundlagen, soweit und solange sie Teil der arzneilichen Therapie (Intervall-Therapie bei Neurodermitis/endogenem Ekzem, Psoriasis, Akne-Schäl-Therapie und Strahlentherapie) sind und nicht der Färbung der Haut und -anhangsgebilde zur Wiedervermittlung von Geruchseindrücken dienen. Gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 1990, auf die die Klägerseite zutreffend hinweist, umschreibt dieser Text die Grenzen des Arzneimittelbegriffs. Gemäß § 27 SGB V umfasst die Krankenbehandlung außer der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln. Der Versicherte hat dabei einen Anspruch auf alle Mittel, die notwendig sind, die Krankheit zu heilen oder wesentlich zu lindern. Damit hat der Gesetzgeber nach der nachvollziehbaren Ansicht des Bundessozialgerichts zum Ausdruck gebracht, dass Mittel, auch wenn sie geeignet sind, die Krankheit zu heilen oder zu lindern, dann nicht als Arzneimittel gelten, wenn sie ohnehin zum allgemeinen Lebensbedarf gehören. Haar- und Kopfwaschmittel gehören zum allgemeinen Lebensbedarf (vgl. Urteil des BSG vom 21. Juni 1989, 6 RKa 11/88). Allein der Umstand, dass das vom Kläger verordnete Präparat auch zur Heilung geeignet ist und zu diesem Zweck auch verordnet wurde, kann es daher nicht zum verordnungsfähigen Arzneimittel machen. Haarwaschmittel sind als zum allgemeinen Lebensbedarf gehörend auch dann nicht verordnungsfähig, wenn sie zugleich therapeutischen Zwecken dienen (vgl. BSG, a.a.O.). Von diesem Grundsatz gilt allerdings die Ausnahme für den Fall, dass das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt wird bzw. die Nutzung unzumutbar ist. Hier ist die Verordnungsfähigkeit des Präparats aus Sicht der mit einem Arzt fachkundig besetzten Kammer deshalb gegeben, weil wegen der Teerhaltigkeit zunächst Begleiterscheinungen oder Nebenwirkungen auftreten können, die eine ärztliche Beratung für die Anwendung des Mittels erfordern (so bestehen Kontraindikationen für das Präparat, es soll nicht während der Schwangerschaft angewandt werden und auch nicht bei nässender Schuppenbildung). Außerdem liegen hier andere Gründe vor, die einer Verwendung zur üblichen Haarwäsche entgegenstehen. Das Präparat hat einen anhaltend abstoßenden Geruch (vgl. BSG vom 21. Juni 1989, a.a.O.). Außerdem übersteigen seine Kosten in Höhe von 19,73 Euro die Aufwendungen für ein übliches Haarwaschmittel bei weitem. Die Anschaffung auf eigene Kosten ist daher nach Sicht der Kammer auch unter Berücksichtigung der Interessen der Solidargemeinschaft den Versicherten nicht zuzumuten (vgl. auch S 43 KA 3167/01). Im Ergebnis ist die Verordnung des Präparats nicht grundsätzlich unzulässig. Der Beklagte hat vielmehr bei seiner Neuentscheidung in den einzelnen Fällen zu überprüfen, ob die Verordnung des Präparats Berniter Gel im Einzelfall notwendig und wirtschaftlich war (vgl. BSG vom 21. Juni 1989, a.a.O.). Der Klage war daher stattzugeben. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war notwendig.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses im Quartal 4/00 in Höhe von 84,19 Euro. Der Kläger ist als Hautarzt in N. zur vertragsärztlichen Versorgung niedergelassen. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 84,19 Euro wegen unzulässiger Verordnung des Präparates "Berniter Gel" fest. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Prüfbescheid sei sowohl formell, als auch materiell rechtswidrig. Er sei nicht ausreichend begründet und gehe nicht auf die vorgetragenen Argumente des Widerspruchsführers ein. Das Präparat Berniter Gel sei ein Arzneimittel, welches nach § 27 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Die Patienten, welche das streitige Präparat verordnet bekommen hätten, hätten an einer behandlungsbedürftigen Krankheit gelitten und das Präparat Berniter Gel sei ein Arzneimittel, welches nach der Roten Liste verschreibungspflichtig sei. Die Behandlung mit Berniter Gel sei auch nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien Haarwaschmittel dann verordnungsfähig, wenn das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt werde bzw. die Nutzung unzumutbar sei. Dies treffe auf das Präparat Berniter Gel zu. Zum einen bedürfe die Anwendung aus verschiedenen Gründen der Beratung eines Arztes, zum anderen verströme das Präparat einen anhaltend abstoßenden Geruch. Zudem behandle man mit Berniter Gel nicht nur die Haare, sondern den ganzen Kopf einschließlich Gesicht.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte zurück. Der Widerspruch sei unbegründet. Das Präparat Berniter Gel enthalte 0,5 % Steinkohleteer, waschaktive Substanzen (Syndets), Geruchstoffe. Es werde vom Hersteller zur Anwendung bei seborröischer Dermatitis der Kopfhaut, gesteigerter Talgproduktion, Kopfschuppen sowie zur unterstützenden Therapie bei Psoriasis der Kopfhaut empfohlen. Die in dem Präparat enthaltenen Syndex würden nicht nur das Aufbringen von Steinkohleteer auf dem behaarten Kopfteil gewährleisten, sondern würden auch wegen ihrer hohen Benetzbarkeit der Haut, der emulgierenden Wirkung auf Hautoberflächensekret und der dispergierenden Wirkung auf Schuppen eine entsprechende Reinigung und Pflege von Kopfhaut ermöglichen. Da Waschsyndets grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen seien, diese aber als notwendiger Bestandteil im Präparat Berniter Kopfhautgel überhaupt erst die Wirkung des Steinkohleteers in dieser besonderen Anwendungsform ermöglichten, müsse das gesamte Produkt unter die Bestimmung von Ziffer 17.1 c der Arzneimittel-Richtlinien fallen. Dies seien Mittel, die auch zur Reinigung und Pflege der Haut und des Haares dienen würden. Die Behauptung des Klägers, Berniter Gel sei nicht zur Haarwäsche geeignet, treffe nicht zu. Aufgrund des hohen, für eine Haarwäsche völlig ausreichenden Anteils an Tensiden sei das Präparat vielmehr durchaus für diesen Zweck geeignet. Bei Anwendung in der vom Hersteller empfohlenen Weise ersetze Berniter Gel das sonst übliche Haarwaschmittel. Auch die Behauptung, wegen eines abstoßenden Geruchts könne das Mittel nicht als Haarwaschmittel benutzt werden, widerspreche Firmenmitteilungen. In einer an Ärzte gerichteten Werbeschrift habe der Hersteller die Eigenschaften des Produkts folgendermaßen beschrieben: "Geruch: kaum noch wie Teer, Aussehen: nicht schwarz, sondern bernsteinfarbig". Aussehen und Handhabung würden das Produkt ohne weiteres in die Gruppe der medizinischen Haarwaschmittel einreihen. Das Präparat sei bis zum 30.6.2000 frei verkäuflich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wurden als Arzneimittel zugelassene steinkohleteerhaltige Produkte der Verschreibungspflicht unterstellt. Grund hierfür wäre das Verbot von Steinkohleteer enthaltenen Kosmetika wegen der krebserzeugenden Inhaltsstoffe. Dies würde jedoch nichts an der Eignung für die Kopfhaut- und Haarreinigung ändern. Im Ergebnis sei die Verordnung des Präparats aufgrund der Außenbestimmungen in 17.1 c der AMR nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage. Die Klägerseite begründet sie u.a. damit, dass Haarwaschmittel dann verordnungsfähig seien, wenn das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt werden bzw. die Nutzung unzumutbar sei. Die Klägerseite verweist hier auf das Urteil des Bundessozialgericht vom 10. Mai 1990 (Az.: 6 Rka 15/89).
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen, den Bescheid des Beklagten vom 16.9.2002 aufzuheben und über den Widerspruch des Klägers vom 18.2.2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 16. September 2002 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Gemäß 17.1 c AMR dürfen Mittel, die auch zur Reinigung und Pflege oder Färbung der Haut, des Haares, der Nägel, der Zähne, der Mundhöhle usw. dienen einschließlich medizinischer Haut- und Haarwaschmittel sowie medizinischer Haarwässer und kosmetischer Mittel nicht verordnet werden. Ausgenommen sind als Arzneimittel zugelassene Basiscremes, Basissalben, Haut- und Kopfhautpflegemittel, auch Rezepturgrundlagen, soweit und solange sie Teil der arzneilichen Therapie (Intervall-Therapie bei Neurodermitis/endogenem Ekzem, Psoriasis, Akne-Schäl-Therapie und Strahlentherapie) sind und nicht der Färbung der Haut und -anhangsgebilde zur Wiedervermittlung von Geruchseindrücken dienen. Gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 1990, auf die die Klägerseite zutreffend hinweist, umschreibt dieser Text die Grenzen des Arzneimittelbegriffs. Gemäß § 27 SGB V umfasst die Krankenbehandlung außer der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln. Der Versicherte hat dabei einen Anspruch auf alle Mittel, die notwendig sind, die Krankheit zu heilen oder wesentlich zu lindern. Damit hat der Gesetzgeber nach der nachvollziehbaren Ansicht des Bundessozialgerichts zum Ausdruck gebracht, dass Mittel, auch wenn sie geeignet sind, die Krankheit zu heilen oder zu lindern, dann nicht als Arzneimittel gelten, wenn sie ohnehin zum allgemeinen Lebensbedarf gehören. Haar- und Kopfwaschmittel gehören zum allgemeinen Lebensbedarf (vgl. Urteil des BSG vom 21. Juni 1989, 6 RKa 11/88). Allein der Umstand, dass das vom Kläger verordnete Präparat auch zur Heilung geeignet ist und zu diesem Zweck auch verordnet wurde, kann es daher nicht zum verordnungsfähigen Arzneimittel machen. Haarwaschmittel sind als zum allgemeinen Lebensbedarf gehörend auch dann nicht verordnungsfähig, wenn sie zugleich therapeutischen Zwecken dienen (vgl. BSG, a.a.O.). Von diesem Grundsatz gilt allerdings die Ausnahme für den Fall, dass das Mittel gerade wegen der therapeutischen Bestandteile vom Verbraucher nicht benutzt wird bzw. die Nutzung unzumutbar ist. Hier ist die Verordnungsfähigkeit des Präparats aus Sicht der mit einem Arzt fachkundig besetzten Kammer deshalb gegeben, weil wegen der Teerhaltigkeit zunächst Begleiterscheinungen oder Nebenwirkungen auftreten können, die eine ärztliche Beratung für die Anwendung des Mittels erfordern (so bestehen Kontraindikationen für das Präparat, es soll nicht während der Schwangerschaft angewandt werden und auch nicht bei nässender Schuppenbildung). Außerdem liegen hier andere Gründe vor, die einer Verwendung zur üblichen Haarwäsche entgegenstehen. Das Präparat hat einen anhaltend abstoßenden Geruch (vgl. BSG vom 21. Juni 1989, a.a.O.). Außerdem übersteigen seine Kosten in Höhe von 19,73 Euro die Aufwendungen für ein übliches Haarwaschmittel bei weitem. Die Anschaffung auf eigene Kosten ist daher nach Sicht der Kammer auch unter Berücksichtigung der Interessen der Solidargemeinschaft den Versicherten nicht zuzumuten (vgl. auch S 43 KA 3167/01). Im Ergebnis ist die Verordnung des Präparats nicht grundsätzlich unzulässig. Der Beklagte hat vielmehr bei seiner Neuentscheidung in den einzelnen Fällen zu überprüfen, ob die Verordnung des Präparats Berniter Gel im Einzelfall notwendig und wirtschaftlich war (vgl. BSG vom 21. Juni 1989, a.a.O.). Der Klage war daher stattzugeben. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
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