S 44 KR 218/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 218/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 wird aufgehoben.

II. Die Beklage wird verurteilt, die Klägerin aufgrund der gemäß § 13 Abs. 3a Satz. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetretenen Genehmigungsfiktion mit einer mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maßnahme (1. Schritt: Schrittmacherexplantation, 2. Schritt: Schlauchmagenanlage, sog. "sleeve gastrectomy") als Sachleistung zu versorgen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die 1981 geborene, bei der Beklagten im Rahmen einer Beschäftigtenversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherte Klägerin auf ihren Antrag vom 23.12.2015 mit einer mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maßnahme als Sachleistung im Rahmen eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes zu versorgen. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 23.12.2015, bei der Beklagten nach dem von der Klägerin vorgelegten Faxsendebericht noch am selben Tag eingegangen, beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage ärztlicher Atteste bzw. antragsbefürwortender Schreiben der C. GmbH, des Facharztes für Innere Medizin H. C. , des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. M. D., der Fachärzte für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dres. E. sowie einer Bestätigung der Ernährungsambulanz des Adipositas Zentrums F-Stadt über wiederkehrende Ernährungsberatung in den Jahren 2012 bis 2015 die Kostenübernahme für eine mehrschrittige stationäre adipositaschirurgische Maßnahme (1. Schritt: Schrittmacherexplantation, 2. Schritt: Schlauchmagenanlage). Mit Schreiben vom 08.01.2016 bestätigte die Beklagte den Antragseingang der Klägerin und teilte mit, sie habe den Antrag dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung der medizinischen Voraussetzungen vorgelegt und könne das Anliegen der Klägerin daher noch nicht abschließend beurteilen. Sie werde die Klägerin informieren, sobald sie neue Erkenntnisse habe. Mit Schreiben vom 08.01.2016 beauftragte die Beklagte den MDK Bayern mit der Bitte um Prüfung, ob die Voraussetzungen für den geplanten adipositas-chirurgischen Eingriff vor-lägen. Nach dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten des MDK Bayern vom 01.02.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wird auf der Grundlage der vorliegenden Befunde der Klägerin die Kostenübernahme für eine adipositas-chirurgische Maßnahme nicht empfohlen. Eine ultima-ratio-Indikation könne im vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden, da anhand Unterlagen Kontraindikationen nicht ausgeschlossen seien, keine aktuellen Essprotokolle, keine Erklärungen zu dem erneute Gewichtsanstieg und keine datierte Gewichtsverläufe sowie Befunde zu einer psychiatrischen Grunderkrankung vorlägen. Mit Bescheid vom 02.02.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Schlauchmagenoperation unter Bezugnahme auf die sozialmedizinische Beurteilung des MDK ab. Vorsorglich werde zugleich für den Fall des Eintritts einer Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die fiktive Genehmigung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben.

Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 04.03.2016 (Eingang bei der Beklagten am 04.03.2016) Widerspruch erhoben.

Am 16.02.2016 hat die Klägerin Feststellungsklage zum Sozialgericht München erhoben, mit welcher sie ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren auf Versorgung mit einer mehrschrittigen adipositas-chirurgischen Maßnahme weiter verfolgt.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2016 zurück. Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin, er stelle prozessual auf eine Leistungsklage um.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 02.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 zu verurteilen, die Klägerin antragsgemäß mit einem mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maßnahme (1. Schritt: Schrittmacherexplantation, 2. Schritt: Schlauchmagenanla-ge, sog. "sleeve gastrectomy") als Sachleistung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch in Kenntnis der gerichtlichen Hinweise und der BSG-Entscheidung vom 08.03.2016 Az. B 1 KR 25/15 R) halte sie an ihrer Rechtsauffassung fest. Eine Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten. Zudem habe die Beklagte für den Fall, dass eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei, diese durch den Bescheid vom 02.02.2016 in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen. Dies sei auch nach dem o.g. BSG-Urteil durchaus möglich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 14.10.2016 sind die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung angehört worden. Die Beteiligten haben hierzu ihr schriftliches Einverständnis erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Prozessakten.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig.

Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016.

1) Mit der echten Leistungsklage kann die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Klägerin ihren Sachleistungsan-spruch auf die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V stützt. Danach gilt eine Leistung nach Ablauf der in Satz 1 und 4 der Vorschrift genannten Frist als genehmigt, wenn keine schriftliche Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Bearbeitung erfolgt. Mit Eintritt der Fiktion besteht damit der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein gesonderter Bescheid zu erteilen wäre. Die Fiktion ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (so auch Sozialgericht [SG] Augsburg, Urteil vom 03.06.2014 - S 6 KR 339/13 -; SG Nürnberg, Urteil vom 27.03.2014 - S 7 KR 520/13 -; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13 -; jeweils Juris). Die prozessuale Situation entspricht daher dem Fall, dass ein erteilter Bewilligungsbescheid von der Verwaltungsbehörde nicht vollzogen wird. Auch hier ist die echte Leistungsklage zulässig, da ein Verwaltungsakt nicht mehr zu ergehen braucht (§ 54 Abs. 5 SGG). Einer Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf es wegen der Möglichkeit der auf Gewährung der Sachleistung gerichtete Leistungsklage nicht. Die Feststellungsklage ist zur Leistungsklage subsidiär. Die nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erfolgte Umstellung der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage auf eine Leistungsklage war im Sinne des § 99 Abs. 1, 2. Alt. SGG sachdienlich, so dass dahinstehen kann, ob eine solche Umstellung nicht ohnehin die Voraussetzungen des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfüllt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 99 Rn. 4 f.).

2) Die allgemeine Leistungsklage konnte hier auch zulässigerweise mit einer Anfech-tungsklage gegen den Ablehnungs- und Rücknahmebescheid 02.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 verbunden werden, da der Klägerin gerichtlicher Rechtsschutz dafür zustehen muss, einen formellen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderen Zusammenhängen unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R -; SG Augsburg, Urteil vom 03.06.2014 - S 6 KR 339/13 -, jeweils Juris; vgl. auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., 2014, Anhang § 54 Rn. 4). Die Anfechtungsklage ist mit Abschluss des Vorverfahrens, also mit dem Erlass des Widerspruchs-bescheides während des Klageverfahrens am 04.08.2016 zulässig geworden (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 78 Rn. 3a).

II. Die Klage erweist sich auch in der Sache als begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die von der Klägerin als Sachleistung beantragte Versorgung mit einer mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maß-nahme gilt als genehmigt. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Gewährung der beantrag-ten stationären Magen-Schrittmacherexplantation und Umwandlung in eine Schlauchmagen-Situation.

1) Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 13 Abs. 3a SGB V. Danach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (Satz 4). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). § 13 Abs. 3a SGB V beruht auf dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Ver-besserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (Patientenrechte-gesetz, BGBl. I 2013, 277). Die Norm verfolgt nach dem erklärten Willen des Gesetzge-bers das Ziel, die Entscheidungsprozesse der Krankenkassen im Interesse der Patienten zu beschleunigen. Dies dient damit zum einen der schnelleren Klärung von Leistungsansprüchen, zum anderen erhalten die Versicherten bei Vorliegen der Anspruchsvorausset-zungen in kurzer Zeit ihre Leistungen. Bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung können Versicherte sich die erforderlichen Leistungen selbst beschaffen. Diese Ausnahme vom Sachleistungsprinzip stellt eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse dar, die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet (Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 32, SG Mannheim Urteil vom 03.06.2014 - S 9 KR 3174/13 -, Juris Rn. 20; SG Lüneburg Urteil vom 17.02.2015 - S 16 KR 96/14 -, Juris-Rn. 15; Wenner, SGb 2013, 162 ff.). Deshalb werden der Krankenkasse durch diese Vorschrift im Verwaltungsverfahren bestimmte Fristen auferlegt, die verhindern sollen, dass Versicherte unzumutbar lange auf eine Entscheidung warten müssen (Joussen in: Beck` scher Online-Kommentar Sozial-recht, Stand: 01.03.2015, § 13 SGB V Rn. 21a). Der spezifische Schutzzweck dieser Norm liegt also darin, Versicherte in dem grundrechtsrelevanten Bereich des Gesund-heitsschutzes vor den Folgen eines unangemessen langen Verwaltungsverfahrens zu schützen (Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: EL I/2014, § 13 Rn. 58l).

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V sind vorliegend erfüllt.

a) Die Klägerin ist als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Re-gelung.

b) Die Beklagte hat zu dem Antrag der Klägerin vom 23.12.2015 auf Versorgung mit einer mehrschrittigen adipositaschirurgischen Therapie eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt. Demnach war nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hier wegen der Einschal-tung des MDK die 5-Wochen-Frist maßgeblich. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beginnt nach § 26 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB X i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am auf den Antragseingang folgenden Tag und endet mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingangs entspricht. Der die begehrte Krankenbehandlung genau bezeichnende und damit hinreichend bestimmte, fiktionsfähige Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einer adipositaschirurgi-schen Maßnahme ist ausweislich des von dem Klägervertreter dem Gericht vorgelegten Faxsendeprotokolls am 23.12.2015 bei der Beklagten eingegangen; hiernach lief die maßgebliche 5-Wochen-Frist am 27.01.2016 ab. Eine den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindernde schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V erfolgte nicht. Zwar hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 08.01.2016 die Klägerin über die Einschaltung des MDK informiert und mitgeteilt, über das Anliegen der Klägerin daher noch nicht abschließend entscheiden zu können. Dabei hat sie jedoch weder dargelegt, welche Entscheidungsfrist (3 oder 5 Wochen) maßgeblich ist, noch ob und aus welchem Grunde innerhalb der maßgeblichen Frist nicht über den Antrag entschieden werden könne. Zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion wäre diese Information jedoch vor Ab-lauf der 5-Wochen-Frist vor allem deshalb zwingend erforderlich gewesen, weil der Hin-weispflicht der Krankenkasse eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Bindung an die Entscheidungsfristen und den an die Fristüberschreitung geknüpften Sanktionen nach § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V zukommt. Normzweck ist es, dem Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaf-fung zulässig ist. Die vorgeschriebene Schriftform trägt der Bedeutung der Mitteilung Rechnung und hat Klarstellungs- und Beweisfunktion (vgl. SG Marburg Urteil vom 15.01.2015 - S 6 KR 160/13; SG Lüneburg Urteil vom 17.02.2015 - S 16 KR 96/14, jeweils Juris). Hervorzuheben ist insoweit, dass der Gesetzgeber ausdrücklich und unmissver-ständlich im Wortlaut von einer Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Nichtein-haltung der Frist spricht und damit an die benannte Warnfunktion anknüpft. Wenn – wie vorliegend - die Nichteinhaltung der gesetzlich maßgeblichen 5-Wochen-Frist bereits nicht mitgeteilt wird und auch nicht die Folgen einer eventuellen Fristversäumnis aufgeführt werden, dann wird die mit § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V gesetzlich normierte Warnfunktion nicht erfüllt (vgl. a. SG Speyer, Urteil vom 09.07.2015 – S 17 KR 327/14, Juris; BSG, Ur-teil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R, Juris-Rn. 20, wonach sogar eine taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines hinreichenden Grundes im Rahmen einer Prognose zu fordern ist).

c) Der Antrag der Klägerin auf Versorgung mit der begehrten adipositaschirurgischen Maßnahme betraf auch eine Leistung, die sie nach den vorliegenden fachärztlichen Stel-lungnahmen und Attesten, insbesondere dem Arztbrief der C. GmbH vom 26.11.2015, für erforderlich halten durfte und die ihrer Art nach nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag (vgl. zur Begrenzung des Anspruchs auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen der GKV, welche nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegen BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R, a.a.O.). Bei der Klägerin besteht unzweifelhaft eine behandlungsbedürftige Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dabei kann dahinstehen, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Jedenfalls besteht bei einem Übergewicht wie dem der Klägerin (im All-gemeinen ab einem BMI größer als 30 kg/m2) ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselerkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Magendarmtraktes und Beeinträchtigungen des Halte- und Bewegungsapparates, welches eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich macht (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.10.2011 - Az.: L 5 KR 12/11). Im krankenversiche-rungsrechtlichen Sinne liegt damit bei der Klägerin mit einem BMI von 50,36 kg/m2 Kör-peroberfläche eine behandlungsbedürftige Krankheit vor. Eine Krankenhausbehandlung ist als solche eindeutig eine zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Maßnahme (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 SGB V). Die begehrte stationä-re Behandlung ist des Weiteren im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V eine Leistung zur Behandlung der Krankheit der Klägerin. Ob vorliegend die Indikation für eine Operation in Abgrenzung zu konservativen, d.h. nichtinvasiven Maßnahmen vorliegt, die beantragte Krankenhausbehandlung i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V also erforderlich und wirtschaft-lich ist, weil das Behandlungsziel nach den individuellen medizinischen Notwendigkeiten nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - Az. B 1 KR 11/08 R zur Liposuktion) und ob die speziellen Ultima-ratio-Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan (dazu BSG, Urteil vom 19.02.2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, Juris) gegeben sind, ist hingegen keine Tatbestandsvoraussetzung für das Eintreten der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V und daher hier nicht zu prüfen.

2) Rechtsfolge der Nichteinhaltung der hier maßgeblichen 5-Wochen-Frist ist der Eintritt der Genehmigung der Leistung. Durch die Genehmigungsfiktion gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwal-tungsakte (Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: EL 12/2015, § 13 Rn. 58l). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen betreffend die medizinische Notwendigkeit der beantragten Behandlung ausgeschlossen (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2015 – S 9 KR 903/14, Juris-Rn. 32).

Die Genehmigungsfiktion bezieht sich nicht nur auf die nachträgliche Kostenerstattung einer selbstbeschafften Leistung, sondern gilt auch für den Fall des hier von der Klägerin geltend gemachten Sachleistungsanspruchs. Dies ergibt sich aus dem Nebeneinander der Sätze 6 und 7 in § 13 Abs. 3a SGB V. Nach dem klaren Wortlaut gewährt § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch, wo-hingegen § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch für eine erforderliche Leistung zum Gegenstand hat. Eine Beschränkung auf einen bloßen Kostenerstattungsanspruch ist dem Gesetz zur Überzeugung des Gerichts nicht zu entnehmen (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.02.2016, Az. L 5 KR 351/14, Juris-Rn. 45 f.) Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 23.05.2014 (Az.: L 5 KR 222/14 B ER, Juris) dazu Folgendes ausgeführt: "Nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die beantragte Leistung damit als genehmigt. Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass § 13 Abs. 3a SGB V den Anspruch auf eine Kostenerstattung beschränkt, wird vom Senat nicht geteilt. Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren Satz 6 und Satz 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung. Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen ins Auge gefasst, wie es sich aus dem Entwurf des Patientenrechtsgesetz (PatRechtG) ergibt (BR-Drucks. 312/12, S.46, siehe auch BT- Drucks. 17/10488, S. 32). Nachdem durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags im November 2012 mit dem Satz 6 eine Genehmigungsfiktion der Leistung bei Nichteinhaltung der Fristen neben der in Satz 7 geregelten Kostenerstattung aufgenommen worden war (BT-Drucks. 17/11710 S.30), um es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, wurden Satz 6 und Satz 7 - ohne weitere den klaren Wortlaut im Sinne der Beklagten einschränkende Erläuterungen - in der Gesetzesänderung aufgenommen. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3a SGB V aus (so im Ergebnis auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13 - , SG Nürnberg, Beschluss vom 25.3.2014 - S 7 KR 100/14 ER - und Urteil vom 27.3.2014 - S 7 KR 520/13 - und wohl auch SG Dortmund, Beschluss vom 31.01.2014, Az.: S 28 KR 1/14 ER - sowie Noftz in Hauck/Haines, SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13 S. 78g ff.; a.A. wohl Dalichau in Dalichau "SGB V", Stand 1.7.2013, S. 51). Selbst wenn man sich der Auffassung an-schließen würde, § 13 Abs. 3a SGB V gewähre nur einen Kostenerstattungsanspruch, so gelangt man zu keinem anderen Ergebnis, da der Kostenerstattungsanspruch auch einen Anspruch auf Freistellung umfasst". Die Kammer hält diese Ausführungen für zutreffend und schließt sich ihnen nach eigener Prüfung an.

3) Der gemäß § 13 Abs. 3a SGB V fingierte Verwaltungsakt konnte auch nicht rechtswirksam durch den von der Beklagten erlassenen Bescheid vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 aufgehoben werden.

a) Die darin von der Beklagten verfügte Ablehnung der beantragten Leistung war im Hin-blick auf das zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 02.02.2016 bereits durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion (mit Ablauf der Frist am 26.01.2016) abgeschlossene Ver-waltungsverfahren rechtswidrig.

b) Auch die mit Bescheid vom 02.02.2016 hilfsweise für den Fall des Eintritts der Geneh-migungsfiktion getroffene Rücknahmeentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage für diesen Bescheid allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 44 bis 48 SGB X sind nicht erfüllt. Durch die Genehmi-gungsfiktion gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Ver-waltungsakt als erlassen. Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen betreffend die medizinische Notwendigkeit der beantragten Behandlung ausgeschlossen (vgl. z.B. SG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2015 – S 9 KR 903/14, Juris-Rn. 32). Dies gilt auch für den actus-contrarius der Genehmigungsfiktion. Weder war der fingierte – auf seine Rechtmäßigkeit allein am Maßstab seiner Rechtsgrundlage, also der Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V, zu beurteilende - Verwaltungsakt der Leistungen rechtswidrig, noch war die Beklagte berechtigt, die Genehmigung, wenn sie rechtmäßig war, zu widerrufen, noch ist in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die zum Zeitpunkt der Genehmigung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten, die die Aufhebung der Genehmigung gerechtfertigt hätte. Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die durch ihn begründete Begünstigung mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmt (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 45 Rn. 28). Der gesetzlich angeordnete Eintritt der Genehmigungswirkung durch fingierten Verwaltungsakt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V ist damit alleiniger Prüfungsmaßstab der materiellen Rechtmäßigkeit der Genehmigungsfiktion. Wäre die Genehmigungsfiktion als rechtswidrig zu qualifizieren, wenn die jeweiligen materiellen Sachleistungsvoraussetzungen nicht vorlägen, so käme der Norm des § 13 Abs. 3a SGB V keinerlei Regelungsgehalt zu. Eine Genehmigungsfiktion könnte dann ohne Vorliegen der Sachleistungsvoraussetzungen denklogisch gar nicht erst eintreten bzw. ohne die vom Gesetzgeber intendierte Sanktionswirkung vor einer Selbstbeschaffung durch den Versicherten jederzeit wieder zurückgenommen werden. Zwar hat das BSG (mit Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R, Juris-Rn. 31) auch für eine fingierte Genehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V festgestellt, diese bleibe gemäß § 39 Abs. 2 SGB X wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Die Möglichkeiten der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung besteht allerdings auch bei fingierten Verwaltungsakten ausschließlich bei Vorliegen der entspre-chenden gesetzlichen Voraussetzungen. Eine Rücknahme nach § 45 SGB X setzt mithin auch bei fingierten Verwaltungsakten generell die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsak-tes voraus und kommt daher bei Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht mehr in Betracht. Auch nach der Auffassung des BSG schützt die fingierte Genehmigung den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteile sich nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V und gerade nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Juris-Rn. 32). Die Möglichkeit einer Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 SGB X würde im Übri-gen die Versicherten, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ausschließen (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 - L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder zurückgenommen werden, würde das Ziel des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, ins Leere laufen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 - L 5 KR 222/14 B ER; SG Heilbronn, Urteil vom 10.03.2015 - S 11 KR 2425/14; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.01.2015 - S 17 KR 479/14; SG Augsburg, Urteil vom 27.11.2014 - S 12 KR 183/14; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 26.05.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, jeweils Juris). Zudem hätte bei einer solchen Möglichkeit ein Versicherter ungeachtet eines Verstoßes der Krankenkasse gegen die in § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V normierte Hinweispflicht keine Gewissheit, dass die beantragte Leistung von der Krankenkasse bezahlt oder zumindest die Kosten hierfür erstattet werden. Dies kann nicht Sinn und Zweck des Patientenrechtegesetzes gewesen sein, welches gerade darauf abzielt, die Rechte des Patienten zu stärken. Der von der Beklagten außerhalb des durch die Genehmigungsfiktion abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens erlassene Ablehnungs- und Rücknahmebescheid vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 war mithin aufzuheben.

Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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