S 46 EG 213/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
46
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 EG 213/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2014 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für den Zeitraum vom dritten bis elften Lebensmonat ihrer Tochter. Sie wendet sich insbesondere dagegen, dass ihr Einkommen als Abgeordnete des Parlaments nicht als vorgeburtliches Einkommen berücksichtigt wird.

Die Klägerin war bis Oktober 2008 in einem Dienstverhältnis erwerbstätig. Diese Erwerbstätigkeit ruhte von Oktober 2008 bis 07.10.2013, weil die Klägerin in dieser Zeit Abgeordnete im Bayerischen Landtag war. Danach schied sie aus dem Parlament aus. Die steu-erpflichtige Entschädigung als Mitglied des Landtags für die Monate Januar 2013 bis ein-schließlich Oktober 2013 betrug 71.140,56 Euro. Für die Zeit von 01.11.2013 bis 31.03.2014 wurde ihr vom Landtag ein Übergangsgeld nach Art. 11 Bayerisches Abge-ordnetengesetz (BayAbgG) von monatlich 7244,- Euro bewilligt.

Die Klägerin trat die Dienststelle beim früheren Arbeitgeber zum 01.01.2014 wieder an. Nachdem die Klägerin für Januar, Februar und März 2014 Mutterschaftsgeld und von ihrem Arbeitgeber Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld erhielt, wurde das Übergangsgeld für Januar 2014 auf 4143,- Euro bzw. für Februar und März 2014 auf jeweils 4443,- Euro vermindert. Von 31.03.2014 bis einschließlich 31.12.2014 befand sich die Klägerin in Elternzeit, in der sie weder erwerbstätig war noch Erwerbseinkommen erzielte.

Die Klägerin beantragte im Mai 2014 Elterngeld für den dritten bis elften Lebensmonat ihrer am XX.02.2014 geborenen Tochter. Dabei legte sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vor, in dem das Übergangsgeld für November und Dezember 2013 (zwei mal 7.244,- Euro) fälschlich als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst worden war und daneben sonstige Einkünfte als Abgeordnete in Höhe von 71.140,- Euro ausgewiesen waren.

Mit Bescheid vom 27.08.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für den dritten bis elften Lebensmonat (02.04.2014 bis 01.01.2015) in Höhe von monatlich 300,- Euro. Die Entschädigungen nach Art. 5 BayAbgG und die Übergangsgelder nach Art. 11 BayAbgG seien als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Elternteils heranzuziehen.

Die Klägerin erhob am 22.09.2014 Widerspruch. Das Elterngeld habe den Zweck, Familien bei der Sicherung des Lebensunterhalts zu unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Die Abgeordnetenentschädigung sei ein Er-werbseinkommen eigener Art. Die Nichtberücksichtigung dieses Einkommens bei der Be-rechnung von Elterngeld sei eine wesentliche Benachteiligung und nicht zu rechtfertigen. Die Abgeordnetentätigkeit sei eine Vollzeitbeschäftigung gewesen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2014 als unbegründet zu-rückgewiesen. Infolge des eindeutigen Gesetzeswortlauts könnten bei der Berechnung des Elterngelds ausschließlich die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG be-rücksichtigt werden, nicht aber die Abgeordnetenbezüge als sonstige Einkünfte.

Die Klägerin erhob am 23.10.2014 Klage. Bei der Berechnung des Elterngeldes seien die Entschädigung und das Übergangsgeld als vorgeburtliches Einkommen zu berücksichtigen. Dies entspreche auch dem Förderzweck des Elterngeldes. Andernfalls werde die Klägerin gegenüber Arbeitnehmern und Selbstständigen benachteiligt. Dies wäre eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung und auch mit dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des Sozialrechts nicht zu rechtfertigen. Nach der Entschei-dung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.1975 diene die Abgeordnetenvergütung der Vollalimentation für eine Hauptbeschäftigung, es handle sich nicht mehr nur um eine Aufwandsentschädigung. Auch wenn eine Bundestagsabgeordnete am 26.09.2014 fest-gestellt habe, dass es für Abgeordnete keine Elternzeit und kein Elterngeld gebe, bedeute das nicht, dass die bestehende Regelung verfassungskonform sei. Außerdem sei die Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenbezüge bei der Bemessung des Elterngeldes eine Benachteiligung bei der Mandatsübernahme und -ausübung, die von Art. 2 Abs. 1 BayAbgG untersagt werde.

Hilfsweise seien fiktive Einkünfte anzusetzen, die die Klägerin erzielt hätte, wenn ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Abgeordnetentätigkeit geruht hätte. Weiter hilfsweise sei der Zeitraum der Mandatsausübung analog § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BEEG auszuklammern. Die Mandatsausübung habe im besonderen staatlichen Interesse gestanden und sei insoweit dem Wehr- und Zivildienst vergleichbar. Auch dort werde ein Nachteilsausgleich bei der Berechnung des Elterngeldes durch die zeitliche Verschiebung des Bemes-sungszeitraums gewährt.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 27.08.2014 in Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 08.10.2014 zu verurteilen, der Klägerin für den dritten bis elften Lebensmonat der Tochter höheres Elterngeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der angegriffene Bescheid dem Gesetz entspricht und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.

Streitgegenstand ist die Höhe des im strittigen Bescheid bewilligten Elterngelds für den dritten bis elften Lebensmonat der Tochter. Die von der Klägerin als Hilfsanträge bezeich-neten Anträge (fiktive Einkünfte, Ausklammerung der Abgeordnetenzeit) sind lediglich alternative Begründungen des geltend gemachten Anspruchs.

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist abzuweisen, weil der Klägerin kein höherer Anspruch auf Elterngeld zusteht. Die Abgeordnetenbezüge (Entschä-digung und Übergangsgeld) sind als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 4 EStG nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG zu berücksichtigen.

1. Anwendbar ist das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung vom 18.09.2012. Diese Fassung in Form des Vereinfachungsgesetzes ist gemäß § 27 Abs. 1 BEEG für Geburten ab dem 01.01.2013 anwendbar. Die Tochter der Klägerin ist am XX.02.2014 geboren.

2. Die Klägerin kann dem Grunde nach Elterngeld beanspruchen, weil sie im Anspruchs-zeitraum die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BEEG erfüllt hat. Sie hatte im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutsch-land, lebte in einem Haushalt mit ihrer Tochter, die sie selbst betreute und erzog, und übte keine Erwerbstätigkeit im Sinn von § 1 Abs. 6 BEEG aus. Die "Millionärsgrenze" des § 1 Abs. 8 BEEG (zu versteuerndes Einkommen zuletzt nicht über 250.000,- Euro bzw. 500.000,- Euro für Paare) wird nicht überschritten. 3. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG wird das Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbe-trag von 1800,- Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat (§ 2 Abs. 1 S. 2 BEEG). Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat.

a) Bemessungszeitraum

aa) Der Bemessungszeitraum, in dem das vorgeburtliche Einkommen für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes zu ermitteln ist, wird bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG durch die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes gebildet. Das wäre hier wegen der Geburt am XX ...02.2014 die Zeit von Februar 2013 bis einschließlich Januar 2014. Bei Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist dagegen gemäß § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes abzustellen, hier auf das Kalenderjahr 2013.

Es kann dahinstehen, welcher Bemessungszeitraum hier zugrunde zu legen ist, weil in beiden Zeiträumen nur Abgeordnetenbezüge als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG und Mutterschaftsgeld/Zuschuss zum Mutterschaftsgeld als steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 1d EStG angefallen sind, die nicht berücksichtigt werden können.

bb) Der Bemessungszeitraum ist nicht durch einen Ausklammerungstatbestand nach § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 4 BEEG zu verschieben. Diese Tatbestände liegen nicht vor.

Nach § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BEEG bleiben Zeiten der Wehrpflicht, des freiwilligen Wehr-dienstes oder des Zivildienstes im Bemessungszeitraum unberücksichtigt, d.h. sie werden durch vor dem bisherigen Bemessungszeitraum liegende Zeiten ersetzt. Für die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung dieser Regelung auf die Abgeordnetenzeit fehlen die Voraussetzungen.

Voraussetzungen einer analogen Anwendung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der Norm nicht erfasst wird ("das Gesetz ist zu eng"), sind &822; der zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem geregelten Sachverhalt vergleichbar, &822; nach Sinn und Zweck der Norm ist dieselbe rechtliche Bewertung angezeigt und &822; es besteht eine planwidrige Regelungslücke in der Norm (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2016, B 8 SO 15/15 R, dort Rn. 15).

Der zu beurteilende Sachverhalt der Abgeordnetentätigkeit ist in wesentlichen Punkten nicht mit der Wehrpflicht und dem Zivildienst vergleichbar. Dauer und Verdienst weichen stark voneinander ab. Eine Analogie scheidet schon deswegen aus.

Wehrpflicht und Zivildienst sind im Vergleich zu einer Wahlperiode von fünf Jahren (Art. 16 Abs. 1 S. 1 Bay. Verfassung) relativ kurz. Der Grundwehrdienst dauerte zuletzt sechs Monate (§ 5 Abs. 2 S. 1 Wehrdienstgesetz in der bis 31.05.2011 geltenden Fassung) zu-züglich Wehrübungen kürzerer Dauer (§ 6 Wehrdienstgesetz). Der Zivildienst war von gleicher Dauer wie der Grundwehrdienst und konnte um bis zu sechs Monate verlängert werden (§ 24 Abs. 2 S. 1, § 41a Zivildienstgesetz). Auch die Dienste nach §§ 59 ff Solda-tengesetz sind regelmäßig auf kürzere Zeit begrenzt.

Die Ausklammerung der Wehrdienst-/Zivildienstzeiten erfolgt, weil der Verdienst in diesen Zeiten relativ gering war und steuerfrei (§ 3 Nr. 5 EStG). Die Abgeordnetenbezüge sind mit über 7.000,- Euro pro Monat relativ hoch und steuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG).

Auch Sinn und Zweck von § 2b BEEG spricht gegen eine Analogie. Grundsätzlich soll das Erwerbseinkommen eines Jahres kurz vor der Geburt des Kindes als Grundlage der Be-rechnung des Elterngeldes herangezogen werden. § 2b Abs. 1 S. 2 BEEG macht davon eine Ausnahme für bestimmte mehrmonatige Zeiträume. Die Regelung soll es nicht er-möglichen, Zeiträume, die fünf und mehr Jahre vor der Geburt des Kindes liegen, als Maßstab der Bemessung des Elterngeldes heranzuziehen.

b) Die Abgeordnetenbezüge (Entschädigung und Übergangsgeld) sind als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 4 EStG nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 BEEG zu berücksichtigen.

aa) Der Gesetzeswortlaut von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG ist eindeutig: Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legen ist, errechnet sich aus der Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Ar-beit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG. Die Einkunftsart der sonstigen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG wird gerade nicht genannt. Die sonstigen Einkünfte sind, ebenso wie Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 EStG) bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen.

bb) Die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG durch Gleichstellung der Abgeordnetenbezüge mit Einkünften aus selbstständiger oder nicht-selbstständiger Arbeit ist nicht möglich. Es fehlt an einem vergleichbaren Sachverhalt und an einer planwidrigen Regelungslücke.

Die Abgeordnetentätigkeit unterscheidet sich wesentlich von der selbständigen oder nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Nach dem Diätenurteil des BVerfG vom 05.11.1975, 2 BvR 193/74, hat sich die Entschädigung von Abgeordneten gewandelt von einer Auf-wandsentschädigung zu einer Alimentation für eine Hauptbeschäftigung. Damit handelt es sich aber gleichwohl nicht um eine Entlohnung einer Erwerbstätigkeit. Das BVerfG führt dort in Rn. 42 aus, dass die Entschädigung keineswegs zu einem arbeitsrechtlichen An-spruch wird, denn der Abgeordnete schuldet rechtlich keine Dienste, sondern nimmt in Unabhängigkeit sein Mandat wahr. Der Abgeordnete nimmt auch nicht mit Gewinnerzie-lungsabsicht an einem wirtschaftlichen Austausch von Gütern oder Dienstleistungen am Markt teil, wie es für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnend wäre. Weil Abgeordne-tenentschädigungen weder Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung noch Arbeitseinkom-men aus einer selbständigen Tätigkeit sind, hat das BSG demzufolge entschieden, dass diese Entschädigungen auf vorzeitige Altersrenten nicht, auch nicht analog, als Hinzuver-dienst nach § 34 Abs. 2 SGB VI anzurechnen sind (BSG, Urteil vom 04.05.1999, B 4 RA 55/98 R; BSG Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 26/99 R).

Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt auch darin, dass für Abgeordnete ein eigenes Versorgungssystem für soziale Belange existiert. Die Abgeordnetentätigkeit ist nicht sozi-alversicherungspflichtig. Während der Mandatszeit erhalten Abgeordnete neben ihrer Ent-schädigung (Art. 5 BayAbgG) gemäß Art. 20 BayAbgG Beihilfeleistungen zu den Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen entsprechend den Beihilfevorschriften für Beamte. Diese Beihilfen werden auch nach dem Ausscheiden aus dem Landtag für die Dauer des Anspruchs auf Übergangsgeld erbracht. Art. 21 BayAbgG sieht daneben in besonderen Fällen einmalige Unterstützungen und laufende Unterhaltszuschüsse für ausgeschiedene Mitglieder des Landtags vor, die im Ermessen des Landtagspräsidenten stehen. Leistungen entsprechend dem Elterngeld sind im BayAbgG nicht enthalten; das ist folgerichtig, weil während der Mandatszeit auch kein Anspruch auf Elternzeit vorgesehen ist.

Auch für die Zeit nach der Abgeordnetentätigkeit besteht ein eigenes Versorgungssystem, das sich mit Übergangsgeld, Beihilfeleistungen und Ermessensleistungen wesentlich von den sozialen Leistungen unterscheidet, die für Erwerbstätige zur Verfügung stehen. In der besonderen Situation der Klägerin ist auf das Übergangsgeld und die Ermessensleistungen abzustellen. Dass eine Abgeordnete kurz nach Mandatsende ein Kind bekommt und für dessen Betreuung und Erziehung Unterhaltsleistungen benötigt, kann als besonderer Fall im Sinn von Art. 21 BayAbgG gelten.

Es fehlt auch an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Gesetzeslage ist eindeutig: Die Abgeordnetenbezüge sind kein Erwerbseinkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 03.04.1990, 1 BvR 1186/89, darf der Richter ein-deutige Entscheidungen des Gesetzgebers nicht durch eigene rechtspolitische Vorstel-lungen verändern. Nur wenn Regelungen aufgrund gesellschaftlichen Wandels oder rechtlicher Entwicklungen lückenhaft oder ergänzungsbedürftig werden, ist eine richterli-che Lückensuche und Lückenschließung verfassungsrechtlich zulässig. Dies ergibt sich aus dem Gesetzesvorrang als Element des Rechtsstaatsprinzips und der Rechtssicherheit gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (BVerfG, a.a.O.).

Einen gesellschaftlichen Wandel oder rechtliche Entwicklungen, die eine Erweiterung von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG auf Abgeordnetenbezüge erfordern würden, kann das Gericht nicht erkennen.

Die strittige Regelung befand sich bereits in § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG in seiner ersten, am 01.01.2007 in Kraft getretenen Fassung. Seitdem wurde das BEEG fortlaufend in kurzen Abständen geändert. Eine Erweiterung des auf Erwerbseinkommen zentrierten Einkommensbegriffs ist dabei nicht erfolgt. Schon dies spricht gegen eine Überalterung des Gesetzes. Dass es für Parlamentsmitglieder keine Elternzeit und kein Elterngeld gibt, war dem Gesetzgeber bewusst. Am 26.09.2014 hat die Abgeordnete Schön anlässlich der ersten Beratung des Elterngeld-Plus-Gesetzes ausdrücklich darauf hingewiesen (Plenar-protokoll 18/55 des Deutschen Bundestags vom 26.09.2014, Seite 5076). Trotzdem ist auch in diesem Gesetzgebungsverfahren keine Gesetzesänderung erfolgt, die diesen Be-fund aufgegriffen hätte. Wenn der Gesetzgeber den Zugang zu Elternzeit und Elterngeld schon für aktive Parlamentsmitglieder nicht für notwendig erachtet, kann das Gericht nicht eine Ergänzungsbedürftigkeit der Regelungen für die Einkommensberechnung für ausge-schiedene Parlamentarier wegen gesellschaftlichen Wandels feststellen.

Eine planwidrige Regelungslücke in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG kann hier auch deswegen nicht angenommen werden, weil im BayAbgG soziale Leistungen vorgesehen sind, die an die Stelle von Elterngeld treten können. Nach Art. 11 BayAbgG wird bei Ausscheiden aus dem Landtag für jedes Jahr der Parlamentsmitgliedschaft für einen Monat Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung nach Art. 5 BayAbgG gezahlt. Art. 21 BayAbgG eröffnet die Möglichkeit, dass der Präsident des Landtags in besonderen Fällen auch ausgeschiedenen Mitgliedern des Landtags einmalige Unterstützungen und laufende Unterhaltszuschüsse gewähren kann. Nach Art. 16 BayAbgG steht einem ausgeschiedenen Mitglied des Landtags eine Versorgungsabfindung zu, wenn eine Mitgliedschaft weniger als zehn Jahre bestand. Die Klägerin hat Übergangsgeld für fünf Monate und die Versor-gungsabfindung erhalten. Daneben hat die Klägerin den Sockelbetrag an Elterngeld von 300,- Euro nach § 2 Abs. 4 BEEG erhalten.

cc) Die Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenbezüge in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG ist auch nicht verfassungswidrig.

Die Klägerin rügt, als vormaliges Parlamentsmitglied im Vergleich zu vormals Erwerbstäti-gen ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung ungleich und schlechter gestellt zu sein. Wenn ihre Abgeordnetenbezüge im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum mit Erwerbs-einkommen gleichgestellt würden, würde sie Elterngeld von monatlich 1800,- Euro erhalten statt nur 300,- Euro. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt aber nicht vor.

Der Gesetzgeber darf insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen genera-lisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die mit der Typisierung verbundene Belastung ist hinzunehmen, wenn die durch sie eintre-tenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und nicht eine, wenn auch zahlenmäßig begrenzte, Gruppe typischer Fälle. Die mit einer Typisierung verbundene Belastung ist aber nur hinzunehmen, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Hierbei sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BSG, Urteil vom 27.10.2016, B 10 EG 5/15 R, dort Rn. 34; BVerfG, Beschluss vom 06.02.2004, 1 BvR 2515/95, dort Rn. 40).

Die vom Gesetzgeber geregelte Nichtberücksichtigung von Abgeordnetenbezügen bei der Bemessung des Elterngelds trifft nur eine sehr kleine Zahl von Personen. Es handelt sich sicher nicht um eine typische Gruppe von Beziehern von Elterngeld. Die Nichtberücksichtigung der vorgeburtlichen Abgeordnetenbezüge wiegt nur auf den ersten Blick schwer. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass Abgeordnete regelmäßig ein überdurch-schnittliches Einkommen haben und in den Abgeordnetengesetzen besondere soziale Leistungen für Abgeordnete, auch für vormalige Abgeordnete, vorgesehen sind. So war die Situation auch hier: Die Klägerin hat nach der Beendigung des Mandats für fünf Mona-te sehr hohes Übergangsgeld, die Versorgungsabfindung und daneben den Sockelbetrag an Elterngeld von 300,- Euro erhalten. Eine besonders schwere Härte lag daher nicht vor.

4. Die Ansprüche auf Elterngeld wurden im Übrigen zutreffend berechnet. Mangels anrechenbaren vorgeburtlichen Einkommens erhält die Klägerin gemäß § 2 Abs. 4 BEEG nur den Sockelbetrag an Elterngeld in Höhe von 300,- Euro pro Monat. Ergänzend wird insoweit auf die Darlegung der Berechnung im strittigen Bescheid vom 27.08.2014 verwiesen und von einer weiteren Darstellung gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab-gesehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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