Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 850/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 16.12.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.04.2016 zu der bescheidsmäßigen Feststellung verurteilt, dass der Beigeladene seine Aufgabe für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt und demgemäß nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen. Am 30.07.2015 ging bei der Beklagten der Antrag des Beigeladenen ein, seinen Status für eine Tätigkeit als Dozent im Rettungsdienst und als Berufsfachschullehrer für Firma A. ab 01.09.2013 festzustellen.
Die Beklagte stellte der Klägerin 21 und dem Beigeladenen 20 differenzierte Rückfragen über die Bedingungen der zu beurteilenden Tätigkeit. Aus der Beantwortung durch den Beigeladenen ergab sich, dass er seine Unterrichtstätigkeit selbst bestimmt. Freie Unterrichtstermine würden vom Schulleiter angeboten und bei Verfügbarkeit des Beigeladenen angenommen werden. Aufgrund seiner pädagogischen Ausbildung zum master of education bestimme der Beigeladene alleine die Gestaltung des Unterrichts. Niemand habe hierbei ein Mitspracherecht. Er habe die Anwesenheitsliste auf Vollständigkeit zu prüfen. Bei zeitlicher Verfügbarkeit habe er auch eine Schulaufgabenaufsicht übernehmen können. Die Vergütung erfolge per Rechnungsstellung und Überweisung in unregelmäßigen Abständen. An der Schule gebe es auch fest angestellte Lehrkräfte. Der Stundenplan werde 4-6 Wochen vor dem tatsächlichen Unterricht erstellt. Vorgelegt wurde ein Dozentenvertrag vom 01.06.2013. Er schloss eine Verpflichtung zu weitergehenden Nebenarbeiten wie z. B. der Teilnahme an Lehrerkonferenzen aus. Vereinbart war ein Honorar von 25 Euro pro tatsächlich erteilter Unterrichtsstunde (60 Minuten). Eine Vergütung für nicht erteilten Unterricht erfolgt nicht.
Die Klägerin deklarierte sich als anerkannte Berufsfachschule und Ersatzschule. Sie stellte klar, dass die Auftragnehmer keine Pausenaufsicht übernehmen müssen.
Das Klassenbuch müsse basierend auf schulaufsichtlichen Vorgaben von jeder Lehrkraft geführt werden. Die Auftragnehmer würden selbstständig über die Annahme von Aufträgen entscheiden. Des Weiteren wurde vorgelegt die Verordnung der Bayerischen Staatsregierung in der Fassung vom 23.10.1991 über die Tätigkeit als Rettungssanitäter, basierend auf dem Bundesgesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters vom 22.05.2013. Sie fordert in § 2 eine Ausbildung von mindestens 520 Stunden, bestehend aus 1. einer theoretischen Ausbildung von 200 Stunden, 2. einem klinischen Praktikum von 160 Stunden 3. und einer praktischen Anleitung auf einer Rettungswache von 160 Stunden.
Eine Anlage zur Verordnung enthält eine Stoffgliederung über verschiedene vorwiegend medizinische Fachgebiete. Am 12.11.2015 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu ihrer Absicht an, für den Beigeladenen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit der Folge einer Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wurden gesehen: - Der Auftraggeber ist eine Berufsfachschule, welche ihre Schüler zu Rettungssanitätern ausbildet. - Die Dozententätigkeit ist weder zeitlich noch sachlich beschränkt. - Die Tätigkeit wird am Betriebssitz des Auftraggebers ausgeübt und persönlich erbracht. - Der Unterrichtsgegenstand hat in Abstimmung mit den allgemeinen Rahmenlehrplänen zu erfolgen. - Die Anwesenheitszeiten orientieren sich an den Kurszeiten. - Der Auftragnehmer führt innerhalb seines Fachgebiets Kenntnisprüfungen durch. - Im Verhinderungsfall wird die Vertretung durch den Auftraggeber organisiert. - Es findet eine Evaluation des Unterrichts statt. - Die gleiche Tätigkeit wird auch von fest angestellten Dozenten des Auftraggebers ausgeübt. - Der Auftragnehmer arbeitet mit den fest angestellten Dozenten zusammen. Für eine selbstständige Tätigkeit würden nur sprechen: - In der methodisch-didaktischen Gestaltung des Unterrichts ist der Auftragnehmer frei. - Der Beigeladene könne Aufträge ablehnen. - Es besteht keine Nachholpflicht für ausgefallene Unterrichtsstunden. Mit Bescheiden vom 16.12.2015 an die Klägerin und den Beigeladenen stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe und ab 01.07.2013 der Versicherungspflicht unterliege. In der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Der Bescheid räumt zunächst ein: "Dozenten/Lehrbeauftragte an Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen sowie an sonstigen - auch privaten - Bildungseinrichtungen stehen regelmäßig nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schulungseinrichtungen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut sind, weitere Pflichten nicht zu übernehmen haben und sich dadurch von den fest angestellten Lehrkräften erheblich unterscheiden."
In Bezug auf den Beigeladenen wird dann jedoch ausgeführt: "Demgegenüber stehen Lehrer, die insbesondere durch Übernahme weiterer Nebenpflichten wie zum Beispiel der Vorbereitung des Unterrichts, der Kontrolle schriftlicher Arbeiten, der Notenvergabe sowie der Teilnahme an Konferenzen, in den Schulbetrieb eingegliedert werden und nicht nur stundenweise Unterricht erteilen, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis." Die Unterrichtsverpflichtung des Beigeladenen umfasse die Vor- und Nachbereitung, die Dokumentation sowie die Durchführung des Unterrichts einschließlich der Abnahme von Leistungsnachweisen im Rahmen des Unterrichts sowie deren Bewertung und Korrektur. Das für eine selbstständige Tätigkeit typische unternehmerische Risiko fehle beim Beigeladenen. Hiergegen wurde von der Klägerin ohne Begründung Widerspruch erhoben.
Die Widerspruchsbescheide vom 26.04.2016 bestätigten die Ausgangsbescheide. Die hiergegen erhobene Klage hält an der Auffassung fest, dass der Beigeladene seine Aufgaben in selbstständiger Position erfüllt. Sie zitiert das Bundessozialgericht (BSG) mit dem Urteil vom 12.02.2004, Az. B 12 KR 26/02 R, wonach die Tätigkeit eines Dozenten nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung anzusehen ist, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimmt. Ein Lehrbetrieb könne in allen Schulen/Hochschulen regelmäßig nur dann sinnvoll vonstatten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Hieraus könne keinesfalls auf eine geminderte Autonomie der tätigen Dozenten geschlossen werden. Entscheidendes Merkmal für eine im wesentlichen weisungsfreie und somit selbstständige Tätigkeit sei nach der zitierten Entscheidung, ob bei einem Dozenten, dem die Ziele seiner Tätigkeit durchaus vorgegeben sein können, jedenfalls die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben. Im übrigen komme es entscheidend darauf an, ob der Dozent neben der vereinbarten Unterrichtserteilung weitere Pflichten zu erfüllen hat. Während nämlich abhängig beschäftigte Lehrer in der Regel dazu verpflichtet sind, eine bestimmte Anzahl von Vertretungsstunden zu leisten, Pausenaufsicht zu führen sowie an Schulveranstaltungen außerhalb des Unterrichts teilzunehmen, sei dies beim Beigeladenen nicht der Fall. Die entsprechende Behauptung der Beklagten sei durch nichts begründet.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 16.12.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.04.2016 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass der Beigeladene seine Aufgaben für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt und demgemäß nicht der Versicherungspflicht als Beschäftigter unterliegt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig.
Die Klage ist in der Sache auch offenkundig begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.
In der modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es zur alltäglichen Erscheinung geworden, dass hoch qualifizierte Personen haupt- oder nebenberuflich für mehrere Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig werden. Geradezu typisch ist es, mit eigener körperlicher Kraft, persönlichem Wissen, originärer organisatorischer Kompetenz, höchstpersönlicher künstlerischer Befähigung und/oder selbst erstellter Software verschiedene Kunden, Betriebsstätten, Lehreinrichtungen, Baustellen oder Auftrittsorte aufzusuchen. Zur Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist das Kriterium einer nur teilzeitigen Inanspruchnahme nicht geeignet. Begrenzte Aussagekraft hat auch das Tätigwerden in der betrieblichen Sphäre des Auftraggebers. Künstlerischer Auftritt, behördliche oder betriebliche Aus- und Fortbildung, technischer Service oder Bauleistungen können naturgemäß nur beim Auftraggeber erbracht werden und nicht in den Räumen des Dienstleisters. Auch die zeitliche Eingliederung der Dienstleistung in ein System des Stundenplans oder der mehr oder weniger flexiblen vorherigen Vereinbarungen ist für sich genommen noch nicht aussagekräftig. Der zu Reparaturen ins Haus gerufener Handwerker muss sich an einen vereinbarten Termin halten wie der Arzt, der seinen Patienten erwartet. Trotzdem sind beide selbstverständlich nicht Teilzeitarbeitnehmer ihrer Kunden.
Unerlässlich ist die Abwägung, in welchem Maße die erbrachte Leistung selbstgestaltet oder vor- und fremdbestimmt ist. Der ins betriebliche Fortbildungsseminar geladene Kommunikationswissenschaftler, der aus einer bestimmten beruflichen Praxis heraus zu speziellen Lehraufträgen in die Schule, Fachschule oder Hochschule berufene Dozent oder der zu öffentlichem Auftritt geladene Kabarettist, Schriftsteller oder Vortragskünstler hat seinen Auftrag jeweils wegen einer unverwechselbaren persönlichen Kompetenz erhalten, die vielfach auch ihren unmittelbaren Ausdruck im frei vereinbarten Honorar findet. Typisch für den Einsatz dieser Personen, der in selbstständiger Tätigkeit erbracht wird, ist die verlangte und erbrachte komplette persönliche, körpersprachliche und stimmliche Präsenz. Der eigene Name ist jeweils Markenzeichen. Ohne den Bezug zum Namen und zur oftmals auch visuellen Bekanntheit von Gestalt und Gesicht ist die Beauftragung eines öffentlich auftretenden literarischen Vortragskünstlers oder referierenden Politikers nicht vorstellbar.
Je enger und schematischer jedoch das Spektrum der zu erfüllenden Aufgaben ist und je selbstverständlicher die herangezogene Dienstleistungskraft austauschbar ist, umso weniger ist ein unternehmerisches Profil als Grundlage einer Selbstständigkeit beschreibbar. Die erkennende Kammer hatte und hat immer wieder unter dem Aspekt der Statusfeststellung die Position von Taxifahrern, LKW-Fahrern, Busfahrern, Bedienern von Bau- und Forstwirtschaftsmaschinen, Hausmeistern, Buchhaltungskräften, Teilzeitpflegekräften usw. zu beurteilen, von denen jeweils nur der Nachweis des entsprechenden Führerscheins oder der formalen beruflichen Qualifikation gefordert wird und die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weder irgendeinen nennenswerten zeitlichen und inhaltlichen Spielraum noch auch nur die rechtliche Befugnis zu irgendeiner kreativen Ausgestaltung ihrer Dienstleistung haben. Dass ein mit fremdem Fahrzeug arbeitender Kurierdienstfahrer seine Fahrtrouten selbst bestimmen kann und dass sich der Hausmeister eines Grundbestandes eigenen Werkzeugs bedient, genügt zur Anerkennung einer Selbstständigkeit nicht.
Vorliegend ist sehr ausführlich dargelegt und auch unschwer erkennbar, dass der Beigeladene dem von der Beklagten im Ablehnungsbescheid selbst skizzierten Typus der selbstständig tätigen Lehrkraft entspricht. Er füllt in eigener Verantwortung die Stichworte des Lehrplans mit Lehrinhalten aus und trägt den Stoff eigenverantwortlich vor. Seine administrativen Aufgaben am Rande werden von der Beklagten bei weitem überbewertet. Die Kontrolle der Anwesenheit bei Beginn der Stunde fordert nur einen winzigen zeitlichen Bruchteil der gesamten Unterrichtsstunde. Das lebendige Unterrichtsgespräch enthält selbstverständlich auch die gelegentliche Rückfrage nach dem ausreichenden Verständnis des gelehrten Stoffs. Mit der Überprüfung der Anwesenheitsliste wird der Beklagte aber genauso wenig zum Verwaltungsangestellten des Lehrinstituts wie er mit dieser gelegentlichen Rückfrage zum staatlichen Prüfer wird. Der Beigeladene entspricht klassisch dem Bild des selbstständigen Lehrbeauftragten, ohne den die gesamte berufliche Aus- und Fortbildung im öffentlichen Dienst wie in der freien Wirtschaft nicht denkbar wäre.
Die von der Beklagten immer wieder herangezogenen Kriterien "Kapitaleinsatz" und "Unternehmerrisiko" sind bei der Beurteilung von Dienstleistungen wenig aussagekräftig. Der eindeutig selbstständige bzw. freiberufliche Schriftsteller, Psychotherapeut, Unternehmensberater oder Rechtsanwalt setzt genauso wenig "Kapital" ein wie der bei einer Zeitung vollzeitbeschäftigte Journalist oder der leitende Angestellte eines Unternehmens. Die für viele geistig-kommerziell-kommunikative Berufe notwendige Vorhaltung eines häuslichen Büros mit PC, Telefon und Schreibtisch sowie der Besitz eines Autos sind so selbstverständlich geworden, dass sich aus einer solchen Infrastruktur und ihrer mehr oder weniger intensiven beruflichen Nutzung keine bedeutsamen Schlüsse ziehen lassen. Auch die Mehrzahl der zweifellos nicht selbstständigen Tageszeitungsredakteure, Gymnasiallehrer, Hochschulprofessoren und Richter halten sich zuhause eine wissenschaftlich-schreibtechnisch-kommunikative Arbeitsbasis.
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsste die Beklagte zur Kenntnis nehmen, dass im Dienstleistungsbereich gewiss nicht die einzelne vereinbarte Arbeitsstunde oder der einzelne Arbeitstag in der Ungewissheit über einen Erlös begonnen werden, sondern dass das typische Risiko hier in der Ungewissheit künftiger Aufträge besteht. Eine betriebswirtschaftliche Risikokalkulation kann im Dienstleistungsbereich naturgemäß nicht in derselben Weise stattfinden wie sie bei der Produktion von Waren möglich ist, bei der die Wahrscheinlichkeiten eines schnellen Abverkaufs, eines zögernden Verkaufs erst nach wiederum kostspieliger Lagerhaltung, einer billigen Abgabe von Überbeständen und schließlich einer vollständigen Abschreibung des unverkäuflichen Rests mit betriebswirtschaftlichen Kurven aufgezeichnet werden können. Unstrittig unterliegt der Beigeladene einem Risiko künftiger Beauftragung, das durch keinen Kündigungsschutz und durch keine sonstige Bestandsgarantie abgefedert ist.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen. Am 30.07.2015 ging bei der Beklagten der Antrag des Beigeladenen ein, seinen Status für eine Tätigkeit als Dozent im Rettungsdienst und als Berufsfachschullehrer für Firma A. ab 01.09.2013 festzustellen.
Die Beklagte stellte der Klägerin 21 und dem Beigeladenen 20 differenzierte Rückfragen über die Bedingungen der zu beurteilenden Tätigkeit. Aus der Beantwortung durch den Beigeladenen ergab sich, dass er seine Unterrichtstätigkeit selbst bestimmt. Freie Unterrichtstermine würden vom Schulleiter angeboten und bei Verfügbarkeit des Beigeladenen angenommen werden. Aufgrund seiner pädagogischen Ausbildung zum master of education bestimme der Beigeladene alleine die Gestaltung des Unterrichts. Niemand habe hierbei ein Mitspracherecht. Er habe die Anwesenheitsliste auf Vollständigkeit zu prüfen. Bei zeitlicher Verfügbarkeit habe er auch eine Schulaufgabenaufsicht übernehmen können. Die Vergütung erfolge per Rechnungsstellung und Überweisung in unregelmäßigen Abständen. An der Schule gebe es auch fest angestellte Lehrkräfte. Der Stundenplan werde 4-6 Wochen vor dem tatsächlichen Unterricht erstellt. Vorgelegt wurde ein Dozentenvertrag vom 01.06.2013. Er schloss eine Verpflichtung zu weitergehenden Nebenarbeiten wie z. B. der Teilnahme an Lehrerkonferenzen aus. Vereinbart war ein Honorar von 25 Euro pro tatsächlich erteilter Unterrichtsstunde (60 Minuten). Eine Vergütung für nicht erteilten Unterricht erfolgt nicht.
Die Klägerin deklarierte sich als anerkannte Berufsfachschule und Ersatzschule. Sie stellte klar, dass die Auftragnehmer keine Pausenaufsicht übernehmen müssen.
Das Klassenbuch müsse basierend auf schulaufsichtlichen Vorgaben von jeder Lehrkraft geführt werden. Die Auftragnehmer würden selbstständig über die Annahme von Aufträgen entscheiden. Des Weiteren wurde vorgelegt die Verordnung der Bayerischen Staatsregierung in der Fassung vom 23.10.1991 über die Tätigkeit als Rettungssanitäter, basierend auf dem Bundesgesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters vom 22.05.2013. Sie fordert in § 2 eine Ausbildung von mindestens 520 Stunden, bestehend aus 1. einer theoretischen Ausbildung von 200 Stunden, 2. einem klinischen Praktikum von 160 Stunden 3. und einer praktischen Anleitung auf einer Rettungswache von 160 Stunden.
Eine Anlage zur Verordnung enthält eine Stoffgliederung über verschiedene vorwiegend medizinische Fachgebiete. Am 12.11.2015 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu ihrer Absicht an, für den Beigeladenen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit der Folge einer Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wurden gesehen: - Der Auftraggeber ist eine Berufsfachschule, welche ihre Schüler zu Rettungssanitätern ausbildet. - Die Dozententätigkeit ist weder zeitlich noch sachlich beschränkt. - Die Tätigkeit wird am Betriebssitz des Auftraggebers ausgeübt und persönlich erbracht. - Der Unterrichtsgegenstand hat in Abstimmung mit den allgemeinen Rahmenlehrplänen zu erfolgen. - Die Anwesenheitszeiten orientieren sich an den Kurszeiten. - Der Auftragnehmer führt innerhalb seines Fachgebiets Kenntnisprüfungen durch. - Im Verhinderungsfall wird die Vertretung durch den Auftraggeber organisiert. - Es findet eine Evaluation des Unterrichts statt. - Die gleiche Tätigkeit wird auch von fest angestellten Dozenten des Auftraggebers ausgeübt. - Der Auftragnehmer arbeitet mit den fest angestellten Dozenten zusammen. Für eine selbstständige Tätigkeit würden nur sprechen: - In der methodisch-didaktischen Gestaltung des Unterrichts ist der Auftragnehmer frei. - Der Beigeladene könne Aufträge ablehnen. - Es besteht keine Nachholpflicht für ausgefallene Unterrichtsstunden. Mit Bescheiden vom 16.12.2015 an die Klägerin und den Beigeladenen stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe und ab 01.07.2013 der Versicherungspflicht unterliege. In der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Der Bescheid räumt zunächst ein: "Dozenten/Lehrbeauftragte an Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen sowie an sonstigen - auch privaten - Bildungseinrichtungen stehen regelmäßig nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schulungseinrichtungen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut sind, weitere Pflichten nicht zu übernehmen haben und sich dadurch von den fest angestellten Lehrkräften erheblich unterscheiden."
In Bezug auf den Beigeladenen wird dann jedoch ausgeführt: "Demgegenüber stehen Lehrer, die insbesondere durch Übernahme weiterer Nebenpflichten wie zum Beispiel der Vorbereitung des Unterrichts, der Kontrolle schriftlicher Arbeiten, der Notenvergabe sowie der Teilnahme an Konferenzen, in den Schulbetrieb eingegliedert werden und nicht nur stundenweise Unterricht erteilen, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis." Die Unterrichtsverpflichtung des Beigeladenen umfasse die Vor- und Nachbereitung, die Dokumentation sowie die Durchführung des Unterrichts einschließlich der Abnahme von Leistungsnachweisen im Rahmen des Unterrichts sowie deren Bewertung und Korrektur. Das für eine selbstständige Tätigkeit typische unternehmerische Risiko fehle beim Beigeladenen. Hiergegen wurde von der Klägerin ohne Begründung Widerspruch erhoben.
Die Widerspruchsbescheide vom 26.04.2016 bestätigten die Ausgangsbescheide. Die hiergegen erhobene Klage hält an der Auffassung fest, dass der Beigeladene seine Aufgaben in selbstständiger Position erfüllt. Sie zitiert das Bundessozialgericht (BSG) mit dem Urteil vom 12.02.2004, Az. B 12 KR 26/02 R, wonach die Tätigkeit eines Dozenten nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung anzusehen ist, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimmt. Ein Lehrbetrieb könne in allen Schulen/Hochschulen regelmäßig nur dann sinnvoll vonstatten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Hieraus könne keinesfalls auf eine geminderte Autonomie der tätigen Dozenten geschlossen werden. Entscheidendes Merkmal für eine im wesentlichen weisungsfreie und somit selbstständige Tätigkeit sei nach der zitierten Entscheidung, ob bei einem Dozenten, dem die Ziele seiner Tätigkeit durchaus vorgegeben sein können, jedenfalls die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben. Im übrigen komme es entscheidend darauf an, ob der Dozent neben der vereinbarten Unterrichtserteilung weitere Pflichten zu erfüllen hat. Während nämlich abhängig beschäftigte Lehrer in der Regel dazu verpflichtet sind, eine bestimmte Anzahl von Vertretungsstunden zu leisten, Pausenaufsicht zu führen sowie an Schulveranstaltungen außerhalb des Unterrichts teilzunehmen, sei dies beim Beigeladenen nicht der Fall. Die entsprechende Behauptung der Beklagten sei durch nichts begründet.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 16.12.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.04.2016 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass der Beigeladene seine Aufgaben für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt und demgemäß nicht der Versicherungspflicht als Beschäftigter unterliegt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig.
Die Klage ist in der Sache auch offenkundig begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.
In der modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es zur alltäglichen Erscheinung geworden, dass hoch qualifizierte Personen haupt- oder nebenberuflich für mehrere Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig werden. Geradezu typisch ist es, mit eigener körperlicher Kraft, persönlichem Wissen, originärer organisatorischer Kompetenz, höchstpersönlicher künstlerischer Befähigung und/oder selbst erstellter Software verschiedene Kunden, Betriebsstätten, Lehreinrichtungen, Baustellen oder Auftrittsorte aufzusuchen. Zur Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist das Kriterium einer nur teilzeitigen Inanspruchnahme nicht geeignet. Begrenzte Aussagekraft hat auch das Tätigwerden in der betrieblichen Sphäre des Auftraggebers. Künstlerischer Auftritt, behördliche oder betriebliche Aus- und Fortbildung, technischer Service oder Bauleistungen können naturgemäß nur beim Auftraggeber erbracht werden und nicht in den Räumen des Dienstleisters. Auch die zeitliche Eingliederung der Dienstleistung in ein System des Stundenplans oder der mehr oder weniger flexiblen vorherigen Vereinbarungen ist für sich genommen noch nicht aussagekräftig. Der zu Reparaturen ins Haus gerufener Handwerker muss sich an einen vereinbarten Termin halten wie der Arzt, der seinen Patienten erwartet. Trotzdem sind beide selbstverständlich nicht Teilzeitarbeitnehmer ihrer Kunden.
Unerlässlich ist die Abwägung, in welchem Maße die erbrachte Leistung selbstgestaltet oder vor- und fremdbestimmt ist. Der ins betriebliche Fortbildungsseminar geladene Kommunikationswissenschaftler, der aus einer bestimmten beruflichen Praxis heraus zu speziellen Lehraufträgen in die Schule, Fachschule oder Hochschule berufene Dozent oder der zu öffentlichem Auftritt geladene Kabarettist, Schriftsteller oder Vortragskünstler hat seinen Auftrag jeweils wegen einer unverwechselbaren persönlichen Kompetenz erhalten, die vielfach auch ihren unmittelbaren Ausdruck im frei vereinbarten Honorar findet. Typisch für den Einsatz dieser Personen, der in selbstständiger Tätigkeit erbracht wird, ist die verlangte und erbrachte komplette persönliche, körpersprachliche und stimmliche Präsenz. Der eigene Name ist jeweils Markenzeichen. Ohne den Bezug zum Namen und zur oftmals auch visuellen Bekanntheit von Gestalt und Gesicht ist die Beauftragung eines öffentlich auftretenden literarischen Vortragskünstlers oder referierenden Politikers nicht vorstellbar.
Je enger und schematischer jedoch das Spektrum der zu erfüllenden Aufgaben ist und je selbstverständlicher die herangezogene Dienstleistungskraft austauschbar ist, umso weniger ist ein unternehmerisches Profil als Grundlage einer Selbstständigkeit beschreibbar. Die erkennende Kammer hatte und hat immer wieder unter dem Aspekt der Statusfeststellung die Position von Taxifahrern, LKW-Fahrern, Busfahrern, Bedienern von Bau- und Forstwirtschaftsmaschinen, Hausmeistern, Buchhaltungskräften, Teilzeitpflegekräften usw. zu beurteilen, von denen jeweils nur der Nachweis des entsprechenden Führerscheins oder der formalen beruflichen Qualifikation gefordert wird und die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weder irgendeinen nennenswerten zeitlichen und inhaltlichen Spielraum noch auch nur die rechtliche Befugnis zu irgendeiner kreativen Ausgestaltung ihrer Dienstleistung haben. Dass ein mit fremdem Fahrzeug arbeitender Kurierdienstfahrer seine Fahrtrouten selbst bestimmen kann und dass sich der Hausmeister eines Grundbestandes eigenen Werkzeugs bedient, genügt zur Anerkennung einer Selbstständigkeit nicht.
Vorliegend ist sehr ausführlich dargelegt und auch unschwer erkennbar, dass der Beigeladene dem von der Beklagten im Ablehnungsbescheid selbst skizzierten Typus der selbstständig tätigen Lehrkraft entspricht. Er füllt in eigener Verantwortung die Stichworte des Lehrplans mit Lehrinhalten aus und trägt den Stoff eigenverantwortlich vor. Seine administrativen Aufgaben am Rande werden von der Beklagten bei weitem überbewertet. Die Kontrolle der Anwesenheit bei Beginn der Stunde fordert nur einen winzigen zeitlichen Bruchteil der gesamten Unterrichtsstunde. Das lebendige Unterrichtsgespräch enthält selbstverständlich auch die gelegentliche Rückfrage nach dem ausreichenden Verständnis des gelehrten Stoffs. Mit der Überprüfung der Anwesenheitsliste wird der Beklagte aber genauso wenig zum Verwaltungsangestellten des Lehrinstituts wie er mit dieser gelegentlichen Rückfrage zum staatlichen Prüfer wird. Der Beigeladene entspricht klassisch dem Bild des selbstständigen Lehrbeauftragten, ohne den die gesamte berufliche Aus- und Fortbildung im öffentlichen Dienst wie in der freien Wirtschaft nicht denkbar wäre.
Die von der Beklagten immer wieder herangezogenen Kriterien "Kapitaleinsatz" und "Unternehmerrisiko" sind bei der Beurteilung von Dienstleistungen wenig aussagekräftig. Der eindeutig selbstständige bzw. freiberufliche Schriftsteller, Psychotherapeut, Unternehmensberater oder Rechtsanwalt setzt genauso wenig "Kapital" ein wie der bei einer Zeitung vollzeitbeschäftigte Journalist oder der leitende Angestellte eines Unternehmens. Die für viele geistig-kommerziell-kommunikative Berufe notwendige Vorhaltung eines häuslichen Büros mit PC, Telefon und Schreibtisch sowie der Besitz eines Autos sind so selbstverständlich geworden, dass sich aus einer solchen Infrastruktur und ihrer mehr oder weniger intensiven beruflichen Nutzung keine bedeutsamen Schlüsse ziehen lassen. Auch die Mehrzahl der zweifellos nicht selbstständigen Tageszeitungsredakteure, Gymnasiallehrer, Hochschulprofessoren und Richter halten sich zuhause eine wissenschaftlich-schreibtechnisch-kommunikative Arbeitsbasis.
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsste die Beklagte zur Kenntnis nehmen, dass im Dienstleistungsbereich gewiss nicht die einzelne vereinbarte Arbeitsstunde oder der einzelne Arbeitstag in der Ungewissheit über einen Erlös begonnen werden, sondern dass das typische Risiko hier in der Ungewissheit künftiger Aufträge besteht. Eine betriebswirtschaftliche Risikokalkulation kann im Dienstleistungsbereich naturgemäß nicht in derselben Weise stattfinden wie sie bei der Produktion von Waren möglich ist, bei der die Wahrscheinlichkeiten eines schnellen Abverkaufs, eines zögernden Verkaufs erst nach wiederum kostspieliger Lagerhaltung, einer billigen Abgabe von Überbeständen und schließlich einer vollständigen Abschreibung des unverkäuflichen Rests mit betriebswirtschaftlichen Kurven aufgezeichnet werden können. Unstrittig unterliegt der Beigeladene einem Risiko künftiger Beauftragung, das durch keinen Kündigungsschutz und durch keine sonstige Bestandsgarantie abgefedert ist.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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