Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 338/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Eine Regelung des Honorarverteilungsmaßstabes ist entsprechend der von der Rechtsprechung nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten und angewandten allgemeinen Auslegungsregeln auszulegen, vor allem nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sachzusammenhang sowie teleologisch.
II. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines BAG-Zuschlags nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes im Quartal 1/16.
III. Eine Job-Sharing-Anstellung bei einer „Einzelpraxis“ führt nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft i.S.d. § 33 Abs. 2 Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV) . Es handelt sich nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche „sui generis“.
II. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines BAG-Zuschlags nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes im Quartal 1/16.
III. Eine Job-Sharing-Anstellung bei einer „Einzelpraxis“ führt nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft i.S.d. § 33 Abs. 2 Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV) . Es handelt sich nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche „sui generis“.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Gegenstand der Klage zum Sozialgericht München ist der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2017. Der Kläger, der Lungenarzt ist, wendet sich dagegen, dass er im Quartal 1/16 keinen sog. BAG-Zuschlag gem. Abschnitt B Nr. 7.3.6 HVM erhalten habe. In diesem Quartal war in der klägerischen Praxis Frau Dr. M.M., Internistin mit Schwerpunkt Pneumologie und Schlafmedizinerin als sog. Job-Sharing-Partnerin angestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei Job-Sharing-Praxen finde die Zuschlagsregelung keine Anwendung. Der Praxisumfang dürfe nicht erweitert werden. Job-Sharing-Praxen seien wie Einzelpraxen zu behandeln. Die Beklagte wies auf die Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.07.2014 (Az. L 12 KA 40/13 und L 12 KA 41/13), sowie auf die Entscheidungen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) hin.
Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Weder Teil D der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, noch Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes sei zu entnehmen, dass Job-Sharing-Praxen von den Zuschlag ausgenommen sein sollten. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut der Regelungen. Aber auch der systematische Einwand ändere nichts daran. Denn das Regelleistungsvolumen erfolge rein tatsächlich praxisbezogen. Entscheidend sei auch nicht, wie viele Regelleistungsvolumina zugewiesen würden, sondern allein, ob die in der Praxis tätigen Ärzte kooperativ tätig sein. Auch der Sinn und Zweck des Zuschlags spreche für eine Gewährung des Zuschlags. Denn die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, wie kontinuierliche Betreuung von Patienten, Erweiterung des Leistungsspektrums und längere Öffnungszeiten beträfen auch Praxen mit Shop-Sharing- Angestellten. Insgesamt handle es sich auch bei einer Job-Sharing-Praxis um eine Form der kooperativen Behandlung von Patienten (vgl. BT-Drs 13/7264, S. 65). Ziel des Zuschlags sei nicht ein Nachteilsausgleich, sondern die Förderung der kooperativen Versorgung, wozu auch Job-Sharing-Praxen gehörten (vgl. Teil D Nr. 2 lit. a). Im Übrigen könnten bedarfsplanerische Gesichtspunkte, die einem anderen Rechtskreis entstammten, nicht zur Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes herangezogen werden. Dies sei mit der Systematik des SGB V nicht in Einklang zu bringen und werde vom Bayerischen Landessozialgericht und vom Sozialgericht München verkannt. Außerdem werde auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) hingewiesen. Dieses habe die Rechtsauffassung der Klägerseite bestätigt und stehe im Widerspruch zur Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts und Sozialgerichts München (28. Kammer).
In Erwiderung hob die Beklagte hervor, Job-Sharing-Praxen seien nicht auf die kooperative oder interdisziplinäre Behandlung von Patienten ausgelegt. Es gehe nur darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Im Übrigen setze die Anwendung von B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes voraus, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen überhaupt ein eigenes RLV zu ermitteln sei. Eine solche Ermittlung erfolge aber nur für angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung, nicht aber für angestellte Ärzte einer Job-Sharing-Praxis.
In der mündlichen Verhandlung am 21.03.2018 erklärte die Vertreterin der Beklagten zum Antrag der Klägerseite auf Zulassung der Sprungrevision zum Bundessozialgericht, es werde dem Antrag nicht zugestimmt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.07.2017.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf die Klageakte, die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 31.03.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten sind als rechtmäßig anzusehen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines BAG-Zuschlags.
Als mögliche Rechtsgrundlage käme B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes in Betracht. Danach ist folgendes geregelt: "RLV-Erhöhung für Berufsausübungsgemeinschaften, medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten (BAG-Zuschlag) Aufgrund der gewählten Fallzahlbestimmung für das RLV (RLV-relevante Arztfälle entsprechen in einer Einzelpraxis den RLV-relevanten Behandlungsfällen, in einer Berufsausübungsgemeinschaft, medizinischen Versorgungszentrum und Praxen mit angestellten Ärzten ergeben sich die RLV-relevanten Arztfälle aus dem prozentualen Anteil der RLV-relevanten Arztfälle an den RLV-relevanten Behandlungsfällen), wird zum Ausgleich ein BAG-Zuschlag gewährt."
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist für die Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes nicht in erster Linie der Wortlaut maßgeblich. Denn es geht hier nicht um die Auslegung einer Gebührenordnungsposition, bei der nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte in erster Linie auf den Wortlaut abzustellen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28.09.2016, Az. B 6 KA 17/16 B; BSG, Urteil vom 04.05.2016, Az. B 6 KA 16/15 R). Vielmehr ist eine Regelung des Honorarverteilungsmaßstabes entsprechend der von der Rechtsprechung nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten und angewandten allgemeinen Auslegungsregeln auszulegen, vor allem Auslegung nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sachzusammenhang sowie teleologisch. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des BAG-Zuschlags nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes im Quartal 1/16.
Die Auslegung nach dem Wortlaut bei der Regelung in B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes führt nicht weiter. Denn Job-Sharing- Praxen sind nicht erwähnt. Es ist lediglich die Rede von Berufsausübungsgemeinschaften, medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten. Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist lt. § 33 Abs. 2 Zulassungsverordnung-Ärzte dadurch gekennzeichnet, dass die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam ausgeübt wird und zwar unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung z u g e l a s s e n e n Leistungserbringern an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz (örtliche Berufsausübungsgemeinschaft) bzw. an unterschiedlichen Vertragsarztsitzen (überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft). Ein Arzt/eine Ärztin im Job-Sharing-Angestelltenverhältnis besitzt aber keine eigene Zulassung. Eine Job-Sharing-Anstellung führt deshalb nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft. Es handelt sich nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche "sui generis". Insofern wird die Auffassung des Landessozialgerichts Hamburg im Urteil vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) nicht geteilt.
Soweit unter B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes Praxen mit angestellten Ärzten genannt sind, kann es sich zunächst in der Tat um sog. Job-Sharing- Praxen, aber auch von Praxen im Sinne von § 95 Abs. 9 S. 1 SGB V (Angestellte ohne Leistungsbegrenzung) handeln. Wäre auch Job-Sharing-Praxen ein Zuschlag zu gewähren, wäre dies aber ausdrücklich hervorgehoben worden, was jedoch nicht der Fall ist.
Auch die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr spricht das Regelungsgefüge im Honorarverteilungsmaßstabes unter Beachtung der Vorgaben der kassenärztlichen Bundesvereinigung (D der Vorgaben zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V) dafür, dass die Zuschlagsregelung voraussetzt, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen ein eigenes Regelleistungsvolumen zu ermitteln ist. Dies folgt insbesondere aus Ziff. 7.2.6 des Honorarverteilungsmaßstabes, wonach sich die Höhe der praxisbezogenen Obergrenze bei Berufsausübungsgemeinschaften, medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten aus der Addition der RLV (bzw. Addition der QZV) je Arzt, der in der Praxis tätig ist, ergibt. Nachdem die Ermittlung eines eigenen RLV als Rechengröße nur für einen angestellten Arzt ohne Leistungsbegrenzung erfolgt, nicht aber bei einer Tätigkeit von Angestellten im Rahmen des Job-Sharings (Ziff. 7.2.4 des Honorarverteilungsmaßstabes) findet die Regelung über den BAG-Zuschlag nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes keine Anwendung.
Im Übrigen ist aber auch auf den Sinn und Zweck des Zuschlags abzustellen. Im Vordergrund der Gewährung des BAG-Zuschlags steht die kooperative Behandlung der Patienten, wie sich aus BT-Drs 13/7264, S. 65 sowie § 87 b Abs. 2 S. 2 SGB V, aber auch aus Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V und Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes ergibt. Der Gründung einer Job-Sharing-Praxis liegt jedoch keine kooperative Behandlung der Patienten zu Grunde. Vielmehr geht es darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten wird, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Ungeachtet dessen gelten im Wesentlichen die in den Urteilen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) aufgezeigten Gesichtspunkte zur teleologischen Auslegung auch für die im Quartal 1/16 geltende Rechtslage. Das Gericht (28. Kammer), das allerdings auch davon ausgeht, dass es sich bei einer Job-Sharing- Praxis um eine Berufsausübungsgemeinschaft handelt, kommt in den genannten Entscheidungen zu dem Ergebnis, es müsse aus teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung in dem Sinne stattfinden, dass bei Berechnung des Regelleistungsvolumens im Fall von Job-Sharing-Konstellationen keine Berücksichtigung eines Aufschlags in Höhe von 10 % erfolgt. U.a. führt das Gericht wie folgt aus: "Aus diesen - gegenüber den Normativverträgen - normenhierarchisch höherstehenden Regelungen - folgt, dass Job-Sharing-Berufsausübungsgemeinschaften anders als andere Berufsausübungsgemeinschaften einer strengen Leistungsbegrenzung unterliegen. Mit dieser Leistungsbegrenzung wäre ein zehnprozentiger Aufschlag auf das Regelleistungsvolumen nicht zu vereinbaren. Denn ein solcher Aufschlag würde nur aufgrund des Umstandes gewährt werden, dass der erstzugelassene Vertragsarzt seine Tätigkeit im Rahmen eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Job-Sharing-Partner ausübt - obwohl durch den Job-Sharing-Arzt gerade keine Ausweitung des Leistungsumfangs erfolgen soll ... Denn danach ist bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumen eines Arztes der Umfang seiner Tätigkeit lt. Zulassungs-bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen."
Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, wonach die Leistungsbegrenzung bei Job-Sharing-Praxen nicht zu beachten sei, wird nicht geteilt. Insbesondere vermag das Argument, es handle sich um unterschiedliche Rechtskreise, nicht zu überzeugen.
Letztlich ist das Gericht (38. Kammer) der Auffassung, dass die Regelung in Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes auch mit Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V vereinbar ist. Zwar bestimmt § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V, dass die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten sind. Es handelt sich jedoch um relativ unverbindliche Vorgaben, wie sich aus der Formulierung "kann" unter Ziff. 1 und 2 des Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V ergibt.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) ist ebenfalls nicht zu erkennen.
Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Gegenstand der Klage zum Sozialgericht München ist der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2017. Der Kläger, der Lungenarzt ist, wendet sich dagegen, dass er im Quartal 1/16 keinen sog. BAG-Zuschlag gem. Abschnitt B Nr. 7.3.6 HVM erhalten habe. In diesem Quartal war in der klägerischen Praxis Frau Dr. M.M., Internistin mit Schwerpunkt Pneumologie und Schlafmedizinerin als sog. Job-Sharing-Partnerin angestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei Job-Sharing-Praxen finde die Zuschlagsregelung keine Anwendung. Der Praxisumfang dürfe nicht erweitert werden. Job-Sharing-Praxen seien wie Einzelpraxen zu behandeln. Die Beklagte wies auf die Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.07.2014 (Az. L 12 KA 40/13 und L 12 KA 41/13), sowie auf die Entscheidungen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) hin.
Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Weder Teil D der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V, noch Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes sei zu entnehmen, dass Job-Sharing-Praxen von den Zuschlag ausgenommen sein sollten. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut der Regelungen. Aber auch der systematische Einwand ändere nichts daran. Denn das Regelleistungsvolumen erfolge rein tatsächlich praxisbezogen. Entscheidend sei auch nicht, wie viele Regelleistungsvolumina zugewiesen würden, sondern allein, ob die in der Praxis tätigen Ärzte kooperativ tätig sein. Auch der Sinn und Zweck des Zuschlags spreche für eine Gewährung des Zuschlags. Denn die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, wie kontinuierliche Betreuung von Patienten, Erweiterung des Leistungsspektrums und längere Öffnungszeiten beträfen auch Praxen mit Shop-Sharing- Angestellten. Insgesamt handle es sich auch bei einer Job-Sharing-Praxis um eine Form der kooperativen Behandlung von Patienten (vgl. BT-Drs 13/7264, S. 65). Ziel des Zuschlags sei nicht ein Nachteilsausgleich, sondern die Förderung der kooperativen Versorgung, wozu auch Job-Sharing-Praxen gehörten (vgl. Teil D Nr. 2 lit. a). Im Übrigen könnten bedarfsplanerische Gesichtspunkte, die einem anderen Rechtskreis entstammten, nicht zur Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes herangezogen werden. Dies sei mit der Systematik des SGB V nicht in Einklang zu bringen und werde vom Bayerischen Landessozialgericht und vom Sozialgericht München verkannt. Außerdem werde auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) hingewiesen. Dieses habe die Rechtsauffassung der Klägerseite bestätigt und stehe im Widerspruch zur Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts und Sozialgerichts München (28. Kammer).
In Erwiderung hob die Beklagte hervor, Job-Sharing-Praxen seien nicht auf die kooperative oder interdisziplinäre Behandlung von Patienten ausgelegt. Es gehe nur darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Im Übrigen setze die Anwendung von B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes voraus, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen überhaupt ein eigenes RLV zu ermitteln sei. Eine solche Ermittlung erfolge aber nur für angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung, nicht aber für angestellte Ärzte einer Job-Sharing-Praxis.
In der mündlichen Verhandlung am 21.03.2018 erklärte die Vertreterin der Beklagten zum Antrag der Klägerseite auf Zulassung der Sprungrevision zum Bundessozialgericht, es werde dem Antrag nicht zugestimmt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.07.2017.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf die Klageakte, die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 31.03.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten sind als rechtmäßig anzusehen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines BAG-Zuschlags.
Als mögliche Rechtsgrundlage käme B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes in Betracht. Danach ist folgendes geregelt: "RLV-Erhöhung für Berufsausübungsgemeinschaften, medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten (BAG-Zuschlag) Aufgrund der gewählten Fallzahlbestimmung für das RLV (RLV-relevante Arztfälle entsprechen in einer Einzelpraxis den RLV-relevanten Behandlungsfällen, in einer Berufsausübungsgemeinschaft, medizinischen Versorgungszentrum und Praxen mit angestellten Ärzten ergeben sich die RLV-relevanten Arztfälle aus dem prozentualen Anteil der RLV-relevanten Arztfälle an den RLV-relevanten Behandlungsfällen), wird zum Ausgleich ein BAG-Zuschlag gewährt."
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist für die Auslegung des Honorarverteilungsmaßstabes nicht in erster Linie der Wortlaut maßgeblich. Denn es geht hier nicht um die Auslegung einer Gebührenordnungsposition, bei der nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte in erster Linie auf den Wortlaut abzustellen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28.09.2016, Az. B 6 KA 17/16 B; BSG, Urteil vom 04.05.2016, Az. B 6 KA 16/15 R). Vielmehr ist eine Regelung des Honorarverteilungsmaßstabes entsprechend der von der Rechtsprechung nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten und angewandten allgemeinen Auslegungsregeln auszulegen, vor allem Auslegung nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sachzusammenhang sowie teleologisch. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des BAG-Zuschlags nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes im Quartal 1/16.
Die Auslegung nach dem Wortlaut bei der Regelung in B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes führt nicht weiter. Denn Job-Sharing- Praxen sind nicht erwähnt. Es ist lediglich die Rede von Berufsausübungsgemeinschaften, medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten. Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist lt. § 33 Abs. 2 Zulassungsverordnung-Ärzte dadurch gekennzeichnet, dass die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam ausgeübt wird und zwar unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung z u g e l a s s e n e n Leistungserbringern an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz (örtliche Berufsausübungsgemeinschaft) bzw. an unterschiedlichen Vertragsarztsitzen (überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft). Ein Arzt/eine Ärztin im Job-Sharing-Angestelltenverhältnis besitzt aber keine eigene Zulassung. Eine Job-Sharing-Anstellung führt deshalb nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft. Es handelt sich nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche "sui generis". Insofern wird die Auffassung des Landessozialgerichts Hamburg im Urteil vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) nicht geteilt.
Soweit unter B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes Praxen mit angestellten Ärzten genannt sind, kann es sich zunächst in der Tat um sog. Job-Sharing- Praxen, aber auch von Praxen im Sinne von § 95 Abs. 9 S. 1 SGB V (Angestellte ohne Leistungsbegrenzung) handeln. Wäre auch Job-Sharing-Praxen ein Zuschlag zu gewähren, wäre dies aber ausdrücklich hervorgehoben worden, was jedoch nicht der Fall ist.
Auch die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr spricht das Regelungsgefüge im Honorarverteilungsmaßstabes unter Beachtung der Vorgaben der kassenärztlichen Bundesvereinigung (D der Vorgaben zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V) dafür, dass die Zuschlagsregelung voraussetzt, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen ein eigenes Regelleistungsvolumen zu ermitteln ist. Dies folgt insbesondere aus Ziff. 7.2.6 des Honorarverteilungsmaßstabes, wonach sich die Höhe der praxisbezogenen Obergrenze bei Berufsausübungsgemeinschaften, medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten aus der Addition der RLV (bzw. Addition der QZV) je Arzt, der in der Praxis tätig ist, ergibt. Nachdem die Ermittlung eines eigenen RLV als Rechengröße nur für einen angestellten Arzt ohne Leistungsbegrenzung erfolgt, nicht aber bei einer Tätigkeit von Angestellten im Rahmen des Job-Sharings (Ziff. 7.2.4 des Honorarverteilungsmaßstabes) findet die Regelung über den BAG-Zuschlag nach B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes keine Anwendung.
Im Übrigen ist aber auch auf den Sinn und Zweck des Zuschlags abzustellen. Im Vordergrund der Gewährung des BAG-Zuschlags steht die kooperative Behandlung der Patienten, wie sich aus BT-Drs 13/7264, S. 65 sowie § 87 b Abs. 2 S. 2 SGB V, aber auch aus Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V und Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes ergibt. Der Gründung einer Job-Sharing-Praxis liegt jedoch keine kooperative Behandlung der Patienten zu Grunde. Vielmehr geht es darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten wird, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Ungeachtet dessen gelten im Wesentlichen die in den Urteilen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) aufgezeigten Gesichtspunkte zur teleologischen Auslegung auch für die im Quartal 1/16 geltende Rechtslage. Das Gericht (28. Kammer), das allerdings auch davon ausgeht, dass es sich bei einer Job-Sharing- Praxis um eine Berufsausübungsgemeinschaft handelt, kommt in den genannten Entscheidungen zu dem Ergebnis, es müsse aus teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung in dem Sinne stattfinden, dass bei Berechnung des Regelleistungsvolumens im Fall von Job-Sharing-Konstellationen keine Berücksichtigung eines Aufschlags in Höhe von 10 % erfolgt. U.a. führt das Gericht wie folgt aus: "Aus diesen - gegenüber den Normativverträgen - normenhierarchisch höherstehenden Regelungen - folgt, dass Job-Sharing-Berufsausübungsgemeinschaften anders als andere Berufsausübungsgemeinschaften einer strengen Leistungsbegrenzung unterliegen. Mit dieser Leistungsbegrenzung wäre ein zehnprozentiger Aufschlag auf das Regelleistungsvolumen nicht zu vereinbaren. Denn ein solcher Aufschlag würde nur aufgrund des Umstandes gewährt werden, dass der erstzugelassene Vertragsarzt seine Tätigkeit im Rahmen eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Job-Sharing-Partner ausübt - obwohl durch den Job-Sharing-Arzt gerade keine Ausweitung des Leistungsumfangs erfolgen soll ... Denn danach ist bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumen eines Arztes der Umfang seiner Tätigkeit lt. Zulassungs-bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen."
Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, wonach die Leistungsbegrenzung bei Job-Sharing-Praxen nicht zu beachten sei, wird nicht geteilt. Insbesondere vermag das Argument, es handle sich um unterschiedliche Rechtskreise, nicht zu überzeugen.
Letztlich ist das Gericht (38. Kammer) der Auffassung, dass die Regelung in Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes auch mit Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V vereinbar ist. Zwar bestimmt § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V, dass die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten sind. Es handelt sich jedoch um relativ unverbindliche Vorgaben, wie sich aus der Formulierung "kann" unter Ziff. 1 und 2 des Teil D der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V ergibt.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) ist ebenfalls nicht zu erkennen.
Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO
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