S 38 KA 341/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 341/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Abrechnungsbestimmungen der KVB einschließlich der darin enthaltenen Fristen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind grundsätzlich zur zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung geeignet (vgl. BayLSG, Urteil vom 25.3.2015, Az L 12 KA 37/13).

2. Auch im Fall der Prüfungskompetenz der Krankenkasse (§ 106a Abs. 3 SGB V a.F. bzw. § 106d Abs. 3 SGB V n.F.) gelten die Abrechnungsbestimmungen der KVB. Das bedeutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere der Einhaltung von Fristen nach § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB eine Umsetzung einer Gebührenordnungsposition möglich ist.

3. Eine Berichtigungsbefugnis wegen sachlich-rechnerischer Richtigstellung besteht innerhalb einer Frist von vier Jahren seit Erlass des Honorarbescheides, es sei denn, die Berichtigungsbefugnis ist aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht (vgl. zu Fallbeispielen BSG, Urteil vom 28.08.2013, Az B 6 KA 50/12 R).

4. Der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründet keinen Anspruch auf Umsetzung einer Gebührenordnungsposition.
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.

Tatbestand:

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klagen, die in der mündlichen Verhandlung am 09.05. 2018 verbunden wurden, sind die Absetzungen der Gebührenordnungsposition (GOP) 31108 EBM in den Quartalen 3/13 - 3/14 (fünf Quartale). Der Kläger, ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg mit doppelter Approbation und Zulassung (kassenärztliche Zulassung und kassenzahnärztliche Zulassung) hatte die GOP in mehreren Behandlungsfällen angesetzt. Nachdem sich der Prozessbevollmächtigte zunächst gegen die Absetzungen der GOP 31108 EBM wandte und insoweit eine Nachvergütung dieser GOP begehrte (Klageschrift vom 26.07.2017), richtete sich das Begehren in der Klagebegründung vom 12.10.2017 im Wesentlichen auf die Umsetzung der GOP 31108 EBM in die vom Kläger im Rahmen der Widerspruchsverfahren beantragten GOP´s. In der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 stellte der Kläger nunmehr einen Antrag auf Neuverbescheidung.

Zur Begründung wies die Beklagte auf die Präambel 2.1, Punkt 2 und 3 des Anhangs zum EBM und auf die Präambel 31.2.1 EBM Nr. 9 hin. Der Kläger habe für die Simultaneingriffe (GOP 31108) keine OPS-Codes bzw. den gleichen OPS-Code wie für die Haupteingriffe angegeben. Die vom Kläger erbetene Stellungnahme sei ausgeblieben. Deshalb sei die Leistungslegende der GOP 31108 als nicht erfüllt anzusehen. Soweit der Kläger die Zusetzung von Urzeiten, Änderungen der Gebührenordnungspositionen beim Haupteingriff, die Berechnung von Revisionen bzw. Zweiteingriffen anstelle von Simultaneingriffen sowie die zusätzliche Berücksichtigung postoperativer Überwachungskomplexe begehre, seien die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB nicht erfüllt. Denn die Antragsfristen hätten am 07.03.2014, 23.06.2014, 22.09.2014, 22.12.2014 bzw. 20.03.2015 geendet. Die begehrten Änderungen seien erst mit den eingelegten Widersprüchen 2016 bzw. 2017 geltend gemacht worden. Eine nachträgliche Änderung bzw. Ergänzung wegen Überschreitung der Frist sei daher nicht mehr möglich.

Dagegen ließ der Kläger Klagen zum Sozialgericht München einlegen. In der Klagebegründung vom 12.10.2017 machte die Klägerseite geltend, dem Kläger gehe es im Wesentlichen um die nachträgliche Umsetzung der abgerechneten Leistungsziffern in die korrekten Ziffern aus Verhältnismäßigkeitsgründen. Der Kläger habe in dem Zusammenhang Listen mit seinen Widersprüchen eingereicht. Die Kürzungen seien erheblich und würden 10 % der gesamten Abrechnungssumme ausmachen. Es handle sich in den meisten Fällen um Operationen bösartiger Tumore, die bei Streichung vollkommen unhonoriert blieben. Das Verhalten der Beklagten sei uneinheitlich und widersprüchlich; dies deshalb, weil Änderungen an Abrechnungs-oder OPS-Nummern für zurückliegende Quartale ein bis zwei Jahre nach dem Honorarbescheid vorgenommen worden seien. Hinzuweisen sei in dem Zusammenhang auch auf zwei Schreiben der KVB, in denen auf die Möglichkeit einer nachträglichen Abrechnungskorrektur aufmerksam gemacht wurde. Im Quartal 3/16 habe der Kläger die Möglichkeit erhalten, den falschen OPS-Code richtig zu stellen. Die Klägerseite führte in die Verfahren außerdem eine Bestätigung der beiden Arzthelferinnen ein, wonach diese wiederholt wegen der Abrechnungsproblematik Kontakt zur Beklagten gehabt hätten mit dem Ziel, eine korrekte Abrechnung sicherzustellen.

In Erwiderung der Klagebegründung führte die KVB aus, Ausgangspunkt sei gewesen, dass die beigeladene AOK den Zuschlag zu Operationen/Anästhesieleistungen zurückgefordert habe. Eine Rückantwort zur erbetenen Stellungnahme sei durch den Kläger nicht erfolgt. Deshalb sei mit den angefochtenen Bescheiden den Anträgen der beigeladenen AOK stattgegeben und Korrekturen vorgenommen worden. In seinen Widerspruchsschreiben habe der Kläger selbst Abrechnungsfehler eingeräumt und die Umsetzung in die GOP´s 31104 G EBM bzw. 31504 EBM beantragt. Die Beklagte wiederholte ihren Hinweis auf § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB. Ein widersprüchliches oder fehlerhaftes Verhalten der KVB sei nicht erkennbar. Daraus lasse sich jedenfalls keine Unverhältnismäßigkeit ableiten und auch kein Anspruch auf Umsetzung. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf Umsetzung der Leistungen, für die die Krankenkasse eine sachlich-rechnerische Berichtigung beantragt habe.

Soweit der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 17.08.2016, das Quartal 3/15 betreffend zitiere, sei es hier nur um einen Korrekturantrag im Sinne der Abrechnungsbestimmungen gegangen, der vom Antrag auf sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die Krankenkasse zu unterscheiden sei. Im Übrigen bestehe für die Beklagte keine Pflicht, auf Abrechnungsfehler hinzuweisen. Wenn dies geschehe, handle es sich um eine reine Serviceleistung.

In der mündlichen Verhandlung schilderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nach telefonischer Rücksprache mit dem Kläger die Vorgehensweise. Zunächst habe eine örtliche Betäubung des Patienten stattgefunden. Dem habe sich ein Ersteingriff angeschlossen. Meistens sei Stunden später der Zweiteingriff nach Vorliegen des histologischen Ergebnisses vorgenommen worden. Es handle sich in der Hauptsache um Überweisungen von Dermatologen. Auch viele Diabetiker befänden sich unter dem Patientengut. Die Praxis habe viele Jahre den Zweiteingriff ohne Beanstandung als Simultaneingriff abgerechnet, obwohl die Möglichkeit bestanden habe, diesen Eingriff als Haupteingriff, verbunden mit einer höheren Vergütung abrechnen zu können. Erst mit dem Antrag der AOK im Jahr 2016 habe der Kläger davon erfahren, dass die Abrechnung nicht korrekt sei. Die Absetzung bzw. die Weigerung, eine Umsetzung vorzunehmen, führe letztendlich dazu, dass der Kläger für den Zweiteingriff keine Vergütung erhalte. Nochmals betonte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, die Handhabung der Beklagten zur "Umsetzungsmöglichkeit" einer Gebührenordnungsposition sei willkürlich, nicht nachvollziehbar und unverhältnismäßig, zumal sich der Kläger darauf verlassen habe. Im Übrigen habe nachweislich eine häufige Beratung durch die Beklagte stattgefunden. Diese sei offensichtlich falsch gewesen.

Die Vertreter der Beklagten widersprachen in der mündlichen Verhandlung der Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, es habe mit der KVB eine Abstimmung hinsichtlich der Abrechnungsweise stattgefunden. Das System sehe auch keine Umsetzung vor. Die Abrechnungsbestimmungen seien eindeutig. Nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB sei eine nachträgliche Berichtigung und Ergänzung eines bereits eingereichten Behandlungsfalls innerhalb bestimmter Fristen möglich. Ein "Nachliefern" von Diagnosen, um einen "Angriff" der Krankenkassen abzuwehren, sei möglich. Ein solcher Sachverhalt liege im streitgegenständlichen Fall jedoch nicht vor. Denn die Korrektur bzw. Ablehnung der Umsetzung sei aufgrund eines Kassenantrags erfolgt, weil die Beigeladene der Ansicht gewesen sei, es handle sich bei dem Zweiteingriff nicht um einen Simultaneingriff.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte, die Bescheide der KVB für die Quartale 3/13, 4/13, 1/14, 2/14 und 3/14 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, erneut über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragte, die Klagen abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 09.05.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zum Sozialgericht München eingelegten Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das klägerische Begehren war zunächst (Klageschrift vom 26.07.2017) auf Aufhebung der Bescheide über sachlich-rechnerische Richtigstellungen der GOP 31108 und Nachvergütung dieser Gebührenordnungsposition gerichtet. Streitgegenständlich ist nach der Klagebegründung vom 12.10.2017 die von der Beklagten verweigerte Umsetzung der GOP 31108 in die korrekte Gebührenordnungsposition sowie die zusätzliche Berücksichtigung postoperativer Überwachungskomplexe. Mit seinen neuen Anträgen begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers (mündliche Verhandlung am 09.05.2018) die Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten zur Neuverbescheidung entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts. Insofern handelt es sich aktuell um eine kombinierte Anfechtungs- und Verbescheidungsklage nach § 54 SGG, über die zu befinden war.

Vorab ist anzumerken, dass bis zum 01.01.2004 ausschließlich den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit oblag (§ 45 Abs. 3 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 EKV-Ä). Zum 01.01.2004 wurden mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkassen vom 14.11.2003 (GMG, BGBl I 2190, 2217) die Krankenkassen in die Prüfung mit einbezogen. Mit der Einführung des § 106a SGB V a.F. (inhaltsgleich mit § 106d SGB V n.F.) wurden die Zuständigkeiten zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen neu festgelegt. In § 106a Abs. 2 SGB V (§ 106d Abs. 2 SGB V n.F.) i.V.m. RL §§ 6,7,8 ... zu § 106a SGB V hat der Gesetzgeber der Kassenärztlichen Vereinigung insbesondere die Prüfung nicht ordnungsgemäßer Abrechnungen bzw. der Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen zugewiesen. Für die Kassenärztliche Vereinigung besteht die Pflicht, die Verbände der Krankenkassen, sowie die Ersatzkassen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse zu unterrichten. Eine wesentliche Neuerung im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand ist, dass in § 106a Abs. 3 SGB V a.F. (§ 106d Abs. 3 SGB V n.F.) i.V.m. RL §§14 ff. zu § 106a SGB V den Krankenkassen eine eigene Prüfungszuständigkeit zugewiesen wurde. So besitzen die Krankenkassen beispielsweise eine Prüfungszuständigkeit hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht. Neben dieser Prüfungszuständigkeit hat die Krankenkasse nach § 106a Abs. 3 S. 2 SGB V a.F. (§ 106d Abs. 3 S. 2 SGB V n.F.) eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Die KVB ist an das Ergebnis der Prüfung gebunden. Sie besitzt kein eigenes materielles Prüfungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az. B 6 KA 8/15 R), sondern ist - wie das Bundessozialgericht ausführt - auf die Prüfung beschränkt, ob der Umsetzung der Prüfergebnisse Begrenzungen der Richtigstellungsbefugnis (z.B. Ausschlussfristen, Vertrauensschutzgesichtspunkte) entgegenstehen. Liegen solche Begrenzungen der Abrechnungsprüfung nicht vor, obliegt ihr die verwaltungsmäßige Umsetzung im Wege eines Bescheides gegenüber dem geprüften Vertragsarzt. Im Verhältnis zur Krankenkasse besitzt der Bescheid lediglich deklaratorische Bedeutung.

Eine Prüfungskompetenz der Beigeladenen nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F. (§ 106d Abs. 3 SGB V n.F.) i.V.m. RL §§14 ff. zu § 106a SGB V 106 liegt vor (§ 106a Abs. 3 Ziff. 2 SGB V).

Sowohl die Beigeladene, als auch die Beklagte sind zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Kläger erbrachten Leistungen nicht den Leistungsinhalt der GOP 31108 EBM erfüllen. Wie die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid ausführt, sind die Präambel 2.1, Punkt 2 und 3 des Anhangs zum EBM und die Präambel 31.2.1 EBM Nr. 9 zu beachten. Ein Simultaneingriff als Voraussetzung für die Zuschlagsziffer 31108 ist entsprechend zu dokumentieren. Der Kläger hat hier aber keine OPS-Codes bzw. den gleichen OPS-Code wie für die Haupteingriffe angegeben. Somit war nicht erkennbar, um welche Art von Eingriffen es sich gehandelt hat. Die vom Kläger erbetenen Stellungnahmen sind ausgeblieben. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Leistungsinhalt der Zuschlagsziffer nicht erfüllt ist. Hinzu kommt, dass selbst die Klägerseite nunmehr mit ihrem Vorbringen und dem Begehren auf Umsetzung der GOP 31108 einräumt, es handle sich nicht um Simultaneingriffe, sondern um eigenständige Zweit-(Haupt-)Eingriffe. Ob Letzteres abrechnungstechnisch der Fall ist, hängt davon ab, ob der Ersteingriff abgeschlossen ist. Ansonsten wäre lediglich der Ersteingriff abrechnungsfähig. Aufgrund der Schilderung der Behandlungsschritte durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 ist zumindest fraglich, ob zwei eigenständige Eingriffe vorliegen. Zumindest fehlt es bislang an einer entsprechenden Nachweisführung im Einzelfall.

Unzureichend ist, wenn der Kläger jeweils erst im Widerspruchsverfahren OPS-Codes für den weiteren Eingriff angegeben hat. Denn hier sind die Ausschlussfristen des § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB zu beachten. Die Abrechnungsbestimmungen einschließlich der darin enthaltenen Fristen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind grundsätzlich zur zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung geeignet (vgl. BayLSG, Urteil vom 25.03.2015, Az. L 12 KA 37/13).

Nach § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB ist eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung eines bereits eingereichten Behandlungsfalles unbeschadet der Abs. 1 und 2 durch den Vertragsarzt innerhalb eines Monats nach Ablauf der von der KVB zur Einreichung der Abrechnung festgesetzten Frist zulässig. Ausnahmsweise kann die Abrechnung noch nach dem Ende dieser Frist berichtigt oder ergänzt werden, wenn dies

- innerhalb eines Monats nach Erhalt des Honorarbescheides oder der Richtigstellung Mitteilung beantragt wird, - die eingereichte Abrechnung objektiv erkennbar unzutreffend ist und - die nicht Vergütung der betroffenen Leistungen einen Honorarverlust zur Folge hätte, der einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes darstellen würde.

Die erste Frist (Monatsfrist nach Ablauf der von der KVB zur Einreichung der Abrechnung festgesetzten Frist) ist bereits längst abgelaufen. Auch die Möglichkeit der ausnahmsweisen Berichtigung oder Ergänzung durch den Vertragsarzt (Monatsfrist nach Erhalt des Honorarbescheides) ist verstrichen. Der Kläger hat nämlich erst im Zusammenhang mit seinem Widerspruch gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung eine Änderung bzw. Ergänzung beantragt. Nähere Ausführungen hierzu sind entbehrlich, zumal dies auch vom Kläger nicht bestritten wird.

Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Kläger einen Anspruch auf Abrechnung seiner Leistungen nach der GOP 31108 EBM nicht besitzt.

Ebenfalls kann er nicht beanspruchen, dass die von ihm angesetzte GOP 31108 EBM in eine andere GOP umgesetzt und vergütet wird sowie weitere GOP´s zugesetzt und ebenfalls vergütet werden (Berücksichtigung postoperativer Überwachungskomplexe).

Bei einer solchen Umsetzung handelt es sich abrechnungstechnisch um eine nachträgliche Geltendmachung einer Gebührenordnungsziffer nach dem EBM (vgl. BayLSG, Urteil vom 25.03.2015, Az. L 12 KA 37/13). Fraglich ist zunächst, ob überhaupt im Fall des § 106a Abs. 3 SGB V a.F. (§ 106d Abs. 3 SGB V n.F.) eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, was von der Beklagten offensichtlich angezweifelt wird. Für die Umsetzungsmöglichkeit spricht aber, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Aufteilung der Prüfungskompetenz in § 106a SGB V a. F. (inhaltsgleich mit § 106d SGB V n.F.) nicht zu einer Schlechterstellung des Vertragsarztes gegenüber dem bisherigen Rechtszustand führen darf. Ferner spricht dafür, dass die Abrechnungsbestimmungen der KVB generell gelten.

Somit ist hier auch § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen der KVB zu beachten. Dies bedeutet, dass zwar grundsätzlich eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, jedoch hier wegen Verstreichen der Fristen eine Umsetzung der GOP 31108 EBM in andere GOP´s bzw. eine Zusetzung weiterer GOP´s ausgeschlossen ist.

Allerdings ist die Beklagte aus Gründen des Vertrauensschutzes der Vertragsärzte auch innerhalb einer Frist von vier Jahren seit Erlass der betroffenen Honorarbescheide dann nicht zur Berichtigung befugt, wenn die von der Rechtsprechung aufgestellten Fallkonstellationen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2013, Az. B 6 KA 50/12 R). So hat die Rechtsprechung bei einer wissentlichen Duldung systematisch fachfremder Tätigkeit oder einer Leistungserbringung ohne die hierzu erforderliche Abrechnungsgenehmigung die Auffassung vertreten, in diesem Fall sei aus Gründen des Vertrauensschutzes die Berichtigungsbefugnis verbraucht (vgl. BSGE 89,90,102 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S 14). Nachdem es sich hier um eine sachlich rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F.(inhaltsgleich mit § 106d SGB V n.F.) handelt (Prüfungsbefugnis der Kassen) ist zudem fraglich, ob die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz überhaupt gelten und wenn ja, auf welche Behörde (Kasse oder KVB) hinsichtlich des das Vertrauen begründenden Tatbestandes abzustellen ist und ob sich die Behörden das Handeln der anderen jeweils zuzurechnen lassen müssen. Auch hier darf die vom Gesetzgeber vorgenommene Aufteilung der Prüfungskompetenz in § 106a SGB V a.F.(inhaltsgleich mit § 106d SGB V n.F.) für den Vertragsarzt nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand führen. Insofern sind auch auf die sachlich-rechnerische Richtigstellung auf der Basis des § 106a Abs. 3 SGB V a.F. (inhaltsgleich mit § 106d SGB V n.F.) die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz anwendbar mit der Maßgabe, dass sich die Behörden das Handeln des jeweils anderen zurechnen lassen müssen.

Es stellt sich die Frage, ob hier eine wissentliche Duldung durch die Beklagte über einen längeren Zeitraum vorliegt oder, ob es sich lediglich um eine länger andauernde Verwaltungspraxis handelt, die für die Annahme eines Vertrauensschutzes als nicht ausreichend anzusehen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2013, Az. B 6 KA 50/12 R). Hintergrund für diese Differenzierung ist, dass - würde man eine länger andauernde Verwaltungspraxis ausreichen lassen - die 4-jährige Ausschlussfrist ansonsten "leer laufen" würde.

Soweit der Kläger zumindest indirekt geltend macht, die Beklagte habe ihn falsch informiert, kommt dem für den Erfolg seiner Klagen keine Bedeutung zu. Denn damit wird der sog. "sozialrechtliche Herstellungsanspruch" bemüht, der nach gefestigter Rechtsprechung im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung nicht anwendbar ist, da kein Sozialrechtsverhältnis besteht und die Kassenärztliche Vereinigung kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist (vgl. BayLSG, Urteil vom 25.09.2013, Az. L 12 KA 2/12). Unbehelflich ist auch der Hinweis des Klägers, die Beklagte verhalte sich uneinheitlich und widersprüchlich, indem er in späteren Quartalen die Möglichkeit erhalten habe, seine Abrechnung zu korrigieren. Denn, wie sich aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, handelt es sich um unterschiedliche Sachverhalte. Selbst wenn man als wahr unterstellen würde, dass zwischen der Praxis (Sprechstundenhilfen) und der Beklagten mehrfache Kontakte wegen der Abrechenbarkeit der GOP 31108 EBM bestanden, kann eine wissentliche Duldung durch die Beklagte nicht unterstellt werden. Im Übrigen bleibt unklar, mit wem die Klägerseite Kontakte aufgenommen haben will.

Was das Begehren des Klägers betrifft, die abgerechneten Leistungen nach der GOP 31108 EBM in eine andere GOP´s umzusetzen und nachzuvergüten, sowie postoperative Überwachungskomplexe zusätzlich zu berücksichtigen, können hierfür erst recht keine Vertrauensschutzgründe angeführt werden. Denn Vertrauensschutz kann allenfalls dadurch begründet werden, eine bisher unbeanstandete Leistung weiterhin abrechnen zu dürfen. Einen Vertrauensschutz auf Umsetzung bzw. Zuerkennung weiterer nachträglich geltend gemachter GOP´s (Berücksichtigung postoperativer Überwachungskomplexe) gibt es nicht. Hierfür fehlt ein vertrauensschutzbegründender Sachverhalt.

Etwas Anderes ergibt sich ebenfalls nicht aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auf den sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers wiederholt stützt. Es handelt sich hierbei um einen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der auch ohne ausdrückliche Regelung gilt. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn besagt, dass alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt geeignet, erforderlich und verhältnismäßig (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) sein müssen (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Auflage 2014). Grundsätzlich steht einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entgegen. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall, wenn die Kürzung selbst unverhältnismäßig, insbesondere mit dem nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) geschützten Recht der Vertragsärzte auf angemessene Honorierung ihrer vertragsärztlichen Leistungen unvereinbar wäre. Das Bayerische Landessozialgericht hat sich mehrfach mit der Frage der Unverhältnismäßigkeit befasst und eine solche erst bei einer Kürzung des Gesamthonorars von 50 % angenommen (vgl. BayLSG, Urteil vom 25.09.2013, Az. L 12 KA 65/11). In Anwendung dieser Rechtsprechung, der sich die 38. Kammer des Sozialgerichts München anschließt, reicht eine lediglich zehnprozentige Kürzung des Gesamthonorars, wie sie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemacht wird, bei weitem nicht aus. Hinzu kommt, dass der Kläger als MKG-Chirurg tätig ist, über eine Doppelzulassung verfügt und seine Leistungen überwiegend über die KzVB und zu einem wesentlich geringeren Teil über die KVB abrechnet. Bei dieser Sachlage sind als Einkünfte neben den Einkünften durch die KVB auch die aus der Abrechnung durch die KzVB zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass die Kürzungshöhe, gemessen an den Gesamteinkünften aus vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Tätigkeit noch weit unter 10 % beträgt. Somit kann von einer Unverhältnismäßigkeit nicht die Rede sein.

Erst recht ergibt sich für den Kläger aus dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kein Anspruch auf Umsetzung der Leistungen der GOP 31108 auf andere GOP´s.

Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO
Rechtskraft
Aus
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