Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 5 VE 7/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 15/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Am 11. November 2008 beantragte der am ... 1970 geborene Kläger über die zuständige IKK Sachsen bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Die Krankenkasse teilte mit, es könnte möglicherweise ein entschädigungspflichtiger Tatbestand im Sinne des OEG vorlegen. Sie habe aus Anlass der Schädigungsfolgen Leistungen erbracht, deren Erstattung sie hiermit anmelde. Nach den Ermittlungen des Beklagten wurde der Kläger am 4. Februar 2008 auf dem Marktplatz in K. durch einen gezielten Schlag verletzt, bei dem er zu Boden ging und mit dem Kopf auf die Pflastersteine aufschlug und bewusstlos wurde. Im Vorfeld der Tat sei er angepöbelt worden. Als er deshalb auf die entsprechende Person zugegangen sei, um die Sache zu klären, habe er völlig unvermittelt und überraschend einen schweren gezielten Schlag erhalten. Verletzungsfolge war eine dreifache Unterkieferfraktur, die in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in D. stationär vom 4. bis 7. Februar 2008 behandelt wurde. Der Beklagte zog zur Aufklärung des Sachverhaltes medizinische Unterlagen und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dessau (Az. 593 Js 8105/08) bei. Nach der von Amts wegen erstatteten Strafanzeige vom 4. Februar 2008 war es an diesem Tag um 16:15 Uhr auf dem Marktplatz in K. zwischen dem Kläger und Herrn A. T. zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit der anschließenden Körperverletzung des Klägers gekommen. Zum Sachverhalt wurden ausweislich der Akten zunächst drei Personen als Zeugen vernommen: K. F., K. T. und S. T. Nach den Feststellungen der Polizei seien beim Eintreffen der Einsatzkräfte der Kläger und Herr T. voneinander getrennt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der Kläger stark aus dem Mund geblutet habe. Bei Herrn T. seien Verletzungen an der rechten Hand festgestellt worden, die vermutlich auf eine Schlaghandlung zurückzuführen seien. Die weiteren vor Ort befindlichen Personen, die allesamt stark alkoholisiert gewesen seien, hätten angegeben, es sei zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden Beteiligten gekommen. Daraufhin habe der Kläger den Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Infolgedessen habe Herr T. dem Kläger einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, der die Verletzung des Klägers in der Mundgegend verursacht haben könnte. Während der polizeilichen Maßnahmen sei der ebenfalls alkoholisierte Kläger zusammengebrochen. Er sei bei Bewusstsein, aber nicht mehr ansprechbar gewesen. Blutproben haben beim Kläger einen Wert von 1,77 Promille um 17:35 Uhr und bei Herrn T. von 2,50 Promille um 17:00 Uhr ergeben. Nach den Angaben der von der Polizei vernommenen Zeugen habe zunächst der Kläger Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Anschließend sei er zu Boden gegangen, wobei die Zeugen zu einem gegen den Kläger geführten Schlag oder mehrere Schläge keine genauen Angaben machten. Ein Täter-Opfer-Ausgleich zwischen Herrn T. und dem Kläger sei gescheitert, nachdem der Kläger Herrn T. anhand eines Lichtbildes in der Akte nicht als Beschuldigten habe identifizieren können. Zum Hergang habe der Kläger angegeben, mit Herrn T. in einen Disput (verbaler Schlagabtausch inklusive leichter Handgreiflichkeiten gegenseitig) verwickelt worden zu sein, wobei der Schlag, der den dreifachen Kieferbruch verursacht habe, von der Seite, aus Richtung einer Gruppe von Personen, die in der Nähe gestanden haben, gekommen sei. Herr T. habe zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor ihm gestanden und habe diesen Schlag somit nicht versetzen können. Soweit der Kläger den Schlagenden habe erkennen können, habe es sich bei der seitlich von ihm stehenden Person um einen jüngeren Menschen gehandelt.
Mit Beschluss vom 7. August 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten T. ein, weil trotz umfangreicher Ermittlungen die Person, die den Kläger massiv geschlagen haben solle, nicht ermittelt worden sei. Der Kläger habe selbst bekundet, den Beschuldigten nicht als den Täter erkannt zu haben, er habe ihn auch in einer Wahllichtbildvorlage nicht wiedererkannt. Auf die Beschwerde des dabei anwaltlich vertretenen Klägers nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf und vernahm am 9. Februar 2009 den Bruder des Klägers, R. H. Dieser gab an, mit dem Kläger am fraglichen Tag beim Rosenmontagsumzug gewesen zu sein. Auf dem Markt hätten sie dann natürlich auch Alkohol zu sich genommen. Er habe sich dann mit einem Bekannten unterhalten und sei bei der Unterhaltung etwa 10 m von seinem Bruder entfernt gewesen. Als er dann wieder zu seinem Bruder geschaut habe, habe dieser schon auf dem Boden gelegen und es sei auch schon der Krankentransport vor Ort gewesen. Er sei dann gleich hingegangen, um nachzuschauen, was passiert war und habe gesehen, dass das ganze Gesicht seines Bruders mit Blut verschmiert gewesen sei. Er habe nicht gesehen, ob sein Bruder von einer oder mehreren Personen geschlagen worden sei, da ja der ganze Markt voller Menschen gewesen sei und er auch bei seinem Bekannten gestanden habe. Er habe sich nicht die ganze Zeit in Sichtweite zu seinem Bruder befunden. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Kläger hat am 17. Februar 2009 angegeben, sich zum Sachverhalt der Strafanzeige nicht äußern zu wollen, da er seinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt habe. Im Anschluss daran stellte die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Ermittlungsverfahren mit Beschluss vom 24. März 2009 erneut ein, da auch der Zeuge R. H. weder Angaben zum Tathergang noch zu dem möglichen Täter gemacht habe. Eine durchgeführte Wahllichtbildvorlage habe zu keinem Ergebnis geführt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Februar 2011 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ab. Am 10. Oktober 2011 beantragte der Kläger unter anwaltlicher Vertretung erneut Leistungen nach dem OEG unter Hinweis auf den tätlichen Angriff vom 4. Februar 2008. Ihm seien medizinische Behandlungskosten in Höhe von 8.637,90 EUR entstanden, deren Erstattung er begehre.
Nach Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Unterlagen lehnte der Beklagte auch den weiteren Antrag mit Bescheid vom 14. März 2012 ab. Zur Begründung gab er an, nach § 1 Abs. 1 OEG habe eine Person dann Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, wenn sie infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe und keine Leistungsversagungsgründe nach § 2 OEG vorliegen. Die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen, d.h. Vorsatz und Rechtswidrigkeit sowie die Merkmale des tätlichen Angriffs und die gesundheitliche Schädigung müssten nachgewiesen sein. Nachweis bedeute, dass für den Ablauf des tatsächlichen Geschehens eine solche Wahrscheinlichkeit bestehe, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht nur von der bloßen Wahrscheinlichkeit gestützt werden könne und dass wenigstens die äußeren Tatumstände überzeugende Hinweise auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand liefern. Anhand der Akten sei festzustellen, dass das Geschehen, das zur Verletzung des Klägers während des Rosenmontagsumzuges geführt habe, widersprüchlich und letztlich nicht aufzuklären sei. Zunächst sei im Zusammenhang mit der Aufnahme der Strafanzeige angegeben worden, der Kläger und Herr T. hätten körperlich voneinander getrennt werden müssen. Dabei seien von den Einsatzkräften sowohl Verletzungen des Klägers (starkes Bluten aus dem Mund) als auch Verletzungen des Herrn T. an der rechten Hand festgestellt worden. Beide Beteiligten seien alkoholisiert gewesen, auch den weiteren sich am Ort befindlichen Personen sei eine starke Alkoholisierung bescheinigt worden. Die weiteren Personen hätten angegeben, es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn T. gekommen, woraufhin der Kläger Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen haben soll. Infolgedessen habe Herr T. den Kläger mit der Faust ins Gesicht geschlagen, was möglicherweise die Ursache für die Verletzung des Klägers gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei im Zuge der weiteren Ermittlungen nicht bestätigt worden, weil der Kläger in Bezug auf Herrn T. lediglich einen geringfügigen beidseitigen Disput eingeräumt habe in Form eines verbalen Schlagabtausches mit gegenseitigen leichten Handgreiflichkeiten. Der Schlag, der zum Kieferbruch geführt haben soll, sei ihm von einer anderen Person von der Seite zugefügt worden. Nicht geklärt worden sei, wie sich dieses Geschehen zugetragen habe. Hierzu fehlten nähere Ausführungen des Klägers oder von den Zeugen. Auch der Bruder des Klägers habe die näheren Umstände, die zu der Verletzung geführt haben, nicht gesehen und somit nicht schildern können. Die im Polizeirevier K. vorgetragene Version des Klägers, er sei beim Vorbeigehen an einer Gruppe junger Männer von einem dieser Männer angepöbelt worden, sei dann auf den jungen Mann zugegangen und habe ihn mit den Worten "mach mal halblang" an den Kragen gefasst, woraufhin er unvermittelt einen schweren gezielten Schlag erhalten habe, sei im Zuge des Ermittlungsverfahrens ebenfalls nicht aufgeklärt und somit auch nicht bestätigt worden. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 OEG bestehe demzufolge eine objektive Beweislosigkeit. Es handele sich um gegenseitige nicht aufzuklärende Auseinandersetzungen unter Alkoholeinfluss. Nach dem im sozialen Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast habe derjenige die Folgen einer Beweislosigkeit zutragen, der aus nicht bewiesenen bzw. nicht beweisbaren Tatsachen Rechte herleiten wolle. Zwar seien auch die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins im sozialen Entschädigungsrecht anwendbar, hier handele es sich aber um eine Tatsachenvermutung. Das Fehlen entsprechender Nachweise gehe zu Lasten des Klägers.
Hiergegen machte der Kläger mit seinem am 20. April 2012 erhobenen Widerspruch geltend, er sei unzweifelhaft infolge eines starken Schlages erheblich verletzt worden. Nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B. sei es ungewöhnlich, dass ein Faustschlag so starke Verletzungen verursache. Daher liege es nahe, dass der Täter den Schlag mit einem Ring, einer Flasche oder einem ähnlichen Werkzeug ausgeführt habe. Insbesondere könnten die massiven Verletzungen nicht aus einem fahrlässigen Angriff herrühren. Gerade die gravierenden Verletzungsfolgen unter Zuhilfenahme eines gefährlichen Werkzeuges sprächen für den erforderlichen Vorsatz. Der Tatnachweis für den erforderlichen subjektiven Tatbestand sei daher geführt. Dass der Täter letztlich nicht zu ermitteln sei, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Dies verlange auch § 1 Abs. 1 OEG nicht. Es sei nicht Aufgabe des Opfers, Zeugen beizubringen oder diese selbst zu ermitteln. Er könne sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Polizei in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Nachdrücklichkeit ermittelt hat. Der Angriff sei auch rechtswidrig gewesen, da dem unbekannten Täter für seine Gewalttat kein Rechtfertigungsgrund zur Seite gestanden habe. Aus der Akte sei nicht ersichtlich, dass er den unbekannten Täter angegriffen habe. Vielmehr habe dieser Täter ihn ohne Rechtfertigungsgrund geschlagen. Da Herr T. nicht der Täter sei, spiele es auch keine Rolle, ob er diesen mit Bier übergossen habe, wie dies von einigen Zeugen aus dessen Lager behauptet worden sei. Das Geschehen, das die Verletzungen herbeigeführt habe, sei ein Faustschlag gewesen, den ein unbekannter Täter ohne Rechtfertigungsgrund vorsätzlich und durch physische und aggressive Gewalt ihm zugefügt habe. Insbesondere habe er den unbekannt gebliebenen Täter nicht provoziert. Es gebe keine Zeugenaussage, die derartiges behauptet. Die Verletzung basiere auch nicht auf einer "gegenseitigen nicht aufzuklärenden Auseinandersetzung unter Alkoholeinfluss". Dass er am Rosenmontag Alkohol getrunken habe, sei nicht verboten und vollkommen unerheblich für den streitgegenständlichen Vorfall. Von einer Gegenseitigkeit tätlicher Auseinandersetzungen könne, anders als der Beklagte das annehme, nicht ausgegangen werden. Letztlich berufe er sich auf den Beweis des ersten Anscheins, der nicht entkräftet worden sei, da es in diesem Fall keine ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs gebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nach wie vor nicht erwiesen sei. Keiner der Zeugen habe beobachtet, wie es beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 zu den Kieferverletzungen des Klägers gekommen sei. Gegen die Benutzung eines gefährlichen Werkzeuges bei dem Schlag in das Gesicht des Klägers spreche, dass er dies bislang nicht geltend gemacht und auch keiner der Zeugen eine entsprechende Beobachtung angegeben habe. Allein die erlittenen Kieferverletzungen seien nicht geeignet, daraus auf einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zu schließen. Als Ursache sei auch ein Sturz im alkoholisierten Zustand, zum Beispiel auf eine Bordsteinkante oder einen Gegenstand, ohne Fremdeinwirkungen denkbar.
Mit der am 21. Dezember 2012 vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und erneut vorgetragen, er sei am 4. Februar 2008 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person geworden, in dessen Folge er eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe, für die er von der Beklagten Entschädigung nach dem OEG begehre. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG lägen vor, da er am besagten Tag von einem letztlich nicht zu ermittelnden Täter wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, einen massiven Faustschlag ins Gesicht erhalten habe, der zu gravierenden Schädigungsfolgen geführt habe. Der Schlag habe zu einer Gehirnerschütterung und zu einem dreifachen Bruch des Unterkiefers geführt. Aufgrund der schwerwiegenden Verletzungsfolgen sei er mehrfach operiert worden. Ihm seien Stahlplatten in den Unterkiefer eingesetzt und nach ca. sechs Monaten wieder entfernt worden. Nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B. seien die schweren Verletzungen wahrscheinlich nicht durch einen Faustschlag, sondern durch einen Schlag mit einem Ring, einer Flasche oder einem ähnlichen Werkzeug verursacht worden. Das Vorbringen des Beklagten, wonach die Verletzungen auch die Folge eines Sturzes im alkoholisierten Zustand sein könnten, sei haarsträubend und falsch. Dies ergebe sich schon daraus, dass es in der Nähe des Tatortes keine Bordsteinkante gebe, auf die er hätte gefallen sein können. Es sei auch nicht seine Aufgabe, den Sachverhalt strafrechtlich aufzuklären oder Zeugen beizubringen. Er habe das seinerseits Erforderliche getan und Strafanzeige gestellt. Das maßgebliche Geschehen sei ein Faustschlag gewesen, den ein unbekannter Täter ohne Rechtfertigungsgrund vorsätzlich und durch physische und aggressive Gewalt ihm zugefügt habe. Er sei am Tattag gegen 16:15 Uhr beim Überqueren des Marktplatzes in K. in Begleitung seines Bruders R. H. von einem Mann aus einer Gruppe heraus angepöbelt worden, bei dem es sich, wie sich später herausgestellt habe, um Herrn T. gehandelt habe. Daraufhin sei er auf diesen zugegangen, habe diesen ganz leicht an den Kragen der Jacke gefasst und sich mit den Worten "mach mal halblang" an ihn gewendet. Um Herrn T. auf Distanz zu halten, habe er den linken Arm dabei etwas ausgestreckt. Daraufhin habe ihn völlig unvermittelt und überraschend ein schwerer gezielter Schlag getroffen, woraufhin er zu Boden gegangen und bewusstlos geworden sei. Angesichts dieses Sachverhaltes müsse entschieden bestritten werden, dass das Geschehen nicht aufgeklärt sei. Richtig sei lediglich, dass der Täter nicht ermittelt worden sei. Seine Verletzungen basierten nicht auf einer gegenseitigen nicht aufzuklärenden Auseinandersetzung unter Alkoholeinfluss und es könne auch nicht zweifelhaft sein, dass er das Opfer eines tätlichen Angriffs durch einen unbekannt gebliebenen Täter geworden sei. Der Täter sei äußerst aggressiv vorgegangen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er die schweren Verletzungen beabsichtigt und dann schnell das Weite gesucht habe. Nach allem sei von einem vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff auszugehen. Dies sei auch durch einen Bericht in der Mitteldeutschen Zeitung vom 5. Februar 2008 belegt, wonach es beim Rosenmontagsumzug einen Fall von Körperverletzung gegeben habe, als zwei junge Männer aneinander geraten seien. Einer sei bei der tätlichen Auseinandersetzung verletzt worden und habe in das Krankenhaus gebracht werden müssen. Daraus sei ersichtlich, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei jungen Männern gehandelt habe. Deshalb sei es unverständlich, weshalb die Polizei in Richtung eines älteren Täters, Herrn T., ermittelt habe. Derartige Ermittlungsfehler dürften nicht zu Lasten des Opfers einer Straftat gehen.
Demgegenüber hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten, nach der ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nicht nachgewiesen sei. Ein Faustschlag oder auch ein Schlag mit einem Ring bzw. einer Flasche durch eine unbekannte Person sei lediglich eine Möglichkeit, wie es zu der Gesichtsverletzung des Klägers beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 in K. gekommen sein könnte. Insoweit träfen die Ausführungen des Klägers zu, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass er Opfer einer Gewalttat geworden sei. Es kämen aber durchaus auch weitere Möglichkeiten in Betracht, wie er sich die Gesichtsverletzungen zugezogen haben könnte, zum Beispiel durch einen Sturz auf das Straßenpflaster oder einen harten Gegenstand im alkoholisierten Zustand. Da hier mehrere Möglichkeiten in Betracht kämen, könne von einer Beweiserleichterung im Sinne des Anscheinsbeweises kein Gebrauch gemacht werden. Keiner der Zeugen habe einen Schlag gegen den Kopf des Klägers beobachten können, der eine derartige Gesichtsverletzung hätte hervorrufen können, und auch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden hätten diesbezüglich zu keinem Ergebnis geführt. Letztendlich bleibe der Geschehensverlauf weiterhin ungeklärt, was entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu dessen Lasten gehe. Der Gesetzgeber verlange für einen Versorgungsanspruch nach dem OEG grundsätzlich den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen. Insoweit könne auch nicht aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen auf eine vorangegangene Gewalttat geschlossen werden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. September 2013 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs nicht erbracht sei. Keiner der Zeugen habe beobachtet bzw. gesehen, wie es beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 zu den Kieferverletzungen des Klägers gekommen sei. Der Kläger selbst habe keine sachdienlichen Aussagen zum Täter machen können. Er sei in alkoholisierten Zustand bewusstlos geworden. Der Geschehensablauf bleibe weiterhin ungeklärt. Allein die Tatsache, dass der Kläger eine Unterkieferfraktur erlitten habe, führe noch nicht zu dem Schluss, dass ein Tatbestand nach dem OEG gegeben sei.
Das ihm am 9. Oktober 2013 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner am 7. November 2013 erhobenen Berufung an. Er macht geltend, den Nachweis eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs erbracht zu haben. Das SG habe seine umfangreichen Erläuterungen, die er in der mündlichen Verhandlung gemacht habe, im Urteil nicht einmal ansatzweise gewürdigt. Insoweit sei sein rechtliches Gehör verletzt worden. Es stehe fest, dass ein Faustschlag bzw. ein Schlag mit einem gefährlichen Werkzeug nicht lediglich eine, sondern die Möglichkeit des Geschehensablaufs sei. Er habe Beweis dafür angeboten, dass die massiven Verletzungen (dreifacher Unterkieferbruch, ausgerenkter Kiefer, massive Blutungen) nicht von einem Sturz auf völlig ebenerdiges Straßenpflaster herrühren könnten. Hierzu sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden, was das SG unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes unterlassen habe. Die massiven Verletzungen könnten schlichtweg nicht aus einem fahrlässigen Angriff herrühren. Gerade die gravierenden Verletzungsfolgen unter Zuhilfenahme eines gefährlichen Werkzeuges sprächen für den erforderlichen Vorsatz. Hierzu sei die Anhörung des behandelnden Arztes, Dr. T. B., beantragt worden, die das Gericht ohne Begründung unterlassen habe. Er könne letztlich auch den Beweis des ersten Anscheins für sich fruchtbar machen, denn eine ernsthafte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs sei nicht ersichtlich. Der Beklagte habe lediglich versucht, weit hergeholt spekulative Verfahrensabläufe zu schildern, zum Beispiel einen Sturz. Diese Spekulationen reichten nicht, um einen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Er habe glaubhaft ausgesagt, nicht gestürzt zu sein. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn es keine Zeugen für die Tat gebe oder die Strafverfolgungsbehörden unzureichend ermittelt hätten. Er habe mit der Erstattung einer Strafanzeige seinerseits alles Erforderliche getan. Unzutreffend sei auch, er selbst habe keine sachdienlichen Aussagen gemacht. Das SG habe die über seinen Rechtsanwalt gemachte Aussage völlig übergangen. Es hätte ihm auch nicht zum Nachteil gereichen dürfen, dass er am Rosenmontag etwas alkoholisiert gewesen sei. Eine (leichte) Alkoholisierung sei kein Ausschlussgrund im Sinne des OEG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. September 2013 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Februar 2011 und 14. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs vom 4. Februar 2008 eine Beschädigtenrente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG nach einem Grad der Schädigung von mindestens 25 ab 4. Februar 2008 zu zahlen sowie Heilbehandlung zu erbringen und die ihm entstandenen Heilbehandlungskosten in Höhe von 8.637,90 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil und seine Bescheide für zutreffend und ist weiterhin der Ansicht, dass es für die Tatsache, wonach der Kläger am 4. Februar 2008 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, am erforderlichen Nachweis fehle. Der behauptete Geschehensablauf bleibe ungeklärt.
Der Berichterstatter hat die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 26. Mai 2014 davon unterrichtet, dass keine weiteren Ermittlungen mehr vorgesehen seien, da die Akten vollständig vorliegen und aus der Berufungsbegründung keine konkreten Anregungen hervorgingen, in welche Richtung der Senat von Amts wegen weitere Sachaufklärung betreiben sollte. Sofern seinerzeit (2008) die Strafverfolgungsbehörden, wie es die Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend machen, unzureichend ermitteln haben sollten, dürften etwaige Defizite 2014 kaum zu beheben sein. Die Wahrheit werde in den Akten zu suchen sein, so, wie sie vorliegen und so, wie sie den Prozessbevollmächtigten auch bekannt seien.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 10. Februar 2011 und 14. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. dem BVG wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs mittels Faustschlags oder Schlags mit einem gefährlichen Werkzeug am 4. Februar 2008.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält eine natürliche Person, die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Als tätlicher Angriff ist grundsätzlich eine in feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt. Der tätliche Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zeichnet sich durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennt das soziale Entschädigungsrecht drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung (also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff) in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Eine Sache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, das alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG bzw. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände viel für diese Möglichkeit spricht.
Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteile vom 24. November 2010, B 11 AL 35/09 R und vom 17. April 2013, B 9 V 1/12 R; Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, juris).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs am 4. Februar 2008. Nach der Auffassung des Senats ist ein tätlicher Angriff auf den Kläger nicht bewiesen.
Grundsätzlich müssen, wie oben dargestellt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Der angeschuldigte Angriff ist aber nicht bewiesen. Keiner der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen hat bekundet, dass der Kläger einen Faustschlag oder einen Schlag mit einem Gegenstand erhalten hat. Auch der Kläger hat dies weder unmittelbar am Tattag noch später zweifelsfrei angegeben. Seine spätere Darstellung, er habe unvermittelt von der Seite einen schweren Schlag erhalten, der vermutlich von einer jüngeren Person geführt worden sei, ist von keiner anderen Person auch nur annähernd bestätigt worden. Lediglich der Beschuldigte T. hat bei seiner Vernehmung eingeräumt, den Kläger möglicherweise geschlagen zu haben, was dann aber nicht in böswilliger Absicht geschehen sei. Aber auch dieser Geschehensablauf, den der Beschuldigte nicht bestätigt, sondern nur für möglich erklärt hat, ist von keinem der Zeugen bestätigt worden. In Auswertung der vorhandenen Unterlagen erscheint es als möglich, dass ein gegen den Kläger geführter Schlag von einer fremden Person die dreifache Fraktur des Unterkiefers verursacht hat. Allerdings ist auch die vom Beklagten angedeutete Möglichkeit, die Verletzungen im Gesicht des Klägers könnten von einem Sturz herrühren, nicht frei von einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Bei dieser Sachlage kann von einem Nachweis im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht die Rede sein. Auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises kann sich der Kläger dabei nicht berufen, denn diese greifen hier nicht ein. Der Anscheinsbeweis ermöglicht bei so genannten typischen Geschehensabläufen, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen; er beruht auf Erfahrungswissen, muss also einen Hergang zu Grunde legen, der erfahrungsgemäß in bestimmtem Sinne abläuft. Sind aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist diese Beweisregel ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für den beweisbelasteten Beteiligten günstiger wäre, wahrscheinlicher sein als eine andere (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VG 3/02 R, juris).
Eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers greift ebenfalls nicht ein. Die Voraussetzungen des § 15 KOVVfG liegen hier nicht vor. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Diese besondere Beweiserleichterung kommt hier aber nicht in Betracht. § 15 KOVVfG sollte ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten. Die Beweiserleichterung ist jedoch auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, 9 RVg 3/89, juris). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als Zeugen anzusehen. Entsprechendes gilt für eine als Täter in Betracht kommende Person, die eine schädigende Handlung bestreitet (BSG, Urteil vom 17. April 2013, B 9 V 1/12 R, juris). Hier liegen umfangreiche Zeugenaussagen vor, sodass eine im Sinne der Grundsätze des § 15 KOVVG bestehende Beweisnot nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Am 11. November 2008 beantragte der am ... 1970 geborene Kläger über die zuständige IKK Sachsen bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Die Krankenkasse teilte mit, es könnte möglicherweise ein entschädigungspflichtiger Tatbestand im Sinne des OEG vorlegen. Sie habe aus Anlass der Schädigungsfolgen Leistungen erbracht, deren Erstattung sie hiermit anmelde. Nach den Ermittlungen des Beklagten wurde der Kläger am 4. Februar 2008 auf dem Marktplatz in K. durch einen gezielten Schlag verletzt, bei dem er zu Boden ging und mit dem Kopf auf die Pflastersteine aufschlug und bewusstlos wurde. Im Vorfeld der Tat sei er angepöbelt worden. Als er deshalb auf die entsprechende Person zugegangen sei, um die Sache zu klären, habe er völlig unvermittelt und überraschend einen schweren gezielten Schlag erhalten. Verletzungsfolge war eine dreifache Unterkieferfraktur, die in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in D. stationär vom 4. bis 7. Februar 2008 behandelt wurde. Der Beklagte zog zur Aufklärung des Sachverhaltes medizinische Unterlagen und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dessau (Az. 593 Js 8105/08) bei. Nach der von Amts wegen erstatteten Strafanzeige vom 4. Februar 2008 war es an diesem Tag um 16:15 Uhr auf dem Marktplatz in K. zwischen dem Kläger und Herrn A. T. zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit der anschließenden Körperverletzung des Klägers gekommen. Zum Sachverhalt wurden ausweislich der Akten zunächst drei Personen als Zeugen vernommen: K. F., K. T. und S. T. Nach den Feststellungen der Polizei seien beim Eintreffen der Einsatzkräfte der Kläger und Herr T. voneinander getrennt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der Kläger stark aus dem Mund geblutet habe. Bei Herrn T. seien Verletzungen an der rechten Hand festgestellt worden, die vermutlich auf eine Schlaghandlung zurückzuführen seien. Die weiteren vor Ort befindlichen Personen, die allesamt stark alkoholisiert gewesen seien, hätten angegeben, es sei zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden Beteiligten gekommen. Daraufhin habe der Kläger den Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Infolgedessen habe Herr T. dem Kläger einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, der die Verletzung des Klägers in der Mundgegend verursacht haben könnte. Während der polizeilichen Maßnahmen sei der ebenfalls alkoholisierte Kläger zusammengebrochen. Er sei bei Bewusstsein, aber nicht mehr ansprechbar gewesen. Blutproben haben beim Kläger einen Wert von 1,77 Promille um 17:35 Uhr und bei Herrn T. von 2,50 Promille um 17:00 Uhr ergeben. Nach den Angaben der von der Polizei vernommenen Zeugen habe zunächst der Kläger Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Anschließend sei er zu Boden gegangen, wobei die Zeugen zu einem gegen den Kläger geführten Schlag oder mehrere Schläge keine genauen Angaben machten. Ein Täter-Opfer-Ausgleich zwischen Herrn T. und dem Kläger sei gescheitert, nachdem der Kläger Herrn T. anhand eines Lichtbildes in der Akte nicht als Beschuldigten habe identifizieren können. Zum Hergang habe der Kläger angegeben, mit Herrn T. in einen Disput (verbaler Schlagabtausch inklusive leichter Handgreiflichkeiten gegenseitig) verwickelt worden zu sein, wobei der Schlag, der den dreifachen Kieferbruch verursacht habe, von der Seite, aus Richtung einer Gruppe von Personen, die in der Nähe gestanden haben, gekommen sei. Herr T. habe zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor ihm gestanden und habe diesen Schlag somit nicht versetzen können. Soweit der Kläger den Schlagenden habe erkennen können, habe es sich bei der seitlich von ihm stehenden Person um einen jüngeren Menschen gehandelt.
Mit Beschluss vom 7. August 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten T. ein, weil trotz umfangreicher Ermittlungen die Person, die den Kläger massiv geschlagen haben solle, nicht ermittelt worden sei. Der Kläger habe selbst bekundet, den Beschuldigten nicht als den Täter erkannt zu haben, er habe ihn auch in einer Wahllichtbildvorlage nicht wiedererkannt. Auf die Beschwerde des dabei anwaltlich vertretenen Klägers nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf und vernahm am 9. Februar 2009 den Bruder des Klägers, R. H. Dieser gab an, mit dem Kläger am fraglichen Tag beim Rosenmontagsumzug gewesen zu sein. Auf dem Markt hätten sie dann natürlich auch Alkohol zu sich genommen. Er habe sich dann mit einem Bekannten unterhalten und sei bei der Unterhaltung etwa 10 m von seinem Bruder entfernt gewesen. Als er dann wieder zu seinem Bruder geschaut habe, habe dieser schon auf dem Boden gelegen und es sei auch schon der Krankentransport vor Ort gewesen. Er sei dann gleich hingegangen, um nachzuschauen, was passiert war und habe gesehen, dass das ganze Gesicht seines Bruders mit Blut verschmiert gewesen sei. Er habe nicht gesehen, ob sein Bruder von einer oder mehreren Personen geschlagen worden sei, da ja der ganze Markt voller Menschen gewesen sei und er auch bei seinem Bekannten gestanden habe. Er habe sich nicht die ganze Zeit in Sichtweite zu seinem Bruder befunden. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Kläger hat am 17. Februar 2009 angegeben, sich zum Sachverhalt der Strafanzeige nicht äußern zu wollen, da er seinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt habe. Im Anschluss daran stellte die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Ermittlungsverfahren mit Beschluss vom 24. März 2009 erneut ein, da auch der Zeuge R. H. weder Angaben zum Tathergang noch zu dem möglichen Täter gemacht habe. Eine durchgeführte Wahllichtbildvorlage habe zu keinem Ergebnis geführt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Februar 2011 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ab. Am 10. Oktober 2011 beantragte der Kläger unter anwaltlicher Vertretung erneut Leistungen nach dem OEG unter Hinweis auf den tätlichen Angriff vom 4. Februar 2008. Ihm seien medizinische Behandlungskosten in Höhe von 8.637,90 EUR entstanden, deren Erstattung er begehre.
Nach Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Unterlagen lehnte der Beklagte auch den weiteren Antrag mit Bescheid vom 14. März 2012 ab. Zur Begründung gab er an, nach § 1 Abs. 1 OEG habe eine Person dann Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, wenn sie infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe und keine Leistungsversagungsgründe nach § 2 OEG vorliegen. Die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen, d.h. Vorsatz und Rechtswidrigkeit sowie die Merkmale des tätlichen Angriffs und die gesundheitliche Schädigung müssten nachgewiesen sein. Nachweis bedeute, dass für den Ablauf des tatsächlichen Geschehens eine solche Wahrscheinlichkeit bestehe, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht nur von der bloßen Wahrscheinlichkeit gestützt werden könne und dass wenigstens die äußeren Tatumstände überzeugende Hinweise auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand liefern. Anhand der Akten sei festzustellen, dass das Geschehen, das zur Verletzung des Klägers während des Rosenmontagsumzuges geführt habe, widersprüchlich und letztlich nicht aufzuklären sei. Zunächst sei im Zusammenhang mit der Aufnahme der Strafanzeige angegeben worden, der Kläger und Herr T. hätten körperlich voneinander getrennt werden müssen. Dabei seien von den Einsatzkräften sowohl Verletzungen des Klägers (starkes Bluten aus dem Mund) als auch Verletzungen des Herrn T. an der rechten Hand festgestellt worden. Beide Beteiligten seien alkoholisiert gewesen, auch den weiteren sich am Ort befindlichen Personen sei eine starke Alkoholisierung bescheinigt worden. Die weiteren Personen hätten angegeben, es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn T. gekommen, woraufhin der Kläger Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen haben soll. Infolgedessen habe Herr T. den Kläger mit der Faust ins Gesicht geschlagen, was möglicherweise die Ursache für die Verletzung des Klägers gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei im Zuge der weiteren Ermittlungen nicht bestätigt worden, weil der Kläger in Bezug auf Herrn T. lediglich einen geringfügigen beidseitigen Disput eingeräumt habe in Form eines verbalen Schlagabtausches mit gegenseitigen leichten Handgreiflichkeiten. Der Schlag, der zum Kieferbruch geführt haben soll, sei ihm von einer anderen Person von der Seite zugefügt worden. Nicht geklärt worden sei, wie sich dieses Geschehen zugetragen habe. Hierzu fehlten nähere Ausführungen des Klägers oder von den Zeugen. Auch der Bruder des Klägers habe die näheren Umstände, die zu der Verletzung geführt haben, nicht gesehen und somit nicht schildern können. Die im Polizeirevier K. vorgetragene Version des Klägers, er sei beim Vorbeigehen an einer Gruppe junger Männer von einem dieser Männer angepöbelt worden, sei dann auf den jungen Mann zugegangen und habe ihn mit den Worten "mach mal halblang" an den Kragen gefasst, woraufhin er unvermittelt einen schweren gezielten Schlag erhalten habe, sei im Zuge des Ermittlungsverfahrens ebenfalls nicht aufgeklärt und somit auch nicht bestätigt worden. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 OEG bestehe demzufolge eine objektive Beweislosigkeit. Es handele sich um gegenseitige nicht aufzuklärende Auseinandersetzungen unter Alkoholeinfluss. Nach dem im sozialen Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast habe derjenige die Folgen einer Beweislosigkeit zutragen, der aus nicht bewiesenen bzw. nicht beweisbaren Tatsachen Rechte herleiten wolle. Zwar seien auch die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins im sozialen Entschädigungsrecht anwendbar, hier handele es sich aber um eine Tatsachenvermutung. Das Fehlen entsprechender Nachweise gehe zu Lasten des Klägers.
Hiergegen machte der Kläger mit seinem am 20. April 2012 erhobenen Widerspruch geltend, er sei unzweifelhaft infolge eines starken Schlages erheblich verletzt worden. Nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B. sei es ungewöhnlich, dass ein Faustschlag so starke Verletzungen verursache. Daher liege es nahe, dass der Täter den Schlag mit einem Ring, einer Flasche oder einem ähnlichen Werkzeug ausgeführt habe. Insbesondere könnten die massiven Verletzungen nicht aus einem fahrlässigen Angriff herrühren. Gerade die gravierenden Verletzungsfolgen unter Zuhilfenahme eines gefährlichen Werkzeuges sprächen für den erforderlichen Vorsatz. Der Tatnachweis für den erforderlichen subjektiven Tatbestand sei daher geführt. Dass der Täter letztlich nicht zu ermitteln sei, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Dies verlange auch § 1 Abs. 1 OEG nicht. Es sei nicht Aufgabe des Opfers, Zeugen beizubringen oder diese selbst zu ermitteln. Er könne sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Polizei in seinem Fall nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Nachdrücklichkeit ermittelt hat. Der Angriff sei auch rechtswidrig gewesen, da dem unbekannten Täter für seine Gewalttat kein Rechtfertigungsgrund zur Seite gestanden habe. Aus der Akte sei nicht ersichtlich, dass er den unbekannten Täter angegriffen habe. Vielmehr habe dieser Täter ihn ohne Rechtfertigungsgrund geschlagen. Da Herr T. nicht der Täter sei, spiele es auch keine Rolle, ob er diesen mit Bier übergossen habe, wie dies von einigen Zeugen aus dessen Lager behauptet worden sei. Das Geschehen, das die Verletzungen herbeigeführt habe, sei ein Faustschlag gewesen, den ein unbekannter Täter ohne Rechtfertigungsgrund vorsätzlich und durch physische und aggressive Gewalt ihm zugefügt habe. Insbesondere habe er den unbekannt gebliebenen Täter nicht provoziert. Es gebe keine Zeugenaussage, die derartiges behauptet. Die Verletzung basiere auch nicht auf einer "gegenseitigen nicht aufzuklärenden Auseinandersetzung unter Alkoholeinfluss". Dass er am Rosenmontag Alkohol getrunken habe, sei nicht verboten und vollkommen unerheblich für den streitgegenständlichen Vorfall. Von einer Gegenseitigkeit tätlicher Auseinandersetzungen könne, anders als der Beklagte das annehme, nicht ausgegangen werden. Letztlich berufe er sich auf den Beweis des ersten Anscheins, der nicht entkräftet worden sei, da es in diesem Fall keine ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs gebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nach wie vor nicht erwiesen sei. Keiner der Zeugen habe beobachtet, wie es beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 zu den Kieferverletzungen des Klägers gekommen sei. Gegen die Benutzung eines gefährlichen Werkzeuges bei dem Schlag in das Gesicht des Klägers spreche, dass er dies bislang nicht geltend gemacht und auch keiner der Zeugen eine entsprechende Beobachtung angegeben habe. Allein die erlittenen Kieferverletzungen seien nicht geeignet, daraus auf einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zu schließen. Als Ursache sei auch ein Sturz im alkoholisierten Zustand, zum Beispiel auf eine Bordsteinkante oder einen Gegenstand, ohne Fremdeinwirkungen denkbar.
Mit der am 21. Dezember 2012 vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und erneut vorgetragen, er sei am 4. Februar 2008 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person geworden, in dessen Folge er eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe, für die er von der Beklagten Entschädigung nach dem OEG begehre. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG lägen vor, da er am besagten Tag von einem letztlich nicht zu ermittelnden Täter wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, einen massiven Faustschlag ins Gesicht erhalten habe, der zu gravierenden Schädigungsfolgen geführt habe. Der Schlag habe zu einer Gehirnerschütterung und zu einem dreifachen Bruch des Unterkiefers geführt. Aufgrund der schwerwiegenden Verletzungsfolgen sei er mehrfach operiert worden. Ihm seien Stahlplatten in den Unterkiefer eingesetzt und nach ca. sechs Monaten wieder entfernt worden. Nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B. seien die schweren Verletzungen wahrscheinlich nicht durch einen Faustschlag, sondern durch einen Schlag mit einem Ring, einer Flasche oder einem ähnlichen Werkzeug verursacht worden. Das Vorbringen des Beklagten, wonach die Verletzungen auch die Folge eines Sturzes im alkoholisierten Zustand sein könnten, sei haarsträubend und falsch. Dies ergebe sich schon daraus, dass es in der Nähe des Tatortes keine Bordsteinkante gebe, auf die er hätte gefallen sein können. Es sei auch nicht seine Aufgabe, den Sachverhalt strafrechtlich aufzuklären oder Zeugen beizubringen. Er habe das seinerseits Erforderliche getan und Strafanzeige gestellt. Das maßgebliche Geschehen sei ein Faustschlag gewesen, den ein unbekannter Täter ohne Rechtfertigungsgrund vorsätzlich und durch physische und aggressive Gewalt ihm zugefügt habe. Er sei am Tattag gegen 16:15 Uhr beim Überqueren des Marktplatzes in K. in Begleitung seines Bruders R. H. von einem Mann aus einer Gruppe heraus angepöbelt worden, bei dem es sich, wie sich später herausgestellt habe, um Herrn T. gehandelt habe. Daraufhin sei er auf diesen zugegangen, habe diesen ganz leicht an den Kragen der Jacke gefasst und sich mit den Worten "mach mal halblang" an ihn gewendet. Um Herrn T. auf Distanz zu halten, habe er den linken Arm dabei etwas ausgestreckt. Daraufhin habe ihn völlig unvermittelt und überraschend ein schwerer gezielter Schlag getroffen, woraufhin er zu Boden gegangen und bewusstlos geworden sei. Angesichts dieses Sachverhaltes müsse entschieden bestritten werden, dass das Geschehen nicht aufgeklärt sei. Richtig sei lediglich, dass der Täter nicht ermittelt worden sei. Seine Verletzungen basierten nicht auf einer gegenseitigen nicht aufzuklärenden Auseinandersetzung unter Alkoholeinfluss und es könne auch nicht zweifelhaft sein, dass er das Opfer eines tätlichen Angriffs durch einen unbekannt gebliebenen Täter geworden sei. Der Täter sei äußerst aggressiv vorgegangen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er die schweren Verletzungen beabsichtigt und dann schnell das Weite gesucht habe. Nach allem sei von einem vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff auszugehen. Dies sei auch durch einen Bericht in der Mitteldeutschen Zeitung vom 5. Februar 2008 belegt, wonach es beim Rosenmontagsumzug einen Fall von Körperverletzung gegeben habe, als zwei junge Männer aneinander geraten seien. Einer sei bei der tätlichen Auseinandersetzung verletzt worden und habe in das Krankenhaus gebracht werden müssen. Daraus sei ersichtlich, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei jungen Männern gehandelt habe. Deshalb sei es unverständlich, weshalb die Polizei in Richtung eines älteren Täters, Herrn T., ermittelt habe. Derartige Ermittlungsfehler dürften nicht zu Lasten des Opfers einer Straftat gehen.
Demgegenüber hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten, nach der ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nicht nachgewiesen sei. Ein Faustschlag oder auch ein Schlag mit einem Ring bzw. einer Flasche durch eine unbekannte Person sei lediglich eine Möglichkeit, wie es zu der Gesichtsverletzung des Klägers beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 in K. gekommen sein könnte. Insoweit träfen die Ausführungen des Klägers zu, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass er Opfer einer Gewalttat geworden sei. Es kämen aber durchaus auch weitere Möglichkeiten in Betracht, wie er sich die Gesichtsverletzungen zugezogen haben könnte, zum Beispiel durch einen Sturz auf das Straßenpflaster oder einen harten Gegenstand im alkoholisierten Zustand. Da hier mehrere Möglichkeiten in Betracht kämen, könne von einer Beweiserleichterung im Sinne des Anscheinsbeweises kein Gebrauch gemacht werden. Keiner der Zeugen habe einen Schlag gegen den Kopf des Klägers beobachten können, der eine derartige Gesichtsverletzung hätte hervorrufen können, und auch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden hätten diesbezüglich zu keinem Ergebnis geführt. Letztendlich bleibe der Geschehensverlauf weiterhin ungeklärt, was entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu dessen Lasten gehe. Der Gesetzgeber verlange für einen Versorgungsanspruch nach dem OEG grundsätzlich den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen. Insoweit könne auch nicht aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen auf eine vorangegangene Gewalttat geschlossen werden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. September 2013 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs nicht erbracht sei. Keiner der Zeugen habe beobachtet bzw. gesehen, wie es beim Rosenmontagsumzug am 4. Februar 2008 zu den Kieferverletzungen des Klägers gekommen sei. Der Kläger selbst habe keine sachdienlichen Aussagen zum Täter machen können. Er sei in alkoholisierten Zustand bewusstlos geworden. Der Geschehensablauf bleibe weiterhin ungeklärt. Allein die Tatsache, dass der Kläger eine Unterkieferfraktur erlitten habe, führe noch nicht zu dem Schluss, dass ein Tatbestand nach dem OEG gegeben sei.
Das ihm am 9. Oktober 2013 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner am 7. November 2013 erhobenen Berufung an. Er macht geltend, den Nachweis eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs erbracht zu haben. Das SG habe seine umfangreichen Erläuterungen, die er in der mündlichen Verhandlung gemacht habe, im Urteil nicht einmal ansatzweise gewürdigt. Insoweit sei sein rechtliches Gehör verletzt worden. Es stehe fest, dass ein Faustschlag bzw. ein Schlag mit einem gefährlichen Werkzeug nicht lediglich eine, sondern die Möglichkeit des Geschehensablaufs sei. Er habe Beweis dafür angeboten, dass die massiven Verletzungen (dreifacher Unterkieferbruch, ausgerenkter Kiefer, massive Blutungen) nicht von einem Sturz auf völlig ebenerdiges Straßenpflaster herrühren könnten. Hierzu sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden, was das SG unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes unterlassen habe. Die massiven Verletzungen könnten schlichtweg nicht aus einem fahrlässigen Angriff herrühren. Gerade die gravierenden Verletzungsfolgen unter Zuhilfenahme eines gefährlichen Werkzeuges sprächen für den erforderlichen Vorsatz. Hierzu sei die Anhörung des behandelnden Arztes, Dr. T. B., beantragt worden, die das Gericht ohne Begründung unterlassen habe. Er könne letztlich auch den Beweis des ersten Anscheins für sich fruchtbar machen, denn eine ernsthafte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs sei nicht ersichtlich. Der Beklagte habe lediglich versucht, weit hergeholt spekulative Verfahrensabläufe zu schildern, zum Beispiel einen Sturz. Diese Spekulationen reichten nicht, um einen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Er habe glaubhaft ausgesagt, nicht gestürzt zu sein. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn es keine Zeugen für die Tat gebe oder die Strafverfolgungsbehörden unzureichend ermittelt hätten. Er habe mit der Erstattung einer Strafanzeige seinerseits alles Erforderliche getan. Unzutreffend sei auch, er selbst habe keine sachdienlichen Aussagen gemacht. Das SG habe die über seinen Rechtsanwalt gemachte Aussage völlig übergangen. Es hätte ihm auch nicht zum Nachteil gereichen dürfen, dass er am Rosenmontag etwas alkoholisiert gewesen sei. Eine (leichte) Alkoholisierung sei kein Ausschlussgrund im Sinne des OEG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. September 2013 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Februar 2011 und 14. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs vom 4. Februar 2008 eine Beschädigtenrente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG nach einem Grad der Schädigung von mindestens 25 ab 4. Februar 2008 zu zahlen sowie Heilbehandlung zu erbringen und die ihm entstandenen Heilbehandlungskosten in Höhe von 8.637,90 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil und seine Bescheide für zutreffend und ist weiterhin der Ansicht, dass es für die Tatsache, wonach der Kläger am 4. Februar 2008 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, am erforderlichen Nachweis fehle. Der behauptete Geschehensablauf bleibe ungeklärt.
Der Berichterstatter hat die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 26. Mai 2014 davon unterrichtet, dass keine weiteren Ermittlungen mehr vorgesehen seien, da die Akten vollständig vorliegen und aus der Berufungsbegründung keine konkreten Anregungen hervorgingen, in welche Richtung der Senat von Amts wegen weitere Sachaufklärung betreiben sollte. Sofern seinerzeit (2008) die Strafverfolgungsbehörden, wie es die Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend machen, unzureichend ermitteln haben sollten, dürften etwaige Defizite 2014 kaum zu beheben sein. Die Wahrheit werde in den Akten zu suchen sein, so, wie sie vorliegen und so, wie sie den Prozessbevollmächtigten auch bekannt seien.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 10. Februar 2011 und 14. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. dem BVG wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs mittels Faustschlags oder Schlags mit einem gefährlichen Werkzeug am 4. Februar 2008.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält eine natürliche Person, die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Als tätlicher Angriff ist grundsätzlich eine in feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt. Der tätliche Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zeichnet sich durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennt das soziale Entschädigungsrecht drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung (also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff) in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Eine Sache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, das alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG bzw. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände viel für diese Möglichkeit spricht.
Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteile vom 24. November 2010, B 11 AL 35/09 R und vom 17. April 2013, B 9 V 1/12 R; Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, juris).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen wegen der Folgen eines tätlichen Angriffs am 4. Februar 2008. Nach der Auffassung des Senats ist ein tätlicher Angriff auf den Kläger nicht bewiesen.
Grundsätzlich müssen, wie oben dargestellt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Der angeschuldigte Angriff ist aber nicht bewiesen. Keiner der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen hat bekundet, dass der Kläger einen Faustschlag oder einen Schlag mit einem Gegenstand erhalten hat. Auch der Kläger hat dies weder unmittelbar am Tattag noch später zweifelsfrei angegeben. Seine spätere Darstellung, er habe unvermittelt von der Seite einen schweren Schlag erhalten, der vermutlich von einer jüngeren Person geführt worden sei, ist von keiner anderen Person auch nur annähernd bestätigt worden. Lediglich der Beschuldigte T. hat bei seiner Vernehmung eingeräumt, den Kläger möglicherweise geschlagen zu haben, was dann aber nicht in böswilliger Absicht geschehen sei. Aber auch dieser Geschehensablauf, den der Beschuldigte nicht bestätigt, sondern nur für möglich erklärt hat, ist von keinem der Zeugen bestätigt worden. In Auswertung der vorhandenen Unterlagen erscheint es als möglich, dass ein gegen den Kläger geführter Schlag von einer fremden Person die dreifache Fraktur des Unterkiefers verursacht hat. Allerdings ist auch die vom Beklagten angedeutete Möglichkeit, die Verletzungen im Gesicht des Klägers könnten von einem Sturz herrühren, nicht frei von einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Bei dieser Sachlage kann von einem Nachweis im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht die Rede sein. Auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises kann sich der Kläger dabei nicht berufen, denn diese greifen hier nicht ein. Der Anscheinsbeweis ermöglicht bei so genannten typischen Geschehensabläufen, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen; er beruht auf Erfahrungswissen, muss also einen Hergang zu Grunde legen, der erfahrungsgemäß in bestimmtem Sinne abläuft. Sind aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist diese Beweisregel ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für den beweisbelasteten Beteiligten günstiger wäre, wahrscheinlicher sein als eine andere (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VG 3/02 R, juris).
Eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers greift ebenfalls nicht ein. Die Voraussetzungen des § 15 KOVVfG liegen hier nicht vor. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Diese besondere Beweiserleichterung kommt hier aber nicht in Betracht. § 15 KOVVfG sollte ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten. Die Beweiserleichterung ist jedoch auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, 9 RVg 3/89, juris). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als Zeugen anzusehen. Entsprechendes gilt für eine als Täter in Betracht kommende Person, die eine schädigende Handlung bestreitet (BSG, Urteil vom 17. April 2013, B 9 V 1/12 R, juris). Hier liegen umfangreiche Zeugenaussagen vor, sodass eine im Sinne der Grundsätze des § 15 KOVVG bestehende Beweisnot nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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