Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 2 LW 957/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 LW 5/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 20.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG für die Zeit vom 01.09.2003 bis 29.02.2004 zu befreien.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Versicherungspflicht der Klägerin bei der Beklagten für den Zeitraum 01.09.2003 - 29.02.2004 (sechs Monate) wegen des Bezugs von Überbrückungsgeld.
Die 1967 geborene und jetzt 38-jährige Klägerin wurde in der Vergangenheit verschiedentlich wegen Überschreitens der Einkommensgrenze und der Erziehung von Kindern von der Versicherungspflicht bei der Beklagten befreit. Zuletzt wurde sie mit Bescheid vom 05.02.2003 für die Zeit ab 01.10.2002 wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen befreit, ferner mit Bescheid vom 29.03.2004 für die Zeit ab 01.10.1996 (bis 30.09.2002). Die Klägerin bezog bis zum 31.08.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von 321,72 Euro wöchentlich.
Mit Bescheid vom 07.07.2004 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit ab 01.09.2003 fest und hob die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht zum gleichen Zeitpunkt auf. Als monatlichen Beitrag für das Jahr 2003 setzte sie den Betrag von 198,00 EUR, für das Jahr 2004 in Höhe von 201,00 EUR fest. Die Klägerin übersandte daraufhin am 15.07.2004 einen Nachweis über das Erwerbseinkommen ab dem 01.03.2004 und kündigte an, Nachweise für die Zeit davor nachzureichen. Sie reichte dann den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 11.08.2004 ein, nach dem sie Überbrückungsgeld in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 29.02.2004 in Höhe von monatlich 2.323,28 EUR erhalten hatte. Sie trug vor, Überbrückungsgeld zähle steuerrechtlich zu den Lohnersatzleistungen.
Mit Bescheid vom 20.08.2004 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab, weil Unterhaltsgeld eine Förderung der Existenzgründung beinhalte und somit nicht unter den sozialrechtlichen Begriff der Lohnersatzleistung falle.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.09.2004 Widerspruch ein. Sie trug vor, bis Ende August habe sie Arbeitslosengeld erhalten. Ab September sei sie Geschäftsführerin einer GmbH und beziehe ab dem 01. März 2004 aus dieser Tätigkeit ein Gehalt. Für die Übergangszeit habe ihr das Arbeitsamt für 6 Monate ein Überbrückungsgeld gezahlt. Dieses errechne sich aus dem theoretischen Arbeitslosengeld zuzüglich eines Zuschlags von 70 v. H. für die Sozialversicherung, da sie sich freiwillig kranken- und rentenversichern müsse. Der Basisbetrag habe auf keinen Fall eine Ausgleichs- und Entschädigungsfunktion. Der Lohnersatzcharakter für den Übergang in die Selbständigkeit stehe im Vordergrund und solle die Anlaufschwierigkeiten überbrücken. Im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe werde das Überbrückungsgeld leistungsorientiert gewährt und besitze daher Lohnersatzcharakter.
Die Beklagte verwies gegenüber der Klägerin auf zahlreiche SG- und LSG-Entscheidungen, die eine Befreiung wegen des Bezugs von Überbrückungsgeld nach dem SGB III verneint hätten. Das neueste Urteil stamme vom LSG Brandenburg mit Datum vom 21.01.2004, Az.: L 2 LW 1/03.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Überbrückungsgeld sei ebenso wie Arbeitslosenhilfe, bei der das Bundessozialgericht bereits den Fürsorge-Charakter bestätigt habe, nicht zu zahlen, wenn anderweitiges Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stehe, so dass dieses dann nicht erforderlich sei. Es setze wie Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraus und solle ein zu niedriges Einkommen ergänzen. Es handele sich damit nicht um Erwerbsersatzeinkommen, sondern um eine Leistung mit fürsorglichem Charakter, wie auch der Arbeitslosenhilfe oder der Sozialhilfe. Der Bezug des Überbrückungsgeldes führe deshalb zu keiner Befreiung von der Versicherungspflicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2004 im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor, die Entscheidung des LSG Brandenburg betreffe einen Sachverhalt im Jahr 1999 und sei damit nach einer Rechtslage zu beurteilen gewesen, die sich inzwischen mehrfach geändert habe. Das Überbrückungsgeld sei wegen der von ihr gewollten und von der Arbeitsverwaltung befürworteten Statusänderung ohne Unterbrechung an die Stelle des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes getreten. Jedenfalls für den Fall des Arbeitslosengeldbezuges gehe das Gesetz selbst beim Überbrückungsgeld von einer Ersatzleistung für ausgebliebene Erwerbsentgelte aus. Im Jahr 2003 sei die Bewilligung in das Ermessen der Bundesanstalt gestellt gewesen. Erst ab Januar 2004 handele es sich um eine Pflichtleistung. Mit dieser Verdichtung der Überbrückungsgeldleistung zur Pflichtleistung stelle der Gesetzgeber zusätzlich klar, dass es sich um eine Entgeltersatzleistung handele.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 20.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 die Beklagte zu verpflichten, sie von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG für die Zeit vom 01.09.2003 bis 29.02.2004 zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und ist weiterhin der Auffassung, ein Befreiungstatbestand liege nicht vor. Überbrückungsgeld ersetze kein Erwerbseinkommen, denn für dessen Bezug sei es gerade Voraussetzung, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Leistungsbezieher sei aus dem Formenkreis des abhängig Beschäftigten ausgeschieden und in die Selbständigkeit gewechselt und erhalte in der Anlaufphase eine staatliche Förderung zur Sicherung seines Lebensunterhalts und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Unerheblich sei dabei, dass der Basisbetrag der Leistung dem ursprünglichen Arbeitslosengeld entspreche und keine Bedürftigkeitsprüfung stattfinde. Es handele sich vielmehr um eine aus arbeitspolitischen Gründen gewährte Leistung mit Fürsorge-Charakter an selbständig Erwerbstätige, ähnlich dem Existenzgründerzuschuss. Der Existenzgründer erziele auch eigenes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, auch wenn die steuerlichen Einkünfte evtl. negativer Art seien. Der Auffassung des SG Dresden sei nicht zu folgen.
Wegen weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 20.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG für die Zeit vom 01.09.2003 bis 29.02.2004.
Versicherungspflichtig sind Landwirte. Landwirt ist, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht. Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Unternehmen der Landwirtschaft sind Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues, der Fischzucht und der Teichwirtschaft; die hierfür genutzten Flächen gelten als landwirtschaftlich genutzte Flächen. Zur Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt, sowie die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, sofern diese nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung rechnet. Ein Unternehmen der Landwirtschaft erreicht dann die Mindestgröße, wenn sein Wirtschaftswert einen von der Landwirtschaftlichen Alterskasse im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen und der Berücksichtigung der örtlichen oder regionalen Gegebenheiten festgesetzten Grenzwert erreicht; der Ertragswert für Nebenbetriebe bleibe hierbei unberücksichtigt. Landwirt nach Absatz 2 ist nicht, wer ein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betreibt (vgl. § 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte vom 29.07.1994 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 21.12.2000, BGBl. I S. 1983 – ALG -).
Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes für den Zeitraum 01.09.2003 bis 29.02.2004. Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Klägerin Inhaberin einer Fläche ist, die die Mindestgröße für eine Versicherungspflicht nach § 1 ALG erreicht. Der Kammer sind keine Umstände ersichtlich, die an der Überschreitung der Mindestgröße Anlass zu zweifeln gäben. Von daher ist grundsätzlich von einer Versicherungspflicht der Klägerin auszugehen.
Die Klägerin hat aber entgegen der Auffassung der Beklagten einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht, weil die Voraussetzungen hierfür für den strittigen Zeitraum vorliegen. Überbrückungsgeld ist als Erwerbersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 ALG anzusehen.
Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, so lange sie
1. regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800 Euro überschreitet
2. wegen Erziehung eines Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 56 Abs. 4 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind
3. wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie von der Versicherungspflicht befreit sind, oder
4. wegen der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (§ 3 Abs. 1 ALG).
Erwebersatzeinkommen sind Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbersatzeinkommen zu ersetzen. Hierzu zählen insbesondere Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztenkrankengeld, soweit es nicht nach § 55 SGB VII gewährt wird oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem 3. Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger (§ 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 2 ALG).
Die Klägerin hat im strittigen Zeitraum Überbrückungsgeld in Höhe von monatlich 2.323,28 EUR erhalten. Dieser Betrag lag über der Mindestgrenze von jährlich 4.800 Euro bzw. bei monatlichem Einkommen von 400 Euro monatlich.
Bei dem der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III handelt es sich um Erwerbsersatzeinkommen, das den in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG genannten Arten von Erwerbsersatzeinkommen vergleichbar ist.
Der Inhalt des Anspruchs auf Überbrückungsgeld richtet sich vorliegend für die gesamte Dauer der Leistung (§ 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) nach § 57 SGB III in der vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607), da der Anspruch bereits im Jahr 2003 entstanden war. Danach können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, für die Dauer von sechs Monaten zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Das Überbrückungsgeld setzt sich zusammen aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen.
Ob es sich bei einer bestimmten Entgeltersatzleistung um Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG handelt oder nicht, richtet sich danach, ob es sich in erster Linie um Einkommen handelt, dass Erwerbseinkommen tatsächlich ersetzen soll, oder eher um eine der Arbeitslosen- und Sozialhilfe vergleichbare Fürsorgeleistung handelt. In Bezug auf das Überbrückungsgeld trifft das Erstere zu. Die Kammer folgt insoweit nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2005, Az: S 18 LW 9/04, juris Rdnr. 24 ff. = www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Es handelt sich beim Überbrückungsgeld - wie beim Arbeitslosengeld - um einen aus Beiträgen zumindest mitfinanzierten Zuschuss (vgl. § 340 SGB III in Verbindung mit dem Umkehrschluss aus § 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dieser wird regelmäßig wiederkehrend und - ebenso wie die anderen in § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG genannten Erwerbsersatzeinkommen und anders als Arbeitslosen- oder Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II - nur für eine von vornherein begrenzte Anspruchsdauer ausgezahlt. Als Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung dient er dazu, Existenzgründern die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung zur ermöglichen. Die Auszahlung erfolgt pauschalisiert in Höhe der zuletzt bezogenen - oder bei nahtlosem Übergang aus einer Beschäftigung in die Existenzgründung in Höhe der hypothetischen - Leistung, ohne dass eine Prüfung der individuellen Bedürftigkeit im Sinne von § 193 SGB III bzw. § 19 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - zu erfolgen hat. Soweit in § 57 Abs. 1 SGB III der existenzsichernde Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist, handelt es sich nicht um echtes Tatbestandsmerkmal im Sinne fürsorgerechtlicher Bedürftigkeit, sondern um eine Abgrenzung gegenüber anderen Förderinstrumenten ohne Einkommensersatzfunktion wie etwa Investitionszuschüssen. Zu Unrecht verneint die von der Beklagten für ihre Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 21.01.2004, Az. 2 LW 1/03, den Charakter des Überbrückungsgeld als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG. Dass das Überbrückungsgeld nicht gezahlt werden kann, wenn dem Versicherten ausreichend anderweitiges Einkommen und Vermögen zur Verfügung steht, ist zwar zutreffend; in diesen Fällen ist das Ermessen dahingehend auszuüben, dass die Leistung dem Grunde nach nicht zu gewähren ist. Letztlich trifft jedoch auf alle echten Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG zu, dass diese schon begrifflich nur ein sonst nicht vorhandenes Einkommen ersetzen, also gerade wegen fehlenden anderweitigen Einkommens gezahlt werden. Die entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften treffen deshalb auch Regelungen zur Vermeidung einer Übersicherung im Falle des Zusammentreffens mit anderweitigem Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen. Die Auffassung, aus dieser Rechtsprechung sei zu schließen, dass das Überbrückungsgeld wie Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraussetze, verkennt den Begriff der Bedürftigkeit, wie ihn das Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung in Bezug auf die Arbeitslosenhilfe in § 193 SGB III verwendet hat. Wird Überbrückungsgeld bewilligt, dann ist es nach der klaren und abschließenden Regelung über die Leistungshöhe in § 57 Abs. 4 SGB III unabhängig von der Höhe der konkreten Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in Höhe der zuvor oder hypothetisch bezogenen Lohnersatzleistung zuzüglich der Sozialversicherungszuschüsse zu gewähren. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet gerade nicht statt. Die in der Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg als Argument für einen fürsorgerechtlichen Charakter des Überbrückungsgeldes herangezogene Systematik und Terminologie des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch ist für die Bestimmung des Begriffs des Erwerbsersatzeinkommens im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG ohne Aussagekraft. Das ergibt sich schon daraus, dass es sich sowohl beim Arbeitslosengeld als auch bei der Arbeitslosenhilfe begrifflich um Entgeltersatzleistungen im Sinne des Arbeitsförderungsrechts handelt, obwohl die Eigenschaft als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG in dem einen Fall bejaht und im anderen Fall verneint wird. Kann mithin schon aus der gemeinsamen Verankerung dieser beiden Leistungsarten im Achten Abschnitt des Vierten Kapitels des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch ("Erwerbsersatzeinkommen") kein Rückschluss auf die Qualifizierung als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG gezogen werden, so ist es abwegig, genau einen solchen Rückschluss daraus ziehen zu wollen, dass die Vorschrift über das Überbrückungsgeld nicht im Achten, sondern im Vierten Abschnitt des Vierten Kapitels ("Förderung der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit") steht. Unvereinbar mit dem Sprachgebrauch ist schließlich das Argument, ein Erwerbsersatzeinkommen könne nicht erzielt werden, wenn der Leistungsempfänger tatsächlich erwerbstätig sei. Der Wortbestandteil "Ersatz" in "Erwerbsersatzeinkommen" bezieht sich nicht auf "Erwerb", sondern auf "Einkommen". Erwerbsersatzeinkommen ist ein Erwerbseinkommens-Ersatz und kein Erwerbsersatz-Einkommen. Der Begriff wird also durch ein auszugleichendes Einkommensdefizit definiert, nicht durch Erwerbslosigkeit. Schon aus der Gleichstellung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Erwerbsersatzeinkommen in § 3 ALG wird ersichtlich, dass es für den Zweck des Gesetzes, auf eine zusätzliche Alterssicherung bei ausreichendem außerlandwirtschaftlichen Einkommen zu verzichten, keine Rolle spielt, ob der Landwirt zur Erzielung dieses Einkommens erwerbstätig ist oder nicht. Dass der Leistungsempfänger keinerlei Erwerbstätigkeit nachgehen oder überhaupt kein Erwerbseinkommen erzielen dürfte, ist im Übrigen für keine der als Erwerbsersatzeinkommen in Frage kommenden Leistungen Voraussetzung. Der Beklagten ist zwar einzuräumen, dass das Überbrückungsgeld insoweit weder mit Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld II vergleichbar ist, als es keine Arbeitslosigkeit voraussetzt, sondern ein noch nicht in ausreichendem Maße zufließendes Einkommen aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit ersetzt bzw. im Wege der Subventionierung aufstockt. Hierbei handelt es sich aber um einen für die Befreiung von der Versicherungspflicht im Allgemeinen und für die Differenzierung zwischen echten und uneigentlichen Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG im Besonderen unwesentlichen Umstand. Tatsächlich spielt es keine Rolle, ob das Überbrückungsgeld eher dem Arbeitslosengeld oder der Arbeitslosenhilfe ähnelt. Auf die Vergleichbarkeit mit diesen Surrogaten kommt es nicht an, weil beim Überbrückungsgeld die Vergleichbarkeit mit den primären Befreiungstatbeständen in den Vordergrund tritt. Gerade wegen seines Bezugs zu einer konkreten, selbständigen Erwerbstätigkeit weist das Überbrückungsgeld eine besondere Vergleichbarkeit mit tatsächlichem Arbeitseinkommen auf. Der Bezug solchen Arbeitseinkommens erfüllt den primären Befreiungstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG. Wenn schon der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen wie Arbeitslosen- und Krankengeld in Abgrenzung zu sozialfürsorgerischen Leistungen wie Arbeitslosen- und Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtfertigt, dann muss bei vergleichender Betrachtung der in § 3 ALG geregelten Befreiungsmöglichkeiten der Bezug von Überbrückungsgeld erst recht zur Befreiung von der Versicherungspflicht führen.
Nach Auffassung der Kammer ist es auch unerheblich, ob die Klägerin die im Überbrückungsgeld enthaltene Pauschale tatsächlich zur Entrichtung freiwilliger Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt hat, worauf es nach Auffassung des SG Augsburg, Urteil vom 28.11.2005, Az.: S 10 LW 15/05 – das Urteil lag der Kammer aber nur in Form des juris-Ausdrucks mit einem Orientierungssatz vor - ankommt. Insofern stellt § 3 ALG weitgehend auf die Einkommens- und nicht Versicherungsverhältnisse ab. Die Kammer konnte daher von weiteren Ermittlungen absehen.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Versicherungspflicht der Klägerin bei der Beklagten für den Zeitraum 01.09.2003 - 29.02.2004 (sechs Monate) wegen des Bezugs von Überbrückungsgeld.
Die 1967 geborene und jetzt 38-jährige Klägerin wurde in der Vergangenheit verschiedentlich wegen Überschreitens der Einkommensgrenze und der Erziehung von Kindern von der Versicherungspflicht bei der Beklagten befreit. Zuletzt wurde sie mit Bescheid vom 05.02.2003 für die Zeit ab 01.10.2002 wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen befreit, ferner mit Bescheid vom 29.03.2004 für die Zeit ab 01.10.1996 (bis 30.09.2002). Die Klägerin bezog bis zum 31.08.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von 321,72 Euro wöchentlich.
Mit Bescheid vom 07.07.2004 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit ab 01.09.2003 fest und hob die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht zum gleichen Zeitpunkt auf. Als monatlichen Beitrag für das Jahr 2003 setzte sie den Betrag von 198,00 EUR, für das Jahr 2004 in Höhe von 201,00 EUR fest. Die Klägerin übersandte daraufhin am 15.07.2004 einen Nachweis über das Erwerbseinkommen ab dem 01.03.2004 und kündigte an, Nachweise für die Zeit davor nachzureichen. Sie reichte dann den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 11.08.2004 ein, nach dem sie Überbrückungsgeld in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 29.02.2004 in Höhe von monatlich 2.323,28 EUR erhalten hatte. Sie trug vor, Überbrückungsgeld zähle steuerrechtlich zu den Lohnersatzleistungen.
Mit Bescheid vom 20.08.2004 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab, weil Unterhaltsgeld eine Förderung der Existenzgründung beinhalte und somit nicht unter den sozialrechtlichen Begriff der Lohnersatzleistung falle.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.09.2004 Widerspruch ein. Sie trug vor, bis Ende August habe sie Arbeitslosengeld erhalten. Ab September sei sie Geschäftsführerin einer GmbH und beziehe ab dem 01. März 2004 aus dieser Tätigkeit ein Gehalt. Für die Übergangszeit habe ihr das Arbeitsamt für 6 Monate ein Überbrückungsgeld gezahlt. Dieses errechne sich aus dem theoretischen Arbeitslosengeld zuzüglich eines Zuschlags von 70 v. H. für die Sozialversicherung, da sie sich freiwillig kranken- und rentenversichern müsse. Der Basisbetrag habe auf keinen Fall eine Ausgleichs- und Entschädigungsfunktion. Der Lohnersatzcharakter für den Übergang in die Selbständigkeit stehe im Vordergrund und solle die Anlaufschwierigkeiten überbrücken. Im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe werde das Überbrückungsgeld leistungsorientiert gewährt und besitze daher Lohnersatzcharakter.
Die Beklagte verwies gegenüber der Klägerin auf zahlreiche SG- und LSG-Entscheidungen, die eine Befreiung wegen des Bezugs von Überbrückungsgeld nach dem SGB III verneint hätten. Das neueste Urteil stamme vom LSG Brandenburg mit Datum vom 21.01.2004, Az.: L 2 LW 1/03.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Überbrückungsgeld sei ebenso wie Arbeitslosenhilfe, bei der das Bundessozialgericht bereits den Fürsorge-Charakter bestätigt habe, nicht zu zahlen, wenn anderweitiges Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stehe, so dass dieses dann nicht erforderlich sei. Es setze wie Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraus und solle ein zu niedriges Einkommen ergänzen. Es handele sich damit nicht um Erwerbsersatzeinkommen, sondern um eine Leistung mit fürsorglichem Charakter, wie auch der Arbeitslosenhilfe oder der Sozialhilfe. Der Bezug des Überbrückungsgeldes führe deshalb zu keiner Befreiung von der Versicherungspflicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2004 im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor, die Entscheidung des LSG Brandenburg betreffe einen Sachverhalt im Jahr 1999 und sei damit nach einer Rechtslage zu beurteilen gewesen, die sich inzwischen mehrfach geändert habe. Das Überbrückungsgeld sei wegen der von ihr gewollten und von der Arbeitsverwaltung befürworteten Statusänderung ohne Unterbrechung an die Stelle des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes getreten. Jedenfalls für den Fall des Arbeitslosengeldbezuges gehe das Gesetz selbst beim Überbrückungsgeld von einer Ersatzleistung für ausgebliebene Erwerbsentgelte aus. Im Jahr 2003 sei die Bewilligung in das Ermessen der Bundesanstalt gestellt gewesen. Erst ab Januar 2004 handele es sich um eine Pflichtleistung. Mit dieser Verdichtung der Überbrückungsgeldleistung zur Pflichtleistung stelle der Gesetzgeber zusätzlich klar, dass es sich um eine Entgeltersatzleistung handele.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 20.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 die Beklagte zu verpflichten, sie von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG für die Zeit vom 01.09.2003 bis 29.02.2004 zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und ist weiterhin der Auffassung, ein Befreiungstatbestand liege nicht vor. Überbrückungsgeld ersetze kein Erwerbseinkommen, denn für dessen Bezug sei es gerade Voraussetzung, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Leistungsbezieher sei aus dem Formenkreis des abhängig Beschäftigten ausgeschieden und in die Selbständigkeit gewechselt und erhalte in der Anlaufphase eine staatliche Förderung zur Sicherung seines Lebensunterhalts und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Unerheblich sei dabei, dass der Basisbetrag der Leistung dem ursprünglichen Arbeitslosengeld entspreche und keine Bedürftigkeitsprüfung stattfinde. Es handele sich vielmehr um eine aus arbeitspolitischen Gründen gewährte Leistung mit Fürsorge-Charakter an selbständig Erwerbstätige, ähnlich dem Existenzgründerzuschuss. Der Existenzgründer erziele auch eigenes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, auch wenn die steuerlichen Einkünfte evtl. negativer Art seien. Der Auffassung des SG Dresden sei nicht zu folgen.
Wegen weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 20.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG für die Zeit vom 01.09.2003 bis 29.02.2004.
Versicherungspflichtig sind Landwirte. Landwirt ist, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht. Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Unternehmen der Landwirtschaft sind Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues, der Fischzucht und der Teichwirtschaft; die hierfür genutzten Flächen gelten als landwirtschaftlich genutzte Flächen. Zur Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt, sowie die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, sofern diese nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung rechnet. Ein Unternehmen der Landwirtschaft erreicht dann die Mindestgröße, wenn sein Wirtschaftswert einen von der Landwirtschaftlichen Alterskasse im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen und der Berücksichtigung der örtlichen oder regionalen Gegebenheiten festgesetzten Grenzwert erreicht; der Ertragswert für Nebenbetriebe bleibe hierbei unberücksichtigt. Landwirt nach Absatz 2 ist nicht, wer ein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betreibt (vgl. § 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte vom 29.07.1994 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 21.12.2000, BGBl. I S. 1983 – ALG -).
Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes für den Zeitraum 01.09.2003 bis 29.02.2004. Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Klägerin Inhaberin einer Fläche ist, die die Mindestgröße für eine Versicherungspflicht nach § 1 ALG erreicht. Der Kammer sind keine Umstände ersichtlich, die an der Überschreitung der Mindestgröße Anlass zu zweifeln gäben. Von daher ist grundsätzlich von einer Versicherungspflicht der Klägerin auszugehen.
Die Klägerin hat aber entgegen der Auffassung der Beklagten einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht, weil die Voraussetzungen hierfür für den strittigen Zeitraum vorliegen. Überbrückungsgeld ist als Erwerbersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 ALG anzusehen.
Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, so lange sie
1. regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800 Euro überschreitet
2. wegen Erziehung eines Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 56 Abs. 4 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind
3. wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie von der Versicherungspflicht befreit sind, oder
4. wegen der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (§ 3 Abs. 1 ALG).
Erwebersatzeinkommen sind Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbersatzeinkommen zu ersetzen. Hierzu zählen insbesondere Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztenkrankengeld, soweit es nicht nach § 55 SGB VII gewährt wird oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem 3. Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger (§ 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 2 ALG).
Die Klägerin hat im strittigen Zeitraum Überbrückungsgeld in Höhe von monatlich 2.323,28 EUR erhalten. Dieser Betrag lag über der Mindestgrenze von jährlich 4.800 Euro bzw. bei monatlichem Einkommen von 400 Euro monatlich.
Bei dem der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III handelt es sich um Erwerbsersatzeinkommen, das den in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG genannten Arten von Erwerbsersatzeinkommen vergleichbar ist.
Der Inhalt des Anspruchs auf Überbrückungsgeld richtet sich vorliegend für die gesamte Dauer der Leistung (§ 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) nach § 57 SGB III in der vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607), da der Anspruch bereits im Jahr 2003 entstanden war. Danach können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, für die Dauer von sechs Monaten zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Das Überbrückungsgeld setzt sich zusammen aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen.
Ob es sich bei einer bestimmten Entgeltersatzleistung um Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG handelt oder nicht, richtet sich danach, ob es sich in erster Linie um Einkommen handelt, dass Erwerbseinkommen tatsächlich ersetzen soll, oder eher um eine der Arbeitslosen- und Sozialhilfe vergleichbare Fürsorgeleistung handelt. In Bezug auf das Überbrückungsgeld trifft das Erstere zu. Die Kammer folgt insoweit nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2005, Az: S 18 LW 9/04, juris Rdnr. 24 ff. = www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Es handelt sich beim Überbrückungsgeld - wie beim Arbeitslosengeld - um einen aus Beiträgen zumindest mitfinanzierten Zuschuss (vgl. § 340 SGB III in Verbindung mit dem Umkehrschluss aus § 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dieser wird regelmäßig wiederkehrend und - ebenso wie die anderen in § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG genannten Erwerbsersatzeinkommen und anders als Arbeitslosen- oder Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II - nur für eine von vornherein begrenzte Anspruchsdauer ausgezahlt. Als Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung dient er dazu, Existenzgründern die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung zur ermöglichen. Die Auszahlung erfolgt pauschalisiert in Höhe der zuletzt bezogenen - oder bei nahtlosem Übergang aus einer Beschäftigung in die Existenzgründung in Höhe der hypothetischen - Leistung, ohne dass eine Prüfung der individuellen Bedürftigkeit im Sinne von § 193 SGB III bzw. § 19 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - zu erfolgen hat. Soweit in § 57 Abs. 1 SGB III der existenzsichernde Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist, handelt es sich nicht um echtes Tatbestandsmerkmal im Sinne fürsorgerechtlicher Bedürftigkeit, sondern um eine Abgrenzung gegenüber anderen Förderinstrumenten ohne Einkommensersatzfunktion wie etwa Investitionszuschüssen. Zu Unrecht verneint die von der Beklagten für ihre Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 21.01.2004, Az. 2 LW 1/03, den Charakter des Überbrückungsgeld als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 ALG. Dass das Überbrückungsgeld nicht gezahlt werden kann, wenn dem Versicherten ausreichend anderweitiges Einkommen und Vermögen zur Verfügung steht, ist zwar zutreffend; in diesen Fällen ist das Ermessen dahingehend auszuüben, dass die Leistung dem Grunde nach nicht zu gewähren ist. Letztlich trifft jedoch auf alle echten Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG zu, dass diese schon begrifflich nur ein sonst nicht vorhandenes Einkommen ersetzen, also gerade wegen fehlenden anderweitigen Einkommens gezahlt werden. Die entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften treffen deshalb auch Regelungen zur Vermeidung einer Übersicherung im Falle des Zusammentreffens mit anderweitigem Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen. Die Auffassung, aus dieser Rechtsprechung sei zu schließen, dass das Überbrückungsgeld wie Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraussetze, verkennt den Begriff der Bedürftigkeit, wie ihn das Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung in Bezug auf die Arbeitslosenhilfe in § 193 SGB III verwendet hat. Wird Überbrückungsgeld bewilligt, dann ist es nach der klaren und abschließenden Regelung über die Leistungshöhe in § 57 Abs. 4 SGB III unabhängig von der Höhe der konkreten Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in Höhe der zuvor oder hypothetisch bezogenen Lohnersatzleistung zuzüglich der Sozialversicherungszuschüsse zu gewähren. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet gerade nicht statt. Die in der Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg als Argument für einen fürsorgerechtlichen Charakter des Überbrückungsgeldes herangezogene Systematik und Terminologie des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch ist für die Bestimmung des Begriffs des Erwerbsersatzeinkommens im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG ohne Aussagekraft. Das ergibt sich schon daraus, dass es sich sowohl beim Arbeitslosengeld als auch bei der Arbeitslosenhilfe begrifflich um Entgeltersatzleistungen im Sinne des Arbeitsförderungsrechts handelt, obwohl die Eigenschaft als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG in dem einen Fall bejaht und im anderen Fall verneint wird. Kann mithin schon aus der gemeinsamen Verankerung dieser beiden Leistungsarten im Achten Abschnitt des Vierten Kapitels des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch ("Erwerbsersatzeinkommen") kein Rückschluss auf die Qualifizierung als Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG gezogen werden, so ist es abwegig, genau einen solchen Rückschluss daraus ziehen zu wollen, dass die Vorschrift über das Überbrückungsgeld nicht im Achten, sondern im Vierten Abschnitt des Vierten Kapitels ("Förderung der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit") steht. Unvereinbar mit dem Sprachgebrauch ist schließlich das Argument, ein Erwerbsersatzeinkommen könne nicht erzielt werden, wenn der Leistungsempfänger tatsächlich erwerbstätig sei. Der Wortbestandteil "Ersatz" in "Erwerbsersatzeinkommen" bezieht sich nicht auf "Erwerb", sondern auf "Einkommen". Erwerbsersatzeinkommen ist ein Erwerbseinkommens-Ersatz und kein Erwerbsersatz-Einkommen. Der Begriff wird also durch ein auszugleichendes Einkommensdefizit definiert, nicht durch Erwerbslosigkeit. Schon aus der Gleichstellung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Erwerbsersatzeinkommen in § 3 ALG wird ersichtlich, dass es für den Zweck des Gesetzes, auf eine zusätzliche Alterssicherung bei ausreichendem außerlandwirtschaftlichen Einkommen zu verzichten, keine Rolle spielt, ob der Landwirt zur Erzielung dieses Einkommens erwerbstätig ist oder nicht. Dass der Leistungsempfänger keinerlei Erwerbstätigkeit nachgehen oder überhaupt kein Erwerbseinkommen erzielen dürfte, ist im Übrigen für keine der als Erwerbsersatzeinkommen in Frage kommenden Leistungen Voraussetzung. Der Beklagten ist zwar einzuräumen, dass das Überbrückungsgeld insoweit weder mit Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld II vergleichbar ist, als es keine Arbeitslosigkeit voraussetzt, sondern ein noch nicht in ausreichendem Maße zufließendes Einkommen aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit ersetzt bzw. im Wege der Subventionierung aufstockt. Hierbei handelt es sich aber um einen für die Befreiung von der Versicherungspflicht im Allgemeinen und für die Differenzierung zwischen echten und uneigentlichen Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ALG im Besonderen unwesentlichen Umstand. Tatsächlich spielt es keine Rolle, ob das Überbrückungsgeld eher dem Arbeitslosengeld oder der Arbeitslosenhilfe ähnelt. Auf die Vergleichbarkeit mit diesen Surrogaten kommt es nicht an, weil beim Überbrückungsgeld die Vergleichbarkeit mit den primären Befreiungstatbeständen in den Vordergrund tritt. Gerade wegen seines Bezugs zu einer konkreten, selbständigen Erwerbstätigkeit weist das Überbrückungsgeld eine besondere Vergleichbarkeit mit tatsächlichem Arbeitseinkommen auf. Der Bezug solchen Arbeitseinkommens erfüllt den primären Befreiungstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG. Wenn schon der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen wie Arbeitslosen- und Krankengeld in Abgrenzung zu sozialfürsorgerischen Leistungen wie Arbeitslosen- und Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtfertigt, dann muss bei vergleichender Betrachtung der in § 3 ALG geregelten Befreiungsmöglichkeiten der Bezug von Überbrückungsgeld erst recht zur Befreiung von der Versicherungspflicht führen.
Nach Auffassung der Kammer ist es auch unerheblich, ob die Klägerin die im Überbrückungsgeld enthaltene Pauschale tatsächlich zur Entrichtung freiwilliger Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt hat, worauf es nach Auffassung des SG Augsburg, Urteil vom 28.11.2005, Az.: S 10 LW 15/05 – das Urteil lag der Kammer aber nur in Form des juris-Ausdrucks mit einem Orientierungssatz vor - ankommt. Insofern stellt § 3 ALG weitgehend auf die Einkommens- und nicht Versicherungsverhältnisse ab. Die Kammer konnte daher von weiteren Ermittlungen absehen.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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