L 2 AL 9/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AL 145/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 9/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Januar 2016 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, 1.000,00 EUR an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtli-chen Kosten des Klägers.

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird mit 1.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger verfolgt einen Anspruch auf Auszahlung einer Vermittlungsvergütung durch die Beklagte für die Vermittlung der Beigeladenen in eine versicherungspflichtige Beschäftigung.

Der Kläger betrieb als zugelassener Träger eine private Arbeitsvermittlung handelnd unter der Firma A. P. Arbeitsvermittlung. Ein Gewerbe mit der Tätigkeitsangabe "private Arbeits-vermittlung, Hausverwaltung" hatte der Kläger am 19. Januar 2010 in M. angemeldet.

Die Beigeladene war arbeitslos und ihr war mit Bescheid der Beklagten vom 19. November 2012 Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 13. Januar 2013 bewilligt worden. Mit einem Schreiben vom 3. Dezember 2012 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass deren Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 136 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) voraussichtlich am 13. Januar 2013 ende und dass sie dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür (z.B. Bedürftigkeit) vorlägen.

Unter dem Datum vom 20. Dezember 2012 stellte die Beklagte der Beigeladenen einen "Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein" (im Folgenden als Vermittlungsgutschein bezeich-net) aus. Dieser enthielt eine Förderzusicherung mit dem Inhalt:

"Förderzusicherung - Für eine Maßnahme mit dem Ziel: Arbeitsvermittlung in eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung - Für die Zeit vom: 20.12.2012 bis zum 20.3.2013 (Gültigkeits-dauer des Gutscheins) - Dieser Gutschein berechtigt zur Auswahl eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung) im Bundesgebiet - für die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet - Vermittlungsvergütung: 2.000 Euro" - Unterhalb der Fördersicherung war unter der Überschrift "Nebenbestimmungen: Zeitliche Befristung der Zusicherung (Gültigkeitsdauer)" unter anderem angegeben: "Die Befristung (Gültigkeitsdauer) endet mit folgenden Ereignissen 2. Ende des Anspruchs auf Arbeitslosen-geld."

Am 8. Januar 2013 schloss der Kläger mit der Beigeladenen einen "Aktivierungs- und Vermittlungsvertrag" in dem er sich verpflichtete, sich um die Vermittlung einer Arbeitsstelle für die Beigeladen zu bemühen. Im § 3 des Vertrages war die Vermittlungsvergütung geregelt. Dabei war auch geregelt, dass der Anspruch gegen die Beigeladene bei Vorlage eines gültigen Vermittlungsgutscheins bis zur Zahlung der Vergütung durch die Beklagte gestundet war. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Kopie des Vertrages in dem von der Beklagten überreichten Hefter mit einer Kopie der Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Beigeladene übergab dem Kläger den ihr von der Beklagten ausgestellten Vermittlungsgutschein.

Am 13. März 2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 1000,00 EUR (als erste Rate der) Vermittlungsvergütung für die Vermittlung der Beigeladenen. Beigefügt waren dem Antrag der Vermittlungsgutschein vom 20. Dezember 2012 und eine "Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung" in der die Firma G. GmbH aus M. unter dem Datum vom 13. März 2013 bestätigte, am 23. Januar 2013 mit der Beigeladenen einen Arbeitsvertrag abgeschlossen zu haben und diese seit dem 24. Januar 2013 ununterbrochen versicherungspflichtig mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich zu beschäftigen.

Die Beklagte teilte dem Kläger in einem Schreiben vom 21. März 2013 mit: Dem "Antrag zur Zahlung der Vermittlungsvergütung" könne nicht entsprochen werden. Unter der Überschrift "Begründung" führt die Beklagte aus: Gemäß der Nebenbestimmung zum Vermittlungsgut-schein habe die Gültigkeitsdauer mit dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld durch die Beigeladene am 13. Januar 2013 geendet. Dies sei der Beigeladenen durch den Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung der Beigeladenen bei der Firma G. sei der Vermittlungsgutschein nicht mehr gültig gewesen. Das Schreiben war nicht mit einem Hinweis auf die Möglichkeit, Widerspruch erheben zu können, versehen. Wegen des genauen Inhalts und des Aufbaus des Schreibens wird auf die Kopie des Vertrages in dem von der Beklagten überreichten Hefter mit einer Kopie der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Der Kläger erhob am 2. April 2013 bei der Beklagten Widerspruch. Er führte aus: Die zur Beschäftigung der Beigeladenen führende Vermittlungstätigkeit habe am 9. Januar 2013 stattgefunden. Ein vorheriger Ablauf der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins sei ihm nicht bekannt gewesen. Er berufe sich auf Vertrauensschutz. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2013 zurück und führte aus: Der Widerspruch sei unzulässig. Bei dem Schreiben vom 21. März 2013 habe es sich nicht um einen Bescheid sondern um eine Mitteilung gehandelt. Es läge keine Regelung vor. Ein Verwaltungsakt sei zudem im Allgemeinen daran erkenntlich, dass er einen förmlichen Hinweis auf die Wider-spruchsmöglichkeit enthalte.

Der Kläger hat am 10. April 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ausgeführt: Es habe sich bei dem Schreiben vom 21. März 2013 um einen Bescheid gehan-delt, auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung gefehlt habe. Der Anspruch auf die Vermitt-lungsvergütung sei entstanden. Er habe auf die angegebene Gültigkeitsdauer vertrauen dürfen.

Das SG hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2016 insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verpflichtet hat, über den Antrag des Klägers vom 13. März 2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die weitergehende, auf Zahlung gerichtete Klage hat es abgewiesen. In den Gründen wird ausgeführt. Es habe sich bei dem Schreiben vom 21. März 2013 um einen Bescheid gehandelt. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Vermittler einen eigenen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Zwar führe die gesetzliche Neureglung in § 45 Abs. 6 Satz 2 SGB III mit dem Verweis auf § 83 Abs. 2 SGB III dazu, dass der materiell-rechtliche Zahlungsanspruch beim Arbeitnehmer verbleibe und der Vermittler nur die Auszahlung der Vermittlungsgebühr an sich verlangen könne. Dies lasse aber zumindest einen Anspruch des Vermittlers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten darüber entstehen, ob eine unmittelbare Zahlung ihn erfolge. Die Notwendigkeit hierüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden ergebe sich aus der Reglung in § 83 Abs. 3 Satz 2 SGB III, wo ausdrücklich von der Möglichkeit der Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung unmittelbar an den Träger erbrachter Leistungen gesprochen werde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auszahlung lägen im konkreten Fall vor. Der Vermittlungsgutschein sei vom 20 Dezember 2012 bis zum 20. März 2013 gültig gewesen. Die Nebenbestimmung, nach der die Gültigkeitsdauer bei Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ende, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Beklagten sei bei Ausstellung der Vermittlungsgutscheins bekannt gewesen, dass der Anspruch der Beigeladenen auf Arbeitslosengeld am 13. Januar 2013 ende. Wenn die Beklagte dennoch den Vermittlungsgutschein ausgestellt habe, sei davon auszugehen, dass sie das Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld berücksichtigt habe. Im für die Beklagte günstigsten Fall sei von einer Unklarheit zwischen Tenor und Nebenbestimmung auszugehen, die jedoch zu Lasten der Beklagten ginge. Es sei keine Ermessensreduzierung "auf null" ersichtlich, so dass die Beklagte über den Auszahlungsantrag des Klägers neu unter Beachtung der Auffassung des Gerichts zu entscheiden habe.

Gegen den ihm am 1. Februar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. Februar 2016 Berufung eingelegt. Er meint, er habe einen eigenen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Januar 2016 abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 1000,00 EUR nebst Zinsen ab dem 10. April 2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verurteilen, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 28. Januar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 23. Februar 2016 ebenfalls Berufung eingelegt. Sie meint, die die Gültigkeitsdauer des Vermitt-lungsgutscheins auf die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs der Beigeladenen beschrän-kende Nebenbestimmung sei wirksam. Die einschränkende Bestimmung sei originärer Inhalt der Förderzusicherung, die an die Beigeladene gerichtet gewesen und ihr gegenüber mit ihrem gesamten Inhalt unmittelbar wirksam geworden sei. Der Kläger habe zumindest bei der Beigeladenen nachfragen müssen.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Januar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich dem Antrag des Klägers angeschlossen.

Sie hat in der mündlichen Verhaltung vor dem Senat am 26. Oktober 2016 ausgeführt: Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob sie damals, als sie beim Kläger gewesen sei, mit diesem über die Dauer ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld gesprochen habe. Während der kurzen Zeit zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldanspruchs und der Arbeitsaufnahme habe sie Arbeitslosengelds II bezogen.

Wegen weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den von der Beklagten über-sandten Verwaltungsaktenausdruck Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist in Hinblick auf den Anspruch auf eine Vermittlungs-vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR begründet. Sie ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Verzinsung des geltend gemachten Anspruchs begehrt. Die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Zulässigkeit der jeweils frist- und formgerecht erhobenen Berufungen ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil der Beschwerdewert in Hinblick auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch von 1.000,00 EUR über 750,00 EUR liegt. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten zu Neubescheidung.

Der Kläger verfolgt seinen Anspruch zulässigerweise mit einer hier statthaften Anfechtungs-klage gemäß § 54 Abs. 1 SGG in Kombination mit einer (sogenannten unechten) Leistungs-klage nach § 54 Abs. 4 SGG. Eine reine Leistungsklage wäre für das Begehren des Klägers nicht die statthafte Klageart. Denn die Beklagte hat die Bewilligung der Auszahlung der Vermittlungsvergütung an den Kläger mit Bescheid vom 21. März 2013 abgelehnt. Auch wenn das Schreiben der Beklagten vom 21. März 2013 nicht die für einen sozialrechtlichen Verwaltungsakt gemäß § 66 SGG obligatorische Rechtsmittelbelehrung enthält, wird durch das Schreiben für eine objektiven Betrachter der Eindruck vermittelt, die Beklagte habe hier eine verbindliche Regelung durch Feststellung des Nichtbestehens eines rechtlichen Anspruchs treffen wollen. Das Schreiben weist den verwaltungsakttypischen Aufbau in Form einer Unterteilung in einen Verfügungssatz und eine Begründung auf. Im Verfügungssatz wird auf den Antrag des Klägers Bezug genommen und ausgeführt, diesem könne nicht entsprochen werden. Dies ist als ablehnende Bescheidung des Antrags zu verstehen. Danach folgt unter der Überschrift "Begründung" die Angabe der rechtlichen Gründe für die getroffene Entscheidung. Wenn sich somit die Beklagte bei objektiver Betrachtung der Handlungsform des Verwaltungsakts bedient und im Rechtsverhältnis zum Kläger bezüglich dessen Anspruchs auf Auszahlung der Vermittlungsvergütung eine einseitige, hoheitliche Reglung getroffen hat, war der Kläger gehalten zur Vermeidung des Eintritts der Bestandskraft dieser Reglung den Verwaltungsakt zunächst mit einem Widerspruch und nach dessen Zurückweisung mit einer Anfechtungsklage im Kombination mit dem Leistungsbegehren anzufechten. Unabhängig davon erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 21. März 2013 auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Beklagte hat im konkreten Einzelfall des Klägers die Regelung getroffen, dass ihm für die Vermittlung der Beigeladenen kein Anspruch auf die Zahlung der Vermittlungsvergütung zusteht. Damit hat die Beklagte hat auch eine Reglung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Denn ein privater Arbeitsvermittler erhält die Vermittlungsvergütung von der Beklagten nicht aufgrund des mit einer zu vermittelnden Arbeitnehmerin oder einem zu vermittelnden Arbeitnehmer abgeschlossenen zivilrechtlichen (nur öffentlich-rechtlich überlagerten) Vermittlungsvertrages, sondern aufgrund der sozialgesetzlichen Regelungen der §§ 45 Abs. 6, 83 Abs. 2 SGB III (so auch mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016, L 32 AS 846/15, zitiert nach juris, Rn 58).

Das vor Erhebung einer zulässigen Anfechtungsklage zwingend nach § 78 Abs. 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt worden. Dass die Beklage – ausgehend von der Annahme, es habe sich bei dem Schreiben vom 21. März 2013 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt – den Widerspruch als unzulässig verworfen hat, hindert das angerufene Gericht nicht an einer materiell-rechtlichen Prüfung.

Die Berufung des Klägers ist begründet, denn er hat einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf die Auszahlung der begehrten ersten Rate der Vermittlungsvergütung für die Vermittlung der Beigeladenen. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 45 Abs. 6 Sätze 2, 3 und 5, 83 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB III beträgt die Vergütung bei einer erfolgreichen Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung durch einen Träger nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 SGB III 2.000,00 EUR. Die Vergütung wird nach § 45 Abs. 6 Satz 5 SGB III in Höhe von 1.000 EUR nach einer sechswöchigen und der Rest nach einer sechsmonatigen Dauer der Beschäftigung gezahlt. Bei dem Kläger als zugelassenem Träger der privaten Arbeitsvermittlung handelte es sich um einen Träger im Sinne des § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB III, der ausschließlich erfolgsbezogen vergütete Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung anbot.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der hier anzuwendenden Neufassung der §§ 45 Abs. 6 und 83 Abs. 2 SGB III Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs auf die Vermittlungsvergütung heraus-gearbeitet: (1.) die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins; (2.) ein wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer; (3.) die erfolg-reiche Vermittlung des Arbeitnehmers innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgut-scheins in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochen-stunden und (4.) für die Auszahlung der ersten Rate eine sechswöchige Dauer des Beschäf-tigungsverhältnisses (BSG, Urteil vom 11. März 2014, B 11 AL 19/12 R, zitiert nach juris, Rn. 14 m. w. Nachweisen). Diese Voraussetzungen für den Anspruch gelten bei insofern in der Sache unveränderter Regelungs- und Interessenlage weiter fort.

Von den aufgezählten Anspruchsvoraussetzungen ist hier alleine die erfolgreiche Vermittlung der Beigeladenen innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins problematisch. Der Senat sieht keine Veranlassung am Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu zweifeln: Die Beklagte hat der Beigeladenen einen Vermittlungsgutschein ausgestellt. Der Kläger hat mit der Beigeladenen einen Vermittlungsvertrag geschlossen. In diesem war ein Vergütungsanspruch gegen die Beigeladene geregelt, wobei aufgrund der Vorlage des Vermittlungsgutscheins die Stundung bis zur Zahlung durch die Beklagte galt. Gründe für eine Unwirksamkeit des Vermittlungsvertrags sind nicht zu erkennen. Die Vermittlungstätigkeit erfolgte nach der glaubhaften Angabe des Klägers nach Abschluss des Vermittlungsvertrags vom 8. Januar 2013 am 9. Januar 2013 und führte ursächlich zur Einstellung der Beigeladenen bei der Firma G. GmbH und die damit verbundene Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Ausweislich der von der Firma G. GmbH ausgestellten Bescheinigung vom 13. März 2013 war die Beigeladene dort zu dem Zeitpunkt, als der Kläger die Auszahlung der 1. Rate der Vermittlungsvergütung beantragte, auch schon länger als sechs Wochen (seit dem 24. Januar 2013 ununterbrochen zumindest bis zur Ausstellung der Bescheinigung am 13. März 2013) beschäftigt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte die erfolgreiche Vermittlung auch innerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins. Maßgeblich ist nach Auffassung des Senats insofern die im Vermittlungsgutschein unter dem Punkt Förderzusicherung angegebene "Gültigkeitsdauer des Gutscheins vom 20. Dezember 2012 bis zum 20. März 2013". Innerhalb dieser Gültigkeitsdauer erfolgten sowohl die Vermittlungstätigkeit des Klägers als auch der Abschluss des Arbeitsvertrages der Beigeladenen mit der Firma G. GmbH und auch die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung am 24. Januar 2013. Dem steht nach Auffassung des Senats nicht die in den Vermittlungsgutschein aufgenommene Nebenbestimmung bzw. Regelung zur zeitlichen Befristung der Zusicherung entgegen, wonach die Gültigkeitsdauer mit Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld endet. Der Vermittlungsgutschein entfaltet rechtliche Wirkungen im Verhältnis der Beigeladenen zur Beklagten. In diesem Verhältnis weist der Vermittlungsgutschein Merkmale eines Verwaltungsaktes auf, denn es wird verbindlich festgestellt, dass die für die Erteilung erforderlichen Förderungsvoraussetzungen vorliegen und es wird zudem eine verbindliche Förderzusage erteilt (Hassel in Brand, SGB III, 6. Auflage, § 45 Rdn. 22). Gegenstand des Vermittlungsgutscheins war auch die Nebenbestimmung, wonach die Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins mit Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld endet. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer Bestimmung erlassen werden, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses (Bedingung) abhängt. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass eine solche Bestimmung nicht an den gewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses anknüpfen darf. Übertragen auf den konkreten Fall bedeutet dies, dass die Beklagte, der das Ende des Anspruchs der Beigeladenen auf Arbeitslosengeld am 13. Januar 2013 schon bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 19. November 2012 bekannt war, dieses Ende bereits bei der von ihr ausdrücklich in der Förderzusage datumsmäßig bestimmten Gültigkeitsdauer und nicht in einer Nebenbestimmung hätte berücksichtigen dürfen. Dies begründet keine Nichtigkeit der Nebenbestimmung und führt auch nicht zu deren Unwirksamkeit, schon weil die Beigeladene die Regelungen des ihr ausgestellten Vermittlungsgutscheins nicht angefochten hat. Der sich aus § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X ergebende Grundgedanke ist aber bei der Auslegung der Nebenbestimmung zu beachten. Danach sollte die Bestimmung, wonach die Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins mit einer Arbeitsaufnahme durch die Beigeladene endet, nur Fälle erfassen, deren Eintritt bei Ausstellung des Vermittlungsgutscheins noch nicht feststand (etwa eine Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlagen). Das bereits bekannte Anspruchsende durch Ausschöpfen der gesetzlichen Anspruchsdauer hätte die Beklagte bei der bezifferten Angabe der Gültigkeitsdauer im Vermittlungsgutschein berücksichtigen müssen. Dass sie dies nicht getan hat, kann sie nicht durch eine nicht der Gesetzeslage entsprechende Auslegung der angesprochenen Nebenbestimmung "heilen". Die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung der Nebenbestimmung gilt sowohl im Verhältnis der Beklagten zur Beigeladenen als auch zum Kläger. Der Kläger konnte sich auf die datumsmäßige Angabe zur Gültigkeitsdauer in der Förderzusicherung verlassen. Dass die Beklagte ggf. einen Vermittlungsgutschein mit dieser Gültigkeitsdauer nicht hätte ausstellen dürfen, ist unbeachtlich.

Somit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auszahlung der Vermittlungsver-gütung in Höhe von 1.000,00 EUR vor. Entgegen der Auffassung des SG ist die Auszahlung nicht von einer im Ermessen der Beklagten stehenden Entscheidung hierüber abhängig. Dies ergibt sich auch nicht aus § 45 Abs. 6 Satz 2 SGB III, wonach für die Vermittlungsvergütung § 83 Abs. 2 SGB III entsprechend gilt. Nach § 83 Abs. 2 SGB III können Leistungen unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlt werden, wenn Kosten bei dem Träger unmittelbar entstehen. Die Anordnung der entsprechenden Anwendung könnte bedeuten, dass es im Ermessen der Beklagten steht, ob sie die Vermittlungsvergütung an den Kläger als Träger auszahlt. Hierbei ist aber zu beachten, dass nach wie vor die Ausführungen zutreffend sind, die das BSG zur alten Rechtslage gemacht hat, weil sich an der Interessenlage und auch an der rechtlichen Grundkonstruktion in der Sache nicht geändert hat: Dass einerseits der Vermittlungsmakler seinen privatrechtlichen Anspruch gegen den Vermittelten nicht durchsetzen kann (im Hinblick auf die Stundungsreglung im § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III), anderseits an die Stelle dieses privatrechtlichen Anspruchs eine Verpflichtung zur unmittelbaren Zahlung an den Vermittlungsmakler tritt, lässt nur den Schluss zu, dass der Vermittler selbst Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs werden muss (BSG, Urteil vom 6. April 2006, B 7a AL 56/05, zitiert nach juris, Rn. 15). Auch wenn nach der neuen Rechtslage die Zahlung unmittelbar an den Träger im Ermessen der Beklagten steht, muss es bei der Zuordnung des Zahlungsanspruch als eigenem Anspruch des Trägers bleiben, weil nur dann die Nichtdurchsetzbarkeit des zivilrechtlichen Anspruchs gegenüber dem Vertragspartner gerechtfertigt ist. Diese rechtliche Bedeutung des Zahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten erfordert es dann aber auch, bei der entsprechenden Anwendung des § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB III eine Ermessensreduktion dergestalt anzunehmen, dass typischerweise an den Arbeitsvermittler ausgezahlt wird (so überzeugend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016, L 32 AS 846/15, zitiert nach juris, Rn. 62). Dies bedeutet, dass die Beklagte nur dann von einer direkten Zahlung an den privaten Arbeitsvermittler absehen kann, wenn eine ganz besondere atypische Fallgestaltung vorliegt. Eine solche ist im konkreten Fall nicht gegeben, so dass die Beklagte nicht von der unmittelbaren Zahlung an den Kläger absehen kann. Insofern ist dies Beklagte antragsgemäß zur Leistung zu verpflichten.

Eine Verzinsung des Anspruchs des Klägers kommt nicht in Betracht. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I). Diese Vorschrift gilt für Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldanspruchs bestehen. Der Anspruch des Klägers auf die Vermittlungsvergütung betrifft keine Sozialleistungen. Es handelt sich um den Anspruch des Klägers auf die Vermittlungsvergütung dem Grunde nach um einen zivilrechtlichen Anspruch für seine Vermittlungstätigkeit. Daran ändert sich nicht dadurch, dass dieser Anspruch gegenüber seinem Vertragspartner aufgrund der Vorlage des Vermittlungsgutscheins gemäß § 296 Abs. 4 SGB III dauerhaft gestundet ist und der Vermittler "als Kompensation" für diese Stundung einen unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Zah-lungsanspruch gegen die Beklagte nach § 45 Abs. 6 SGB III hat. Es besteht gleichfalls kein Anspruch des Klägers auf Verzugs- oder Prozesszinsen aufgrund der direkten oder entspre-chenden Anwendung der §§ 288, 280, 286 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch. Diese Ansprüche finden Anwendung auf zivilrechtliche Rechtsverhältnisse. Ein solches liegt aber zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht vor (vgl. zum Ganzen ausführlich Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2010, L 1 AL 204/09, zitiert nach juris, Rn. 26 ff.). Der Senat sieht hierin auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Das Geschäftsmodell der wirtschaftlichen Betätigung des Klägers als privater Arbeitsvermittler beruhte im Wesentlichen daran, für Arbeitnehmer mit Vermittlungsgutschein tätig zu sein. Damit wurde dem Kläger ein Kundenkreis eröffnet, der bei eigener Kostentragung wohl keinen privaten Arbeitsvermittler aufgesucht hätte. Mit dem Zahlungsanspruch gegen die Beklagte trug der Kläger auch nicht das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit oder rein wirtschaftlich begründeten Zahlungsunwilligkeit seiner Kunden. Es ist deshalb nicht unbillig, wenn im besonderen Rechtsverhältnis zur Beklagten kein Verzinsungsanspruch besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsord-nung (VwGO). Der Kläger ist keine Leistungsempfänger im Sinne des § 183 SGG. Es kann insofern auf die obigen Ausführungen zur Rechtsnatur der Vermittlungsvergütung verwiesen werden. Die Kostentragung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie erfolglos das Rechts-mittel der Berufung eingelegt hat. Dass der Kläger mit seiner Berufung hinsichtlich des Zinsanspruchs keinen Erfolg hatte, fällt angesichts des Erfolgs seiner Berufung bezüglich der Hauptforderung nicht in Gewicht. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Der Senat sieht keine Veranlassung für eine Auferlegung nach § 162 Abs. 3 VwGO.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

Der Beschluss über die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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