Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 42 R 90326/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 262/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über ein Recht des Klägers auf Zulassung der Zahlung von Beiträgen nach § 197 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Der am ... 1959 geborene Kläger war bis Juli 2003 bei verschieden Arbeitgebern als Schweißer versicherungspflichtig beschäftigt. Der Versicherungsverlauf weist von Januar 1992 bis September 2003 für jeden Kalendermonat Pflichtbeitragszeiten aus. Der Kläger zahlte während seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 20. April 2009 - nach der Gewerbeanmeldung "Schweiß- und Schneidarbeiten, Hausmeistertätigkeiten, Einbau von genormten Fertigteilen" - bis zum 31. Dezember 2008 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (936,00 EUR für die Jahre 2004 bis 2006, 955,20 EUR für die Jahre 2007 und 2008). Am 5. Mai 2009 teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben unter diesem Datum mit, ihm sei aufgefallen, dass die Beitragszahlung für das Jahr 2008 am 31. März 2009 versehentlich mit einer falschen Kontonummer überwiesen worden sei. Es habe sich um ein Versehen gehandelt und er frage an, ob es noch möglich sei, "diesen Betrag nochmals zu überweisen". Beigefügt ist eine Rücküberweisung des Betrages von 955,20 EUR auf das Konto des Klägers am 3. April 2009. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 13. Mai 2009 mit, er sei berechtigt, die Beiträge für das Jahr 2008 nachzuzahlen.
Ab dem 17. September 2009 bezog der Kläger Arbeitslosengeld II mit der entsprechenden Abführung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bewilligung vorläufiger Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhalt erfolgte mit einem monatlichen Gesamtbetrag für den Kläger und dessen Ehefrau in Höhe von 1.002,47 EUR für Oktober 2009 bis März 2010 (Bescheid vom 5. November 2009) und in Höhe von 876,93 EUR für April bis September 2010 (Bescheid vom 11. März 2010).
Am 26. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Aufschub der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis zum 29. September 2009, weil er im April 2009 einen unverschuldeten Autounfall erlitten habe, seitdem arbeitsunfähig sei und im Streit mit einer Versicherung über den Verdienstausfall stehe. Bisher hoffe er dort auf eine gütliche Einigung. Um sein Recht zu erlangen, werde am 11. Mai 2010 eine Gerichtsverhandlung stattfinden. Im September 2009 habe er, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, "Grundsicherung" beantragt. Er behauptete, diese noch nicht erhalten zu haben. Nur "von dieser Grundsicherung" sei es ihm nicht möglich, noch die fehlenden Beiträge 2009 nachzuzahlen. Darum bitte er, "einen gewissen Zahlungsaufschub zu gewähren". Auf den Vordrucken für den Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 21. Mai 2010 gab der Kläger unter diesem Datum an, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. September 2009 die freiwilligen Beiträge auf Grund persönlicher Zahlungsunfähigkeit nicht gezahlt zu haben.
Der Vertragsarzt der Bundesagentur für Arbeit Dr. T. gab in seinem für die Agentur für Arbeit M. erstatteten Gutachten vom 26. April 2010 an, das Leistungsvermögen des Klägers sei voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer als aufgehoben zu betrachten. Bei diesem bestünden seit April 2009 chronische Funktions- und Belastungseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS). Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger eine unfallbedingte Verrenkung der HWS erlitten. Der Bescheid vom 3. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2012, mit dem die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf ein noch für Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausreichendes Leistungsvermögen des Klägers ablehnte, ist Gegenstand des mit Beschluss vom 28. Januar 2016 ausgesetzten Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt L 3 R 318/15.
Mit dem im vorliegenden Berufungsverfahren angefochtenen Bescheid vom 12. April 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine freiwillige Versicherung für das Jahr 2009 ab. Eine Zahlung nach dem 31. März des Jahres, das dem Jahr folge, für das die Beiträge gelten sollten, sei nur in Fällen einer besonderen Härte möglich, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert gewesen sei. Im Fall des Klägers liege ein Grund zur Unterbrechung der Fristen nach § 198 SGB VI nicht vor, sodass eine Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für das Jahr 2009 nicht zulässig sei.
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten zu sein. Durch das Nichtzahlen des ihm zustehenden Verdienstausfalles durch den B. Versicherungsverband (dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners) sei er an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne sein Verschulden gehindert gewesen. Der beigefügten Klageschrift aus dem Verfahren vor dem Landgericht Regensburg (6 O 77/19 (4)) gegen den B. Versicherungsverband vom 7. Januar 2010 ist als Vorbringen des Klägers zu entnehmen, der Haftpflichtversicherer habe vorgerichtlich die Reparaturkosten für die Instandsetzung des klägerischen Fahrzeuges in Höhe von 3.932,22 EUR, die vom Sachverständigen festgestellte Wertminderung in Höhe von 300,00 EUR, die Gutachterkosten, eine Auslagenpauschale in Höhe von 30,00 EUR, Zuzahlungskosten des Klägers in Höhe von 10,00 EUR, einen "Vorschuss Personenschaden" in Höhe von 1.000,00 EUR und 544,00 EUR der dem Kläger entstandenen Mietwagenkosten übernommen. Der Kläger habe aus seiner beruflichen Tätigkeit einen Bruttoumsatz im Jahr 2006 in Höhe von 63.835,00 EUR, im Jahr 2007 in Höhe von 67.956,00 EUR und im Jahr 2008 in Höhe von 60.592,00 EUR erzielt. Durchschnittlich habe er im Jahr vor dem Unfall 3.000,00 EUR pro Monat erwirtschaftet. Ein Anspruch auf Krankengeld habe nicht bestanden. Die wirtschaftliche Not habe dazu geführt, dass die Ehefrau ihr Fahrzeug bei einem Pfandkredithaus verpfändet habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 als unbegründet zurück. Die Möglichkeit zur wirksamen Zahlung der Beiträge für Januar bis August 2009 habe bis zum 31. März 2010 bestanden. Eine spätere Zahlung der Beiträge nach § 197 Abs. 3 SGB VI sei nur dann zuzulassen, wenn der Versicherte an der Nichtzahlung der Beiträge schuldlos gewesen sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Im Bescheid vom 15. April 2004 über die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung sei der Kläger über die Zahlungsfristen informiert worden.
Mit seiner am 13. August 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden durch den von ihm nicht verursachten Autounfall gehindert gewesen. Er sei weiterhin arbeitslos und lebe von Sozialgeld. Über finanzielle Rücklagen verfüge er nicht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2015 abgewiesen. Es werde gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides voll und ganz der Rechtslage entspreche. Neue entscheidungserhebliche Beweismittel habe der Kläger nicht vorgelegt. Dieser sei nicht gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI zur nachträglichen Beitragszahlung zuzulassen gewesen, da bei ihm eine Härte im Sinne von § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - auch unter dem Gesichtspunkt einer wegen der Lücke nicht gewahrten Anwartschaft auf Rente wegen Erwerbsminderung (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 RA 4/01 R -, juris) - nicht vorliege. Der Kläger sei an der rechtzeitigen Beitragszahlung nicht ohne Verschulden gehindert gewesen. Zum einen sei bereits keine Beitragszahlung für Januar bis März 2009 erfolgt, obwohl in diesem Zeitraum keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Zum anderen habe der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen, dass er für die streitgegenständliche Beitragszeit keine finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt habe. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seien ihm erst ab dem 17. September 2009 bewilligt worden. Ferner müsse der Antrag auf Aufschub innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Hier sei der Antrag erst elf Monate nach dem Verkehrsunfall erfolgt.
Der Kläger hat gegen den ihm am 3. Juni 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. Juni 2015 Berufung bei dem LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat das Rechtsmittel mit seinem am 9. November 2015 bei dem Senat eingegangenen Schriftsatz begründet. Seiner Auffassung nach seien die Beiträge für das Jahr 2009 erst im März 2010 fällig geworden. Erst Ende März 2010 sei ihm bewusst geworden, dass er die Beitragszahlungen für das vorausgegangene Jahr nicht habe leisten können. Es habe für ihn im gesamten Jahr 2009 die Aussicht auf Besserung seines Gesundheitszustands und Wiederaufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit bestanden. Es habe auch während des gesamten Verlaufs der Heilung die Hoffnung darauf bestanden, die Beiträge für das Jahr 2009 aus eigenen finanziellen Mitteln entrichten zu können. Er habe von Mai bis September 2009 neben der Hoffnung auf Genesung auch noch über Ersparnisse verfügt und deshalb keine Leistungen nach dem SGB II beantragt. Diese Geldmittel habe er von April bis September 2009 verbraucht. Er hat Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin-Chirotherapie Dr. W. vom 21. und 23. April 2009 für die Zeit vom 21. bis zum 30. April 2009 (Diagnose S13.4 V) und von der Praktischen Ärztin/Allergologie A. vom 29. April 2009 und 9. Oktober 2015 für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 9. Oktober 2015 (Diagnose S13.4 G) vorgelegt. Im Übrigen wird zur Glaubhaftmachung eines Verbrauchs der Ersparnisse auf die Kopie von Kontoauszügen für zwei Girokonten mit Abschlusssalden am 30. April 2009 von 435,17 EUR und -520,68 EUR und am 30. September 2009 von 337,81 EUR und 170,49 EUR verwiesen. Bezüglich der vorgelegten Unterlagen wird im Übrigen auf Blatt 84 bis 88 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kläger hat darüber hinaus auf beizuziehende Akten des Jobcenters Bezug genommen. Darin fänden sich "Belege zum Beweis der Tatsache, dass er nach dem unverschuldeten Unfall und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ab 21.04.2009 für die Beitragszahlung keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen".
Der Kläger beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zur Entrichtung freiwilliger Beiträge ab dem 1. Januar 2009 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus dem vorliegenden Verfahren und aus dem Verfahren L 3 R 318/15 und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Monate Januar bis August 2009.
Nach § 197 Abs. 3 SGB VI ist auf Antrag des Versicherten in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift genannten Fristen zuzulassen, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war (Satz 1). Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden (Satz 2). Die Beitragszahlung hat binnen einer vom Träger der Rentenversicherung zu bestimmenden angemessenen Frist zu erfolgen (Satz 3).
Der Kläger hat die hier maßgebenden freiwilligen Beiträge zur Aufrechterhaltung seiner Versicherung nicht innerhalb der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Fristen geleistet. Nach Absatz 1 der Vorschrift sind Pflichtbeiträge auch wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Freiwillige Beiträge sind nach Absatz 2 der Vorschrift wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden. Der Kläger hat bis zum 31. März 2010 (Mittwoch) die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung für Januar bis August 2009 im vorliegenden Fall unstreitig nicht gezahlt.
Der Kläger geht bereits insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen aus, als er meint, die hier streitgegenständlichen freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung seien am 31. März 2010 fällig geworden. Freiwillige Beiträge sind nicht geschuldet und werden damit nicht fällig (vgl. z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, 3. Aufl. 2014, § 197 RdNr. 4). Der 31. März des Folgejahres des Beitragsjahres ist vielmehr eine Ausschlussfrist für die Beitragszahlung. Der Kläger hätte damit ohne Beanstandung für den jeweiligen Beitragsmonat im Beitragsmonat die Beiträge wirksam entrichten können.
Eine besondere Härte für den Kläger im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI ist zumindest nicht ausgeschlossen, weil dem Kläger auf Grund der nicht mit Beiträgen belegten Monate von Januar bis August 2009 die Regelung in § 241 Abs. 2 SGB VI nicht mehr zur Seite stünde. Insoweit ergibt sich auf Grund der von der Beklagten genannten Regelung in § 198 Satz 1 SGB VI nichts anderes. Denn die Ausnahmevorschrift in § 197 Abs. 3 SGB VI kann nicht durch die Regelung in § 198 Satz 1 SGB VI erweitert werden (vgl. Mutschler in JurisPraxiskommentar SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 198 RdNr. 35). Bei einer anderen Betrachtung würde jeder vor Ablauf der Frist zur Entrichtung der freiwilligen Beiträge gestellte Antrag auf Zulassung der Beitragszahlung nach § 197 Abs. 3 SGB VI gleichzeitig die Zahlungspflicht aussetzen, bis das Verfahren über die Zulassung gegebenenfalls nach dem Durchlaufen mehrerer Rechtszüge beendet ist. Diese Auslegung würde dem Verständnis des § 197 Abs. 2 SGB VI als Regelung einer Ausschlussfrist die Grundlage entziehen.
Für den Senat ist hier bereits ein Hindernis an der Beitragszahlung nicht erkennbar.
Der Beitrag zur Rentenversicherung kann zwischen dem Höchst- und dem Mindestbeitrag frei gewählt werden (§ 161 Abs. 2 SGB VI). Der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage betrug für die freiwillig Versicherten von April 2003 bis Dezember 2012 400,00 EUR (§ 167 SGB VI in der Fassung des Art. 4 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I, S. 4621). Das Produkt mit dem im Jahr 2009 maßgebenden Beitragssatz der Rentenversicherung von 19,90 Prozent (§ 157 SGB VI) ergibt für das Jahr 2009 den Mindestbeitrag von monatlich 79,60 EUR, sodass der Kläger für die Monate Januar bis August 2009 insgesamt 636,80 EUR aufbringen musste, um seinen Versicherungsschutz wie in den Vorjahren weiterzuführen.
Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht gehindert gewesen wäre, die Beiträge für Januar bis März 2009 im jeweiligen Monat, für den die Beiträge gelten sollten, zu zahlen. Für den Monat April 2009 gilt dasselbe. Der Kläger selbst hat vorgetragen, bis September 2009 nicht auf Sozialleistungen zur Absicherung seines Lebensunterhalts angewiesen gewesen zu sein. Ein Vorrang der Befriedigung anderer Bedarfe vor der Erfüllung der Beitragszahlung lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Vielmehr erkennt insbesondere das SGB II die Aufrechterhaltung eines Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Rentenversicherung als wichtigen Belang des Hilfebedürftigen an, dem u.a. bei der Berechnung des Einkommens (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b SGB II) Rechnung getragen wird. Auch eine Hinderung des Klägers, auch für die Monate Mai bis August 2009 weitere freiwillige Beiträge in Höhe von insgesamt 318,40 EUR zu zahlen, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der von dem Kläger für den 30. September 2009 vorgetragene Saldo des mit seiner Ehefrau geführten Kontos in Höhe von 508,30 EUR übersteigt diesen Betrag deutlich.
Der Senat kann seine Entscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen treffen, da die von dem Kläger angeführten Belege "zum Beweis der Tatsache, dass er nach dem unverschuldeten Unfall und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ab 21. April 2009 für die Beitragszahlung keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen" nicht konkret bezeichnet sind. Da die Anregung mit einer rechtlichen Wertung verknüpft ist, ist der Senat im Rahmen seiner Neutralität nicht verpflichtet, hier eine Auswahl zu treffen, welche Unterlagen der Kläger meinen könnte. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Akten eines Jobcenters vollständige Angaben zu Einkommen und Vermögen aus einem weit vor dem Leistungsantrag (hier nach Angaben des Klägers im September 2009) liegenden Zeitraum zu entnehmen sind.
Für das Verschulden im Rahmen des § 197 Abs. 3 SGB VI genügt bereits eine einfache Fahrlässigkeit (vgl. z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 5). Soweit der Kläger sich vor dem 31. März 2010 keine Gedanken über die Problematik der Zahlung der freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung gemacht haben sollte, träfe ihn zumindest ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit. Die nach Maßgabe der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien allein zu berücksichtigenden Bescheinigungen von Dr. W. vom 21. und 23. April 2009 und von Frau A. vom 29. April 2009 weisen die Diagnose S13.4 V bzw. S13.4 G aus. Der Verdacht auf eine Verstauchung und Zerrung der HWS oder die entsprechende gesicherte Diagnose lassen nicht erkennen, aus welchem Grund der Kläger sich nicht weit vor Ablauf der Frist zur Beitragsentrichtung um die Beschaffung der notwendigen Mittel bemüht hat.
Im Übrigen hätte die Beklagte dem Kläger nur eine zeitlich bestimmte Frist zur Nachzahlung der Beiträge setzen können (vgl. Mutschler, JurisPraxiskommentar zum SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 45). Der Kläger hat hierzu vorgetragen, bis zum 9. Oktober 2015 weiterhin fortlaufend arbeitsunfähig gewesen zu sein. Er hat auch keine Angaben zu einer positiven Einkommensentwicklung nach dem 31. März 2010 gemacht, sondern auf seine weitere Mittellosigkeit verwiesen.
Da der Kläger bereits im Mai 2009 eine Nachzahlung der Beiträge für das Jahr 2008 beantragt und in Anspruch genommen hat, kann er sich auch nicht auf eine unzureichende Aufklärung als Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berufen (vgl. zum Verhältnis von § 197 Abs. 3 SGB VI zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über ein Recht des Klägers auf Zulassung der Zahlung von Beiträgen nach § 197 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Der am ... 1959 geborene Kläger war bis Juli 2003 bei verschieden Arbeitgebern als Schweißer versicherungspflichtig beschäftigt. Der Versicherungsverlauf weist von Januar 1992 bis September 2003 für jeden Kalendermonat Pflichtbeitragszeiten aus. Der Kläger zahlte während seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 20. April 2009 - nach der Gewerbeanmeldung "Schweiß- und Schneidarbeiten, Hausmeistertätigkeiten, Einbau von genormten Fertigteilen" - bis zum 31. Dezember 2008 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (936,00 EUR für die Jahre 2004 bis 2006, 955,20 EUR für die Jahre 2007 und 2008). Am 5. Mai 2009 teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben unter diesem Datum mit, ihm sei aufgefallen, dass die Beitragszahlung für das Jahr 2008 am 31. März 2009 versehentlich mit einer falschen Kontonummer überwiesen worden sei. Es habe sich um ein Versehen gehandelt und er frage an, ob es noch möglich sei, "diesen Betrag nochmals zu überweisen". Beigefügt ist eine Rücküberweisung des Betrages von 955,20 EUR auf das Konto des Klägers am 3. April 2009. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 13. Mai 2009 mit, er sei berechtigt, die Beiträge für das Jahr 2008 nachzuzahlen.
Ab dem 17. September 2009 bezog der Kläger Arbeitslosengeld II mit der entsprechenden Abführung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bewilligung vorläufiger Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhalt erfolgte mit einem monatlichen Gesamtbetrag für den Kläger und dessen Ehefrau in Höhe von 1.002,47 EUR für Oktober 2009 bis März 2010 (Bescheid vom 5. November 2009) und in Höhe von 876,93 EUR für April bis September 2010 (Bescheid vom 11. März 2010).
Am 26. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Aufschub der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis zum 29. September 2009, weil er im April 2009 einen unverschuldeten Autounfall erlitten habe, seitdem arbeitsunfähig sei und im Streit mit einer Versicherung über den Verdienstausfall stehe. Bisher hoffe er dort auf eine gütliche Einigung. Um sein Recht zu erlangen, werde am 11. Mai 2010 eine Gerichtsverhandlung stattfinden. Im September 2009 habe er, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, "Grundsicherung" beantragt. Er behauptete, diese noch nicht erhalten zu haben. Nur "von dieser Grundsicherung" sei es ihm nicht möglich, noch die fehlenden Beiträge 2009 nachzuzahlen. Darum bitte er, "einen gewissen Zahlungsaufschub zu gewähren". Auf den Vordrucken für den Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 21. Mai 2010 gab der Kläger unter diesem Datum an, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 28. September 2009 die freiwilligen Beiträge auf Grund persönlicher Zahlungsunfähigkeit nicht gezahlt zu haben.
Der Vertragsarzt der Bundesagentur für Arbeit Dr. T. gab in seinem für die Agentur für Arbeit M. erstatteten Gutachten vom 26. April 2010 an, das Leistungsvermögen des Klägers sei voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer als aufgehoben zu betrachten. Bei diesem bestünden seit April 2009 chronische Funktions- und Belastungseinschränkungen der Halswirbelsäule (HWS). Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger eine unfallbedingte Verrenkung der HWS erlitten. Der Bescheid vom 3. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2012, mit dem die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf ein noch für Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausreichendes Leistungsvermögen des Klägers ablehnte, ist Gegenstand des mit Beschluss vom 28. Januar 2016 ausgesetzten Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt L 3 R 318/15.
Mit dem im vorliegenden Berufungsverfahren angefochtenen Bescheid vom 12. April 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine freiwillige Versicherung für das Jahr 2009 ab. Eine Zahlung nach dem 31. März des Jahres, das dem Jahr folge, für das die Beiträge gelten sollten, sei nur in Fällen einer besonderen Härte möglich, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert gewesen sei. Im Fall des Klägers liege ein Grund zur Unterbrechung der Fristen nach § 198 SGB VI nicht vor, sodass eine Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für das Jahr 2009 nicht zulässig sei.
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten zu sein. Durch das Nichtzahlen des ihm zustehenden Verdienstausfalles durch den B. Versicherungsverband (dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners) sei er an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne sein Verschulden gehindert gewesen. Der beigefügten Klageschrift aus dem Verfahren vor dem Landgericht Regensburg (6 O 77/19 (4)) gegen den B. Versicherungsverband vom 7. Januar 2010 ist als Vorbringen des Klägers zu entnehmen, der Haftpflichtversicherer habe vorgerichtlich die Reparaturkosten für die Instandsetzung des klägerischen Fahrzeuges in Höhe von 3.932,22 EUR, die vom Sachverständigen festgestellte Wertminderung in Höhe von 300,00 EUR, die Gutachterkosten, eine Auslagenpauschale in Höhe von 30,00 EUR, Zuzahlungskosten des Klägers in Höhe von 10,00 EUR, einen "Vorschuss Personenschaden" in Höhe von 1.000,00 EUR und 544,00 EUR der dem Kläger entstandenen Mietwagenkosten übernommen. Der Kläger habe aus seiner beruflichen Tätigkeit einen Bruttoumsatz im Jahr 2006 in Höhe von 63.835,00 EUR, im Jahr 2007 in Höhe von 67.956,00 EUR und im Jahr 2008 in Höhe von 60.592,00 EUR erzielt. Durchschnittlich habe er im Jahr vor dem Unfall 3.000,00 EUR pro Monat erwirtschaftet. Ein Anspruch auf Krankengeld habe nicht bestanden. Die wirtschaftliche Not habe dazu geführt, dass die Ehefrau ihr Fahrzeug bei einem Pfandkredithaus verpfändet habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 als unbegründet zurück. Die Möglichkeit zur wirksamen Zahlung der Beiträge für Januar bis August 2009 habe bis zum 31. März 2010 bestanden. Eine spätere Zahlung der Beiträge nach § 197 Abs. 3 SGB VI sei nur dann zuzulassen, wenn der Versicherte an der Nichtzahlung der Beiträge schuldlos gewesen sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Im Bescheid vom 15. April 2004 über die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung sei der Kläger über die Zahlungsfristen informiert worden.
Mit seiner am 13. August 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden durch den von ihm nicht verursachten Autounfall gehindert gewesen. Er sei weiterhin arbeitslos und lebe von Sozialgeld. Über finanzielle Rücklagen verfüge er nicht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2015 abgewiesen. Es werde gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides voll und ganz der Rechtslage entspreche. Neue entscheidungserhebliche Beweismittel habe der Kläger nicht vorgelegt. Dieser sei nicht gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI zur nachträglichen Beitragszahlung zuzulassen gewesen, da bei ihm eine Härte im Sinne von § 197 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - auch unter dem Gesichtspunkt einer wegen der Lücke nicht gewahrten Anwartschaft auf Rente wegen Erwerbsminderung (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 RA 4/01 R -, juris) - nicht vorliege. Der Kläger sei an der rechtzeitigen Beitragszahlung nicht ohne Verschulden gehindert gewesen. Zum einen sei bereits keine Beitragszahlung für Januar bis März 2009 erfolgt, obwohl in diesem Zeitraum keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Zum anderen habe der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen, dass er für die streitgegenständliche Beitragszeit keine finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt habe. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seien ihm erst ab dem 17. September 2009 bewilligt worden. Ferner müsse der Antrag auf Aufschub innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Hier sei der Antrag erst elf Monate nach dem Verkehrsunfall erfolgt.
Der Kläger hat gegen den ihm am 3. Juni 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. Juni 2015 Berufung bei dem LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat das Rechtsmittel mit seinem am 9. November 2015 bei dem Senat eingegangenen Schriftsatz begründet. Seiner Auffassung nach seien die Beiträge für das Jahr 2009 erst im März 2010 fällig geworden. Erst Ende März 2010 sei ihm bewusst geworden, dass er die Beitragszahlungen für das vorausgegangene Jahr nicht habe leisten können. Es habe für ihn im gesamten Jahr 2009 die Aussicht auf Besserung seines Gesundheitszustands und Wiederaufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit bestanden. Es habe auch während des gesamten Verlaufs der Heilung die Hoffnung darauf bestanden, die Beiträge für das Jahr 2009 aus eigenen finanziellen Mitteln entrichten zu können. Er habe von Mai bis September 2009 neben der Hoffnung auf Genesung auch noch über Ersparnisse verfügt und deshalb keine Leistungen nach dem SGB II beantragt. Diese Geldmittel habe er von April bis September 2009 verbraucht. Er hat Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin-Chirotherapie Dr. W. vom 21. und 23. April 2009 für die Zeit vom 21. bis zum 30. April 2009 (Diagnose S13.4 V) und von der Praktischen Ärztin/Allergologie A. vom 29. April 2009 und 9. Oktober 2015 für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 9. Oktober 2015 (Diagnose S13.4 G) vorgelegt. Im Übrigen wird zur Glaubhaftmachung eines Verbrauchs der Ersparnisse auf die Kopie von Kontoauszügen für zwei Girokonten mit Abschlusssalden am 30. April 2009 von 435,17 EUR und -520,68 EUR und am 30. September 2009 von 337,81 EUR und 170,49 EUR verwiesen. Bezüglich der vorgelegten Unterlagen wird im Übrigen auf Blatt 84 bis 88 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kläger hat darüber hinaus auf beizuziehende Akten des Jobcenters Bezug genommen. Darin fänden sich "Belege zum Beweis der Tatsache, dass er nach dem unverschuldeten Unfall und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ab 21.04.2009 für die Beitragszahlung keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen".
Der Kläger beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zur Entrichtung freiwilliger Beiträge ab dem 1. Januar 2009 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus dem vorliegenden Verfahren und aus dem Verfahren L 3 R 318/15 und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Monate Januar bis August 2009.
Nach § 197 Abs. 3 SGB VI ist auf Antrag des Versicherten in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift genannten Fristen zuzulassen, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war (Satz 1). Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden (Satz 2). Die Beitragszahlung hat binnen einer vom Träger der Rentenversicherung zu bestimmenden angemessenen Frist zu erfolgen (Satz 3).
Der Kläger hat die hier maßgebenden freiwilligen Beiträge zur Aufrechterhaltung seiner Versicherung nicht innerhalb der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Fristen geleistet. Nach Absatz 1 der Vorschrift sind Pflichtbeiträge auch wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Freiwillige Beiträge sind nach Absatz 2 der Vorschrift wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden. Der Kläger hat bis zum 31. März 2010 (Mittwoch) die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung für Januar bis August 2009 im vorliegenden Fall unstreitig nicht gezahlt.
Der Kläger geht bereits insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen aus, als er meint, die hier streitgegenständlichen freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung seien am 31. März 2010 fällig geworden. Freiwillige Beiträge sind nicht geschuldet und werden damit nicht fällig (vgl. z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, 3. Aufl. 2014, § 197 RdNr. 4). Der 31. März des Folgejahres des Beitragsjahres ist vielmehr eine Ausschlussfrist für die Beitragszahlung. Der Kläger hätte damit ohne Beanstandung für den jeweiligen Beitragsmonat im Beitragsmonat die Beiträge wirksam entrichten können.
Eine besondere Härte für den Kläger im Sinne des § 197 Abs. 3 SGB VI ist zumindest nicht ausgeschlossen, weil dem Kläger auf Grund der nicht mit Beiträgen belegten Monate von Januar bis August 2009 die Regelung in § 241 Abs. 2 SGB VI nicht mehr zur Seite stünde. Insoweit ergibt sich auf Grund der von der Beklagten genannten Regelung in § 198 Satz 1 SGB VI nichts anderes. Denn die Ausnahmevorschrift in § 197 Abs. 3 SGB VI kann nicht durch die Regelung in § 198 Satz 1 SGB VI erweitert werden (vgl. Mutschler in JurisPraxiskommentar SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 198 RdNr. 35). Bei einer anderen Betrachtung würde jeder vor Ablauf der Frist zur Entrichtung der freiwilligen Beiträge gestellte Antrag auf Zulassung der Beitragszahlung nach § 197 Abs. 3 SGB VI gleichzeitig die Zahlungspflicht aussetzen, bis das Verfahren über die Zulassung gegebenenfalls nach dem Durchlaufen mehrerer Rechtszüge beendet ist. Diese Auslegung würde dem Verständnis des § 197 Abs. 2 SGB VI als Regelung einer Ausschlussfrist die Grundlage entziehen.
Für den Senat ist hier bereits ein Hindernis an der Beitragszahlung nicht erkennbar.
Der Beitrag zur Rentenversicherung kann zwischen dem Höchst- und dem Mindestbeitrag frei gewählt werden (§ 161 Abs. 2 SGB VI). Der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage betrug für die freiwillig Versicherten von April 2003 bis Dezember 2012 400,00 EUR (§ 167 SGB VI in der Fassung des Art. 4 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I, S. 4621). Das Produkt mit dem im Jahr 2009 maßgebenden Beitragssatz der Rentenversicherung von 19,90 Prozent (§ 157 SGB VI) ergibt für das Jahr 2009 den Mindestbeitrag von monatlich 79,60 EUR, sodass der Kläger für die Monate Januar bis August 2009 insgesamt 636,80 EUR aufbringen musste, um seinen Versicherungsschutz wie in den Vorjahren weiterzuführen.
Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht gehindert gewesen wäre, die Beiträge für Januar bis März 2009 im jeweiligen Monat, für den die Beiträge gelten sollten, zu zahlen. Für den Monat April 2009 gilt dasselbe. Der Kläger selbst hat vorgetragen, bis September 2009 nicht auf Sozialleistungen zur Absicherung seines Lebensunterhalts angewiesen gewesen zu sein. Ein Vorrang der Befriedigung anderer Bedarfe vor der Erfüllung der Beitragszahlung lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Vielmehr erkennt insbesondere das SGB II die Aufrechterhaltung eines Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Rentenversicherung als wichtigen Belang des Hilfebedürftigen an, dem u.a. bei der Berechnung des Einkommens (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b SGB II) Rechnung getragen wird. Auch eine Hinderung des Klägers, auch für die Monate Mai bis August 2009 weitere freiwillige Beiträge in Höhe von insgesamt 318,40 EUR zu zahlen, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der von dem Kläger für den 30. September 2009 vorgetragene Saldo des mit seiner Ehefrau geführten Kontos in Höhe von 508,30 EUR übersteigt diesen Betrag deutlich.
Der Senat kann seine Entscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen treffen, da die von dem Kläger angeführten Belege "zum Beweis der Tatsache, dass er nach dem unverschuldeten Unfall und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ab 21. April 2009 für die Beitragszahlung keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen" nicht konkret bezeichnet sind. Da die Anregung mit einer rechtlichen Wertung verknüpft ist, ist der Senat im Rahmen seiner Neutralität nicht verpflichtet, hier eine Auswahl zu treffen, welche Unterlagen der Kläger meinen könnte. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Akten eines Jobcenters vollständige Angaben zu Einkommen und Vermögen aus einem weit vor dem Leistungsantrag (hier nach Angaben des Klägers im September 2009) liegenden Zeitraum zu entnehmen sind.
Für das Verschulden im Rahmen des § 197 Abs. 3 SGB VI genügt bereits eine einfache Fahrlässigkeit (vgl. z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 5). Soweit der Kläger sich vor dem 31. März 2010 keine Gedanken über die Problematik der Zahlung der freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung gemacht haben sollte, träfe ihn zumindest ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit. Die nach Maßgabe der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien allein zu berücksichtigenden Bescheinigungen von Dr. W. vom 21. und 23. April 2009 und von Frau A. vom 29. April 2009 weisen die Diagnose S13.4 V bzw. S13.4 G aus. Der Verdacht auf eine Verstauchung und Zerrung der HWS oder die entsprechende gesicherte Diagnose lassen nicht erkennen, aus welchem Grund der Kläger sich nicht weit vor Ablauf der Frist zur Beitragsentrichtung um die Beschaffung der notwendigen Mittel bemüht hat.
Im Übrigen hätte die Beklagte dem Kläger nur eine zeitlich bestimmte Frist zur Nachzahlung der Beiträge setzen können (vgl. Mutschler, JurisPraxiskommentar zum SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 45). Der Kläger hat hierzu vorgetragen, bis zum 9. Oktober 2015 weiterhin fortlaufend arbeitsunfähig gewesen zu sein. Er hat auch keine Angaben zu einer positiven Einkommensentwicklung nach dem 31. März 2010 gemacht, sondern auf seine weitere Mittellosigkeit verwiesen.
Da der Kläger bereits im Mai 2009 eine Nachzahlung der Beiträge für das Jahr 2008 beantragt und in Anspruch genommen hat, kann er sich auch nicht auf eine unzureichende Aufklärung als Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berufen (vgl. zum Verhältnis von § 197 Abs. 3 SGB VI zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch z.B. Reinhardt in LPK-SGB VI, a.a.O., § 197 RdNr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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