S 12 KA 1416/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1416/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es ist kein zwingender Rechtssatz erkennbar, wonach eine zusätzliche Gesamtvergütung für psychotherapeutische Leistungen für das Jahr 2004 zur – steigerungsfähigen – Erhöhung des Sockelbetrages der Gesamtvergütung als Ausgangsbasis des Jahres 2005 führen muss.
Eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen ist nur in Ausnahmefällen möglich. Andere als im Gesetz ausdrücklich genannte Leistungen dürfen nicht aus der Berechnung der Gesamtvergütung herausgenommen werden.
2. Aus der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des am 01.04.2005 in Kraft getretenen EBM 2000 plus mit der Basis eines Punktwertes von 5,11 Cent folgt nicht, dass dieser Punktwert für alle oder für bestimmte Leistungen bei Festsetzung der Gesamtvergütung zu veranschlagen ist.
1. Der Beschluss vom 05.10.2005 wird insoweit aufgehoben, als der weitergehende Antrag der Klägerin vom 12.08.2005 abgelehnt wurde.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die von der beigeladenen Krankenkasse zu entrichtende Gesamtvergütung für das Jahr 20052005 und die Höhe der Mehraufwendungen aufgrund des Beschlusses des Bewertungsausschusses für zeitbezogene genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen gem. Abschnitt G IV EBM für das 2. Halbjahr 2004.

Die Klägerin beantragte unter Datum vom 12.08.2005 nach Scheitern der Vertragsverhandlungen mit der Beigeladenen bei dem Beklagten eine Entscheidung. Sie legte einen Vertragsentwurf vor und beantragte insbesondere den pauschalierten/budgetierten Teil der Gesamtvergütung um die nach § 71 Abs. 3 SGB V festgestellte Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen je Mitglied im Jahre 2005 (+0,38 %) zu erhöhen, die Vergütung für Leistungen des Ambulanten Operierens gem. Anlage A des als Anlage 1 beigefügten Vertragsentwurfs festzusetzen und die überwiegend bereits im Vertragsjahr 2000 vertraglich festgelegten und seither nicht mehr angepassten Punktwerte für Einzelleistungen ab 01.01.2005 auf 0,0511 Euro anzuheben und für die neu hinzukommenden extrabudgetären Leistungen in dieser Höhe festzusetzen. Im Einzelnen führte sie unter Nr. 1 Ambulantes Operieren aus, nach teilweiser Rückführung der bis dahin außerhalb des budgetierten Teils der Gesamtvergütung gezahlten ambulanten Operationen im Schiedsspruch für das Jahr 2002 hätten die ambulant-operativ tätigen Vertragsärzte heftig Klage geführt, dass die Vergütungen nicht mehr auch nur annähernd kostendeckend seien. Schließlich habe man sich am 01.06.2005 auf einen Kassenarten übergreifenden Kompromiss geeinigt; auf der Basis des entsprechenden Honorarvolumens für das Jahr 2004 sei eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen im Kapitel IV.31 EBM 2000 plus zu einem festen Punktwert (in unterschiedlicher Höhe) nebst einer hälftigen Teilung eines etwaigen Mengenzuwachses von bis zu 7,5 % vorgesehenen gewesen. Die Beigeladene habe diese Vereinbarung jedoch widerrufen und erneut ihr "Degressionsmodell" vorgelegt. Dieses führe aber zu einer "Fließbandmedizin" und sei abzulehnen. Sie halte an der ursprünglichen Vereinbarung nicht mehr fest und erwarte einen festen Punktwert von 0,0511 Euro, hilfsweise die Punktwerte der ursprünglichen Vereinbarung. Für die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Nr. 871 ff. EBM ´96 bzw. 35200 ff. EBM 2000 plus habe sie eine extrabudgetäre Vergütung zu einem Punktwert von 0,0511 Euro vorgeschlagen. Die Krankenkasse könne durch das Genehmigungsverfahren die Mengenentwicklung beeinflussen. Die Kassenseite trage auch Verantwortung für den Beschluss des Bewertungsausschusses. Als Sachkostenpauschale für die LDL-Apherese sei ein Betrag von 1.124 Euro angemessen. Diesen Betrag habe die Beigeladene einzelnen Nephrologen schriftlich zugesagt. Er beruhe auf dem Durchschnitt der im Bundesgebiet gezahlten Beträge. Die Beigeladene habe dann jedoch die Pauschale einseitig auf 946 Euro reduziert. Die Anhebung der sog. Wochenpauschale für Methadon gehe auf die Neubewertung im EBM 2000 plus zurück. "Neue Leistungen" seien generell außerhalb des budgetierten Teils der Gesamtvergütung zu honorieren. Hierüber bestehe grundsätzlich eine Einigung. Umstritten sei nur der Punktwert. Der von den Krankenkassen vorgeschlagene Punktwert von 4,0 Cent sei unangemessen. Es müsse der Kalkulationspunktwert von 5,11 Cent gelten. Dies gelte speziell für die MRT-Angiographie. Die Kostenpauschale zur Abdeckung zusätzlicher Versicherungskosten u. a. bei gynäkologischer geburtshilflicher Tätigkeit sei durch das deutlich höhere Versicherungsrisiko gerechtfertigt. Angemessen sei eine Pauschale von 45,00 Euro. Die Belegärztliche Bereitschaftspauschale müsse von 2,56 Euro auf 7,40 Euro erhöht werden. Sie sei seit Jahren unverändert. Wegen der Rechtsprechung zur Arbeitszeit entstünden erheblich höhere Kosten. Die postoperative Nachbehandlung nach ambulanten Operationen im Krankenhaus erbrachter Leistungen sei extrabudgetär zu vergüten. Eine Vergütung sehe erstmals der EBM 2000 plus vor. Die schmerztherapeutischen Leistungen seien unverändert als "Vorwegleistungen" aus dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung zu einem Punktwert von 5,11 Cent, nicht bloß 4,00 Cent zu vergüten. Das Schulungsmaterial Diabetes sei bisher zu den Preisen des Alleinvertreibers, des deutschen Ärzteverlages, kalkuliert worden. Dieser habe seine Preise zum 01.01.2004 erstmals angehoben. Mit allen anderen Kassenarten sei vereinbart worden, dass diese das Schulungsmaterial kostenlos zur Verfügung stellten. Die Beigelade wolle weder diese Vereinbarung übernehmen noch die erhöhten Preise erstatten. Bei den im Abschnitt I.2.19 des Vertragsentwurfs aufgelisteten Leistungen handele es sich um qualitativ hochstehende Leistungen, die fast ausnahmslos einer besonderen Genehmigung bedürften und die zum Teil einen hohen Kostenanteil beinhalteten. Zur Sicherstellung müsse ein fester Punktwert extrabudgetär festgesetzt werden. Arztbriefe müssten extrabudgetär vergütet werden, da sie nach dem EBM 2000 plus bei jedem Überweisungsfall anfielen. Diese Leistungsausweitung könne nicht aus der budgetierten Gesamtvergütung finanziert werden. Die Wegegebühren und –pauschalen müssten nach vielen Jahren an die gestiegenen Kosten angepasst werden. Insgesamt seien die Kosten für die vertragsärztliche Behandlung in den letzten 30 Jahren nur relativ moderat gestiegen.

Die Beigeladene verwies mit Datum vom 27.09.2005 auf ihren beigefügten Vertragsentwurf hin. Sie führte aus, als Eckpunkt sei festzusetzen, dass die Gesamtvergütung nicht um die Grundlohnsummensteigerung verrändert werde. Diese liege voraussichtlich für sie bei minus 0,2 %. Die Regelung im Honorarvertrag 2004 zu ambulanten Operationen, Abschnitt I. 2.3 sei bis 30.09.2005 fortzuführen; danach erfolge eine Rückverlagerung aller ambulanten Operationen in die budgetierte Gesamtvergütung und Bildung eines gemeinsamen Topfes als Vorwegabzug gemäß des Beschlusses des Bewertungsausschusses, hilfsweise erfolge die Vergütung nach dem Degressionsmodell. Die Ausgaben hätten sich seit 1997 dramatisch entwickelt. Im Vergleich des ersten Halbjahres 2004 zu 2003 sei die Fallzahl um 10,36 % gestiegen. Erst durch die Mengensteuerung sei im zweiten Halbjahr ein Rückgang um 5,5 % zu verzeichnen gewesen. Für Ambulantes Operieren habe sie mit den übrigen Verbänden ein leistungsmengenabhängiges Preis- und Degressionsmodell für einen gemeinsamen Katalog von 27 Leistungen des ambulanten Operierens vorgeschlagen. Ziel sei es, die am häufigsten auftretenden Eingriffe in sechs Fachgruppen zusammen zu fassen und diese mit einer mengenabhängigen Preisdegression auf der Basis eines Vorjahres in der Mengen- und Kostenentwicklung ökonomisch abzufedern. Es solle auch eine Spezialisierung der Leistungserbringer erreicht werden, wodurch Wirtschaftlichkeitseffekte und Effizienzsteigerungen erzielt werden könnten. Das Modell der Klägerin würde zu einer Ausgabensteigerung von mehr als 6,4 Mio. Euro (+ 19,7 %) führen. Neue Leistungen würde zu einem Punktwert von 0,04 Euro vergütet werden. Der EBM 2000 plus sei kein Instrument zur Regelung der Vergütung der Leistungen. Er solle auch kostenneutral umgesetzt werden. Auch im Honorarverteilungsvertrag sei ein Punktwert von 0,04 Euro vereinbart worden. Eine extrabudgetäre Vergütung werde abgelehnt. Es gebe keine extrabudgetäre Vergütung weiterer Leistungen ohne Bundesempfehlung und/oder Erhöhung von Pauschalvergütungen. Psychotherapeutische Leistungen sollten intrabudgetär zu einem Punktwert von 0,0483 Euro vergütet werden. Im Genehmigungsverfahren sei sie an die Entscheidung des Gutachters gebunden. Die Ablehnungsquote liege bei 1 %. Eine Mengensteuerung könne sie nicht vornehmen. Die Finanzierung dieser Leistungen sei eine Frage der Honorarverteilung. Hierzu verweise sie auf das von ihr eingereichte und von den Spitzenverbänden der Krankenkassen in Auftrag gegebene Gutachten des Prof. Dr. R. XY. vom Institut für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität BX. vom 15.07.2004. Die Umsetzung des von der Klägerin vorgelegten Vertragsentwurfs führe zu Mehrkosten von ca. 66,2 Mio. Euro, einer Steigerung der Gesamtvergütung von 10,0 % und einer Beitragssatzerhöhung von 0,351 Beitragssatzpunkten. Sie habe, wie der Verhandlungsverlauf zeige, konkrete Angebote eingebracht. Für die Sachkostenpauschale für die LDL-Apherese habe die Klägerin keine nachvollziehbare Kalkulationsgrundlage vorgelegt. Der Betrag von 1.124 Euro habe auch Behandlungskosten abgedeckt. Die Bundesempfehlung definiere nur die LDL-Apherese/Immunapherese bei rheumatoider Arthritis als extrabudgetäre Leistung. Der bisherige Punktwert für die Methadonsubstitution liege deutlich über dem Bundesdurchschnitt (+ 18,9 %). Die Ausgaben je Mitglied im Vergleich zum Vorjahr seien um 79,15 % gestiegen. Ein Punktwert von 0,04 Euro sei daher ausreichend. Die Pauschale für die "Take-Home-Dosis" werde in vielen Bundesländern nicht extrabudgetär vergütet. Eine Erhöhung entbehre jeglicher Grundlage. Versicherungskosten gehörten in den Eigenverantwortungsbereich des Arztes. es handele sich auch um Praxiskosten. Für die Belegärztliche Bereitschaftspauschale habe die Klägerin keine Kalkulationsgrundlage vorgelegt. Es komme nicht vermehrt zu Schließungen belegärztlicher Abteilungen. Im Honorarverteilungsvertrag sei der EBM 2000 plus insoweit umgesetzt worden. Ggf. würden auf Bundesebene die Regelungen angepasst werden. Die postoperative Nachbehandlung nach ambulanten Operationen im Krankenhaus sei keine neue Leistung. § 85 SGB V lasse eine extrabudgetäre Vergütung nicht zu. Die schmerztherapeutischen Leistungen gehörten seit 1998 in Hessen zum Gesamtbudget. Es gelte ein Punktwert von 0,04 Euro. Für eine Überführung der Wegegebühren und –pauschalen in den extra-budgetären Bereich fehle es an einer Rechtsgrundlage. Bei Vorlage eines Qualitätsberichts sei sie bereit, die Aidspauschale weiterhin zu leisten. Für das Schulungsmaterial Diabetes gebe es keine Übereinkunft mit den übrigen Kassen. Die Frage, ob das Material von den Kassen bestellt werden solle, sei ohne Einigung kontrovers diskutiert worden. Eine Überschreitung der Ausgabenobergrenze Arznei- und Verbandmittel sei Gegenstand der Gesamtverträge. Die Überschreitung im Jahr 2003 belaufe sich auf 116.282.765,00 Euro. Es sei ein Passus aufzunehmen, wonach die Vertragspartner sich nach der erforderlichen Ursachenanalyse über ggf. hieraus zu ziehende Konsequenzen verständigen werden. Die Verpflichtung zu Arztbriefen führe nicht zu einer Leistungsausweitung, Sie könnten nicht extrabudgetär vergütet werden. Sie seien auch zuvor regelhaft versandt worden. Analog der Regelung im Honorarvertrag 2004 werde gefordert, weiterhin die Pauschalen für die Nachsorge nach Nierentransplantationen innerhalb des Gesamtbudgets zu vergüten.

Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.09.2005, eine Punktezahlsteigerung durch den HVM 2000 plus könne sich unter den Bedingungen einer budgetierten Gesamtvergütung nicht auswirken. Die Kopfpauschale der Beigeladen liegen unter dem Durchschnitt in Hessen. Die Budgetierung seit 1992 bedeute, dass die Gesamtvergütung keinerlei Bezug mehr zum tatsächlichen Leistungsbedarf und zur Morbiditätsentwicklung habe. Ein Vergleich mit anderen Bundesländern sei wenig aussagekräftig. Beim Ambulanten Operieren bedeute "extrabudgetär" durch die Regelleistungsvolumen, dass das Morbiditätsrisiko bei den ambulanten Operateuren liege. Die Beigeladene wolle nicht die Verlagerung aus dem stationären in den ambulanten Bereich kompensieren. § 115b Abs. 1 Nr. 2 SGB V sehe eine einheitliche Vergütung vor, tatsächlich aber seien die ambulanten Operationen in Krankenhäusern ohne jegliche Mengenbegrenzung und ohne Festlegung eines bestimmten Operationskataloges; sie würden nach Einzelleistungen vergütet werden. Mehrausgaben könnten durch Einsparungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität dürfe nicht isoliert auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung bezogen werden. Der Punktwert im Honorarverteilungsvertrag gebe nur das Ergebnis einer unzureichenden Gesamtvergütung wieder. Der Punktwert von 0,0511 Euro diene der Sicherstellung bestimmter fachärztlicher Leistungen. Als Rechtsgrundlage komme § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V in Betracht, der verschiedene Berechnungsweisen zulasse. Es treffe nicht zu, dass die Sachkostenpauschale für die LDL-Apherese um den Anteil ärztlicher Leistungen zu bereinigen gewesen wäre. Hinsichtlich der Überschreitung der Ausgabenobergrenze Arznei- und Verbandmittel stehe der Betrag von 116 Mio. Euro nicht fest. Er werde bestritten. Er wäre auch nur Gegenstand der Gesamtverträge, nicht des Honorarvertrages.

Der Beklagte führte mit der Klägerin und dem Beigeladenen am 05.10.2005 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit Beschluss vom 05.10.2005, ausgefertigt am 03.11. und der Klägerin am 11.11.2005 zugestellt, übernahm der Beklagte Punkt 1.1 des Antrags bzw. des Vereinbarungsentwurfs der Klägerin und erhöhte die Kopfpauschale um 0,38 %. Ferner legte der Beklagte zu den umstrittenen Punkten einzelne Regelungen fest; hierzu wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen. In der Begründung führte er aus, eine extrabudgetäre Vergütung von Leistungen setze eine gesetzliche Grundlage, eine Bundesempfehlung oder eine vertragliche Vereinbarung voraus. Von neuen Leistungen abgesehen habe er dem Wunsch der Klägerin nach einer Ausgliederung weiterer Leistungen aus der budgetierten Gesamtvergütung insofern nicht folgen können. Beim ambulanten Operieren habe er es für sinnvoll gehalten, für das letzte Quartal 2005 die Leistungen des bisherigen Strukturvertrages, allerdings auf der Grundlage des seit April 2005 gültigen EBM, mit 5,11 Cent extrabudgetär zu vergüten. Die Punktwerte für die extrabudgetär vergüteten Leistungen seien auf dem bisherigen Niveau festgelegt worden. Dieses Niveau liege durchgehend zwischen den jeweils von den Vertragsparteien geforderten Werten. Eine Ausnahme bilde die Schmerztherapie. Die hier bestehende Unterversorgung lasse diesen relativ hohen Punktwert gesundheitspolitisch vertretbar erscheinen. Für die extrabudgetäre Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen fehle es an einer Rechtsgrundlage. Die Fachärzte trügen hier das Morbiditätsrisiko. Die Anhebung der budgetierten Gesamtvergütung um die Grundlohnentwicklung ermöglichten jedoch eine weitgehende Finanzierung des Mehraufwandes im Rahmen des fachärztlichen Budgetanteils. Zudem eröffne sie im hausärztlichen Bereich die Chance, bestimmte Pauschalen intrabudgetär zu erhöhen. Für das zweite Halbjahr 2004 trügen die Vertragsparteien bei den psychotherapeutischen Leistungen die Mehraufwendungen, die aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses resultierten. Insgesamt ziele die Entscheidung im Sinne einer Paketlösung auf einen fairen Ausgleich zwischen den weit auseinander liegenden Anträgen. Eine partielle Änderung des Schiedsspruches würde diesen Interessenausgleich einseitig in Frage stellen und damit eine ausgewogene Lösung gefährden.

Das Hessische Sozialministerium teilte unter Datum vom 21.11.2005 mit, dass es Beanstandungen nach § 89 Abs. 5 Satz 5 SGB V nicht erhebe.

Gegen den Beschluss vom 05.10.2005 hat die Klägerin am 08.12.2005 die Klage erhoben.

Sie hat die Klage erstmals mit Schriftsatz vom 07.09.2006 begründet. Darin führt sie ergänzend zu ihren Ausführungen im Schiedsamtsverfahren aus, der angefochtene Beschluss genüge nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Der von ihr angestrebte Punktwert von 5,11 Cent sei Basis für die betriebswirtschaftliche Kalkulation des am 01.04.2005 in Kraft getretenen EBM 2000 plus. Der EBM 2000 plus könne nur bei entsprechendem Punktwert sachgerecht umgesetzt werden. Mit ihrer Argumentation setze der Beklagte sich nicht auseinander. Ein Vergleich mit den Punktwerten in den Vorjahren scheide deshalb aus. Es seien auch die Unterschiede in den Punktwerten nicht nachvollziehbar. Der vom Beklagten für die schmerztherapeutischen Leistungen festgesetzte Punktwert sei nicht nachvollziehbar. Soweit der Beklagte die von ihr eingeforderte extrabudgetäre Einzelleistungsvergütung zum Punktwert von 5,11 Cent abgelehnt habe, habe der Beklagte den ihm zustehenden Ermessensspielraum nicht erkannt. Diese Leistungen unterlägen z. T. aufwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen und Genehmigungsvoraussetzungen. Aufgrund der im Honorarverteilungsvertrag vereinbarten Regelleistungsvolumina sei es zu massiven Vergütungseinbrüchen gekommen, die nicht zulasten der budgetierten Gesamtvergütung ausgeglichen werden könnten. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb das Schiedsamt keine extrabudgetäre Vergütung festsetzen dürfe. § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V lasse auch eine Einzelleistungsvergütung zu. Der Beklagte habe hier seinen Ermessensspielraum nicht erkannt. Die vom Beklagten für die schmerztherapeutischen Leistungen reklamierte Unterversorgung lasse sich auch auf viele andere EBM-Leistungen übertragen. Der Beklagte habe sich mit ihrer Argumentation auch bzgl. anderer Leistungen nicht auseinandergesetzt. Die abweichende Festsetzung für die "belegärztliche Bereitschaftspauschale" sei nicht nachvollziehbar. Für das ambulante Operieren hätte die Beigeladene in den 2001 bereits gekündigten Strukturverträgen bis zu 6,5 Cent gezahlt. Zu beachten seien auch die seit 1997 kontinuierlich steigenden Praxiskosten. Die Beigeladene habe es bisher Unterlassen darzulegen, welche Einsparungen hätten erzielt werden können. Für die psychotherapeutischen Leistungen habe der Beklagte ab 2005 eine Vergütung innerhalb des Budgets vorgesehen: Für das das zweite Halbjahr 2004 habe er eine hälftige Übernahme der Mehraufwendungen vorgesehen. Diese Differenzierung sei sachlich nicht nachvollziehbar. Dies gelte auch bzgl. der Nachvergütung für den Zeitraum 2000 bis 2004. Die vom Beklagten vorgesehene Zweckbindung der Grundlohnsteigerung sei bei den steigenden Lebenshaltungs- und Praxiskosten nicht möglich. Die Grundlohnsteigerung habe in den Jahren 2004 und 2005 jeweils 0,02 % bzw. 0,38 % betragen, während die Lebenshaltungs- und demgemäß auch die Praxiskosten um etwa 2,2 % gestiegen seien. Eine Zweckbindung der Grundlohnsteigerung sei nicht ohne Gefährdung anderer Bereiche vertretbar. Die Rückführung der LDL-Apherese in den budgetierten Bereich werde nicht begründet. Ein extrabudgetärer Punktwert von 4,0 Cent für die MRT-Angiographie sei angesichts ihrer Ausführungen zur Kalkulationsgrundlage des EBM 2000 plus nicht sachgerecht.

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss vom 05.10.2005 insoweit aufzuheben, als ihr weitergehender Antrag vom 12.08.2005 abgelehnt wurde und den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hat sich schriftsätzlich nicht zur Klage geäußert, ist ihr aber in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.

Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Schiedsverfahren hält sie den Beschluss für ausreichend begründet. Die getroffenen Ermessensentscheidungen gingen in nachvollziehbarer Weise aus dem Beschluss hervor. Der Beklagte habe zu Recht die Punktwerte unverändert gelassen. Der EBM 2000 plus sei kein Instrument zur Regelung der Vergütung der Leistungen. Es gebe keine Vorschrift, die den Vertragspartnern einen Punktwert von 5,11 Cent vorschreibe. Die Auffassung von der begrenzten Möglichkeit der Ausgliederung von Leistungen aus dem Gesamtbudget werde unterstützt. Hierzu bestehe keine Verpflichtung. Bestimmungen in einem Honorarverteilungsvertrag könnten einen Honorarvertrag nicht präjudizieren. Die Punktwertfestsetzung für die Schmerztherapie sei sachgerecht. Eine abgestimmte Aktion der Schmerztherapeuten habe tatsächlich die Gefahr einer Unterversorgung bedeuten können. Sie habe sich auch für 2006 bereit erklärt, auf eine Bereinigung der Gesamtvergütung in voller Höhe zu verzichten. Auch die Belegärztliche Bereitschaftspauschale müsse nicht extrabudgetär abgeschlossen werden. Bereits die Anhebung von 2,56 Euro auf 4,00 Euro sei schwer nachvollziehbar gewesen. Es fehle bis heute an einer Kalkulationsgrundlage. Seit 20001 seien ambulante Operationen z. T. extrabudgetär mit einem Punktwert von 5,00 Cent und zum Teil intrabudgetär vergütet worden. Einsparungen hätten sich nicht ergeben Sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich seien die Kosten gestiegen. Auch für psychotherapeutische Leistungen sei eine extrabudgetäre Vergütung nicht zulässig. Auf das Leistungsgeschehen habe sie keinen Einfluss. Die LDL-Apherese sei 2004 nur wegen eines Versehens in den nichtbudgetierten Bereich gelangt. Der Punktwert für die MRT-Angiographie sei angemessen. Auch der Honorarverteilungsvertrag sehe für Leistungen des Regelleistungsvolumens diesen Wert vor.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 12.12.2005 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Klagen ist begründet. Der Beschluss vom 05.10.2005 ist insoweit rechtswidrig, als der weitergehende Antrag der Klägerin vom 12.08.2005 abgelehnt wurde. Er wird insoweit aufgehoben. Der Beklagte hat Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beschluss vom 05.10.2006 ist jedenfalls insoweit rechtswidrig, als der weitergehende Antrag der Klägerin vom 12.08.2005 abgelehnt wurde.

Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest (§ 89 SGB V)

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, unterliegen Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle. Denn das Schiedsamt hat bei der Festsetzung von Gesamtverträgen über die vertragsärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d. h. insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005, Aktenzeichen: B 6 KA 25/04 R, juris, Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 16.07.2003, Aktenzeichen: B 6 KA 29/02 R, BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 3 = GesR 2004, 95 = SGb 2004, 429, zitiert nach juris, Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 27.04.2005, Aktenzeichen: B 6 KA 42/04 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 16 = GesR 2006, 35 = NZS 2006, 270, juris Rdnr. 14).

Die Begründung muss dem wirklichen Sachverhalt entsprechen. Insbesondere muss sich aus ihr ergeben, dass der Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt worden ist. Die Begründung muss beim beschwerenden Verwaltungsakt, um überhaupt eine Nachprüfung von Ermessensfehlern zu ermöglichen, ausdrücklich die Überlegungen schlüssig dartun, auf die sich die Entscheidung stützt. Rechtmäßig ist ein Schiedsspruch daher nur, wenn sich aus der Begründung ergibt, dass das Schiedsamt seine Aufgabe, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Krankenkassen eine angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen festzusetzen, erfüllt hat. Dazu gehört die Berücksichtigung aller für die wirtschaftliche Lage der Krankenkassen und für die Angemessenheit der Vergütung maßgebenden Umstände. Die Pflicht des Landesschiedsamts zur Ermittlung des Sachverhalts und zur Darstellung der für die Entscheidung maßgebenden Gründe wird dadurch bestimmt, inwieweit die Vertragsparteien entscheidungserhebliche Umstände vortragen oder solche Umstände bei pflichtgemäßer Aufklärung des Sachverhalts bekannt werden. Das Schiedsamt kann nicht allen Tatsachen nachgehen, die entfernt etwas mit dem Gegenstand seiner Entscheidung zu tun haben. In der Begründung braucht es sich nur mit Tatsachen auseinanderzusetzen, die erkennbar erhebliches Gewicht für die Entscheidung haben. Für den Umfang der Begründung ist maßgebend, dass sie ausreicht, um den jeweiligen Vertragsparteien die Angemessenheit der Vergütung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Krankenkassen darzulegen (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.1980, Aktenzeichen: 6 RKa 1/78, SozR 2200 § 368h Nr. 3 = BSGE 51, 58 = USK 80314 = KVRS A-6150/1, juris Rdnr. 38 f.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der angefochtene Beschluss nur unzureichend begründet.

Gemäß § 85 Abs. 1 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung des GMG (Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV-Modernisierungsgesetz v. 14.11.2003, BGBl I 2190) entrichtet d Krankenkasse nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen. Abweichend von Satz 1 entrichtet die Krankenkasse, für die Gesamtverträge nach § 83 Satz 2 geschlossen sind, nach Maßgabe des Gesamtvertrages mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung an die Kassenärztliche Vereinigung.

Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag
1. mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart, für die Verträge nach § 83 Satz 1 geschlossen sind,
2. mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen, für die Verträge nach § 83 Satz 2 geschlossen sind, vereinbart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien sollen auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen sowie eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung dieses Betrages zu treffen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 4 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen (§ 85 Abs. 2).

Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages vereinbaren die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Praxiskosten, der für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten. Abweichend von Satz 2 ist eine Überschreitung der Veränderungsraten nach § 71 Abs. 3 zulässig, wenn Mehrausgaben auf Grund von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 entstehen; dabei ist zu prüfen, inwieweit die Mehrausgaben durch Minderausgaben auf Grund eines Wegfalls von Leistungen, die auf Grund einer Prüfung nach § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, ausgeglichen werden können (§ 85 Abs. 3 SGB V). Zur Angleichung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen je Vertragsarzt im Gebiet der in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder und dem übrigen Bundesgebiet werden die Gesamtvergütungen nach Absatz 2 im Gebiet der in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder in den Jahren 2004 bis 2006 zusätzlich zur Erhöhung nach Absatz 3 schrittweise um insgesamt 3,8 vom Hundert erhöht. § 313a Abs. 3 gilt insoweit nicht. Die Gesamtvergütungen nach Absatz 2 im übrigen Bundesgebiet werden in den Jahren 2004 bis 2006 schrittweise um insgesamt 0,6 vom Hundert abgesenkt. Die Veränderungen der Gesamtvergütungen der Kassenärztlichen Vereinigungen im Gebiet der in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder sind im Jahr 2005 auf die nach Satz 1 erhöhte Vergütungssumme des Jahres 2004 zu beziehen. Die Veränderungen der Gesamtvergütungen der Kassenärztlichen Vereinigungen im übrigen Bundesgebiet sind im Jahr 2005 auf die nach Satz 3 abgesenkte Vergütungssumme im Jahr 2004 zu beziehen. Die Regelungen nach den Sätzen 4 und 5 gelten für das Jahr 2006 entsprechend. Die Regelungen dieses Absatzes gelten nicht für das Land Berlin (§ 85 Abs. 3d SGB V).

Der Beklagte hat zunächst den Gesamtinhalt des Vertrages festzusetzen. Soweit der Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 04.08.2005 abstellt, ist offensichtlich das Antragsschreiben mit Datum vom 12.08.2005 gemeint, was die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben. Der Beklagte greift den dem Antragsschreiben mit Datum vom 12.08.2005 beigefügten Vereinbarungsentwurf, dessen Festsetzung beantragt worden war, nur unvollständig auf. Nicht aufgegriffen werden die Regelungen unter Nr. 1.2 bis 1.4, 2.13 (Genotypische Resistenzbestimmung), 3.1 (Sozialpsychiatrie-Vereinbarung), 3.4 (Pauschalerstattungen) und 3.5 (Pauschalen); die Regelung unter Nr. 3.3 (Diabetes-Vereinbarung) wird nur teilweise aufgegriffen. Alle diese Teile des Vereinbarungsentwurfs waren insoweit in gleicher Formulierung im Vereinbarungsentwurf der Beigeladenen enthalten. Wegen des Scheiterns einer Vereinbarung insgesamt hat der Beklagte jedoch den Gesamtinhalt des Vertrages festzusetzen. Unstreitige Vertragspunkte, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem Streitobjekt stehen, hat er, was er vermutlich durch Nichtaufnahme in den Schiedsspruch auch zum Ausdruck bringen wollte, als übereinstimmenden Willen der Vertragspartner in den Schiedsspruch aufzunehmen (vgl. Hencke in: Peters (Hrsg.), Handbuch der Krankenversicherung, Teil II – Sozialgesetzbuch V, Loseblattausgabe, Stand: 15.02.2006, § 89, Rdnr. 7). In der Begründung ist lediglich dieser übereinstimmende Wille darzulegen.

Der Beklagte hat ferner darzulegen, welcher Vergütungsrahmen ihm überhaupt im Hinblick auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität offen steht. Ausnahmen hiervon sind nur in den in § 71 SGB V geregelten Fällen möglich. Zu berücksichtigen ist hierbei die Vorgabe nach § 85 Abs. 3d Satz 3, wonach die Gesamtvergütungen im übrigen Bundesgebiet, d. h. in den alten Bundesländern und damit auch im Bezirk der Klägerin zu 1), in den Jahren 2004 bis 2006 schrittweise um insgesamt 0,6 vom Hundert abgesenkt werden, was offensichtlich in – insoweit in den Tenor des Schiedsspruches nicht aufgenommen - Nr. 1.2 des Vereinbarungsentwurfs der Klägerin berücksichtigt wurde.

Gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist die im Vorjahr maßgebliche Gesamtvergütung der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Festlegung der Höhe der Gesamtvergütung im folgenden Jahr. Nach dieser Bestimmung sind bei der Vereinbarung von Veränderungen der Gesamtvergütungen die Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen, zu berücksichtigen. Damit ist bei der Festlegung einer Gesamtvergütung an die für das Vorjahr vereinbarte bzw. durch das Schiedsamt festgesetzte Gesamtvergütung anzuknüpfen. Aus dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung folgt zugleich, dass bei einer Absenkung der vorjährigen Gesamtvergütung - sei es durch Vereinbarung oder durch Gesetz - dieses geminderte Vorjahresniveau der Ausgangspunkt für die nachfolgend zu vereinbarende Gesamtvergütung ist, es sei denn, aus dem Gesetz ergäbe sich eine andere Regelung. Eine einmal vorgenommene Absenkung behält somit ihre Wirkung auch für Folgevereinbarungen. (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005, Aktenzeichen: B 6 KA 25/04 R, juris Rdnr. 14; BSG, Urt. v. 27.04.2005, Aktenzeichen: B 6 KA 42/04 R, SozR 4 2500 § 85 Nr. 16 = GesR 2006, 35 = NZS 2006, 270, juris Rdnr. 17 m. w. N.).

Der Beklagte hat weder Feststellungen zur Vorjahresvergütung noch zur Entwicklung der Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen, getroffen. Feststellungen zur Vorjahresvergütung sind hierbei auch für die Einzelleistungen zu treffen, soweit für diese besondere Regelungen getroffen werden. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lässt sich nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festlegung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005, Aktenzeichen: B 6 KA 25/04 R, juris Rdnr. 17).

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) ist kein zwingender Rechtssatz erkennbar, wonach die zusätzliche Gesamtvergütung für psychotherapeutische Leistungen für das Vorjahr 2004 zur – steigerungsfähigen – Erhöhung des Sockelbetrages als Ausgangsbasis des Jahres 2005 führen muss. Allerdings wird sich der Beklagte insoweit mit dem Antrag der Klägerin zu 1) bei der Neubescheidung auseinanderzusetzen haben. Zu beachten ist jedenfalls auch hier der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71.

Die Gesamtvergütung kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Es obliegt den Vertragsparteien bzw. dem Schiedsamt, welche Berechnungsart gewählt wird. Das Gesetz räumt keiner dieser Berechnungsarten irgendeine Priorität ein (vgl. Hencke aaO., § 85, Rdnr. 13). Von der Frage einer Einzelleistungsvergütung zu trennen ist die Frage der extrabudgetären Vergütung. Soweit die Gesamtvergütung oder Teile von ihr auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist jedoch der Betrag des Ausgabenvolumens zu bestimmen sowie eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung dieses Betrages zu treffen (§ 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V). Entsprechend kann auch für psychotherapeutische Leistungen eine besondere Vergütungsregelung vorgesehen werden. Soweit der Beklagte offensichtlich diesbezüglich von einem besonderen Morbiditätsrisiko ausgeht, hätte er dieses darlegen und ggf. weiter erörtern müssen, ob die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven noch gewährleist ist. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, so kann die Vereinbarungen über die Vergütungen so gestaltet werden, dass u. U. eine Beitragssatzerhöhung erfolgen muss (§ 71 Abs. 1 SGB V). Soweit der Beklagte davon ausgeht, die Anhebung der budgetierten Gesamtvergütung um die Grundlohnentwicklung ermöglichten jedoch eine weitgehende Finanzierung des Mehraufwandes im Rahmen des fachärztlichen Budgetanteils, so werden die entsprechenden Annahmen nicht dargelegt oder verifiziert. Gleiches gilt für die weitere Annahme, sie eröffne zudem im hausärztlichen Bereich die Chance, bestimmte Pauschalen intrabudgetär zu erhöhen.

Eine extrabudgetäre Vergütung von Leistungen ist entgegen der Auffassung der Klägerin nur in Ausnahmefällen möglich. Leistungen dürfen nicht ohne zwingenden Grund aus der Berechnung der Gesamtvergütung herausgenommen werden. Andere als im Gesetz ausdrücklich genannte Leistungen dürfen nicht aus der Berechnung der Gesamtvergütung herausgenommen werden. Das gilt auch für solche Positionen, bei denen es sich um Begleitleistungen zu ärztlichen Leistungen handelt, selbst wenn sie sich im Zusammenhang mit der ärztlichen Vergütung als reine Durchlaufposten darstellen (vgl. BSG, Urt. v. 02.10.1996, Aktenzeichen: 6 RKa 28/96, SozR 3-2500 § 85 Nr. 17 = Breith 1998, 164 = USK 96156, juris, Rdnr. 24). Es kann hier dahinstehen, ob die bereits im Schiedsspruch extrabudgetär geregelten Leistungen damit in Einklang stehen, da die Klägerin zu 1) hierdurch nicht beschwert wird und die Kläger zu 2) und 3) diese Regelungen nicht angegriffen haben. Soweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt, wie sie z. B. § 85 Abs. 2a SGB V für die Substitutionsbehandlung vorsieht bzw. § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB V u. a. für Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen bzw. § 85 Abs. 3 Satz 3 SGB V z. T. bei der Einführung neuer Leistungen, kann eine extrabudgetäre Regelung nur auf der Grundlage des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V erfolgen. Dies setzt voraus, dass die notwendige medizinische Versorgung ansonsten auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht gewährleistet wird. Oder aber es müssen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden (§ 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die Klägerin zu 1) hat dies im Einzelnen nicht substantiiert dargelegt. Von daher konnte der Beklagte weitere extrabudgetäre Vergütungen ablehnen, ohne dass er gehalten gewesen wäre, dies im Einzelnen zu begründen.

Soweit es der Beklagte beim ambulanten Operieren für sinnvoll gehalten hat, für das letzte Quartal 2005 die Leistungen des bisherigen Strukturvertrages, allerdings auf der Grundlage des seit April 2005 gültigen EBM, mit 5,11 Cent extrabudgetär zu vergüten, fehlt es an einer Begründung, weshalb dies für sinnvoll gehalten wird. Auch hier wird sich der Beklagte bei einer Neubescheidung mit der Antragsbegründung der Klägerin zu 1) auseinanderzusetzen haben.

Soweit der Beklagte die Punktwerte für die extrabudgetär vergüteten Leistungen auf dem bisherigen Niveau festgelegt hat, da dieses Niveau durchgehend zwischen den jeweils von den Vertragsparteien geforderten Werten liege, fehlt eine Begründung im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Vergütungsanpassung. Soweit der Beklagte davon ausgeht, eine Ausnahme bilde die Schmerztherapie, da die hier bestehende Unterversorgung diesen relativ hohen Punktwert gesundheitspolitisch vertretbar erscheinen lasse, werden keine Angaben gemacht, worauf die Annahme einer Unterversorgung beruht.

Soweit der Beklagte von der Berücksichtigung spezieller Honorarabschläge bei Überschreitungen der Ausgabenobergrenze bei Arznei- und Verbandsmitteln gemäß § 84 Abs. 3 SGB V abgesehen hat, weil die faktischen Ausgabenvolumina sich weit von den entsprechenden Sollwerten entfern hätten und die Soll-Ist-Vergleiche zudem keine Aussagekraft besäßen, brauchte die Kammer hierauf nicht einzugehen, da die Klägerin insoweit nicht beschwert ist und die Beigeladene den Beschluss nicht angefochten hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) folgt aus der betriebswirtschaftliche Kalkulation des am 01.04.2005 in Kraft getretenen EBM 2000 plus mit der Basis eines Punktwerts von 5,11 Cent nicht, dass dieser Punktwert für alle oder für bestimmte Leistungen zwingend zu veranschlagen ist. Die genannten Vorgaben des Gesetzgebers für die Bestimmung der Gesamtvergütung sehen einen solchen Punktwert nicht vor. Der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Eine verbindliche Vorgabe für die Höhe der Gesamtvergütung oder einer Einzelleistung kann der EBM nicht vorgeben und gibt er nicht vor. Ebenso wenig ist aufgrund des neuen EBM 2000 plus ein Vergleich mit den Punktwerten in den Vorjahren ausgeschlossen. Die Regelungen für die Gesamtvergütung werden hierdurch nicht geändert. Im Übrigen sind viele Leistungen mit gleichem Leistungsinhalt und gleicher oder ähnlicher Punktezahl im EBM 2000 plus wie im alten EBM formuliert. Insofern setzt aber ein Bewertungsvergleich die Heranziehung der alten und der neuen Inhaltsbeschreibung sowie der Punktezahlbewertung voraus. Soweit die Klägerin zu 1) für die im Abschnitt II.2.5 ihres Vertragsentwurfs aufgelisteten Leistungen einen Punktwert von 5,11 Cent auch mit der Begründung gefordert hat, diese Leistungen unterlägen z. T. aufwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen und Genehmigungsvoraussetzungen, folgt hieraus nicht zwingend die Notwendigkeit eines bestimmten Punktwertes und/oder einer extrabudgetären Vergütung. Dies obliegt, wie bereits ausgeführt, dem Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien bzw. des Schiedsamtes unter Beachtung etwaiger Begrenzungen für das Gesamtvolumen der Vergütung. Der Hinweis der Klägerin, aufgrund der im Honorarverteilungsvertrag vereinbarten Regelleistungsvolumina sei es zu massiven Vergütungseinbrüchen gekommen, die nicht zulasten der budgetierten Gesamtvergütung ausgeglichen werden könnten, geht insofern fehl, als hiermit in erster Linie die Honorarverteilung angesprochen wird. Im Rahmen der Honorarverteilung ist in erster Linie dafür Sorge zu tragen, dass der Sicherstellungsauftrag auch flächendeckend erfüllt wird. Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass der Beklagte sich nicht mit der von ihr beantragten "Ausdeckelung" der unter Abschnitt II Nr. 2 ab Spiegelstrich 15 des Vertragsentwurfs genannten Leistungen auseinandergesetzt hat. Dies hat der Beklagte bei einer Neubescheidung nachzuholen. Dies gilt auch für ihre weitere Antragsbegründung zur Streichung der von ihr geforderten Kostenpauschale zur Abdeckung zusätzlicher Versicherungskosten u. a. bei gynäkologischer geburtshilflicher belegärztlicher Tätigkeit, zur Wegepauschale und zu den Ausführungen zu den Leistungen des ambulanten Operierens. Für die psychotherapeutischen Leistungen hat die Kammer im Urteil von heute im Verfahren der Beteiligten mit Az.: S 12 KA 1267/05 ausführlich dargelegt, weshalb keine Verpflichtung zur Vergütung mit bestimmten Punktwerten und/oder extrabudgetär besteht; hierauf wird zur Vermeidung von Widerholungen im Einzelnen verwiesen.

Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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