Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1026/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 25/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung ist zuständig zur Feststellung von Ansprüchen von Ersatzkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter kieferorthopädischer Leistungen (§ 12 Abs. 2 EKV-Z). Ein Antrag der Krankenkasse ist hierfür nicht erforderlich.
2. Bei einer mangelhaften kieferorthopädischen Behandlung kann der Schaden nach den abgerechneten Leistungen bemessen werden.
2. Bei einer mangelhaften kieferorthopädischen Behandlung kann der Schaden nach den abgerechneten Leistungen bemessen werden.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress in Höhe von 1.006,02 EUR wegen eines sonstigen Schadens im Behandlungsfall des bei der Beigeladenen versicherten C.
Die am XX geb. und jetzt Y-jährige Klägerin ist als Zahnärztin für Kieferorthopädie seit dem 01.04.1978 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Klägerin nahm bei dem am 23.09.1993 geborenen Patienten C. eine kieferorthopädische Behandlung seit September 2003 vor.
Mit Bescheid vom 29.06.2006 setzte die Beklagte den strittigen Regressbetrag fest. Sie wies auf die Ausführungen des Dr. D., Beauftragter des Vorstands für Kieferorthopädie, hin. Dieser sei zu folgendem Ergebnis gelangt:
"Behandlungsverlauf: (Rekonstruktion anhand Kartei und Abrechnung) Bei dem Patienten werden in 09/2003 nach Erstellung eines OPG und Modellpaares zwei Lückenhalter ohne erkennbare Indikation eingesetzt. Auch die Indikation für die in 11/2003 veranlasste Extraktion von 54, 55, 74 ist nicht nachvollziehbar. Auch in der Patientenkartei findet sich dazu keine Begründung. In 03/2004 wird ein neues Modellpaar sowie eine Fernröntgendiagnostik erstellt, laut Kartei zur Planung, ein Plan wird jedoch nicht erstellt. Erneut werden in 05/2004 Planungsunterlagen erstellt, bestehend aus Modellpaar und Fernröntgenaufnahme (anscheinend für einen Privatplan?). In 09/2004 werden erneut Platzhalter eingesetzt, eine Begründung für die Neuanfertigung ist in der Kartei nicht vermerkt.
Fachliche Stellungnahme: Die Erstellung diagnostischer Unterlagen war bei dem Y-jährigen Patienten nicht notwendig. Nicht notwendig war auch das Eingliedern von Platzhaltern und die Extraktion der Milchzähne. Zum Zeitpunkt der weiteren Diagnostikmaßnahmen in 03/2004 und 05/2004 bestand keine Indikation für vertragszahnärztlich kieferorthopädische Behandlung. Somit war die Erbringung dieser Leistungen nicht notwendig, sondern unwirtschaftlich. Eine 2. Fernröntgenaufnahme ohne Indikation innerhalb kurzem Zeitraum verstößt grob gegen Röntgenschutzbestimmungen und erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung.
Zusammenfassende Beurteilung: Mit Ausnahme der 01, Ä1, IP2, IP3 waren alle abgerechneten Leistungen nicht notwendig bzw. sie wurden erst notwendig durch die Fehlbehandlung (Lückenhalter wegen nicht indizierter Milchzahnextraktion)."
Unter Berücksichtigung dieser fachlichen Stellungnahme sei ein "Sonstiger Schaden" festzustellen mit der Folge, dass die abgerechneten Leistungen mit Ausnahme der genannten Positionen abzusetzen seien. Dies ergebe den festgesetzten Regressbetrag.
Hiergegen legte die Klägerin am 13.07.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, entgegen der Feststellungen des Sachverständigen sei die Extraktion der Zähne 54, 55, 74 angezeigt und medizinisch indiziert gewesen. Es hätten sich permanente Entzündungen gefunden und das Zahnfleisch sei dick geschwollen gewesen. Dies habe sie am 02.09.2003 festgestellt und die Eltern entsprechend unterrichtet. Für die Übergangszeit seien zunächst Platzhalter eingesetzt worden. Anschließend hätten die Eltern offensichtlich den Extraktionszettel verloren oder, was noch wahrscheinlicher sei, habe die Patientin Angst vorm Zahnarzt gehabt. Dementsprechend seien die Extraktionen zunächst nicht durchgeführt worden. Am 04.11.2003 habe sie erneut auf die Notwendigkeit der Extraktion hingewiesen und den entsprechenden Zettel noch einmal ausgefüllt mitgegeben. Am 02.03.2004 seien die Zähne dann extrahiert worden. Anschließend hätten die Eltern die Aufstellung eines privaten Heil- und Kostenplanes gewünscht. Entsprechende Unterlagen habe sie angefertigt. Dasselbe Prozedere habe nochmals am 11.01.2005 stattgefunden. Danach hätten die Eltern plötzlich erklärt, sie wollten doch versuchen, die Behandlung über die Krankenkasse durchführen zu lassen. Dementsprechend seien weitere Platzhalter angefertigt worden. Am 31.05.2005 sei die Extraktion von den Zähnen 64 und 84 und am 06.12.2005 von 73 und 83 erfolgt. Seit dem 27.08.2006 werde der Zustand der Zähne durch sie im halbjährlichen Abstand kontrolliert und zwar bis zu dem Zeitpunkt, bis endlich der Kassenplan eingereicht werden könne. Ihre bisherige Behandlung sei daher nicht zu beanstanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006, zugegangen am 23.10.2006, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, die von der Klägerin vorgelegten diagnostischen Unterlagen gäben keinen Hinweis, dass die Extraktion der Zähne 54, 55, 74 medizinisch indiziert gewesen sei. Auch der Karteikartenauszug enthalte beim ersten Termin in der Praxis am 02.09.2003 keinerlei Einträge, dass "permanente Entzündungen" und "dick geschwollenes Zahnfleisch" Indikationsaspekte gewesen sein könnten. Wie für eine Übergangszeit bereits Platzhalter eingesetzt werden könnten, wenn die Patienteneltern offensichtlich den Extraktionszettel verloren hätten und die Extraktion der Zähne erst am 02.03.2004 erfolgt sei, sei aus ihrer Sicht in sich nicht schlüssig. Wenn zwischenzeitlich die Patienteneltern eine Privatbehandlung wünschten, sei nicht nachvollziehbar, wenn für den gleichen Zeitraum gleichwohl Vertragsleistungen abgerechnet werden würden. Darüber hinaus sei der erklärte Wille der Eltern, dann doch wieder eine Vertragsbehandlung durchführen zu lassen, nicht auf der Basis des ursprünglichen Behandlungsplanes möglich, sondern es hätte hier dann ein erneuter Behandlungsplan unter Berücksichtigung der aktuellen Situation erstellt werden müssen. Die Widerspruchsbegründung trage neben der fachlichen nunmehr auch noch zur formalen Irritation bei.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.11.2006 die Klage erhoben. Sie verweist auf ihre Widerspruchsbegründung und trägt weiter vor, sie habe den Eltern des Patienten die Extraktion empfohlen und gleichzeitig die Platzhalter vorbereitet, wodurch die streitgegenständlichen Kosten entstanden seien. Nach dem die Eltern zunächst die Extraktion nicht hätten durchführen lassen, hätten die Platzhalter nicht eingesetzt werden können. Diese hätten erst nach der Extraktion eingesetzt werden können. Bei der Leistungserbringung habe sie sich an den Behandlungsplan gehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, sie habe bei der Beklagten keinen Antrag gestellt. Die Beklagte könne eine Überprüfung aus eigener Befugnis wahrnehmen. Die medizinischen Ausführungen seien nachvollziehbar. Die Feststellung eines sonstigen Schadens sei nicht zu beanstanden.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.12.2006 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG ).
Die Klage ist zulässig. Sie ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.10.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Regressbetrag festgesetzt.
Die Beklagte ist zuständig. Sie stellt Ansprüche von Ersatzkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter prothetischer oder kieferorthopädischer Leistungen fest (§ 21 Abs. 2 EKV-Z i. d. F. mit Geltung ab 01.01.2005 bzw. § 12 Nr. 6 EKV-Z a. F.) (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.1997 – 6 RKa 40/96 – SozR 3-5555 § 12 Nr. 5 = USK 97149, juris Rdnr. 15 ff. m. w. N.). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich; die Beklagte kann von Amts wegen tätig werden.
Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt ist die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 15 m. w. N.)
Die kieferorthopädische Behandlung war mangelhaft. Die insoweit mit einer Vertragszahnärztin und einem Vertragszahnarzt fachkundig besetzte Kammer folgt der urkundenbeweislich verwertbaren fachlichen Stellungnahme des Dr. D. Dieser hat festgestellt, dass bei dem Patienten zwei Lückenhalter ohne erkennbare Indikation eingesetzt wurden und die Indikation für die veranlasste Extraktion der Zähne 54, 55, 74 nicht nachvollziehbar sei. Ebensowenig sei der erneute Einsatz der Platzhalter medizinisch notwendig gewesen. Im Übrigen wird auf die Begründung im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen, der die Kammer folgt (vgl. § 136 Abs. 3 SGG). Neues hat die Klägerin im Klageverfahren nicht vorgetragen. Hinsichtlich der Extraktionen hat die Beklagte festgestellt, dass die Indikation nicht nachvollziehbar sei. Von daher ist es unerheblich, wann die Eltern des Patienten zugestimmt haben.
Ein Schaden ist eingetreten. dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Schaden nach den abgerechneten bzw. beanstandeten Leistungen bemisst (vgl. zur Schadenshöhe BSG, Urt. v. 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R – juris Rdnr. 23 m. w. N.).
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt eine vierjährige Verjährungsvorschrift (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1 = BSGE 79, 97 = NJW 1997, 3116 = USK 96151, juris Rdnr. 16).
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Regress in Höhe von 1.006,02 EUR wegen eines sonstigen Schadens im Behandlungsfall des bei der Beigeladenen versicherten C.
Die am XX geb. und jetzt Y-jährige Klägerin ist als Zahnärztin für Kieferorthopädie seit dem 01.04.1978 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Klägerin nahm bei dem am 23.09.1993 geborenen Patienten C. eine kieferorthopädische Behandlung seit September 2003 vor.
Mit Bescheid vom 29.06.2006 setzte die Beklagte den strittigen Regressbetrag fest. Sie wies auf die Ausführungen des Dr. D., Beauftragter des Vorstands für Kieferorthopädie, hin. Dieser sei zu folgendem Ergebnis gelangt:
"Behandlungsverlauf: (Rekonstruktion anhand Kartei und Abrechnung) Bei dem Patienten werden in 09/2003 nach Erstellung eines OPG und Modellpaares zwei Lückenhalter ohne erkennbare Indikation eingesetzt. Auch die Indikation für die in 11/2003 veranlasste Extraktion von 54, 55, 74 ist nicht nachvollziehbar. Auch in der Patientenkartei findet sich dazu keine Begründung. In 03/2004 wird ein neues Modellpaar sowie eine Fernröntgendiagnostik erstellt, laut Kartei zur Planung, ein Plan wird jedoch nicht erstellt. Erneut werden in 05/2004 Planungsunterlagen erstellt, bestehend aus Modellpaar und Fernröntgenaufnahme (anscheinend für einen Privatplan?). In 09/2004 werden erneut Platzhalter eingesetzt, eine Begründung für die Neuanfertigung ist in der Kartei nicht vermerkt.
Fachliche Stellungnahme: Die Erstellung diagnostischer Unterlagen war bei dem Y-jährigen Patienten nicht notwendig. Nicht notwendig war auch das Eingliedern von Platzhaltern und die Extraktion der Milchzähne. Zum Zeitpunkt der weiteren Diagnostikmaßnahmen in 03/2004 und 05/2004 bestand keine Indikation für vertragszahnärztlich kieferorthopädische Behandlung. Somit war die Erbringung dieser Leistungen nicht notwendig, sondern unwirtschaftlich. Eine 2. Fernröntgenaufnahme ohne Indikation innerhalb kurzem Zeitraum verstößt grob gegen Röntgenschutzbestimmungen und erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung.
Zusammenfassende Beurteilung: Mit Ausnahme der 01, Ä1, IP2, IP3 waren alle abgerechneten Leistungen nicht notwendig bzw. sie wurden erst notwendig durch die Fehlbehandlung (Lückenhalter wegen nicht indizierter Milchzahnextraktion)."
Unter Berücksichtigung dieser fachlichen Stellungnahme sei ein "Sonstiger Schaden" festzustellen mit der Folge, dass die abgerechneten Leistungen mit Ausnahme der genannten Positionen abzusetzen seien. Dies ergebe den festgesetzten Regressbetrag.
Hiergegen legte die Klägerin am 13.07.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, entgegen der Feststellungen des Sachverständigen sei die Extraktion der Zähne 54, 55, 74 angezeigt und medizinisch indiziert gewesen. Es hätten sich permanente Entzündungen gefunden und das Zahnfleisch sei dick geschwollen gewesen. Dies habe sie am 02.09.2003 festgestellt und die Eltern entsprechend unterrichtet. Für die Übergangszeit seien zunächst Platzhalter eingesetzt worden. Anschließend hätten die Eltern offensichtlich den Extraktionszettel verloren oder, was noch wahrscheinlicher sei, habe die Patientin Angst vorm Zahnarzt gehabt. Dementsprechend seien die Extraktionen zunächst nicht durchgeführt worden. Am 04.11.2003 habe sie erneut auf die Notwendigkeit der Extraktion hingewiesen und den entsprechenden Zettel noch einmal ausgefüllt mitgegeben. Am 02.03.2004 seien die Zähne dann extrahiert worden. Anschließend hätten die Eltern die Aufstellung eines privaten Heil- und Kostenplanes gewünscht. Entsprechende Unterlagen habe sie angefertigt. Dasselbe Prozedere habe nochmals am 11.01.2005 stattgefunden. Danach hätten die Eltern plötzlich erklärt, sie wollten doch versuchen, die Behandlung über die Krankenkasse durchführen zu lassen. Dementsprechend seien weitere Platzhalter angefertigt worden. Am 31.05.2005 sei die Extraktion von den Zähnen 64 und 84 und am 06.12.2005 von 73 und 83 erfolgt. Seit dem 27.08.2006 werde der Zustand der Zähne durch sie im halbjährlichen Abstand kontrolliert und zwar bis zu dem Zeitpunkt, bis endlich der Kassenplan eingereicht werden könne. Ihre bisherige Behandlung sei daher nicht zu beanstanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006, zugegangen am 23.10.2006, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, die von der Klägerin vorgelegten diagnostischen Unterlagen gäben keinen Hinweis, dass die Extraktion der Zähne 54, 55, 74 medizinisch indiziert gewesen sei. Auch der Karteikartenauszug enthalte beim ersten Termin in der Praxis am 02.09.2003 keinerlei Einträge, dass "permanente Entzündungen" und "dick geschwollenes Zahnfleisch" Indikationsaspekte gewesen sein könnten. Wie für eine Übergangszeit bereits Platzhalter eingesetzt werden könnten, wenn die Patienteneltern offensichtlich den Extraktionszettel verloren hätten und die Extraktion der Zähne erst am 02.03.2004 erfolgt sei, sei aus ihrer Sicht in sich nicht schlüssig. Wenn zwischenzeitlich die Patienteneltern eine Privatbehandlung wünschten, sei nicht nachvollziehbar, wenn für den gleichen Zeitraum gleichwohl Vertragsleistungen abgerechnet werden würden. Darüber hinaus sei der erklärte Wille der Eltern, dann doch wieder eine Vertragsbehandlung durchführen zu lassen, nicht auf der Basis des ursprünglichen Behandlungsplanes möglich, sondern es hätte hier dann ein erneuter Behandlungsplan unter Berücksichtigung der aktuellen Situation erstellt werden müssen. Die Widerspruchsbegründung trage neben der fachlichen nunmehr auch noch zur formalen Irritation bei.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.11.2006 die Klage erhoben. Sie verweist auf ihre Widerspruchsbegründung und trägt weiter vor, sie habe den Eltern des Patienten die Extraktion empfohlen und gleichzeitig die Platzhalter vorbereitet, wodurch die streitgegenständlichen Kosten entstanden seien. Nach dem die Eltern zunächst die Extraktion nicht hätten durchführen lassen, hätten die Platzhalter nicht eingesetzt werden können. Diese hätten erst nach der Extraktion eingesetzt werden können. Bei der Leistungserbringung habe sie sich an den Behandlungsplan gehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, sie habe bei der Beklagten keinen Antrag gestellt. Die Beklagte könne eine Überprüfung aus eigener Befugnis wahrnehmen. Die medizinischen Ausführungen seien nachvollziehbar. Die Feststellung eines sonstigen Schadens sei nicht zu beanstanden.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.12.2006 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG ).
Die Klage ist zulässig. Sie ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.10.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Regressbetrag festgesetzt.
Die Beklagte ist zuständig. Sie stellt Ansprüche von Ersatzkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter prothetischer oder kieferorthopädischer Leistungen fest (§ 21 Abs. 2 EKV-Z i. d. F. mit Geltung ab 01.01.2005 bzw. § 12 Nr. 6 EKV-Z a. F.) (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.1997 – 6 RKa 40/96 – SozR 3-5555 § 12 Nr. 5 = USK 97149, juris Rdnr. 15 ff. m. w. N.). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich; die Beklagte kann von Amts wegen tätig werden.
Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt ist die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 15 m. w. N.)
Die kieferorthopädische Behandlung war mangelhaft. Die insoweit mit einer Vertragszahnärztin und einem Vertragszahnarzt fachkundig besetzte Kammer folgt der urkundenbeweislich verwertbaren fachlichen Stellungnahme des Dr. D. Dieser hat festgestellt, dass bei dem Patienten zwei Lückenhalter ohne erkennbare Indikation eingesetzt wurden und die Indikation für die veranlasste Extraktion der Zähne 54, 55, 74 nicht nachvollziehbar sei. Ebensowenig sei der erneute Einsatz der Platzhalter medizinisch notwendig gewesen. Im Übrigen wird auf die Begründung im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen, der die Kammer folgt (vgl. § 136 Abs. 3 SGG). Neues hat die Klägerin im Klageverfahren nicht vorgetragen. Hinsichtlich der Extraktionen hat die Beklagte festgestellt, dass die Indikation nicht nachvollziehbar sei. Von daher ist es unerheblich, wann die Eltern des Patienten zugestimmt haben.
Ein Schaden ist eingetreten. dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Schaden nach den abgerechneten bzw. beanstandeten Leistungen bemisst (vgl. zur Schadenshöhe BSG, Urt. v. 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R – juris Rdnr. 23 m. w. N.).
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt eine vierjährige Verjährungsvorschrift (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1 = BSGE 79, 97 = NJW 1997, 3116 = USK 96151, juris Rdnr. 16).
Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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