Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 4775/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 RJ 4142/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 46/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anwendung des § 22b FRG i.d.F. des WFG vom 25.9.1996 (Begrenzung auf 40 Entgeltpunkte) auf ein wenige Tage nach dem rückwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes zum 7.5.1996 in die Bundesrepublik eingereistes Ehepaar. Revision zugelassen (vgl. auch das beim BSG anhängig Verfahren B 13 RJ 2/03 R)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.
Der am 1930 geborene Kläger kam am 15.5.1996 gemeinsam mit seiner am 1936 geborenen Ehefrau aus K. in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger und seine Ehefrau sind als Spätaussiedler anerkannt.
Mit Bescheid vom 8.8.1997 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 30.5.1996 Regelaltersrente ab 15.5.1996 (in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von DM 879,07 ab 1.10.1997). Der Ehefrau des Klägers gewährte sie auf deren Antrag vom 30.5.1996 mit Bescheid vom 30.7.1997 ab 1.9.1996 Altersrente für Frauen. Bei der Berechnung der Rente des Klägers vervielfältigte die Beklagte gemäß § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) die beim Kläger ermittelten Entgeltpunkte (EP) mit dem Faktor 0,6, d. h. der Wert wurde um 40% gekürzt. Die sich danach ergebenden persönlichen EP von 31,8716 verminderte sie zu-nächst auf 25 EP. Ebenso wurden die nach der 40%-Kürzung bei der Ehefrau des Klägers ermittelten persönlichen EP von 29,2597 zunächst auf 25 EP begrenzt. Sodann begrenzte sie die EP beider Renten auf 40 EP und errechnete sowohl für die Rente des Klägers als auch für die seiner Ehefrau einen anteiligen Höchstwert von 20 EP. Der Bescheid vom 8.8.1997 wurde bindend.
Mit Schreiben vom 2.5.2000, eingegangen bei der Beklagten am 19.5.2000, beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewäh-rung der Altersrente ohne die 40-% Kürzung und ohne die Begrenzung auf 20 EP.
Mit Bescheid vom 31.5.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei der im Ren-tenbescheid vom 8.8.1997 getroffenen Entscheidung. Nach einer Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 4 FRG werde die Angelegenheit überprüft und dem Kläger das Ergebnis mitgeteilt.
Hiergegen legte der Kläger am 29.6.2000 Widerspruch ein und machte geltend, es gehe nicht nur um die 40-% Kürzung des § 22 Abs. 4 FRG, sondern vor allem um die Regelung des § 22b FRG (Begrenzung auf 25 EP bzw. 40 EP bei Eheleuten). Diese Regelung sei verfas-sungswidrig. Unabhängig davon liege in Bezug auf seine Person eine echte Rückwirkung vor, die gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2000 wies die Bekl. den Widerspruch zurück.
Gegen den am 28.7.2000 abgesandten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 18.8.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Abänderung des Bescheides vom 31.5.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2000 und die Verurteilung der Beklagten begehrte, ihm ab 15.5.1996 eine höhere Regelaltersrente ohne Kürzung der EP um 40% sowie ohne Berücksichtigung der Obergrenze des § 22b FRG zu gewähren.
Durch Urteil vom 8.5.2002 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klä-ger habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Sozialge-setzbuch (SGB) X. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes liege nicht vor. Die Eigentumsgaran-tie des Art. 14 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt. Auch die Stichtagsregelung verletze nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 10.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2.9.2002 beim SG Stuttgart Be-rufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, er habe seit dem 15.5.1996 Anspruch auf Regelaltersrente. Zu dieser Zeit sei das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) noch nicht existent gewesen; es sei erst am 25.9.1996 verkündet worden. Seine Rente hätte gem. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI nach dem am 15.5.1996 geltenden Recht festgestellt werden müssen. Insoweit werde auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 14.9.2002 (L 2 RJ 306/99) Bezug genommen. Entgegen der Auf-fassung des SG liege eine echte Rückwirkung vor. Die Beklagte sei deswegen verpflichtet, die Altersrente ohne die 40% Kürzung und ohne die Obergrenze des § 22b FRG neu festzustellen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.8.2003 erklärte sich die Beklagte bereit, den Rentenanspruch des Klägers vom 15.5.1996 bis zum 31.8.1996 unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rente der Ehefrau des Klägers erst am 1.9.1996 begonnen hat, erneut zu überprüfen und dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2000 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 8. August 1997 teilweise zurückzu-nehmen und ihm ab 1. September 1996 eine höhere Regelaltersrente ohne Kürzung der EP um 40% und ohne Obergrenze gem. § 22b FRG zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 8.8.1997 und auf Gewährung der Altersrente ohne Kürzung um 40% und ohne Begrenzung der EP auf 40 für Eheleute bzw. 20 für den Kläger ab 1.9.1996 hat.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor, da die Beklagte bei Erlass dieses Bescheides das Recht nicht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.
Der Rücknahmeanspruch des Klägers kann nicht auf § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI gestützt werden. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeit-punkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder einen Anspruch auch dann anzuwen-den, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Ka-lendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.
Der Senat lässt es dahingestellt, ob § 300 Abs 1 und 2 SGB VI überhaupt bei Änderungen des FRG anwendbar ist, welches nicht förmlich Teil des SGB VI und damit "dieses Gesetzbu-ches" i.S.d. § 300 Abs. 1 SGB VI ist. Auch wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Rentenanspruch des Klägers nach dem SGB VI - nur - unter Berücksichtigung von im FRG erfassten Regelungen besteht, § 300 Abs 1 und 2 SGB VI für anwendbar hält, würde dies nicht dazu führen, dass die Rente des Klägers nach den gesetzlichen Bestimmungen vor Inkrafttreten des WFG und damit ohne Vervielfältigung der EP mit dem Faktor 0,6 (Art 3 Nr. 4 Buchstabe b WFG) und ohne die Begrenzung der EP gemäß § 22 b Abs. 3 FRG (Art. 3 Nr. 5 WFG) zu berechnen wäre, denn die Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI liegen nicht vor.
Das WFG ist in Bezug auf die Art. 3 Nr. 4 Buchstabe b und Nr. 5 mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten (Art. 12 Abs. 2 WFG). Hieraus ergibt sich als Zeitpunkt der Änderun-gen und damit der Aufhebung des alten Rechts iSd § 300 Abs 2 SGB VI der "Beginn des 7. Mai 1996" (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 14). Der Kläger hat zwar, bezogen auf diesen Zeitpunkt, mit seinem Rentenantrag vom 30.5.1996 die 3-Monatsfrist des § 300 Abs 2 SGB VI eingehalten, sein Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente ist aber erst mit seiner Ausreise aus Kasachstan am 15.5.1996 und damit nach dem 7.5.1996 entstanden.
Entscheidend ist daher, ob die im Falle des Klägers durch § 300 Abs. 2 SGB VI nicht ausge-schlossene rückwirkende Anwendung des § 22b FRG in der Fassung des WFG verfassungs-mäßig ist, denn allein auf der Anwendung des § 22b FRG beruht die anteilsmäßige Zuord-nung der 20 EP. Demgegenüber wirkt sich die 40%-Kürzung der ermittelten EP nach Maßga-be des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG im Falle des Klägers im Ergebnis nicht aus, da die nach der Kürzung sich ergebenden persönlichen EP in Höhe von 31,8716 nur ein vor-läufiger und gemäß § 22b Abs. 1 FRG auf zunächst 25 EP und im Ergebnis gemäß § 22b Abs 3 FRG auf 20 EP zu reduzierender Zwischenwert sind (vgl. BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 1).
§ 22b FRG setzt Höchstgrenzen für EP fest, die für nach dem FRG anrechenbare Zeiten einer Rente zugrunde gelegt werden dürfen. Nach § 22b Abs. 1 FRG sind dies für einen einzelnen Berechtigten 25 EP. § 22b Abs. 2 FRG bestimmt, wie die EP für die Anwendung dieser Be-grenzungsregelung zu ermitteln sind. Nach § 22b Abs. 3 FRG werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Renten nach den Absätzen 1 und 2 festgestellt worden sind, höchstens insgesamt 40 EP zugrunde gelegt. Diese werden auf die Renten in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die sich nach Anwendung von den Absätzen 1 und 2 jeweils ergebenden EP zueinander stehen, höchstens jedoch 25 EP für einen Berechtigten. Vorliegend hat die Beklagte die beim Kläger nach dem FRG anrechenbaren persönlichen EP von 31,8716 zunächst auf 25 EP begrenzt. Die persönlichen EP seiner Ehe-frau von 29,2597 wurden ebenfalls auf 25 EP begrenzt, sodass sich bei der weiteren Begren-zung der EP für die Eheleute auf 40 EP für den Kläger ein anteiliger Höchstwert von 20 EP ergibt.
Der Senat ist von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 22b Abs. 1 und Abs. 3 FRG - ebenso wie das SG und das BSG (SozR 3-5050 § 22b Nrn. 1 und 3) - nicht überzeugt. Insoweit schließt er sich den Ausführungen in den genannten Urteilen in vollem Umfang an und nimmt hierauf Bezug.
Der Senat ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass das in Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b FRG rückwirkend zum 7. 5.1996 nicht verfassungswidrig ist.
Im Falle des Klägers steht fest, dass er im Zeitpunkt seines Zuzugs in die Bundesrepublik am 15.5.1996 das Rentenrecht noch nicht in der Ausgestaltung vorgefunden hat, die es durch das WFG erfahren hat. Denn das WFG vom 25. September 1996 wurde erst am 27. September 1996 im Bundesgesetzblatt Nr. 48 verkündet. Durch das in Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b FRG zum 7.5.1996 wurde damit der Beginn des zeitlichen Anwen-dungsbereichs dieser Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (nach der No-menklatur des 2. Senats des BVerfG eine "Rückbewirkung der Rechtsfolgen", nach der No-menklatur des 1. Senats des BVerfG eine "echte Rückwirkung"- vgl. hierzu Maurer, Staats-recht I , 2. Auflage, München 2001, Rdn 105 ff.-) ist aus Gründen des rechtsstaatlichen Ver-trauensschutzgebots grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muss grund-sätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bis dahin nicht geltenden Belastung unterworfen wird. (BVerfGE 97, 67-88; juris-dok S. 8 m.w.N). Demzufolge ist eine echte Rückwirkung oder Rückbewir-kung des Rechtsfolgen ausnahmsweise zulässig, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Be-troffenen nicht oder nicht mehr vorhanden war oder wenn seinem schutzwürdigen Vertrauen zwingende Gründe des gemeinen Wohls entgegenstehen (vgl. BVerfG aaO juris-dok, Orien-tierungssatz 2c, zusammenfassend Maurer aaO Rdn 118-120).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttre-tens des § 22b FRG zum 7.5.1996 als zulässig. Der für das rückwirkende Inkrafttreten ge-wählte Stichtag 7.5.1996 knüpft inhaltlich an den Zeitpunkt der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des WFG und die nachfolgende Unterrichtung der Öffentlichkeit an. Der danach am 15.5.1996 in die Bundesrepublik eingereiste Kläger erfüllte zwar mit dem Tag seiner Einreise die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente, ohne dass dieser Anspruch aber bis zur Verkündung des WFG am 27.9.1996 bereits durch einen Ver-waltungsakt konkretisiert worden wäre. Unter diesen Voraussetzungen rangiert der Vertrau-ensschutz des Klägers hinter dem eines Berechtigten, der in Ansehung eines Rechts bereits Dispositionen getroffen hat oder dem Ansprüche bereits zugebilligt wurden (vgl. BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7; juris-dok S.11). Angesichts des insoweit schon eingeschränkten Vertrau-ensschutzes kann dahingestellt bleiben, ob der Vertrauensschutz schon deshalb insgesamt entfällt, weil der Kläger wegen des Kabinettsbeschlusses von diesem Zeitpunkt an, auf den sich die Rückwirkung bezieht, mit einer Neuregelung rechnen musste und daher kein sachli-cher Grund mehr bestand, auf die Fortgeltung der früheren Rechtslage in schutzwürdiger Wei-se zu vertrauen (so BGH, Beschluss vom 11.2.1999, Az IX ZR 298/97 Orientierungssatz 2 juris-dok; zur Kritik hierzu Maurer aaO Rdn 120). Denn der Vertrauensschutz des Klägers muss hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten, das im vorliegenden Fall darin bestand, die Umgestaltung des FRG durch das WFG schon vor der Verkündung im Bundesgesetzblatt greifen zu lassen, um zu verhindern, dass die bisherigen Regelungen - etwa noch durch erheb-lichen Zuzug von Spätaussiedlern kurz vor Torschluss - noch ausgenutzt und damit die Neu-regelung in ihrer Zielsetzung insoweit durchkreuzt wurde (vgl. BVerfG 97. 67-88, juris-dok S.10).
Ungeachtet der zulässigen Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von dem Eingriff - durch die nachträgliche Än-derung der Rechtsfolgen - betroffen ist. (BVerfG aaO unter Hinweis auf BVerfGE 72, 200 (258)). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Zwar unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Anwartschaften und Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Rentenanwartschaften dem Schutz der Eigentumsga-rantie. Die grundsätzliche Verfügungsbefugnis wird dabei nicht nur durch die spätere Nut-zung, sondern auch dadurch hergestellt, dass ihr Umfang durch die persönliche Arbeitsleis-tung des Versicherten mitbestimmt wird, wie dies vor allem in den einkommensbezogenen Beitragsleistungen Ausdruck findet. Die Berechtigung des Inhabers steht also in Zusammen-hang mit einer eigenen Leistung, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt ist (vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff). Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozi-alversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese ge-nießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistun-gen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann kommt bei gesetzlichen Eingriffen in sozialversicherungs-rechtliche Positionen zwar ein Schutz durch andere Grundrechte, nicht aber auch Art. 14 GG in Betracht (vgl. BVerfGE 69, 272, 300). Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch zu kei-nem Zeitpunkt Beitragsleistungen an einen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik erbracht, sodass schon deshalb fraglich ist, ob der Kläger allein wegen der späteren Rentenan-sprüche, die auf seine Anerkennung als Spätaussiedler und die Regelungen in FRG zurückge-hen, hierfür den Schutz des Art. 14 GG genießt (BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7 unter Hinweis auf BVerfGE 29, 22, 34). Aber selbst wenn der Kläger nach dem FRG eine eigentumsge-schützte Rechtsposition erlangt hätte, ist zu berücksichtigen, dass Rentenversicherungsan-sprüche und -anwartschaften einen ausgeprägten sozialen Bezug aufweisen, da sie auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft und des Generationenvertrages beruhen. Dies bedeutet, dass bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zusteht. Dies gilt im besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Sys-tems der gesetzlichen Rentenversicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und -anwartschaften zu beschränken (vgl. BVerfGE 53, a.a.O.). Im Fall des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er selbst keine Beiträge zur deut-schen Rentenversicherung geleistet hat, sodass der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Beibehaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung bei der veränderten Altersstruktur, der hohen Arbeitslosigkeit, der Eingliederung der Versicherten in den neuen Bundesländern und dem Zuzug von Spätaussiedler ein weiter Gestaltungsspiel-raum zusteht. Diesen hat der Gesetzgeber durch die Begrenzung auf 40 EP (für Eheleute) mit Wirkung vom 7.5.1996 nicht überschritten.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Zwar wird der Kläger anders, nämlich schlechter, behandelt als Spätaussiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD vor dem 7.5.1996 genommen haben. Indessen liegt hier keine sachwidrige Differenzierung vor. Vielmehr ist dies das Ergebnis einer vom Gesetzgeber gewählten Stichtagsregelung. Härten, die jeder derartigen Regelung innewohnen, müssen hingenommen werden, wenn die Einfüh-rung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen Sach-verhalt, damit sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 58, 81, 126). Angesichts einer schnell wirksamen Entlastung der Rentenkassen, insbesondere auch von beitragsfremden Lasten, ist eine Anknüpfung an den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses vertretbar.
Nach alledem waren das angefochtene Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil der hier vorliegende Sachverhalt insoweit von den vom BSG entschiedenen abweicht, als der hiesige Kläger vor Verkündung des WFG vom 25.9.1996 und kurz nach dem rückwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes ins Bundesgebiet gekommen ist. Das in einem gleichgelagerten Fall beim Bundes-sozialgericht anhängige Verfahren B 13 RJ 2/03 R (vorgehend Landessozialgericht Nord-rhein-Westfalen Urteil vom 29.11.2002, L 13 RJ 30/02, juris-dok) war im Zeitpunkt der Ent-scheidung des Senats noch nicht entschieden.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.
Der am 1930 geborene Kläger kam am 15.5.1996 gemeinsam mit seiner am 1936 geborenen Ehefrau aus K. in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger und seine Ehefrau sind als Spätaussiedler anerkannt.
Mit Bescheid vom 8.8.1997 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 30.5.1996 Regelaltersrente ab 15.5.1996 (in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von DM 879,07 ab 1.10.1997). Der Ehefrau des Klägers gewährte sie auf deren Antrag vom 30.5.1996 mit Bescheid vom 30.7.1997 ab 1.9.1996 Altersrente für Frauen. Bei der Berechnung der Rente des Klägers vervielfältigte die Beklagte gemäß § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) die beim Kläger ermittelten Entgeltpunkte (EP) mit dem Faktor 0,6, d. h. der Wert wurde um 40% gekürzt. Die sich danach ergebenden persönlichen EP von 31,8716 verminderte sie zu-nächst auf 25 EP. Ebenso wurden die nach der 40%-Kürzung bei der Ehefrau des Klägers ermittelten persönlichen EP von 29,2597 zunächst auf 25 EP begrenzt. Sodann begrenzte sie die EP beider Renten auf 40 EP und errechnete sowohl für die Rente des Klägers als auch für die seiner Ehefrau einen anteiligen Höchstwert von 20 EP. Der Bescheid vom 8.8.1997 wurde bindend.
Mit Schreiben vom 2.5.2000, eingegangen bei der Beklagten am 19.5.2000, beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewäh-rung der Altersrente ohne die 40-% Kürzung und ohne die Begrenzung auf 20 EP.
Mit Bescheid vom 31.5.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei der im Ren-tenbescheid vom 8.8.1997 getroffenen Entscheidung. Nach einer Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 4 FRG werde die Angelegenheit überprüft und dem Kläger das Ergebnis mitgeteilt.
Hiergegen legte der Kläger am 29.6.2000 Widerspruch ein und machte geltend, es gehe nicht nur um die 40-% Kürzung des § 22 Abs. 4 FRG, sondern vor allem um die Regelung des § 22b FRG (Begrenzung auf 25 EP bzw. 40 EP bei Eheleuten). Diese Regelung sei verfas-sungswidrig. Unabhängig davon liege in Bezug auf seine Person eine echte Rückwirkung vor, die gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2000 wies die Bekl. den Widerspruch zurück.
Gegen den am 28.7.2000 abgesandten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 18.8.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Abänderung des Bescheides vom 31.5.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2000 und die Verurteilung der Beklagten begehrte, ihm ab 15.5.1996 eine höhere Regelaltersrente ohne Kürzung der EP um 40% sowie ohne Berücksichtigung der Obergrenze des § 22b FRG zu gewähren.
Durch Urteil vom 8.5.2002 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klä-ger habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Sozialge-setzbuch (SGB) X. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes liege nicht vor. Die Eigentumsgaran-tie des Art. 14 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt. Auch die Stichtagsregelung verletze nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 10.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2.9.2002 beim SG Stuttgart Be-rufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, er habe seit dem 15.5.1996 Anspruch auf Regelaltersrente. Zu dieser Zeit sei das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) noch nicht existent gewesen; es sei erst am 25.9.1996 verkündet worden. Seine Rente hätte gem. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI nach dem am 15.5.1996 geltenden Recht festgestellt werden müssen. Insoweit werde auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 14.9.2002 (L 2 RJ 306/99) Bezug genommen. Entgegen der Auf-fassung des SG liege eine echte Rückwirkung vor. Die Beklagte sei deswegen verpflichtet, die Altersrente ohne die 40% Kürzung und ohne die Obergrenze des § 22b FRG neu festzustellen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.8.2003 erklärte sich die Beklagte bereit, den Rentenanspruch des Klägers vom 15.5.1996 bis zum 31.8.1996 unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rente der Ehefrau des Klägers erst am 1.9.1996 begonnen hat, erneut zu überprüfen und dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2000 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 8. August 1997 teilweise zurückzu-nehmen und ihm ab 1. September 1996 eine höhere Regelaltersrente ohne Kürzung der EP um 40% und ohne Obergrenze gem. § 22b FRG zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 8.8.1997 und auf Gewährung der Altersrente ohne Kürzung um 40% und ohne Begrenzung der EP auf 40 für Eheleute bzw. 20 für den Kläger ab 1.9.1996 hat.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor, da die Beklagte bei Erlass dieses Bescheides das Recht nicht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.
Der Rücknahmeanspruch des Klägers kann nicht auf § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI gestützt werden. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeit-punkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder einen Anspruch auch dann anzuwen-den, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Ka-lendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.
Der Senat lässt es dahingestellt, ob § 300 Abs 1 und 2 SGB VI überhaupt bei Änderungen des FRG anwendbar ist, welches nicht förmlich Teil des SGB VI und damit "dieses Gesetzbu-ches" i.S.d. § 300 Abs. 1 SGB VI ist. Auch wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Rentenanspruch des Klägers nach dem SGB VI - nur - unter Berücksichtigung von im FRG erfassten Regelungen besteht, § 300 Abs 1 und 2 SGB VI für anwendbar hält, würde dies nicht dazu führen, dass die Rente des Klägers nach den gesetzlichen Bestimmungen vor Inkrafttreten des WFG und damit ohne Vervielfältigung der EP mit dem Faktor 0,6 (Art 3 Nr. 4 Buchstabe b WFG) und ohne die Begrenzung der EP gemäß § 22 b Abs. 3 FRG (Art. 3 Nr. 5 WFG) zu berechnen wäre, denn die Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI liegen nicht vor.
Das WFG ist in Bezug auf die Art. 3 Nr. 4 Buchstabe b und Nr. 5 mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten (Art. 12 Abs. 2 WFG). Hieraus ergibt sich als Zeitpunkt der Änderun-gen und damit der Aufhebung des alten Rechts iSd § 300 Abs 2 SGB VI der "Beginn des 7. Mai 1996" (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 14). Der Kläger hat zwar, bezogen auf diesen Zeitpunkt, mit seinem Rentenantrag vom 30.5.1996 die 3-Monatsfrist des § 300 Abs 2 SGB VI eingehalten, sein Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente ist aber erst mit seiner Ausreise aus Kasachstan am 15.5.1996 und damit nach dem 7.5.1996 entstanden.
Entscheidend ist daher, ob die im Falle des Klägers durch § 300 Abs. 2 SGB VI nicht ausge-schlossene rückwirkende Anwendung des § 22b FRG in der Fassung des WFG verfassungs-mäßig ist, denn allein auf der Anwendung des § 22b FRG beruht die anteilsmäßige Zuord-nung der 20 EP. Demgegenüber wirkt sich die 40%-Kürzung der ermittelten EP nach Maßga-be des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG im Falle des Klägers im Ergebnis nicht aus, da die nach der Kürzung sich ergebenden persönlichen EP in Höhe von 31,8716 nur ein vor-läufiger und gemäß § 22b Abs. 1 FRG auf zunächst 25 EP und im Ergebnis gemäß § 22b Abs 3 FRG auf 20 EP zu reduzierender Zwischenwert sind (vgl. BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 1).
§ 22b FRG setzt Höchstgrenzen für EP fest, die für nach dem FRG anrechenbare Zeiten einer Rente zugrunde gelegt werden dürfen. Nach § 22b Abs. 1 FRG sind dies für einen einzelnen Berechtigten 25 EP. § 22b Abs. 2 FRG bestimmt, wie die EP für die Anwendung dieser Be-grenzungsregelung zu ermitteln sind. Nach § 22b Abs. 3 FRG werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Renten nach den Absätzen 1 und 2 festgestellt worden sind, höchstens insgesamt 40 EP zugrunde gelegt. Diese werden auf die Renten in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die sich nach Anwendung von den Absätzen 1 und 2 jeweils ergebenden EP zueinander stehen, höchstens jedoch 25 EP für einen Berechtigten. Vorliegend hat die Beklagte die beim Kläger nach dem FRG anrechenbaren persönlichen EP von 31,8716 zunächst auf 25 EP begrenzt. Die persönlichen EP seiner Ehe-frau von 29,2597 wurden ebenfalls auf 25 EP begrenzt, sodass sich bei der weiteren Begren-zung der EP für die Eheleute auf 40 EP für den Kläger ein anteiliger Höchstwert von 20 EP ergibt.
Der Senat ist von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 22b Abs. 1 und Abs. 3 FRG - ebenso wie das SG und das BSG (SozR 3-5050 § 22b Nrn. 1 und 3) - nicht überzeugt. Insoweit schließt er sich den Ausführungen in den genannten Urteilen in vollem Umfang an und nimmt hierauf Bezug.
Der Senat ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass das in Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b FRG rückwirkend zum 7. 5.1996 nicht verfassungswidrig ist.
Im Falle des Klägers steht fest, dass er im Zeitpunkt seines Zuzugs in die Bundesrepublik am 15.5.1996 das Rentenrecht noch nicht in der Ausgestaltung vorgefunden hat, die es durch das WFG erfahren hat. Denn das WFG vom 25. September 1996 wurde erst am 27. September 1996 im Bundesgesetzblatt Nr. 48 verkündet. Durch das in Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b FRG zum 7.5.1996 wurde damit der Beginn des zeitlichen Anwen-dungsbereichs dieser Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (nach der No-menklatur des 2. Senats des BVerfG eine "Rückbewirkung der Rechtsfolgen", nach der No-menklatur des 1. Senats des BVerfG eine "echte Rückwirkung"- vgl. hierzu Maurer, Staats-recht I , 2. Auflage, München 2001, Rdn 105 ff.-) ist aus Gründen des rechtsstaatlichen Ver-trauensschutzgebots grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muss grund-sätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bis dahin nicht geltenden Belastung unterworfen wird. (BVerfGE 97, 67-88; juris-dok S. 8 m.w.N). Demzufolge ist eine echte Rückwirkung oder Rückbewir-kung des Rechtsfolgen ausnahmsweise zulässig, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Be-troffenen nicht oder nicht mehr vorhanden war oder wenn seinem schutzwürdigen Vertrauen zwingende Gründe des gemeinen Wohls entgegenstehen (vgl. BVerfG aaO juris-dok, Orien-tierungssatz 2c, zusammenfassend Maurer aaO Rdn 118-120).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttre-tens des § 22b FRG zum 7.5.1996 als zulässig. Der für das rückwirkende Inkrafttreten ge-wählte Stichtag 7.5.1996 knüpft inhaltlich an den Zeitpunkt der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des WFG und die nachfolgende Unterrichtung der Öffentlichkeit an. Der danach am 15.5.1996 in die Bundesrepublik eingereiste Kläger erfüllte zwar mit dem Tag seiner Einreise die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente, ohne dass dieser Anspruch aber bis zur Verkündung des WFG am 27.9.1996 bereits durch einen Ver-waltungsakt konkretisiert worden wäre. Unter diesen Voraussetzungen rangiert der Vertrau-ensschutz des Klägers hinter dem eines Berechtigten, der in Ansehung eines Rechts bereits Dispositionen getroffen hat oder dem Ansprüche bereits zugebilligt wurden (vgl. BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7; juris-dok S.11). Angesichts des insoweit schon eingeschränkten Vertrau-ensschutzes kann dahingestellt bleiben, ob der Vertrauensschutz schon deshalb insgesamt entfällt, weil der Kläger wegen des Kabinettsbeschlusses von diesem Zeitpunkt an, auf den sich die Rückwirkung bezieht, mit einer Neuregelung rechnen musste und daher kein sachli-cher Grund mehr bestand, auf die Fortgeltung der früheren Rechtslage in schutzwürdiger Wei-se zu vertrauen (so BGH, Beschluss vom 11.2.1999, Az IX ZR 298/97 Orientierungssatz 2 juris-dok; zur Kritik hierzu Maurer aaO Rdn 120). Denn der Vertrauensschutz des Klägers muss hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten, das im vorliegenden Fall darin bestand, die Umgestaltung des FRG durch das WFG schon vor der Verkündung im Bundesgesetzblatt greifen zu lassen, um zu verhindern, dass die bisherigen Regelungen - etwa noch durch erheb-lichen Zuzug von Spätaussiedlern kurz vor Torschluss - noch ausgenutzt und damit die Neu-regelung in ihrer Zielsetzung insoweit durchkreuzt wurde (vgl. BVerfG 97. 67-88, juris-dok S.10).
Ungeachtet der zulässigen Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von dem Eingriff - durch die nachträgliche Än-derung der Rechtsfolgen - betroffen ist. (BVerfG aaO unter Hinweis auf BVerfGE 72, 200 (258)). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Zwar unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Anwartschaften und Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Rentenanwartschaften dem Schutz der Eigentumsga-rantie. Die grundsätzliche Verfügungsbefugnis wird dabei nicht nur durch die spätere Nut-zung, sondern auch dadurch hergestellt, dass ihr Umfang durch die persönliche Arbeitsleis-tung des Versicherten mitbestimmt wird, wie dies vor allem in den einkommensbezogenen Beitragsleistungen Ausdruck findet. Die Berechtigung des Inhabers steht also in Zusammen-hang mit einer eigenen Leistung, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt ist (vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff). Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozi-alversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese ge-nießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistun-gen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann kommt bei gesetzlichen Eingriffen in sozialversicherungs-rechtliche Positionen zwar ein Schutz durch andere Grundrechte, nicht aber auch Art. 14 GG in Betracht (vgl. BVerfGE 69, 272, 300). Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch zu kei-nem Zeitpunkt Beitragsleistungen an einen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik erbracht, sodass schon deshalb fraglich ist, ob der Kläger allein wegen der späteren Rentenan-sprüche, die auf seine Anerkennung als Spätaussiedler und die Regelungen in FRG zurückge-hen, hierfür den Schutz des Art. 14 GG genießt (BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7 unter Hinweis auf BVerfGE 29, 22, 34). Aber selbst wenn der Kläger nach dem FRG eine eigentumsge-schützte Rechtsposition erlangt hätte, ist zu berücksichtigen, dass Rentenversicherungsan-sprüche und -anwartschaften einen ausgeprägten sozialen Bezug aufweisen, da sie auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft und des Generationenvertrages beruhen. Dies bedeutet, dass bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zusteht. Dies gilt im besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Sys-tems der gesetzlichen Rentenversicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und -anwartschaften zu beschränken (vgl. BVerfGE 53, a.a.O.). Im Fall des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er selbst keine Beiträge zur deut-schen Rentenversicherung geleistet hat, sodass der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Beibehaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung bei der veränderten Altersstruktur, der hohen Arbeitslosigkeit, der Eingliederung der Versicherten in den neuen Bundesländern und dem Zuzug von Spätaussiedler ein weiter Gestaltungsspiel-raum zusteht. Diesen hat der Gesetzgeber durch die Begrenzung auf 40 EP (für Eheleute) mit Wirkung vom 7.5.1996 nicht überschritten.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Zwar wird der Kläger anders, nämlich schlechter, behandelt als Spätaussiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD vor dem 7.5.1996 genommen haben. Indessen liegt hier keine sachwidrige Differenzierung vor. Vielmehr ist dies das Ergebnis einer vom Gesetzgeber gewählten Stichtagsregelung. Härten, die jeder derartigen Regelung innewohnen, müssen hingenommen werden, wenn die Einfüh-rung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen Sach-verhalt, damit sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 58, 81, 126). Angesichts einer schnell wirksamen Entlastung der Rentenkassen, insbesondere auch von beitragsfremden Lasten, ist eine Anknüpfung an den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses vertretbar.
Nach alledem waren das angefochtene Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil der hier vorliegende Sachverhalt insoweit von den vom BSG entschiedenen abweicht, als der hiesige Kläger vor Verkündung des WFG vom 25.9.1996 und kurz nach dem rückwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes ins Bundesgebiet gekommen ist. Das in einem gleichgelagerten Fall beim Bundes-sozialgericht anhängige Verfahren B 13 RJ 2/03 R (vorgehend Landessozialgericht Nord-rhein-Westfalen Urteil vom 29.11.2002, L 13 RJ 30/02, juris-dok) war im Zeitpunkt der Ent-scheidung des Senats noch nicht entschieden.
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