Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 620/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4316/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 76/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hausärzte, die ihre Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft umwandeln, handeln rechtsmissbräuchlich, wenn sie es darauf anlegen, eine möglichst hohe Zahl an Doppelbehandlungen bei beiden Ärzten im selben Quartal zu erreichen.
Bei diesem Verhalten ist die eingereichte Abrechnungssammmelerklärung unrichtig mit der Folge, dass die KÄV das zustehende Honorar schätzen kann.
Bei diesem Verhalten ist die eingereichte Abrechnungssammmelerklärung unrichtig mit der Folge, dass die KÄV das zustehende Honorar schätzen kann.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 4/98.
Der Kläger ist als Allgemeinarzt in R. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führte vom 1. Februar 1993 bis 31. Dezember 1995 mit dem Allgemeinarzt Dr. U. eine Gemeinschaftspraxis. Seit 1. Januar 1996 sind beide in einer Praxis-gemeinschaft tätig.
Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nahm der Prüfungsausschuss für die Quartale 1/96 bis 2/97 beim Kläger Streichungen der Ordinationsgebühr (Gebührennummer (GNR) 1 EBM) in den Fällen vor, in denen auch Dr. U. die GNR 1 EBM abgerechnet und die Patienten den Abrechnungsscheinen zufolge überwiegend behandelt hatte.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der damit befasste Beschwerdeausschuss setzte mit Beschluss vom 22. Juli 1999 hinsichtlich dieser Fälle das Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren aus, um der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Gelegenheit zur Prüfung und Entscheidung über eine sachlich-rechnerischen Berichtigung zu geben. Den gleichen Beschluss fasste der Prüfungsausschuss in den bei ihm anhängigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffend die Quartale 3/97 bis 4/98 (Beschlüsse vom 4. August 1999 und 14. Oktober 1999).
Mit Bescheid vom 8. November 1999 strich daraufhin die Beklagte im Rahmen einer sachlich-rechnerische Berichtigung die GNR 1 EBM in den Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 2/97 zwischen 256 mal und 330 mal pro Quartal. Im Einzelnen: im Quartal 1/96 322-mal = 101.710 Punkte im Quartal 2/96 310-mal = 100.630 Punkte im Quartal 3/96 330-mal = 106.980 Punkte im Quartal 4/96 327-mal = 108.075 Punkte im Quartal 1/97 300-mal = 96.930 Punkte im Quartal 2/97 256-mal = 83.380 Punkte, insgesamt also 597.705 Punkte
An der Nr. 2 EBM erfolgte keine Streichung. Bezüglich der Quartale 3/97 bis 4/98 wurde hinsichtlich der GNR 1 EBM keine Berichtigung durchgeführt, da die zu erwartenden Kürzungsbeträge niedriger liegen würden als die Überschreitungspunktzahl des Praxisbudgets, worunter die GNR 1 EBM einzuordnen sei. Des Weiteren strich die Beklagte in den Quartalen 1/96 bis 4/98 die (nicht budgetierte) Hausarztpauschale pauschal in Höhe von 30% pro Quartal (Kürzungsbetrag insoweit 25.835,22 DM).
Zur Begründung führte sie aus, die Überprüfung der Quartalsabrechnungen 1/96 bis 4/98 habe ergeben, dass durchschnittlich 58% der Patienten des Klägers in beiden Praxen überwiegend mit "Originalschein" primär hausärztlich behandelt worden seien. Offensichtlich sei die Praxisgemeinschaft wie früher die Gemeinschaftspraxis weiter geführt worden. In den Doppelfällen seien damit in nicht gerechtfertigter Weise die doppelte Abrechnung der Ordinationsgebühr und der hausärztlichen Grundpauschalen sowie Vorteile bei der Budgetberechnung und bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung erreicht worden. Das Verhalten der beiden Ärzte stelle einen Verstoß gegen § 76 Abs. 3 i. V. m. § 73 SGB V (Hausarztsystem) dar. Der Kläger und Dr. U. hätten ihre Patienten weder dazu angewiesen, im Rahmen der Praxisgemeinschaft einen Arzt auszuwählen, noch hätten sie über die Hintergründe einer solchen Wahlentscheidung und deren Konsequenzen informiert. Hierzu hätte auch die Information gehört, dass der Hausarzt innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewechselt werden könne. Diesen Verpflichtungen seien der Kläger und Dr. U. nicht nachgekommen (u. a. mit Hinweis auf Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 -L 5 KA 490/99-). Danach sei dieses Verhalten als pflichtwidrig zu werten und berechtige zu einer entsprechenden sachlich-rechnerischen Berichtigung. Weiter führte die Beklagte aus, nach dem zitierten Urteil des erkennenden Senates brauche sie nicht in jedem Einzelfall die Unrichtigkeit der Abrechnung nachzuweisen. Die von der Beklagten im Einzelnen dargestellten konkreten Fälle einer Doppelabrechnung seien damit als Nachweis einer grobfahrlässig falschen Doppelabrechnung zu sehen, was zum Wegfall der Richtigkeit der Abrechnungssammel-erklärung und damit zur Rechtswidrigkeit des auf ihr beruhenden Honorarbescheides insgesamt führe. Bei der Neufestsetzung des Honorars habe sie sodann ein weites Schätzungsermessen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass bei der Hausarztpauschale nach GNR 8066 die Falschabrechnung entsprechend der Ordinationsgebühr (GNR 1) auf 30% pro Quartal geschätzt werde, woraus sich in den Quartalen 1/96 bis 4/98 eine jeweilige 30-prozentige Streichung der GNR 8066 ergebe. Die GNR 1 EBM sei beim Kläger in den Behandlungsfällen gestrichen worden, in denen auch Dr. U. diese GNR abgerechnet und den Abrechnungsunterlagen zufolge die Patienten überwiegend behandelt habe (eine entsprechende Auflistung wurde dem Bescheid beigefügt). Die sich daraus in den Quartalen 1/96 bis 2/97 errechneten Streichungen ergäben eine Kürzung an der Summe aller abgerechneten Ordinationsgebühren in Höhe von durchschnittlich rund 30%.
Hiergegen erhoben der Kläger und Dr. U. mit gemeinsamen Schreiben vom 16. November 1999 Widerspruch und führten zur Begründung aus, sie behandelten (durchschnittlich und gerundet) pro Quartal zusammen 1500 Patienten, jeder also 750; sie rechneten 2000 Scheine ab, jeder also 1000 pro Praxis seien also nur 25% Doppelfälle. Im Übrigen sei nach dem geltenden Recht ein Patient eben nicht an einen Hausarzt gebunden. Jeder Patient, der in die Praxis komme, werde gefragt, zu welchem Arzt er wolle. Freie Arztwahl sei oberstes Gebot und sie (der Kläger und Dr. U.) seien nicht verpflichtet, diese Entscheidung zu steuern. Die abgerechneten Leistungen seien ordnungsgemäß erbracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch im wesentlichen aus den selben Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Unter anderem verwies die Beklagte noch ausdrücklich darauf, soweit der Kläger und Dr. U. geltend machten, sie hätten erst im Zusammenhang mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss am 18. März 1999 erfahren, welche Verfahrensweise, sprich Abrechnungsscheine, bei der Inanspruchnahme des jeweils anderen Arztes zu beachten seien, könnten sie sich hierauf nicht berufen. Schon mit der Auflösung der Gemeinschaftspraxis hätten sie sich über die rechtlichen Verpflichtungen im Klaren sein und in ihre Überlegungen für die weitere gemeinsame Praxisführung einbeziehen müssen. Dies sei ganz offensichtlich nicht erfolgt.
Aus den Anlagen zum Widerspruchsbescheid ergeben sich noch folgende Zahlen:
Steigerung von Fallzahl und Honorar der Praxisgemeinschaft im Vergleich zum durchschnittlichen Honorar der Gemeinschaftspraxis aus den Quartalen 1/93 bis 4/95:
-Tabellen können nicht ordnungsgemäß dargestellt werden- Quartal Honorarsteigerung Fallzahlsteigerung 1/96 89 % 70 % 2/96 62 % 51 % 3/96 46 % 62 % 4/96 42 % 55 %
Doppelfälle in der Praxis des Klägers:
-Tabellen können nicht ordnungsgemäß dargestellt werden- Quartal Fallzahl des Klägers Anzahl Doppelfälle Doppelfälle in % Über-weisungen Aufträge Vertretungs-scheine 1/96 1177 713 61 21 - 2 2/96 1069 665 62 - - 1 3/96 1093 784 72 - - - 4/96 1079 729 68 - - - 1/97 1027 650 63 5 - 4 2/97 1048 609 58 1 - 3 3/97 953 573 60 3 - - 4/97 1020 570 56 - - 3 1/98 1061 554 52 1 - - 2/98 1018 531 52 - - 50 3/98 929 427 46 - - 91 4/98 981 444 45 1 - 168 1/99 1124 507 45 2 16 144 2/99 1071 512 48 5 15 146
Hiergegen hat der Kläger am 8. März 2000 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. In Ergänzung zum bisherigen Vortrag hat er noch geltendgemacht, die Mitbehandlung von Patienten durch den jeweils anderen Arzt erfolge immer nur im Sinne der Konsultation bzw. wegen dessen Spezialisierung oder wegen der Abwesenheit des einen Arztes. Ein Überweisungsschein dürfe in diesen Fällen nicht gefordert werden. Auch seien die Berichtigungsbescheide mit dem Prinzip des Vertrauensschutzes nicht vereinbar.
Das SG hat mit Urteil vom 17. Juli 2002 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, der Kläger und Dr. U. hätten im streitigen Zeitraum nach außen hin ihre Praxis als zwei rechtlich selbstständig handelnde und wirtschaftende Ärzte in Praxisgemeinschaft gem. § 33 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) mit gemeinsamen Praxisräumen und gemeinsamer Beschäftigung von Hilfspersonal geführt, ihre Praxis in Wirklichkeit aber als Gemeinschaftspraxis gem. § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV betrieben. Dies ergebe sich aus der hohen Zahl von hausärztlichen Doppelbehandlungen, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid im Einzelnen dargelegt habe. Demnach seien im Durchschnitt 58% der vom Kläger hausärztlich betreuten und abgerechneten Patienten auch von Dr. U. primär hausärztlich behandelt und abgerechnet worden, im Spitzenquartal 3/96 seien es 72% gewesen. Der hier vorliegende Sachverhalt sei dem dem Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbar, auf das insoweit auch Bezug genommen werde. Die Beklagte habe im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid den Umfang der vorgenommenen Streichungen bei der Hausarztpauschale und bei der GNR 1 EBM im Einzelnen dargelegt, die dortigen Erwägungen und Berechnungen seien nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen das seinen Bevollmächtigten am 14. Oktober 2002 zugestellte Urteil am 4. November 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, grundsätzlich stehe zwar außer Frage, dass die Beklagte berechtigt sei, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls den Honorarbescheid zu berichtigen. Im vorliegenden Falle sei jedoch die vorgenommene Korrektur der Honorarbescheide durch die Beklagte nicht mehr durch die Kompetenz zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gedeckt. Auch nach der Rechtsprechung des BSG sei Voraussetzung für die Berichtigung das Vorliegen von Fehlern der Abrechnung. Ungeachtet der in der Praxis vorkommenden und unvermeidlichen Abgrenzungsschwierigkeiten müsse klar unterschieden werden, ob dem Arzt vorgehalten werde, Leistungen falsch abgerechnet oder lediglich bestimmte Leistungen in einem unwirtschaftlichen Ausmaß erbracht und abgerechnet zu haben. Am Maßstab dieser Kriterien habe die Beklagte die schon grundsätzlich bestehenden Grenzen zur sachlich-rechnerischen Berichtigung überschritten. Die angegriffene Entscheidung sei aber auch vor allem deswegen rechtswidrig, da der Kläger und Dr. U. zur Doppeleinlesung berechtigt gewesen seien. Ein explizites Verbot habe es zum Zeitpunkt der fraglichen Quartale nicht gegeben. Erst am 18. März 1999 sei dem Kläger die Rechtsansicht der Beklagten zur Frage der Doppeleinlesung mitgeteilt worden. Unter anderem widerspräche es auch der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigungen, jede Doppeleinlesung für unzulässig zu erachten, wie die Praxis der Zubilligung von Toleranzgrenzen von 5% und mehr zeige. Das SG gehe jedoch von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit aus. Auch § 76 SGB V, auf den das SG unter Berufung auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 (L 5 KA 94/99) Bezug nehme, schließe eine solche "Doppeleinlesung" nicht grundsätzlich aus. Nach dieser Bestimmung sollten die Versicherten den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Auch sei eine solche Verpflichtung zu verneinen, Patienten anzuhalten, nur einen "Hausarzt" im jeweiligen Quartal aufzusuchen. Die gegenteilige Ansicht verkenne die Freiheit der Patienten. Der Patient könne auf Grund der immer noch bestehenden freien Arztwahl mit seiner Chipkarte jeden dieser Fachärzte, unter anderem auch die Fachärzte für Allgemeinmedizin, so oft und so viel er wolle aufsuchen. Der Kläger und Dr. U. seien zwei Fachärzte mit unterschiedlichen Schwerpunkten - chirurgisch-orthopädisch bzw. internistisch-geriatrisch - was den Patienten durch die dreijährige Gemeinschaftspraxis hinreichend bekannt gewesen sei. Daran habe sich nach Umwandlung in eine Praxisgemeinschaft nichts geändert, sodass sich die Patienten je nach Beschwerden einmal von dem einen Arzt und das andere Mal von dem anderen Arzt hätten behandeln lassen wollen. Dies sei auch keine absichtliche Steuerung seitens des Klägers und Dr. U., sondern maßgeblich sei allein der Wunsch der Patienten. Hierbei handele es sich nicht um einen Hausarztwechsel. Ein zwingender Vergütungsausschluss auf Grund einer Doppeleinlesung bestehe daher nicht, eine Honorarberichtigung käme daher nur in Betracht, wenn Leistungen abgerechnet würden, die überhaupt nicht erbracht worden seien oder wenn die erbrachten Leistungen als unwirtschaftlich anzusehen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juli 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, entgegen der Auffassung des Klägers sei nach dem schon mehrfach zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 die hier vorgenommene Korrektur der Honorarbescheide sehr wohl durch die Kompetenz der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gedeckt. Des Weiteren stünden nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Honorarbescheide per se auf Grund der dem Vertragsarztrecht immanenten Besonderheiten unter dem Vorbehalt später durchzuführender sachlich-rechnerischer Berichtigungen sowie Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Selbstverständlich sei dann auch in dem Umfang zu berichtigen, in dem Fehler in der Abrechnung vorlägen. Der erkennende Senat habe in dem schon zitierten Urteil zu einem dem hiesigen vergleichbaren Fall entschieden, dass sich aus § 76 Abs. 3 SGB V ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne ergebe, dass ein Versicherter in einem Quartal grundsätzlich den Arzt nicht wechseln solle. Dies sei Teil des Systems der vertragsärztlichen Versorgung, gerade das sogenannte Hausarztsystem sei darauf angelegt, dass bei einem Arzt die Fäden zusammenlaufen sollten. Dieses Ziel erfordere im Regelfall die Entscheidung des Versicherten für einen Hausarzt. Wenn der Arzt verpflichtet sei, den Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten, so folge daraus, dass er den Patienten auch davon unterrichten solle, den Hausarzt nur aus wichtigem Grund zu wechseln. In einer de jure bestehenden Praxisgemeinschaft, die de facto aber als Gemeinschaftspraxis (weiter)geführt werde, könnten nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats des LSG im zitierten Urteil nicht beide Praxisgemeinschaftspartner die GNR 1 EBM sowie die Hausarztpauschale beanspruchen. Denn eine tatsächlich nur einmal gemeinsam erbrachte Leistung könne nicht rechtlich in zwei selbstständige Leistungen aufgeteilt werden. Daran, dass der Kläger und sein Kollege Dr. U. faktisch die frühere Gemeinschaftspraxis weitergeführt hätten, bestehe kein Zweifel. Dies zeige sich zum einen in der Höhe des prozentualen Anteils der Doppelfälle beider Praxen (durchschnittlich 58% der Patienten) sowie anhand der im Bescheid aufgelisteten Einzelfälle. Diese belegten exemplarisch, dass die Patienten von beiden Ärzten auch hausärztlich behandelt worden seien. Für spezielle Untersuchungsverfahren auf Grund bestimmter unterschiedlicher Qualifikationen der Ärzte sei der Weg der Überweisung zu wählen. Im Übrigen ergebe sich dies auch aus den eigenen Ausführungen des Klägers und seines Kollegen Dr. U. aus dem bereits vom SG zitierten Schreiben der beiden vom 29. Januar 1997, wonach sie sich aus den dort dargelegten Gründen gezwungen gesehen hätten, die Gemeinschaftspraxis wieder aufzulösen und in Form einer Praxisgemeinschaft fortzuführen, sich an der Praxisführung jedoch nichts Wesentliches geändert habe. Zwar bestehe nach § 76 SGB V für den Patienten kein zwingendes Verbot, den Hausarzt innerhalb desselben Quartals zu wechseln. Dies alles zeige aber, dass der Kläger und sein Kollege die ihnen gem. § 76 Abs. 3 obliegende Pflicht, die Patienten auch davon zu unterrichten, dass der Hausarzt nur aus wichtigem Grund innerhalb desselben Quartals gewechselt werden solle, verletzt hätten. Bezüglich des Vortrages, dass die Zubilligung von Toleranzgrenzen von 5% und mehr zeige, dass es der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigungen widerspräche, jede Doppeleinlesung für unzulässig zu erachten, sei darauf hinzuweisen, dass es eine solche Toleranzgrenze im Bereich der Beklagten nicht gebe und im Übrigen aus der ungerechtfertigten Abrechnung anderer Vertragsärzte kein Recht des Klägers erwachsen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 ist überschritten. Denn der Kläger wendet sich gegen eine Verminderung seiner Vergütung in Höhe von unter anderem 25.835,22 DM, was einem Betrag von 13.189,11 EUR entspricht, sowie gegen Kürzungen in Höhe von 597.705 Punkten, dies entspricht bei einem Punktwert von 0,07 DM 41.839,35 DM bzw. 21.392,12 EUR, insgesamt also 34.581,23 EUR
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Beklagte hat die Abrechnung der Quartale 1/96 und 4/98 des Klägers zu Recht sachlich-rechnerisch berichtigt.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 des Bundesmantelvertrages Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä), die auf der Rechtsgrundlage des § 82 SGB V beruhen, obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Nach § 2 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen HVM sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Gebührenregelungen maßgebend. Nach § 5 Abs. 1 HVM prüft die Beklagte die eingereichten Abrechnungen auf sachliche und rechnerische Richtigkeit. Bei dieser Prüfung ist u.a. darauf zu achten, ob die Bestimmungen der Gebührenordnungen beachtet und die richtigen Gebührenordnungsnummern angesetzt worden sind. Die vom Kläger eingereichten Abrechnungen für den Quartale 3/99 und 4/99 sind jedenfalls insoweit fehlerhaft, als er nicht in allen zur Abrechnung eingereichten Fällen einen Anspruch auf die Vergütung der GNR 1 EBM und der hausärztlichen Grundpauschale hat.
Nach § 76 Abs. 3 SGB V sollen die Versicherten den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln (Satz 1). Der Versicherte wählt einen Hausarzt (Satz 2). Der Arzt hat den Versicherten vorab über den Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten (Satz 3). Unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 12. Mai 1999 (L 5 KA 94/99) hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass sich aus § 76 Abs. 3 SGB V ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ergibt und ein Versicherter in einem Quartal grundsätzlich den gewählten Hausarzt nicht wechseln soll. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser gesetzlichen Regelung folgt zwangsläufig, dass der Wechsel des Hausarztes nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen kann und dass der Vertragsarzt nicht durch ein Verhalten dazu beitragen darf, dass die Versicherten im Quartal den Hausarzt ohne wichtigen Grund wechseln. Aus der in § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V enthaltenen Verpflichtung, den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten, ergibt sich weiter, dass der hausärztlich tätige Vertragsarzt den Versicherten darauf hinweist, dass der Wechsel des Hausarztes nur aus einem wichtigen Grund erfolgen soll. Welche Anforderungen im Einzelnen an diese Unterrichtung des Versicherten zu stellen sind, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Da die Versicherten durch Vorlage ihrer Versichertenkarte jederzeit einen anderen Vertragsarzt aufsuchen können, lässt sich zwar ein Wechsel des Vertragsarztes und auch des Hausarztes innerhalb eines Quartals nicht vermeiden und es kann zu einer doppelten Vergütung der hausärztlichen Grundleistungen bei demselben Versicherten im selben Quartal kommen. Besondere Maßstäbe gelten insoweit aber in Fällen, in denen die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte in irgendeiner Form zusammenarbeiten und der Versicherte innerhalb dieser gemeinsamen Praxisorganisation den Hausarzt wechselt. Diese besondere Verpflichtung ergibt sich beim Kläger und Dr. U. jedenfalls aus der Bestimmung des § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V, weil sie von dem Wechsel erfahren und damit mit den Versicherten die Gründe des Wechsels erörtern können. Sie sind deshalb in der Lage, Vorsorge gegen einen solchen Wechsel ohne wichtigen Grund und damit einen vom Gesetz als unbegründet angesehenen Wechsel des Hausarztes zu treffen.
Deshalb kann ein zulässiger Wechsel des Hausarztes innerhalb eines Quartals nur in einzelnen Fällen gegeben sein, keineswegs aber wie im Falle des Klägers zwischen 45% und 72% (so die Feststellungen der Beklagten im Ausgangsbescheid) der Abrechnungsfälle. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass in der Hälfte bzw. in sogar deutlich mehr als der Hälfte der Fälle Versicherte einen wichtigen Grund gehabt haben sollen, den Hausarzt innerhalb desselben Quartals zu wechseln und dabei dann den in derselben Praxisorganisation tätigen weiteren Arzt als Hausarzt zu wählen. Denn ein wichtiger Grund liegt nur vor, wenn unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherten eine weitere hausärztliche Behandlung durch den gewählten Hausarzt bis zum Ende des Quartals nicht mehr zumutbar ist.
Gerade im Falle des Klägers und Dr. U. bestand jedenfalls eine besondere Verpflichtung darauf zu achten, dass die Versicherten nicht beide Ärzte im selben Quartal als Hausärzte wählen und in Anspruch nehmen. Sie ergibt sich daraus, dass die Praxis früher als Gemeinschaftspraxis und damit im Verhältnis zur Beklagten als einheitliche Praxis geführt wurde und ab dem Quartal 1/96 als Praxisgemeinschaft, ohne dass eine räumliche Trennung und auch eine Aufteilung des Praxispersonals erfolgte. Für die Versicherten, die in der Regel den rechtlichen Unterschied zwischen einer Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft nicht kennen, ist diese Änderung der Rechtsform nicht erkennbar. Auch kennen die Versicherten die sich für die Behandlung ergebenden Änderungen nicht. Da bei Urlaub oder Krankheit eines der beiden Ärzte gleichwohl ein weiterer Arzt vorhanden war, musste bei den Versicherten zwangsläufig der Eindruck entstehen, es liege weiterhin eine einheitliche Praxis vor und die Behandlung erfolge wie in einer Gemeinschaftspraxis durch den jeweils anwesenden Arzt.
Auf unterschiedliche Behandlungsschwerpunkte können sich die Kläger dabei nicht berufen. Eine Spezialisierung innerhalb eines Behandlungsspektrums entspricht nicht dem Wesen des Hausarztes. Dementsprechend hat etwa der Senat eine Erweiterung fachärztlicher Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 EBM bei Hausärzten für nicht möglich erachtet (vgl. zum Beispiel: Urteil vom 10. Mai 2000 - L 5 KA 3295/99 - E-LSG KA-072).
Jedenfalls für die streitigen Quartale hätten der Kläger und Dr. U. deshalb entsprechende Bemühungen unternehmen müssen, um die "Doppelbehandlungen" zu unterbinden, zum Beispiel über die Praxis-EDV zu prüfen, ob der Versicherte im selben Quartal bereits bei dem anderen Arzt in Behandlung war. Dies haben sie nicht getan. Insoweit haben sie pflichtwidrig gehandelt. Gebührentatbestände, deren Voraussetzungen nur deshalb vorliegen, weil zuvor ein abredegemäß stattgefundener oder zumindest grob fahrlässig in Kauf genommener Pflichtverstoß begangen wurde, können nicht als erfüllt behandelt werden. Die Berufung hierauf ist rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger und Dr. U haben aber nicht nur pflichtwidrig Situationen ausgenutzt, sie haben sie vielmehr bewusst herbeigeführt. Aus dem Verhalten des Klägers und Dr. U. ist zwangsläufig der Schluss zu ziehen, dass die Änderung der Rechtsform in eine Praxisgemeinschaft lediglich nach außen hin erfolgte, intern aber nach wie vor eine Gemeinschaftspraxis betrieben wurde. Dies ergibt sich in der Tat schon aus dem vom SG bereits zitierten Schreiben des Klägers und Dr. U. vom 24. Januar 1997 (im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung des Quartals 1/96), auf das diese im Widerspruchsverfahren Bezug genommen haben und in dem u. a. ausgeführt wird: "Gegen die unseres Erachtens nach rechtswidrige Verfahrensweise haben wir einerseits beim Sozialgericht Klage eingereicht, andererseits sahen wir uns gezwungen, die Gemeinschaftspraxis wieder aufzulösen und in Form einer Praxisgemeinschaft fortzuführen. An der Praxisführung hat sich damit jedoch nichts Wesentliches geändert." Auch haben der Kläger und Dr. U. keine nachvollziehbaren Gründe dafür dargelegt, weshalb die Änderung von einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft zu Quartal 1/96 erfolgt ist. Schließlich legen die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen Zahlen es zwingend nahe, dass in den Fällen des Klägers die Doppeleinlesungen nicht Folge der freien Arztwahl der Patienten sind, sondern dass systematisch darauf hingewirkt wurde, dass Doppelbehandlungen stattfinden. Anders lassen sich 14 % Doppeleinlesungen an ein und demselben Tag im Quartal 3/96 und die in der Spitze bis zu 72 % der Patienten umfassenden Doppelbehandlungen nicht erklären. Auch konnte es nur durch Doppelbehandlungen zu den riesigen Fallzahlsteigerungen und dem exorbitanten Gewinnanstieg beim Kläger und Dr. U. kommen.
Nach Auffassung des Senates haben sich der Kläger und Dr. U die Patienten systematisch zugeschanzt. Das systematische Zuweisen von Patienten an andere ärztlichen Kollegen ohne medizinische Notwendigkeit und allein mit dem Ziel, dem ärztlichen Kollegen Einnahmen zu verschaffen, ist rechtsmissbräuchlich. An der Rechtsmissbräuchlichkeit bestehen - jedenfalls bezüglich der hier gekürzten 30 % der Fälle - für den Senat keine Zweifel. Insoweit liegt ein völlig anderer Sachverhalt vor als der, der der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt zu Grunde lag, weswegen sich eine Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung erübrigt. Werden Gebührentatbestände durch rechtsmissbräuchliches Handeln erfüllt, besteht kein Anspruch auf eine Vergütung. Zu Recht hat die Beklagte die geltend gemachten Gebührenanforderungen des Klägers im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung berichtigt.
Damit war auch die Abrechnungssammelerklärung unrichtig, denn dem Kläger und Dr. U. hätte schon allein aufgrund des Wechsels von der Gemeinschaftspraxis zur Praxisgemeinschaft ab 1. Januar 1996 bei Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften klar sein müssen, dass sie nicht wie bisher weiterhin Patienten gemeinsam hausärztlich behandeln können. Bezüglich des Ansatzes rechtsmissbräuchlich herbeigeführter Gebührentatbestände trifft den Kläger der Vorwurf des Vorsatzes, zumindest aber der der groben Fahrlässigkeit.
Ist die Abrechnungs-Sammelerklärung unrichtig, ist die Beklagte berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Bei der Schätzung besteht kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Sie gehört zu den Tatsachenfeststellungen. Das Gericht hat sie deshalb selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen (vgl. BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1 m.w.N.).
In nicht zu beanstandender Weise hat die Beklagte die Höhe des Kürzungsbetrages aus den zu Unrecht angesetzten Gebührennummern ermittelt und im Wege einer Schätzung auf 30% festgesetzt. Der Anteil der sachlich-rechnerischen Berichtigung der GNR 1 EBM beim Kläger betrug in den streitigen Quartalen bei im Schnitt gut 1000 Scheinen durchschnittlich ca. 300 Fälle, also ca. 30%, sodass die Beklagte auch in entsprechender Quote bei der Hausarztpauschale das Honorar niedriger schätzen durfte. Wie das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass die Beklagte damit ihr Schätzungsermessen zutreffend ausübte. Wenn bei der hohen Zahl der Eingangs dargestellten Doppelabrechnungen lediglich 30 % gekürzt werden, ist dies keinesfalls zu Lasten des Klägers ermessensfehlerhaft. Denn ihm werden von der Beklagten für eine hohe Zahl von Patienten mit Doppeleinlesungen die angeforderten Gebühren belassen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 2. Januar 2002 geltenden Fassung, die nach dem Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 (- B 6 KA 12/01 R -in SozR 3-2500 § 116 Nr. 24) in Fällen weiterhin anwendbar ist, in denen - wie hier - das gerichtliche Verfahren vor dem 2. Januar 2002 anhängig geworden ist. (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 30. August 2002 - B 13 SF 1/02 S -in SozR 3-1500 § 184 Nr. 2).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 4/98.
Der Kläger ist als Allgemeinarzt in R. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führte vom 1. Februar 1993 bis 31. Dezember 1995 mit dem Allgemeinarzt Dr. U. eine Gemeinschaftspraxis. Seit 1. Januar 1996 sind beide in einer Praxis-gemeinschaft tätig.
Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nahm der Prüfungsausschuss für die Quartale 1/96 bis 2/97 beim Kläger Streichungen der Ordinationsgebühr (Gebührennummer (GNR) 1 EBM) in den Fällen vor, in denen auch Dr. U. die GNR 1 EBM abgerechnet und die Patienten den Abrechnungsscheinen zufolge überwiegend behandelt hatte.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der damit befasste Beschwerdeausschuss setzte mit Beschluss vom 22. Juli 1999 hinsichtlich dieser Fälle das Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren aus, um der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Gelegenheit zur Prüfung und Entscheidung über eine sachlich-rechnerischen Berichtigung zu geben. Den gleichen Beschluss fasste der Prüfungsausschuss in den bei ihm anhängigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffend die Quartale 3/97 bis 4/98 (Beschlüsse vom 4. August 1999 und 14. Oktober 1999).
Mit Bescheid vom 8. November 1999 strich daraufhin die Beklagte im Rahmen einer sachlich-rechnerische Berichtigung die GNR 1 EBM in den Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 2/97 zwischen 256 mal und 330 mal pro Quartal. Im Einzelnen: im Quartal 1/96 322-mal = 101.710 Punkte im Quartal 2/96 310-mal = 100.630 Punkte im Quartal 3/96 330-mal = 106.980 Punkte im Quartal 4/96 327-mal = 108.075 Punkte im Quartal 1/97 300-mal = 96.930 Punkte im Quartal 2/97 256-mal = 83.380 Punkte, insgesamt also 597.705 Punkte
An der Nr. 2 EBM erfolgte keine Streichung. Bezüglich der Quartale 3/97 bis 4/98 wurde hinsichtlich der GNR 1 EBM keine Berichtigung durchgeführt, da die zu erwartenden Kürzungsbeträge niedriger liegen würden als die Überschreitungspunktzahl des Praxisbudgets, worunter die GNR 1 EBM einzuordnen sei. Des Weiteren strich die Beklagte in den Quartalen 1/96 bis 4/98 die (nicht budgetierte) Hausarztpauschale pauschal in Höhe von 30% pro Quartal (Kürzungsbetrag insoweit 25.835,22 DM).
Zur Begründung führte sie aus, die Überprüfung der Quartalsabrechnungen 1/96 bis 4/98 habe ergeben, dass durchschnittlich 58% der Patienten des Klägers in beiden Praxen überwiegend mit "Originalschein" primär hausärztlich behandelt worden seien. Offensichtlich sei die Praxisgemeinschaft wie früher die Gemeinschaftspraxis weiter geführt worden. In den Doppelfällen seien damit in nicht gerechtfertigter Weise die doppelte Abrechnung der Ordinationsgebühr und der hausärztlichen Grundpauschalen sowie Vorteile bei der Budgetberechnung und bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung erreicht worden. Das Verhalten der beiden Ärzte stelle einen Verstoß gegen § 76 Abs. 3 i. V. m. § 73 SGB V (Hausarztsystem) dar. Der Kläger und Dr. U. hätten ihre Patienten weder dazu angewiesen, im Rahmen der Praxisgemeinschaft einen Arzt auszuwählen, noch hätten sie über die Hintergründe einer solchen Wahlentscheidung und deren Konsequenzen informiert. Hierzu hätte auch die Information gehört, dass der Hausarzt innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewechselt werden könne. Diesen Verpflichtungen seien der Kläger und Dr. U. nicht nachgekommen (u. a. mit Hinweis auf Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 -L 5 KA 490/99-). Danach sei dieses Verhalten als pflichtwidrig zu werten und berechtige zu einer entsprechenden sachlich-rechnerischen Berichtigung. Weiter führte die Beklagte aus, nach dem zitierten Urteil des erkennenden Senates brauche sie nicht in jedem Einzelfall die Unrichtigkeit der Abrechnung nachzuweisen. Die von der Beklagten im Einzelnen dargestellten konkreten Fälle einer Doppelabrechnung seien damit als Nachweis einer grobfahrlässig falschen Doppelabrechnung zu sehen, was zum Wegfall der Richtigkeit der Abrechnungssammel-erklärung und damit zur Rechtswidrigkeit des auf ihr beruhenden Honorarbescheides insgesamt führe. Bei der Neufestsetzung des Honorars habe sie sodann ein weites Schätzungsermessen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass bei der Hausarztpauschale nach GNR 8066 die Falschabrechnung entsprechend der Ordinationsgebühr (GNR 1) auf 30% pro Quartal geschätzt werde, woraus sich in den Quartalen 1/96 bis 4/98 eine jeweilige 30-prozentige Streichung der GNR 8066 ergebe. Die GNR 1 EBM sei beim Kläger in den Behandlungsfällen gestrichen worden, in denen auch Dr. U. diese GNR abgerechnet und den Abrechnungsunterlagen zufolge die Patienten überwiegend behandelt habe (eine entsprechende Auflistung wurde dem Bescheid beigefügt). Die sich daraus in den Quartalen 1/96 bis 2/97 errechneten Streichungen ergäben eine Kürzung an der Summe aller abgerechneten Ordinationsgebühren in Höhe von durchschnittlich rund 30%.
Hiergegen erhoben der Kläger und Dr. U. mit gemeinsamen Schreiben vom 16. November 1999 Widerspruch und führten zur Begründung aus, sie behandelten (durchschnittlich und gerundet) pro Quartal zusammen 1500 Patienten, jeder also 750; sie rechneten 2000 Scheine ab, jeder also 1000 pro Praxis seien also nur 25% Doppelfälle. Im Übrigen sei nach dem geltenden Recht ein Patient eben nicht an einen Hausarzt gebunden. Jeder Patient, der in die Praxis komme, werde gefragt, zu welchem Arzt er wolle. Freie Arztwahl sei oberstes Gebot und sie (der Kläger und Dr. U.) seien nicht verpflichtet, diese Entscheidung zu steuern. Die abgerechneten Leistungen seien ordnungsgemäß erbracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch im wesentlichen aus den selben Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Unter anderem verwies die Beklagte noch ausdrücklich darauf, soweit der Kläger und Dr. U. geltend machten, sie hätten erst im Zusammenhang mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss am 18. März 1999 erfahren, welche Verfahrensweise, sprich Abrechnungsscheine, bei der Inanspruchnahme des jeweils anderen Arztes zu beachten seien, könnten sie sich hierauf nicht berufen. Schon mit der Auflösung der Gemeinschaftspraxis hätten sie sich über die rechtlichen Verpflichtungen im Klaren sein und in ihre Überlegungen für die weitere gemeinsame Praxisführung einbeziehen müssen. Dies sei ganz offensichtlich nicht erfolgt.
Aus den Anlagen zum Widerspruchsbescheid ergeben sich noch folgende Zahlen:
Steigerung von Fallzahl und Honorar der Praxisgemeinschaft im Vergleich zum durchschnittlichen Honorar der Gemeinschaftspraxis aus den Quartalen 1/93 bis 4/95:
-Tabellen können nicht ordnungsgemäß dargestellt werden- Quartal Honorarsteigerung Fallzahlsteigerung 1/96 89 % 70 % 2/96 62 % 51 % 3/96 46 % 62 % 4/96 42 % 55 %
Doppelfälle in der Praxis des Klägers:
-Tabellen können nicht ordnungsgemäß dargestellt werden- Quartal Fallzahl des Klägers Anzahl Doppelfälle Doppelfälle in % Über-weisungen Aufträge Vertretungs-scheine 1/96 1177 713 61 21 - 2 2/96 1069 665 62 - - 1 3/96 1093 784 72 - - - 4/96 1079 729 68 - - - 1/97 1027 650 63 5 - 4 2/97 1048 609 58 1 - 3 3/97 953 573 60 3 - - 4/97 1020 570 56 - - 3 1/98 1061 554 52 1 - - 2/98 1018 531 52 - - 50 3/98 929 427 46 - - 91 4/98 981 444 45 1 - 168 1/99 1124 507 45 2 16 144 2/99 1071 512 48 5 15 146
Hiergegen hat der Kläger am 8. März 2000 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. In Ergänzung zum bisherigen Vortrag hat er noch geltendgemacht, die Mitbehandlung von Patienten durch den jeweils anderen Arzt erfolge immer nur im Sinne der Konsultation bzw. wegen dessen Spezialisierung oder wegen der Abwesenheit des einen Arztes. Ein Überweisungsschein dürfe in diesen Fällen nicht gefordert werden. Auch seien die Berichtigungsbescheide mit dem Prinzip des Vertrauensschutzes nicht vereinbar.
Das SG hat mit Urteil vom 17. Juli 2002 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, der Kläger und Dr. U. hätten im streitigen Zeitraum nach außen hin ihre Praxis als zwei rechtlich selbstständig handelnde und wirtschaftende Ärzte in Praxisgemeinschaft gem. § 33 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) mit gemeinsamen Praxisräumen und gemeinsamer Beschäftigung von Hilfspersonal geführt, ihre Praxis in Wirklichkeit aber als Gemeinschaftspraxis gem. § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV betrieben. Dies ergebe sich aus der hohen Zahl von hausärztlichen Doppelbehandlungen, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid im Einzelnen dargelegt habe. Demnach seien im Durchschnitt 58% der vom Kläger hausärztlich betreuten und abgerechneten Patienten auch von Dr. U. primär hausärztlich behandelt und abgerechnet worden, im Spitzenquartal 3/96 seien es 72% gewesen. Der hier vorliegende Sachverhalt sei dem dem Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbar, auf das insoweit auch Bezug genommen werde. Die Beklagte habe im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid den Umfang der vorgenommenen Streichungen bei der Hausarztpauschale und bei der GNR 1 EBM im Einzelnen dargelegt, die dortigen Erwägungen und Berechnungen seien nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen das seinen Bevollmächtigten am 14. Oktober 2002 zugestellte Urteil am 4. November 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, grundsätzlich stehe zwar außer Frage, dass die Beklagte berechtigt sei, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls den Honorarbescheid zu berichtigen. Im vorliegenden Falle sei jedoch die vorgenommene Korrektur der Honorarbescheide durch die Beklagte nicht mehr durch die Kompetenz zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gedeckt. Auch nach der Rechtsprechung des BSG sei Voraussetzung für die Berichtigung das Vorliegen von Fehlern der Abrechnung. Ungeachtet der in der Praxis vorkommenden und unvermeidlichen Abgrenzungsschwierigkeiten müsse klar unterschieden werden, ob dem Arzt vorgehalten werde, Leistungen falsch abgerechnet oder lediglich bestimmte Leistungen in einem unwirtschaftlichen Ausmaß erbracht und abgerechnet zu haben. Am Maßstab dieser Kriterien habe die Beklagte die schon grundsätzlich bestehenden Grenzen zur sachlich-rechnerischen Berichtigung überschritten. Die angegriffene Entscheidung sei aber auch vor allem deswegen rechtswidrig, da der Kläger und Dr. U. zur Doppeleinlesung berechtigt gewesen seien. Ein explizites Verbot habe es zum Zeitpunkt der fraglichen Quartale nicht gegeben. Erst am 18. März 1999 sei dem Kläger die Rechtsansicht der Beklagten zur Frage der Doppeleinlesung mitgeteilt worden. Unter anderem widerspräche es auch der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigungen, jede Doppeleinlesung für unzulässig zu erachten, wie die Praxis der Zubilligung von Toleranzgrenzen von 5% und mehr zeige. Das SG gehe jedoch von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit aus. Auch § 76 SGB V, auf den das SG unter Berufung auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 (L 5 KA 94/99) Bezug nehme, schließe eine solche "Doppeleinlesung" nicht grundsätzlich aus. Nach dieser Bestimmung sollten die Versicherten den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Auch sei eine solche Verpflichtung zu verneinen, Patienten anzuhalten, nur einen "Hausarzt" im jeweiligen Quartal aufzusuchen. Die gegenteilige Ansicht verkenne die Freiheit der Patienten. Der Patient könne auf Grund der immer noch bestehenden freien Arztwahl mit seiner Chipkarte jeden dieser Fachärzte, unter anderem auch die Fachärzte für Allgemeinmedizin, so oft und so viel er wolle aufsuchen. Der Kläger und Dr. U. seien zwei Fachärzte mit unterschiedlichen Schwerpunkten - chirurgisch-orthopädisch bzw. internistisch-geriatrisch - was den Patienten durch die dreijährige Gemeinschaftspraxis hinreichend bekannt gewesen sei. Daran habe sich nach Umwandlung in eine Praxisgemeinschaft nichts geändert, sodass sich die Patienten je nach Beschwerden einmal von dem einen Arzt und das andere Mal von dem anderen Arzt hätten behandeln lassen wollen. Dies sei auch keine absichtliche Steuerung seitens des Klägers und Dr. U., sondern maßgeblich sei allein der Wunsch der Patienten. Hierbei handele es sich nicht um einen Hausarztwechsel. Ein zwingender Vergütungsausschluss auf Grund einer Doppeleinlesung bestehe daher nicht, eine Honorarberichtigung käme daher nur in Betracht, wenn Leistungen abgerechnet würden, die überhaupt nicht erbracht worden seien oder wenn die erbrachten Leistungen als unwirtschaftlich anzusehen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juli 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, entgegen der Auffassung des Klägers sei nach dem schon mehrfach zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1999 die hier vorgenommene Korrektur der Honorarbescheide sehr wohl durch die Kompetenz der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gedeckt. Des Weiteren stünden nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Honorarbescheide per se auf Grund der dem Vertragsarztrecht immanenten Besonderheiten unter dem Vorbehalt später durchzuführender sachlich-rechnerischer Berichtigungen sowie Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Selbstverständlich sei dann auch in dem Umfang zu berichtigen, in dem Fehler in der Abrechnung vorlägen. Der erkennende Senat habe in dem schon zitierten Urteil zu einem dem hiesigen vergleichbaren Fall entschieden, dass sich aus § 76 Abs. 3 SGB V ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne ergebe, dass ein Versicherter in einem Quartal grundsätzlich den Arzt nicht wechseln solle. Dies sei Teil des Systems der vertragsärztlichen Versorgung, gerade das sogenannte Hausarztsystem sei darauf angelegt, dass bei einem Arzt die Fäden zusammenlaufen sollten. Dieses Ziel erfordere im Regelfall die Entscheidung des Versicherten für einen Hausarzt. Wenn der Arzt verpflichtet sei, den Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten, so folge daraus, dass er den Patienten auch davon unterrichten solle, den Hausarzt nur aus wichtigem Grund zu wechseln. In einer de jure bestehenden Praxisgemeinschaft, die de facto aber als Gemeinschaftspraxis (weiter)geführt werde, könnten nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats des LSG im zitierten Urteil nicht beide Praxisgemeinschaftspartner die GNR 1 EBM sowie die Hausarztpauschale beanspruchen. Denn eine tatsächlich nur einmal gemeinsam erbrachte Leistung könne nicht rechtlich in zwei selbstständige Leistungen aufgeteilt werden. Daran, dass der Kläger und sein Kollege Dr. U. faktisch die frühere Gemeinschaftspraxis weitergeführt hätten, bestehe kein Zweifel. Dies zeige sich zum einen in der Höhe des prozentualen Anteils der Doppelfälle beider Praxen (durchschnittlich 58% der Patienten) sowie anhand der im Bescheid aufgelisteten Einzelfälle. Diese belegten exemplarisch, dass die Patienten von beiden Ärzten auch hausärztlich behandelt worden seien. Für spezielle Untersuchungsverfahren auf Grund bestimmter unterschiedlicher Qualifikationen der Ärzte sei der Weg der Überweisung zu wählen. Im Übrigen ergebe sich dies auch aus den eigenen Ausführungen des Klägers und seines Kollegen Dr. U. aus dem bereits vom SG zitierten Schreiben der beiden vom 29. Januar 1997, wonach sie sich aus den dort dargelegten Gründen gezwungen gesehen hätten, die Gemeinschaftspraxis wieder aufzulösen und in Form einer Praxisgemeinschaft fortzuführen, sich an der Praxisführung jedoch nichts Wesentliches geändert habe. Zwar bestehe nach § 76 SGB V für den Patienten kein zwingendes Verbot, den Hausarzt innerhalb desselben Quartals zu wechseln. Dies alles zeige aber, dass der Kläger und sein Kollege die ihnen gem. § 76 Abs. 3 obliegende Pflicht, die Patienten auch davon zu unterrichten, dass der Hausarzt nur aus wichtigem Grund innerhalb desselben Quartals gewechselt werden solle, verletzt hätten. Bezüglich des Vortrages, dass die Zubilligung von Toleranzgrenzen von 5% und mehr zeige, dass es der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigungen widerspräche, jede Doppeleinlesung für unzulässig zu erachten, sei darauf hinzuweisen, dass es eine solche Toleranzgrenze im Bereich der Beklagten nicht gebe und im Übrigen aus der ungerechtfertigten Abrechnung anderer Vertragsärzte kein Recht des Klägers erwachsen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 ist überschritten. Denn der Kläger wendet sich gegen eine Verminderung seiner Vergütung in Höhe von unter anderem 25.835,22 DM, was einem Betrag von 13.189,11 EUR entspricht, sowie gegen Kürzungen in Höhe von 597.705 Punkten, dies entspricht bei einem Punktwert von 0,07 DM 41.839,35 DM bzw. 21.392,12 EUR, insgesamt also 34.581,23 EUR
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Beklagte hat die Abrechnung der Quartale 1/96 und 4/98 des Klägers zu Recht sachlich-rechnerisch berichtigt.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 des Bundesmantelvertrages Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä), die auf der Rechtsgrundlage des § 82 SGB V beruhen, obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Nach § 2 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen HVM sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Gebührenregelungen maßgebend. Nach § 5 Abs. 1 HVM prüft die Beklagte die eingereichten Abrechnungen auf sachliche und rechnerische Richtigkeit. Bei dieser Prüfung ist u.a. darauf zu achten, ob die Bestimmungen der Gebührenordnungen beachtet und die richtigen Gebührenordnungsnummern angesetzt worden sind. Die vom Kläger eingereichten Abrechnungen für den Quartale 3/99 und 4/99 sind jedenfalls insoweit fehlerhaft, als er nicht in allen zur Abrechnung eingereichten Fällen einen Anspruch auf die Vergütung der GNR 1 EBM und der hausärztlichen Grundpauschale hat.
Nach § 76 Abs. 3 SGB V sollen die Versicherten den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln (Satz 1). Der Versicherte wählt einen Hausarzt (Satz 2). Der Arzt hat den Versicherten vorab über den Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten (Satz 3). Unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 12. Mai 1999 (L 5 KA 94/99) hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass sich aus § 76 Abs. 3 SGB V ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ergibt und ein Versicherter in einem Quartal grundsätzlich den gewählten Hausarzt nicht wechseln soll. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser gesetzlichen Regelung folgt zwangsläufig, dass der Wechsel des Hausarztes nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen kann und dass der Vertragsarzt nicht durch ein Verhalten dazu beitragen darf, dass die Versicherten im Quartal den Hausarzt ohne wichtigen Grund wechseln. Aus der in § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V enthaltenen Verpflichtung, den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten, ergibt sich weiter, dass der hausärztlich tätige Vertragsarzt den Versicherten darauf hinweist, dass der Wechsel des Hausarztes nur aus einem wichtigen Grund erfolgen soll. Welche Anforderungen im Einzelnen an diese Unterrichtung des Versicherten zu stellen sind, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Da die Versicherten durch Vorlage ihrer Versichertenkarte jederzeit einen anderen Vertragsarzt aufsuchen können, lässt sich zwar ein Wechsel des Vertragsarztes und auch des Hausarztes innerhalb eines Quartals nicht vermeiden und es kann zu einer doppelten Vergütung der hausärztlichen Grundleistungen bei demselben Versicherten im selben Quartal kommen. Besondere Maßstäbe gelten insoweit aber in Fällen, in denen die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte in irgendeiner Form zusammenarbeiten und der Versicherte innerhalb dieser gemeinsamen Praxisorganisation den Hausarzt wechselt. Diese besondere Verpflichtung ergibt sich beim Kläger und Dr. U. jedenfalls aus der Bestimmung des § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V, weil sie von dem Wechsel erfahren und damit mit den Versicherten die Gründe des Wechsels erörtern können. Sie sind deshalb in der Lage, Vorsorge gegen einen solchen Wechsel ohne wichtigen Grund und damit einen vom Gesetz als unbegründet angesehenen Wechsel des Hausarztes zu treffen.
Deshalb kann ein zulässiger Wechsel des Hausarztes innerhalb eines Quartals nur in einzelnen Fällen gegeben sein, keineswegs aber wie im Falle des Klägers zwischen 45% und 72% (so die Feststellungen der Beklagten im Ausgangsbescheid) der Abrechnungsfälle. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass in der Hälfte bzw. in sogar deutlich mehr als der Hälfte der Fälle Versicherte einen wichtigen Grund gehabt haben sollen, den Hausarzt innerhalb desselben Quartals zu wechseln und dabei dann den in derselben Praxisorganisation tätigen weiteren Arzt als Hausarzt zu wählen. Denn ein wichtiger Grund liegt nur vor, wenn unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherten eine weitere hausärztliche Behandlung durch den gewählten Hausarzt bis zum Ende des Quartals nicht mehr zumutbar ist.
Gerade im Falle des Klägers und Dr. U. bestand jedenfalls eine besondere Verpflichtung darauf zu achten, dass die Versicherten nicht beide Ärzte im selben Quartal als Hausärzte wählen und in Anspruch nehmen. Sie ergibt sich daraus, dass die Praxis früher als Gemeinschaftspraxis und damit im Verhältnis zur Beklagten als einheitliche Praxis geführt wurde und ab dem Quartal 1/96 als Praxisgemeinschaft, ohne dass eine räumliche Trennung und auch eine Aufteilung des Praxispersonals erfolgte. Für die Versicherten, die in der Regel den rechtlichen Unterschied zwischen einer Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft nicht kennen, ist diese Änderung der Rechtsform nicht erkennbar. Auch kennen die Versicherten die sich für die Behandlung ergebenden Änderungen nicht. Da bei Urlaub oder Krankheit eines der beiden Ärzte gleichwohl ein weiterer Arzt vorhanden war, musste bei den Versicherten zwangsläufig der Eindruck entstehen, es liege weiterhin eine einheitliche Praxis vor und die Behandlung erfolge wie in einer Gemeinschaftspraxis durch den jeweils anwesenden Arzt.
Auf unterschiedliche Behandlungsschwerpunkte können sich die Kläger dabei nicht berufen. Eine Spezialisierung innerhalb eines Behandlungsspektrums entspricht nicht dem Wesen des Hausarztes. Dementsprechend hat etwa der Senat eine Erweiterung fachärztlicher Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 EBM bei Hausärzten für nicht möglich erachtet (vgl. zum Beispiel: Urteil vom 10. Mai 2000 - L 5 KA 3295/99 - E-LSG KA-072).
Jedenfalls für die streitigen Quartale hätten der Kläger und Dr. U. deshalb entsprechende Bemühungen unternehmen müssen, um die "Doppelbehandlungen" zu unterbinden, zum Beispiel über die Praxis-EDV zu prüfen, ob der Versicherte im selben Quartal bereits bei dem anderen Arzt in Behandlung war. Dies haben sie nicht getan. Insoweit haben sie pflichtwidrig gehandelt. Gebührentatbestände, deren Voraussetzungen nur deshalb vorliegen, weil zuvor ein abredegemäß stattgefundener oder zumindest grob fahrlässig in Kauf genommener Pflichtverstoß begangen wurde, können nicht als erfüllt behandelt werden. Die Berufung hierauf ist rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger und Dr. U haben aber nicht nur pflichtwidrig Situationen ausgenutzt, sie haben sie vielmehr bewusst herbeigeführt. Aus dem Verhalten des Klägers und Dr. U. ist zwangsläufig der Schluss zu ziehen, dass die Änderung der Rechtsform in eine Praxisgemeinschaft lediglich nach außen hin erfolgte, intern aber nach wie vor eine Gemeinschaftspraxis betrieben wurde. Dies ergibt sich in der Tat schon aus dem vom SG bereits zitierten Schreiben des Klägers und Dr. U. vom 24. Januar 1997 (im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung des Quartals 1/96), auf das diese im Widerspruchsverfahren Bezug genommen haben und in dem u. a. ausgeführt wird: "Gegen die unseres Erachtens nach rechtswidrige Verfahrensweise haben wir einerseits beim Sozialgericht Klage eingereicht, andererseits sahen wir uns gezwungen, die Gemeinschaftspraxis wieder aufzulösen und in Form einer Praxisgemeinschaft fortzuführen. An der Praxisführung hat sich damit jedoch nichts Wesentliches geändert." Auch haben der Kläger und Dr. U. keine nachvollziehbaren Gründe dafür dargelegt, weshalb die Änderung von einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft zu Quartal 1/96 erfolgt ist. Schließlich legen die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen Zahlen es zwingend nahe, dass in den Fällen des Klägers die Doppeleinlesungen nicht Folge der freien Arztwahl der Patienten sind, sondern dass systematisch darauf hingewirkt wurde, dass Doppelbehandlungen stattfinden. Anders lassen sich 14 % Doppeleinlesungen an ein und demselben Tag im Quartal 3/96 und die in der Spitze bis zu 72 % der Patienten umfassenden Doppelbehandlungen nicht erklären. Auch konnte es nur durch Doppelbehandlungen zu den riesigen Fallzahlsteigerungen und dem exorbitanten Gewinnanstieg beim Kläger und Dr. U. kommen.
Nach Auffassung des Senates haben sich der Kläger und Dr. U die Patienten systematisch zugeschanzt. Das systematische Zuweisen von Patienten an andere ärztlichen Kollegen ohne medizinische Notwendigkeit und allein mit dem Ziel, dem ärztlichen Kollegen Einnahmen zu verschaffen, ist rechtsmissbräuchlich. An der Rechtsmissbräuchlichkeit bestehen - jedenfalls bezüglich der hier gekürzten 30 % der Fälle - für den Senat keine Zweifel. Insoweit liegt ein völlig anderer Sachverhalt vor als der, der der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt zu Grunde lag, weswegen sich eine Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung erübrigt. Werden Gebührentatbestände durch rechtsmissbräuchliches Handeln erfüllt, besteht kein Anspruch auf eine Vergütung. Zu Recht hat die Beklagte die geltend gemachten Gebührenanforderungen des Klägers im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung berichtigt.
Damit war auch die Abrechnungssammelerklärung unrichtig, denn dem Kläger und Dr. U. hätte schon allein aufgrund des Wechsels von der Gemeinschaftspraxis zur Praxisgemeinschaft ab 1. Januar 1996 bei Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften klar sein müssen, dass sie nicht wie bisher weiterhin Patienten gemeinsam hausärztlich behandeln können. Bezüglich des Ansatzes rechtsmissbräuchlich herbeigeführter Gebührentatbestände trifft den Kläger der Vorwurf des Vorsatzes, zumindest aber der der groben Fahrlässigkeit.
Ist die Abrechnungs-Sammelerklärung unrichtig, ist die Beklagte berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Bei der Schätzung besteht kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Sie gehört zu den Tatsachenfeststellungen. Das Gericht hat sie deshalb selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen (vgl. BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1 m.w.N.).
In nicht zu beanstandender Weise hat die Beklagte die Höhe des Kürzungsbetrages aus den zu Unrecht angesetzten Gebührennummern ermittelt und im Wege einer Schätzung auf 30% festgesetzt. Der Anteil der sachlich-rechnerischen Berichtigung der GNR 1 EBM beim Kläger betrug in den streitigen Quartalen bei im Schnitt gut 1000 Scheinen durchschnittlich ca. 300 Fälle, also ca. 30%, sodass die Beklagte auch in entsprechender Quote bei der Hausarztpauschale das Honorar niedriger schätzen durfte. Wie das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass die Beklagte damit ihr Schätzungsermessen zutreffend ausübte. Wenn bei der hohen Zahl der Eingangs dargestellten Doppelabrechnungen lediglich 30 % gekürzt werden, ist dies keinesfalls zu Lasten des Klägers ermessensfehlerhaft. Denn ihm werden von der Beklagten für eine hohe Zahl von Patienten mit Doppeleinlesungen die angeforderten Gebühren belassen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 2. Januar 2002 geltenden Fassung, die nach dem Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 (- B 6 KA 12/01 R -in SozR 3-2500 § 116 Nr. 24) in Fällen weiterhin anwendbar ist, in denen - wie hier - das gerichtliche Verfahren vor dem 2. Januar 2002 anhängig geworden ist. (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 30. August 2002 - B 13 SF 1/02 S -in SozR 3-1500 § 184 Nr. 2).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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