Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 96/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution liegt i. S. d. § 8 der Anlage A 2. „Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger“ der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) jedenfalls dann vor, wenn ein regelmäßiger Konsum auch nach über fünfjähriger Behandlung vorliegt.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B ...
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mir Praxissitz A-Stadt zugelassen. Er besitzt die Genehmigung zur Abrechnung der Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen.
Die Beklagte nahm eine Qualitätsüberprüfung der Behandlung des 1965 geb. Patienten B. vor, da bei diesem die Substitutionsbehandlung bereits länger als fünf Jahre durchgeführt werde. Der Kläger reichte die angeforderten Unterlagen ein. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 10.12.2004 mit, die Qualitätssicherungskommission habe Mängel festgestellt. Es werde eine Beanstandung nach Stufe 4 (schwerwiegende Beanstandung) gemäß ihrer Richtlinien zur Durchführung der Qualitätsprüfung ausgesprochen. Innerhalb von sechs Wochen sei ein erneuter Behandlungsbericht vorzulegen. Der Patient weise einen manifesten Benzodiazepinbeikonsum auf. Dies stelle eine Kontraindikation zur Substitution dar. Mit Schreiben vom 10.05.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Qualitätssicherungskommission habe die Angelegenheit bis 20.10.2005 zurückgestellt. Der Kläger werde aufgefordert, danach erneut über den Patienten zu berichten und die Urinkontrollen einzureichen. Der Benzodiazepinbeikonsum solle in diesem Zeitraum gänzlich eingestellt werden.
Mit Bescheid vom 17.01.2006 verpflichte die Beklagte den Kläger zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. bis spätestens 14.02.2006. Sie führte aus, es bestehe weiterhin ein Benzodiazepinkonsum. Die Qualitätssicherungskommission habe deshalb eine weitere Behandlung abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger am 07.02.2006 Widerspruch ein. Er führte aus, bei Herrn B. handele es sich um einen Patienten mit hochgradiger Persönlichkeitsstörung. Solche Kranke könnten oft nur durch fortgesetzte Benzodiazepinmedikation stabil gehalten werden. Der Patient nehme sehr wenige Tabletten. Die Niedrigdosisabhängigkeit sei gegenüber der Opiatsucht eine vergleichsweise ungefährliche Gesundheitsstörung. Ein Abbruch würde den Patienten in die intravenöse Drogensucht zurückwerfen und dessen Gesundheitszustand verschlechtern. Den intravenösen Drogenkonsum habe der Patient vollständig eingeschränkt. Er beachte das Legalitätsprinzip, arbeite, lebe in einem drogenfreien sozialen Kontext und beteilige sich an der Erziehung und Ernährung der Kinder seiner Lebenspartnerin.
Die Qualitätssicherungskommission empfahl eine Zurückweisung des Widerspruchs unter Hinweis auf die chronologische Auflistung der durchgeführten Urinkontrollen vom 25.04.2005 bis 10.10.2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007, dem Kläger zugestellt am 23.02.2007, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung heißt es, auf Anfrage habe der Kläger weiter die Urinkontrollen für den Zeitraum 05.12.2005 bis 11.09.2006 eingereicht. Es hätten positive Nachweise für einen Benzodiazepinbeigebrauch vorgelegen. Die nachgereichten Ergebnisse dokumentierten eine zeitweilige Benzodiazepinbeigebrauchsfreiheit. Die im Zeitraum 05.12.2005 bis 11.09.2006 durchgeführten Urinkontrollen wiesen erneut Benzodiazepine positiv auf.
Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2007 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen vor, bei einem Abbruch befürchte er schwerste gesundheitliche Konsequenzen für seinen Patienten. Ein Erfolg der Methadonbehandlung sei nachweisbar. Er habe eine hochgradig abnorme Persönlichkeit. Im Alter von neun Jahren habe er seine 18-jährige Schwester getötet, weil diese ihm gedroht habe, seine Mutter darüber zu informieren, dass er von seinem Vater regelmäßig sexuell missbraucht werde. Er habe damals viele Monate in einer psychiatrischen Klinik verbracht. Das Entlassungsgutachten umfasse 130 Seiten. Seit dieser Zeit nehme der Patient Benzodiazepine. Er benötige sie wahrscheinlich aus Gründen seiner Borderline-Charakterstruktur. Die BUB-Richtlinien seien fehlerhaft. Ein Abbruch dürfe nur bei schwerstem Beigebrauch erfolgen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Die BUB-Richtlinie sei verbindlich und rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. festgestellt.
Nach § 8 der Anlage A 2. "Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger" der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006; Nr. 48 (S. 1523) in Kraft getreten am 01. April 2006 (im Folgenden: SRL), zuletzt geändert am 18. Januar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007; Nr. 79 (S. 4 362) in Kraft getreten am 1. April 2007 (hier zitiert nach www.g-ba.de) – wobei die hier maßgebliche Anlage A 2 zuletzt mit Beschluss vom 16. November 2004 geändert wurde - ist bei Vorliegen folgender Voraussetzungen die Substitution zu beenden:
1. gleichzeitige Substitution durch einen anderen Arzt, sofern die Mehrfachsubstitution nicht nach § 7 Abs. 3 einvernehmlich eingestellt wird,
2. nicht bestimmungsgemäße Verwendung des Substitutionsmittels,
3. Ausweitung oder Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution,
4. dauerhafte Nicht-Teilnahme des Substituierten an ggf. erforderlichen psychosozialen Betreuungsmaßnahmen,
5. Feststellung der Kommission nach § 9, dass die Voraussetzungen des § 3 nicht oder nicht mehr vorliegen.
Die Voraussetzungen nach Nr. 3 der genannten Vorschrift lagen vor. Eine Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution liegt jedenfalls dann vor, wenn ein regelmäßiger Konsum auch nach über fünfjähriger Behandlung vorliegt. Für die Kammer folgt dies aus § 9 SRL. Danach richten die KVen fachkundige Kommissionen zur Beratung bei der Erteilung von Genehmigungen für Substitutionsbehandlungen nach § 2 sowie für die Qualitätssicherung und die Überprüfung der Indikation nach § 3 durch Stichproben im Einzelfall (Qualitätssicherungskommissionen) ein (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SRL). Die Kommissionen haben die Qualität der vertragsärztlichen Substitution und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 durch Stichproben im Einzelfall zu überprüfen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 SRL). Bei allen Substitutionsbehandlungen gemäß diesen Richtlinien hat der Arzt mit Ablauf von jeweils fünf Behandlungsjahren die patientenbezogenen Dokumentationen gem. § 7 mit den jeweiligen umfassenden Therapiekonzepten und den Behandlungsdokumentationen an die Qualitätssicherungskommission zur Prüfung zu übermitteln (§ 9 Abs. 5 SRL). Die Qualitätsprüfungen nach Abs. 3 bis 5 umfassen die Einhaltung aller Bestimmungen dieser Richtlinien (§ 9 Abs. 6 SRL).
Mit der Überprüfung der Behandlung nach fünf Jahren geben damit die SRL vor, dass nach diesem Zeitraum erstmals eine Kontrolle erfolgen soll, ob das Ziel der SRL erreicht wird und ob deren Bestimmungen eingehalten werden. Die SRL dient aber auch in ihrer Neufassung ausschließlich der Krankenbehandlung mit dem Ziel der Suchtmittelfreiheit. Nach der Präambel der SRL umfasst Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V auch die Behandlung von Suchterkrankungen. Das alleinige Auswechseln des Opiats durch ein Substitutionsmittel stellt jedoch keine geeignete Behandlungsmethode dar und ist von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht umfasst. Oberstes Ziel der Behandlung ist die Suchtmittelfreiheit. Ist dieses Ziel nicht unmittelbar und zeitnah erreichbar, so ist im Rahmen eines umfassenden Therapiekonzeptes, das auch, soweit erforderlich, begleitende psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungs- oder psychosoziale Betreuungs-Maßnahmen mit einbezieht, eine Substitution zulässig.
Bei dem Patienten B. waren bei allen Urinkontrollen im Zeitraum 25.04.2005 bis 11.09.2006 die Benzodiazepinwerte positiv. Soweit der Kläger eine Liste über die Kontrollen für den Zeitraum 02.01.2007 bis 20.08.2007 vorgelegt hat, so waren die Werte zwar nicht mehr durchgehend positiv, aber lediglich der Zeitraum 11.06.2007 bis 20.08.2007 war durchgehend negativ. Im Hinblick auf den langen Konsum von Benzodiazepinen kann hieraus aber nach der mit zwei Ärzten fachkundig besetzten Kammer nicht auf eine Benzodiazepinfreiheit geschlossen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers vermochte die Kammer auch keine Niedrigdosisabhängigkeit zu erkennen, die im Sinne der SRL unbeachtlich wäre. Aufgrund der langen Abhängigkeit liegt vielmehr eine und multitoxische schwerere Abhängigkeit vor. § 4 Nr. 1 SRL nennt als Ausschlussgrund ausdrücklich eine primäre/hauptsächliche Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen wie u. a. Benzodiazepine. § 8 Nr. 3 SRL sieht aber die zwingende Beendigung der Substitutionsbehandlung vor, wenn der Beigebrauch über Jahre hinweg anhält. Ein Ermessensspielraum kommt der Beklagten nicht zu. Eine Fortsetzung der Behandlung in Einzelfällen sieht die SRL nicht vor. Maßgeblich nach der SRL ist lediglich, ob die Behandlung innerhalb des Krankenversicherungssystems durchzuführen ist. Dies schließt es nicht aus, dass eine weitere Substitutionsbehandlung von anderen Kostenträgern getragen wird.
Die SRL sind auch rechtmäßig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, sind die BUB-Richtlinien und auch die Substitutions-RL als Regelungen zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung auf Grund des § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V erlassen worden. Die Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlagen, sowohl des § 135 Abs. 1 SGB V als auch der NUB-Richtlinien bzw. jetzt BUB-Richtlinien unterliegt keinen Zweifeln. Dem Einwand, eine Festlegung der Behandlungsvoraussetzungen durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen reiche im Hinblick auf verfassungsrechtliche Anforderungen nicht aus, ist das BSG bereits früher entgegengetreten. Dies gilt auch für die in den Substitutions-RL festgelegten Kriterien für die Anerkennung eines Notfalles zur sofortigen Substitutionsbehandlung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 06.11.2002, Aktenzeichen: B 6 KA 39/01 R, juris Rdnr. 17). Auch die alten Substitutions-RL gingen von dem Konzept der suchtmittelfreien Behandlung aus. Die Neufassung in Form der SRL hat insofern eine Vereinfachung der Behandlungsmöglichkeiten gebracht, als vom Vorliegen bestimmter Indikationen und einer vor Behandlungsbeginn einzuholenden Genehmigung nunmehr abgesehen wird. Von daher hält die Kammer auch die SRL für rechtmäßig.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B ...
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mir Praxissitz A-Stadt zugelassen. Er besitzt die Genehmigung zur Abrechnung der Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen.
Die Beklagte nahm eine Qualitätsüberprüfung der Behandlung des 1965 geb. Patienten B. vor, da bei diesem die Substitutionsbehandlung bereits länger als fünf Jahre durchgeführt werde. Der Kläger reichte die angeforderten Unterlagen ein. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 10.12.2004 mit, die Qualitätssicherungskommission habe Mängel festgestellt. Es werde eine Beanstandung nach Stufe 4 (schwerwiegende Beanstandung) gemäß ihrer Richtlinien zur Durchführung der Qualitätsprüfung ausgesprochen. Innerhalb von sechs Wochen sei ein erneuter Behandlungsbericht vorzulegen. Der Patient weise einen manifesten Benzodiazepinbeikonsum auf. Dies stelle eine Kontraindikation zur Substitution dar. Mit Schreiben vom 10.05.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Qualitätssicherungskommission habe die Angelegenheit bis 20.10.2005 zurückgestellt. Der Kläger werde aufgefordert, danach erneut über den Patienten zu berichten und die Urinkontrollen einzureichen. Der Benzodiazepinbeikonsum solle in diesem Zeitraum gänzlich eingestellt werden.
Mit Bescheid vom 17.01.2006 verpflichte die Beklagte den Kläger zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. bis spätestens 14.02.2006. Sie führte aus, es bestehe weiterhin ein Benzodiazepinkonsum. Die Qualitätssicherungskommission habe deshalb eine weitere Behandlung abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger am 07.02.2006 Widerspruch ein. Er führte aus, bei Herrn B. handele es sich um einen Patienten mit hochgradiger Persönlichkeitsstörung. Solche Kranke könnten oft nur durch fortgesetzte Benzodiazepinmedikation stabil gehalten werden. Der Patient nehme sehr wenige Tabletten. Die Niedrigdosisabhängigkeit sei gegenüber der Opiatsucht eine vergleichsweise ungefährliche Gesundheitsstörung. Ein Abbruch würde den Patienten in die intravenöse Drogensucht zurückwerfen und dessen Gesundheitszustand verschlechtern. Den intravenösen Drogenkonsum habe der Patient vollständig eingeschränkt. Er beachte das Legalitätsprinzip, arbeite, lebe in einem drogenfreien sozialen Kontext und beteilige sich an der Erziehung und Ernährung der Kinder seiner Lebenspartnerin.
Die Qualitätssicherungskommission empfahl eine Zurückweisung des Widerspruchs unter Hinweis auf die chronologische Auflistung der durchgeführten Urinkontrollen vom 25.04.2005 bis 10.10.2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007, dem Kläger zugestellt am 23.02.2007, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung heißt es, auf Anfrage habe der Kläger weiter die Urinkontrollen für den Zeitraum 05.12.2005 bis 11.09.2006 eingereicht. Es hätten positive Nachweise für einen Benzodiazepinbeigebrauch vorgelegen. Die nachgereichten Ergebnisse dokumentierten eine zeitweilige Benzodiazepinbeigebrauchsfreiheit. Die im Zeitraum 05.12.2005 bis 11.09.2006 durchgeführten Urinkontrollen wiesen erneut Benzodiazepine positiv auf.
Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2007 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen vor, bei einem Abbruch befürchte er schwerste gesundheitliche Konsequenzen für seinen Patienten. Ein Erfolg der Methadonbehandlung sei nachweisbar. Er habe eine hochgradig abnorme Persönlichkeit. Im Alter von neun Jahren habe er seine 18-jährige Schwester getötet, weil diese ihm gedroht habe, seine Mutter darüber zu informieren, dass er von seinem Vater regelmäßig sexuell missbraucht werde. Er habe damals viele Monate in einer psychiatrischen Klinik verbracht. Das Entlassungsgutachten umfasse 130 Seiten. Seit dieser Zeit nehme der Patient Benzodiazepine. Er benötige sie wahrscheinlich aus Gründen seiner Borderline-Charakterstruktur. Die BUB-Richtlinien seien fehlerhaft. Ein Abbruch dürfe nur bei schwerstem Beigebrauch erfolgen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Die BUB-Richtlinie sei verbindlich und rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht die Pflicht zur Beendigung der Substitutionsbehandlung des Patienten B. festgestellt.
Nach § 8 der Anlage A 2. "Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger" der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006; Nr. 48 (S. 1523) in Kraft getreten am 01. April 2006 (im Folgenden: SRL), zuletzt geändert am 18. Januar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007; Nr. 79 (S. 4 362) in Kraft getreten am 1. April 2007 (hier zitiert nach www.g-ba.de) – wobei die hier maßgebliche Anlage A 2 zuletzt mit Beschluss vom 16. November 2004 geändert wurde - ist bei Vorliegen folgender Voraussetzungen die Substitution zu beenden:
1. gleichzeitige Substitution durch einen anderen Arzt, sofern die Mehrfachsubstitution nicht nach § 7 Abs. 3 einvernehmlich eingestellt wird,
2. nicht bestimmungsgemäße Verwendung des Substitutionsmittels,
3. Ausweitung oder Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution,
4. dauerhafte Nicht-Teilnahme des Substituierten an ggf. erforderlichen psychosozialen Betreuungsmaßnahmen,
5. Feststellung der Kommission nach § 9, dass die Voraussetzungen des § 3 nicht oder nicht mehr vorliegen.
Die Voraussetzungen nach Nr. 3 der genannten Vorschrift lagen vor. Eine Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution liegt jedenfalls dann vor, wenn ein regelmäßiger Konsum auch nach über fünfjähriger Behandlung vorliegt. Für die Kammer folgt dies aus § 9 SRL. Danach richten die KVen fachkundige Kommissionen zur Beratung bei der Erteilung von Genehmigungen für Substitutionsbehandlungen nach § 2 sowie für die Qualitätssicherung und die Überprüfung der Indikation nach § 3 durch Stichproben im Einzelfall (Qualitätssicherungskommissionen) ein (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SRL). Die Kommissionen haben die Qualität der vertragsärztlichen Substitution und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 durch Stichproben im Einzelfall zu überprüfen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 SRL). Bei allen Substitutionsbehandlungen gemäß diesen Richtlinien hat der Arzt mit Ablauf von jeweils fünf Behandlungsjahren die patientenbezogenen Dokumentationen gem. § 7 mit den jeweiligen umfassenden Therapiekonzepten und den Behandlungsdokumentationen an die Qualitätssicherungskommission zur Prüfung zu übermitteln (§ 9 Abs. 5 SRL). Die Qualitätsprüfungen nach Abs. 3 bis 5 umfassen die Einhaltung aller Bestimmungen dieser Richtlinien (§ 9 Abs. 6 SRL).
Mit der Überprüfung der Behandlung nach fünf Jahren geben damit die SRL vor, dass nach diesem Zeitraum erstmals eine Kontrolle erfolgen soll, ob das Ziel der SRL erreicht wird und ob deren Bestimmungen eingehalten werden. Die SRL dient aber auch in ihrer Neufassung ausschließlich der Krankenbehandlung mit dem Ziel der Suchtmittelfreiheit. Nach der Präambel der SRL umfasst Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V auch die Behandlung von Suchterkrankungen. Das alleinige Auswechseln des Opiats durch ein Substitutionsmittel stellt jedoch keine geeignete Behandlungsmethode dar und ist von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht umfasst. Oberstes Ziel der Behandlung ist die Suchtmittelfreiheit. Ist dieses Ziel nicht unmittelbar und zeitnah erreichbar, so ist im Rahmen eines umfassenden Therapiekonzeptes, das auch, soweit erforderlich, begleitende psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungs- oder psychosoziale Betreuungs-Maßnahmen mit einbezieht, eine Substitution zulässig.
Bei dem Patienten B. waren bei allen Urinkontrollen im Zeitraum 25.04.2005 bis 11.09.2006 die Benzodiazepinwerte positiv. Soweit der Kläger eine Liste über die Kontrollen für den Zeitraum 02.01.2007 bis 20.08.2007 vorgelegt hat, so waren die Werte zwar nicht mehr durchgehend positiv, aber lediglich der Zeitraum 11.06.2007 bis 20.08.2007 war durchgehend negativ. Im Hinblick auf den langen Konsum von Benzodiazepinen kann hieraus aber nach der mit zwei Ärzten fachkundig besetzten Kammer nicht auf eine Benzodiazepinfreiheit geschlossen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers vermochte die Kammer auch keine Niedrigdosisabhängigkeit zu erkennen, die im Sinne der SRL unbeachtlich wäre. Aufgrund der langen Abhängigkeit liegt vielmehr eine und multitoxische schwerere Abhängigkeit vor. § 4 Nr. 1 SRL nennt als Ausschlussgrund ausdrücklich eine primäre/hauptsächliche Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen wie u. a. Benzodiazepine. § 8 Nr. 3 SRL sieht aber die zwingende Beendigung der Substitutionsbehandlung vor, wenn der Beigebrauch über Jahre hinweg anhält. Ein Ermessensspielraum kommt der Beklagten nicht zu. Eine Fortsetzung der Behandlung in Einzelfällen sieht die SRL nicht vor. Maßgeblich nach der SRL ist lediglich, ob die Behandlung innerhalb des Krankenversicherungssystems durchzuführen ist. Dies schließt es nicht aus, dass eine weitere Substitutionsbehandlung von anderen Kostenträgern getragen wird.
Die SRL sind auch rechtmäßig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, sind die BUB-Richtlinien und auch die Substitutions-RL als Regelungen zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung auf Grund des § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V erlassen worden. Die Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlagen, sowohl des § 135 Abs. 1 SGB V als auch der NUB-Richtlinien bzw. jetzt BUB-Richtlinien unterliegt keinen Zweifeln. Dem Einwand, eine Festlegung der Behandlungsvoraussetzungen durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen reiche im Hinblick auf verfassungsrechtliche Anforderungen nicht aus, ist das BSG bereits früher entgegengetreten. Dies gilt auch für die in den Substitutions-RL festgelegten Kriterien für die Anerkennung eines Notfalles zur sofortigen Substitutionsbehandlung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 06.11.2002, Aktenzeichen: B 6 KA 39/01 R, juris Rdnr. 17). Auch die alten Substitutions-RL gingen von dem Konzept der suchtmittelfreien Behandlung aus. Die Neufassung in Form der SRL hat insofern eine Vereinfachung der Behandlungsmöglichkeiten gebracht, als vom Vorliegen bestimmter Indikationen und einer vor Behandlungsbeginn einzuholenden Genehmigung nunmehr abgesehen wird. Von daher hält die Kammer auch die SRL für rechtmäßig.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved