Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 3284/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 761/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) geltend.
Der Kläger ist 1922 geboren und machte mit Schreiben vom 16. August 1990 erstmals Ansprüche nach dem BVG bei dem Versorgungsamt Ravensburg (VA) geltend. Er führte aus, dass er als ehemaliger Soldat in der Zeit von März 1943 bis Oktober 1944 während der Dienstzeit in F. an einer Mittelohrentzündung erkrankt gewesen sei. Er sei im Lazarett N. im Sommer 1943 am Mittelohr operiert worden und sei seitdem taub. Nach Aufforderung durch das VA legte er die Bescheinigung des Krankenbuchlagers B. vom 2. November 1993 vor, wonach er am 27. August 1943 als Grenadier in das Kriegslazarett mot. 4/604 N. wegen eines akuten Rezidivs einer chronischen Mittelohrentzündung links - Operation - eingeliefert und am 2. November 1943 dienstfähig zur Truppe entlassen worden sei. Weiter legte er die Bescheinigung des Gesundheitsfürsorgeverbands Betriebs-Ambulatorium der "B."-Hütte vom 25. November 1993 vor, worin als Hauptkrankheit eine Taubheit des linken Ohrs aufgeführt wurde bei Zustand nach der radikalen Operation des linken Mittelohres. Beigefügt waren Auszüge aus den Behandlungsblättern des Ambulatoriums.
Das VA holte die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme vom 19. Mai 1994 ein, worin MedDirin K. ausführte, das Ohrenleiden des Klägers beruhe auf einer frühkindlich erworbenen Mittelohrschleimhautschwäche mit Neigung zu chronischen Mittelohrentzündungen. Dafür spreche die radiologisch festgestellte Sklerotisierung - fehlende Pneumatisation - der Mastoidzellen beidseits. In Einklang damit stehe die Eintragung in der Bescheinigung des Krankenbuchlagers B., die von einem akuten Rezidiv sowie einer chronischen Mittelohrentzündung links spreche. Es handle sich somit um ein anlagebedingtes Ohrleiden. Dass das Rezidiv auf ungünstigen kriegsdienstlichen Bedingungen, insbesondere der Witterung, beruhe, sei unwahrscheinlich, da es im Sommer 1943 in F. aufgetreten sei.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1994 lehnte das VA den Antrag, gestützt auf die vä Stellungnahme, ab. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, er habe bis Sommer 1943 kein Ohrenleiden gehabt und sei auch als uneingeschränkt einsatzfähig im Januar 1943 eingezogen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1994 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das gegen diese Entscheidungen durchgeführte Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG - Az.: S 13 V 4120/94) blieb ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren (AZ.: L 8 V 3112/95) wurde das Gutachten von Dr. R. vom 14. Mai 1996 eingeholt. Dieser kam zum Schluss, dass nach dem röntgenologischen Befund der Ohren und der Bescheinigung des Krankenbuchlagers die bestehende Taubheit Folge einer akuten Exazerbation einer anlagebedingten chronischen Mittelohrentzündung nach dienstlichem Schwimmen im Jahr 1943 gewesen sei. Ein derart akutes Rezidiv könne aber nur im Sinne einer Verschlimmerung bei vorbestehender Krankheit gewertet werden. Der Hörschaden sei insgesamt mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten, der schädigungsbedingte Verschlimmerungsanteil mit 15 v.H.
Daraufhin erließ das VA den Bescheid vom 30. September 1996. Darin änderte es den Bescheid vom 27. Mai 1994 ab und anerkannte als Gesundheitsstörung im Sinne des BVG "Taubheit links nach Radikal-Operation des linken Ohres" im Sinne einer - einmalig - abgrenzbaren Verschlimmerung, ohne dass eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliege. Dieser Bescheid wurde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens. Nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Bundessozialgericht (BSG) an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im nachfolgenden Revisionsverfahren (9 BV 4120/94) schlossen die Beteiligten vor dem LSG (L 8 V 916/00) einen Vergleich, wonach sich der Beklagte zur erneuten Prüfung und rechtsmittelfähigen Entscheidung bereit erklärte, ob ein Versorgungsanspruch des Klägers bestehe, nachdem dieser mit Schreiben vom 12. April 2000 geltend gemacht hatte, dass sich seine Leiden verschlimmert hätten. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend das Berufungsverfahren für erledigt.
Versorgungsarzt Dr. S. führte in seiner vä Stellungnahme vom 22. August 2000 aus, eine wesentliche Verschlimmerung des anerkannten Ohrleidens links sei nicht möglich, da das linke Ohr bereits taub sei. Die MdE für den Verschlimmerungsanteil sei mit 15 v.H. bewertet worden. Die vom Kläger mit Schreiben vom 12. April 2000 geltend gemachten Erkrankungen der Prostata und durch Parkinson seien keine Schädigungsfolgen. In keinem der aktenkundigen Befundberichte seit 1986 fänden sich Klagen über Ohrgeräusche und Kopfschmerzen. Dies werde erst jetzt geltend gemacht.
Das VA ließ den Kläger daraufhin in P. HNO-ärztlich untersuchen und ein Tonaudiogramm fertigen. In ihrem Gutachten vom 16. Oktober 2000 führte die Gutachterin B. aus, der Kläger habe im Lärm als Betriebsleiter bzw. stellvertretender Abteilungsleiter in einer Hütte gearbeitet. Er habe sich 1986 um die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit bemüht, was aber abgelehnt worden sei. Der Kläger habe bei der Untersuchung über periodischen Ohrfluss, hartnäckiges Ohrensausen und ständiges Ohrenklingeln im linken Ohr sowie linksseitige Taubheit geklagt. Dazu kämen Schmerzen der linken Kopfhälfte, zeitweiliges Schwindelgefühl und Gleichgewichtsstörungen. Zusammenfassend kam sie zum Schluss, der Hörverlust links stehe in ursächlichem Zusammenhang mit der 1943 erfolgten Operation, nach dem Tonaudiogramm liege auf dem linken Ohr praktisch Taubheit vor.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2001 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, da die von ihm geklagten Beschwerden nicht als Schädigungsfolgen anerkannt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2001 zurückgewiesen wurde.
Dagegen erhob der Kläger am 3. Juli 2001 Klage zum SG und brachte u.a. vor, dass er sich im April 1943 bei der Rekrutenausbildung eine schwere Erkältung und starke Angina zugezogen gehabt habe und trotz erhöhter Temperatur im April nach F. abkommandiert worden sei. Es sei jeden Morgen um 6 Uhr ein dienstliches Baden im kalten Atlantik angeordnet worden, was zu einer Flutung seiner Ohren geführt habe. Im Klageverfahren wurden noch ärztliche Bescheinigungen aus P. vorgelegt, das SG ließ von Dr. J., Arzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten am 28. Februar 2005 ein fachärztliches Gutachten nach Aktenlage erstellen. Dieser führte aus, durch die Ohrenradikaloperation im Jahr 1943 sei eine Beeinträchtigung des Hörvermögens entstanden, die als an Taubheit grenzend einzuschätzen sei. Aus der Akte lasse sich allerdings nicht tatsächlich eine Ertaubung erkennen, vielmehr zeige sich eine kombinierte Schwerhörigkeit, über die Knochenleitung zeigten sich zwar ebenfalls Beeinträchtigungen, die aber nur unwesentlich höher zu veranschlagen seien als am rechten Ohr. Trotzdem sei aus der weit fortgeschrittenen Schwerhörigkeit links ein auch nur geringer Nutzen dieses Ohrs nicht erkennbar, so dass von einem Hörverlust von 100% ausgegangen werden müsse. Was die Genese der Ohrerkrankung anbelange, seien die vorbefassten Ärzte zutreffend zum Schluss gekommen, dass eine Vorschädigung vorgelegen haben müsse. Ansonsten wäre es aufgrund einer durchgemachten akuten Entzündung am linken Ohr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ohrradikaloperation gekommen. Dafür müsse eine Vorschädigung bzw. eine konstitutionelle anlagebedingte Erkrankung verantwortlich gemacht werden. Daher könne er sich den gutachterlichen Ausführungen auch insoweit anschließen, als etwa die Hälfte der vorliegenden Gesundheitsstörung Folge einer Wehrdienstbeschädigung sein könne. Die jetzt noch bestehende chronische Eiterung der Ohrhöhle ebenso wie Kopfschmerzen oder Schwindelzustände seien keine Schädigungsfolgen. Eine Ohrradikalhöhle bedürfe regelmäßiger Beobachtung und Reinigung, da es ansonsten zu neuerlichen Infektionen komme. Die Beeinträchtigung am rechten Ohr sei eindeutig wehrdienstunabhängig, es handle sich hierbei um die Folge einer physiologischen Presbyakusis. Die Gesamt-MdE sei mit 30 v.H. unter Berücksichtigung auch der Hörschädigung rechts anzusetzen, wovon aber der wehrdienstunabhängige Teil abzusetzen sei.
Durch Urteil vom 9. Dezember 2005 wies das SG die Klage ab, gestützt im wesentlichen auf das Gutachten von Dr. J ... Ergänzend führte das SG aus, bereits Dr. R. habe sich mit dem Vortrag des Klägers (Bad im kalten Atlantik) auseinander gesetzt und ausgeführt, dass sich eine Ursächlichkeit dieses behaupteten Bades für die nur zwei Monate später aufgetretene Mittelohrentzündung nicht begründen lasse, da chronische Mittelohrentzündungen regelmäßig längere Vorlaufzeiten hätten.
Gegen das ihm am 16. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Februar 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung im wesentlichen den bisherigen Sachvortrag wiederholt. Er trägt insbesondere vor, er sei Anfang April 1943 an der eitrigen Angina erkrankt und erst im Oktober, also fünf Monate später, operiert worden. Er könne nicht nachvollziehen, weshalb der schädigungsbedingte Anteil nur eine MdE um 15 v.H. ausmache, wo er doch in der Kindheit nie Ohrenprobleme gehabt habe.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2005 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach dem BVG nach einer MdE um wenigstens 25 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Gewährung einer Rente nach dem BVG abgelehnt. Da der Kläger eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen geltend macht, ist Maßstab der rechtlichen Überprüfung § 48 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG). Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung herbeigeführt worden sind (§ 1 Abs. 2 Buchstabe a BVG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Grundrente nach dem BVG erhält, wessen Erwerbsfähigkeit durch die Schädigungsfolgen um wenigstens 25 v.H. gemindert ist (§ 31 BVG).
Verglichen mit dem Gesundheitszustand des Klägers im Jahr 1996, als mit Bescheid vom 30. September 1996 als Schädigungsfolge eine "Taubheit links nach Radikal-Operation des linken Ohres" im Sinne einer einmalig abgrenzbaren Verschlimmerung anerkannt worden ist, ist keine wesentliche Änderung eingetreten.
Wie letztlich auch Dr. J. in seinem Gutachten vom 28. Februar 2005 ausgeführt hat, besteht beim Kläger seit der Operation im November 1943 auf dem linken Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Diese kann sich schon ihrer Natur nach nicht mehr verschlimmern. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die geklagten Kopfschmerzen sowie Schwindelerscheinungen seien auf die anerkannten Schädigungsfolgen im Sinne einer Verschlechterung zurückzuführen, konnte keiner der mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Ärzte einen solchen Zusammenhang erkennen. Das Prostataleiden wie auch die Parkinsonkrankheit will der Kläger, wie er im Berufungsschriftsatz ausgeführt hat, selbst nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückführen. Eine Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen ist damit nicht erkennbar.
Soweit der Kläger darauf abgestellt hat, dass die MdE seiner Meinung nach mit 15 v.H. zu niedrig beurteilt worden sei, da er keine Vorerkrankungen im Ohrbereich gehabt habe und damit die gesamten Beeinträchtigungen auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen seien, kann dieses Vorbringen zwar nicht im Verfahren nach § 48 SGB X berücksichtigt werden. Letztlich wird darin ein Begehren geltend gemacht, das im Rahmen des § 44 SGB X zu prüfen wäre, nämlich dass die Schädigungsfolgen von Anfang an unzutreffend beurteilt worden seien. Da allerdings Dr. J. wie auch das SG diesbezüglich Ausführungen gemacht haben, weist der Senat der Vollständigkeit halber ergänzend darauf hin, dass er keine Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen hat. Auch wenn der Kläger nach wie vor Ohrerkrankungen vor der Einberufung in die Wehrmacht abstreitet, sprechen sowohl der Verlauf der Erkrankung als auch die erhobenen Befunde gegen eine durch den Wehrdienst verursachte Erkrankung. Es kann - auch darauf weist der Senat nur fürsorglich hin - deshalb auch offen bleiben, ob und inwieweit bei Taubheit überhaupt eine im Sinne der Verschlimmerung abgrenzbare Teil-MdE gebildet werden kann. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre und diese Erkrankung daher in vollem Umfang auch bei der Bildung der MdE berücksichtigt werden müsste, wäre bei Taubheit auf einem Ohr und einer Normalhörigkeit der Gegenseite nicht von einer rentenberechtigenden MdE von wenigstens 25 v.H. auszugehen (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 2004" S. 59 [20 v.H.] sowie die insoweit inhaltsgleichen AP 1983 S. 54 [MdE 15 v.H.], AP 1996 S. 72 [20 v.H.]).
Daher sind die angefochtenen Entscheidungen zutreffend. Die Berufung war zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) geltend.
Der Kläger ist 1922 geboren und machte mit Schreiben vom 16. August 1990 erstmals Ansprüche nach dem BVG bei dem Versorgungsamt Ravensburg (VA) geltend. Er führte aus, dass er als ehemaliger Soldat in der Zeit von März 1943 bis Oktober 1944 während der Dienstzeit in F. an einer Mittelohrentzündung erkrankt gewesen sei. Er sei im Lazarett N. im Sommer 1943 am Mittelohr operiert worden und sei seitdem taub. Nach Aufforderung durch das VA legte er die Bescheinigung des Krankenbuchlagers B. vom 2. November 1993 vor, wonach er am 27. August 1943 als Grenadier in das Kriegslazarett mot. 4/604 N. wegen eines akuten Rezidivs einer chronischen Mittelohrentzündung links - Operation - eingeliefert und am 2. November 1943 dienstfähig zur Truppe entlassen worden sei. Weiter legte er die Bescheinigung des Gesundheitsfürsorgeverbands Betriebs-Ambulatorium der "B."-Hütte vom 25. November 1993 vor, worin als Hauptkrankheit eine Taubheit des linken Ohrs aufgeführt wurde bei Zustand nach der radikalen Operation des linken Mittelohres. Beigefügt waren Auszüge aus den Behandlungsblättern des Ambulatoriums.
Das VA holte die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme vom 19. Mai 1994 ein, worin MedDirin K. ausführte, das Ohrenleiden des Klägers beruhe auf einer frühkindlich erworbenen Mittelohrschleimhautschwäche mit Neigung zu chronischen Mittelohrentzündungen. Dafür spreche die radiologisch festgestellte Sklerotisierung - fehlende Pneumatisation - der Mastoidzellen beidseits. In Einklang damit stehe die Eintragung in der Bescheinigung des Krankenbuchlagers B., die von einem akuten Rezidiv sowie einer chronischen Mittelohrentzündung links spreche. Es handle sich somit um ein anlagebedingtes Ohrleiden. Dass das Rezidiv auf ungünstigen kriegsdienstlichen Bedingungen, insbesondere der Witterung, beruhe, sei unwahrscheinlich, da es im Sommer 1943 in F. aufgetreten sei.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1994 lehnte das VA den Antrag, gestützt auf die vä Stellungnahme, ab. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, er habe bis Sommer 1943 kein Ohrenleiden gehabt und sei auch als uneingeschränkt einsatzfähig im Januar 1943 eingezogen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1994 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das gegen diese Entscheidungen durchgeführte Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG - Az.: S 13 V 4120/94) blieb ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren (AZ.: L 8 V 3112/95) wurde das Gutachten von Dr. R. vom 14. Mai 1996 eingeholt. Dieser kam zum Schluss, dass nach dem röntgenologischen Befund der Ohren und der Bescheinigung des Krankenbuchlagers die bestehende Taubheit Folge einer akuten Exazerbation einer anlagebedingten chronischen Mittelohrentzündung nach dienstlichem Schwimmen im Jahr 1943 gewesen sei. Ein derart akutes Rezidiv könne aber nur im Sinne einer Verschlimmerung bei vorbestehender Krankheit gewertet werden. Der Hörschaden sei insgesamt mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten, der schädigungsbedingte Verschlimmerungsanteil mit 15 v.H.
Daraufhin erließ das VA den Bescheid vom 30. September 1996. Darin änderte es den Bescheid vom 27. Mai 1994 ab und anerkannte als Gesundheitsstörung im Sinne des BVG "Taubheit links nach Radikal-Operation des linken Ohres" im Sinne einer - einmalig - abgrenzbaren Verschlimmerung, ohne dass eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliege. Dieser Bescheid wurde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens. Nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Bundessozialgericht (BSG) an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im nachfolgenden Revisionsverfahren (9 BV 4120/94) schlossen die Beteiligten vor dem LSG (L 8 V 916/00) einen Vergleich, wonach sich der Beklagte zur erneuten Prüfung und rechtsmittelfähigen Entscheidung bereit erklärte, ob ein Versorgungsanspruch des Klägers bestehe, nachdem dieser mit Schreiben vom 12. April 2000 geltend gemacht hatte, dass sich seine Leiden verschlimmert hätten. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend das Berufungsverfahren für erledigt.
Versorgungsarzt Dr. S. führte in seiner vä Stellungnahme vom 22. August 2000 aus, eine wesentliche Verschlimmerung des anerkannten Ohrleidens links sei nicht möglich, da das linke Ohr bereits taub sei. Die MdE für den Verschlimmerungsanteil sei mit 15 v.H. bewertet worden. Die vom Kläger mit Schreiben vom 12. April 2000 geltend gemachten Erkrankungen der Prostata und durch Parkinson seien keine Schädigungsfolgen. In keinem der aktenkundigen Befundberichte seit 1986 fänden sich Klagen über Ohrgeräusche und Kopfschmerzen. Dies werde erst jetzt geltend gemacht.
Das VA ließ den Kläger daraufhin in P. HNO-ärztlich untersuchen und ein Tonaudiogramm fertigen. In ihrem Gutachten vom 16. Oktober 2000 führte die Gutachterin B. aus, der Kläger habe im Lärm als Betriebsleiter bzw. stellvertretender Abteilungsleiter in einer Hütte gearbeitet. Er habe sich 1986 um die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit bemüht, was aber abgelehnt worden sei. Der Kläger habe bei der Untersuchung über periodischen Ohrfluss, hartnäckiges Ohrensausen und ständiges Ohrenklingeln im linken Ohr sowie linksseitige Taubheit geklagt. Dazu kämen Schmerzen der linken Kopfhälfte, zeitweiliges Schwindelgefühl und Gleichgewichtsstörungen. Zusammenfassend kam sie zum Schluss, der Hörverlust links stehe in ursächlichem Zusammenhang mit der 1943 erfolgten Operation, nach dem Tonaudiogramm liege auf dem linken Ohr praktisch Taubheit vor.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2001 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, da die von ihm geklagten Beschwerden nicht als Schädigungsfolgen anerkannt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2001 zurückgewiesen wurde.
Dagegen erhob der Kläger am 3. Juli 2001 Klage zum SG und brachte u.a. vor, dass er sich im April 1943 bei der Rekrutenausbildung eine schwere Erkältung und starke Angina zugezogen gehabt habe und trotz erhöhter Temperatur im April nach F. abkommandiert worden sei. Es sei jeden Morgen um 6 Uhr ein dienstliches Baden im kalten Atlantik angeordnet worden, was zu einer Flutung seiner Ohren geführt habe. Im Klageverfahren wurden noch ärztliche Bescheinigungen aus P. vorgelegt, das SG ließ von Dr. J., Arzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten am 28. Februar 2005 ein fachärztliches Gutachten nach Aktenlage erstellen. Dieser führte aus, durch die Ohrenradikaloperation im Jahr 1943 sei eine Beeinträchtigung des Hörvermögens entstanden, die als an Taubheit grenzend einzuschätzen sei. Aus der Akte lasse sich allerdings nicht tatsächlich eine Ertaubung erkennen, vielmehr zeige sich eine kombinierte Schwerhörigkeit, über die Knochenleitung zeigten sich zwar ebenfalls Beeinträchtigungen, die aber nur unwesentlich höher zu veranschlagen seien als am rechten Ohr. Trotzdem sei aus der weit fortgeschrittenen Schwerhörigkeit links ein auch nur geringer Nutzen dieses Ohrs nicht erkennbar, so dass von einem Hörverlust von 100% ausgegangen werden müsse. Was die Genese der Ohrerkrankung anbelange, seien die vorbefassten Ärzte zutreffend zum Schluss gekommen, dass eine Vorschädigung vorgelegen haben müsse. Ansonsten wäre es aufgrund einer durchgemachten akuten Entzündung am linken Ohr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ohrradikaloperation gekommen. Dafür müsse eine Vorschädigung bzw. eine konstitutionelle anlagebedingte Erkrankung verantwortlich gemacht werden. Daher könne er sich den gutachterlichen Ausführungen auch insoweit anschließen, als etwa die Hälfte der vorliegenden Gesundheitsstörung Folge einer Wehrdienstbeschädigung sein könne. Die jetzt noch bestehende chronische Eiterung der Ohrhöhle ebenso wie Kopfschmerzen oder Schwindelzustände seien keine Schädigungsfolgen. Eine Ohrradikalhöhle bedürfe regelmäßiger Beobachtung und Reinigung, da es ansonsten zu neuerlichen Infektionen komme. Die Beeinträchtigung am rechten Ohr sei eindeutig wehrdienstunabhängig, es handle sich hierbei um die Folge einer physiologischen Presbyakusis. Die Gesamt-MdE sei mit 30 v.H. unter Berücksichtigung auch der Hörschädigung rechts anzusetzen, wovon aber der wehrdienstunabhängige Teil abzusetzen sei.
Durch Urteil vom 9. Dezember 2005 wies das SG die Klage ab, gestützt im wesentlichen auf das Gutachten von Dr. J ... Ergänzend führte das SG aus, bereits Dr. R. habe sich mit dem Vortrag des Klägers (Bad im kalten Atlantik) auseinander gesetzt und ausgeführt, dass sich eine Ursächlichkeit dieses behaupteten Bades für die nur zwei Monate später aufgetretene Mittelohrentzündung nicht begründen lasse, da chronische Mittelohrentzündungen regelmäßig längere Vorlaufzeiten hätten.
Gegen das ihm am 16. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Februar 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung im wesentlichen den bisherigen Sachvortrag wiederholt. Er trägt insbesondere vor, er sei Anfang April 1943 an der eitrigen Angina erkrankt und erst im Oktober, also fünf Monate später, operiert worden. Er könne nicht nachvollziehen, weshalb der schädigungsbedingte Anteil nur eine MdE um 15 v.H. ausmache, wo er doch in der Kindheit nie Ohrenprobleme gehabt habe.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2005 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach dem BVG nach einer MdE um wenigstens 25 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Gewährung einer Rente nach dem BVG abgelehnt. Da der Kläger eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen geltend macht, ist Maßstab der rechtlichen Überprüfung § 48 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG). Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung herbeigeführt worden sind (§ 1 Abs. 2 Buchstabe a BVG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Grundrente nach dem BVG erhält, wessen Erwerbsfähigkeit durch die Schädigungsfolgen um wenigstens 25 v.H. gemindert ist (§ 31 BVG).
Verglichen mit dem Gesundheitszustand des Klägers im Jahr 1996, als mit Bescheid vom 30. September 1996 als Schädigungsfolge eine "Taubheit links nach Radikal-Operation des linken Ohres" im Sinne einer einmalig abgrenzbaren Verschlimmerung anerkannt worden ist, ist keine wesentliche Änderung eingetreten.
Wie letztlich auch Dr. J. in seinem Gutachten vom 28. Februar 2005 ausgeführt hat, besteht beim Kläger seit der Operation im November 1943 auf dem linken Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Diese kann sich schon ihrer Natur nach nicht mehr verschlimmern. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die geklagten Kopfschmerzen sowie Schwindelerscheinungen seien auf die anerkannten Schädigungsfolgen im Sinne einer Verschlechterung zurückzuführen, konnte keiner der mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Ärzte einen solchen Zusammenhang erkennen. Das Prostataleiden wie auch die Parkinsonkrankheit will der Kläger, wie er im Berufungsschriftsatz ausgeführt hat, selbst nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückführen. Eine Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen ist damit nicht erkennbar.
Soweit der Kläger darauf abgestellt hat, dass die MdE seiner Meinung nach mit 15 v.H. zu niedrig beurteilt worden sei, da er keine Vorerkrankungen im Ohrbereich gehabt habe und damit die gesamten Beeinträchtigungen auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen seien, kann dieses Vorbringen zwar nicht im Verfahren nach § 48 SGB X berücksichtigt werden. Letztlich wird darin ein Begehren geltend gemacht, das im Rahmen des § 44 SGB X zu prüfen wäre, nämlich dass die Schädigungsfolgen von Anfang an unzutreffend beurteilt worden seien. Da allerdings Dr. J. wie auch das SG diesbezüglich Ausführungen gemacht haben, weist der Senat der Vollständigkeit halber ergänzend darauf hin, dass er keine Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen hat. Auch wenn der Kläger nach wie vor Ohrerkrankungen vor der Einberufung in die Wehrmacht abstreitet, sprechen sowohl der Verlauf der Erkrankung als auch die erhobenen Befunde gegen eine durch den Wehrdienst verursachte Erkrankung. Es kann - auch darauf weist der Senat nur fürsorglich hin - deshalb auch offen bleiben, ob und inwieweit bei Taubheit überhaupt eine im Sinne der Verschlimmerung abgrenzbare Teil-MdE gebildet werden kann. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre und diese Erkrankung daher in vollem Umfang auch bei der Bildung der MdE berücksichtigt werden müsste, wäre bei Taubheit auf einem Ohr und einer Normalhörigkeit der Gegenseite nicht von einer rentenberechtigenden MdE von wenigstens 25 v.H. auszugehen (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 2004" S. 59 [20 v.H.] sowie die insoweit inhaltsgleichen AP 1983 S. 54 [MdE 15 v.H.], AP 1996 S. 72 [20 v.H.]).
Daher sind die angefochtenen Entscheidungen zutreffend. Die Berufung war zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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