Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 2850/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3830/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juni 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung eines Impfschadens durch den Beklagten.
Der 1951 geborene Kläger beantragte im Februar 2002 die Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden beim Versorgungsamt Heilbronn (VA). Er gab an, er habe sich am 8. November 2001 gegen Grippe impfen lassen. Seitdem leide er unter andauernden Gefühlsstörungen in den Händen und Füßen sowie unter Sehstörungen. Seinem Antrag beigelegt war ein "Bericht über Verdachtsfälle einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Verdacht auf Impfkomplikationen) nach dem IfSG" des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 17. Dezember 2001. Danach seien beim Kläger am 15. November 2001 erstmals Symptome des Guillain-Barré-Syndroms aufgetreten, was zu seiner stationären Einweisung am 19. November 2001 geführt habe. Vorgelegt wurde weiter eine Kopie des Impfpasses mit der Eintragung der Grippeschutzimpfung mit "Mutagripp" von 8. November 2001. Das VA zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von der Krankenkasse bei, holte den Befundbericht bei Dr. F. vom 15. Juli 2002 ein, dem u.a. Arztbriefe des D.-Krankenhauses S. H., Neurologische Klinik vom 10. Dezember 2001 und 8. Januar 2002, PD Dr. M.-W. (Diagnosen: V.a. Guillain Barré-Syndrom bei Dysästhesien der Extremitäten sowie peripherer Facialisparese rechtsseitig; im Arztbrief vom 8. Januar 2002 zusätzlich passagere Flankenschmerzen unklarer Genese, DD Intercostalneuralgie - keine Hinweise für Pleuritis) beigefügt waren.
Im Auftrag des VA erstellte Prof. Dr. G., Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik im Kopfklinikum der B. J.-M.-Universität W. unter dem 17. Februar 2003 ein neurologisches Gutachten. Dieser diagnostizierte einen Zustand nach Guillain-Barré-Syndrom mit persistierender leichter Fatigue/pathologischer Ermüdbarkeit sowie Fehlregeneration des Nervus facialis rechts. Er führte zusammenfassend aus, dass das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms nach Influenza-Impfungen durch Studien von 1976 sowie Anfang der 90er Jahre gut dokumentiert sei, für andere untersuchte Impfperioden eine solche Assoziation aber nicht habe belegt werden können. Der spezifische Faktor, der für das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms während dieser Impfperioden verantwortlich gewesen sei, sei bisher nicht identifiziert worden. Das zusätzliche Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms nach einer Influenza-Vakzination insbesondere in den Impfperioden 1992/93 und 1993/94 sei nur sehr gering gewesen. Dennoch müsse aufgrund der sehr fundierten epidemiologischen Datenlage die Möglichkeit der Auslösung eines Guillain-Barré-Syndroms durch eine Influenza-Impfung als gegeben angesehen werden. Das beim Kläger vorliegende Intervall zwischen der Influenza-Impfung und dem Auftreten erster neurologischer Symptome innerhalb einer Woche entspreche dem Zeitrahmen, in dem die Verursachung der Erkrankung durch eine Vakzination für möglich gehalten werde. Weiterführende Aussagen bezüglich einer immunologischen Antwort auf die Impfung könnten aufgrund der während der Erkrankung nicht bestimmten Influenza-Titer sowie der aktuell nur niedrigen Antikörpertiter nicht getroffen werden. Ein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Impfung mit dem in der Folge aufgetretenen Guillain-Barré-Syndrom sei daher allenfalls als möglich, das Guillain-Barré-Syndrom als eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende mögliche Gesundheitsstörung infolge der Grippeschutzimpfung am 8. November 2001 anzusehen. Andere Auslöser seien beim Kläger nicht identifiziert worden. Beim Kläger bestehe derzeit noch als Erkrankungsfolge ein Tränen des rechten Auges sowie eine vermehrte Ermüdbarkeit. Die Minderung der Erwerbfähigkeit (MdE) werde auf 15 v.H. geschätzt.
In ihrer versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 30. Mai 2003 führte Dr. H. aus, sie stimme dem Gutachten im Wesentlichen zu. Es spreche zwar einiges für den ursächlichen Zusammenhang (Erkrankung sei statistisch gesichert als Impffolge möglich; die Symptomatik sei in engem zeitlichen Zusammenhang zur Impfung aufgetreten; andere Ursachen seien nicht erkennbar). Dagegen spreche jedoch, dass sich bei etwa 30% der Guillain-Barré-Syndrom-Patienten keine vorausgehende Infektionserkrankung feststellen lasse, wie es wohl auch beim Kläger der Fall gewesen sei. Dagegen sprächen auch Studien, die belegt hätten, dass nach Influenza-Impfungen das Guillain-Barré-Syndrom sehr selten auftrete, ferner der Umstand, dass nicht mehr gesichert werden könne, ob beim Kläger überhaupt eine Immunantwort auf die Impfung erfolgt sei. Erst im Rahmen einer Immunantwort hätte sich dann eine autoimmune Reaktion erklären können, die wiederum die Auslösung des Guillain-Barré-Syndroms nachvollziehbar machen könnte. Daher werde die Anerkennung eines Impfschadens nicht vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2003 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. G. und die vä Stellungnahme. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2003 zurückgewiesen wurde. Darin wurde ausgeführt, dass nach den geltenden Bestimmungen ein Guillain-Barré-Syndrom als Folge einer Influenza-Schutzimpfung anerkannt werden könne, wenn die Erkrankung innerhalb von drei Wochen nach der Impfung aufgetreten, eine Antikörperbildung nachweisbar gewesen sei und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden würden. Allerdings seien beim Kläger keine Antikörper-Titer-Untersuchungen gegen Influenza A und B durchgeführt worden, so dass die Erkrankung nicht als Impfschaden anerkannt werden könne.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, insbesondere die Behauptung des Beklagten, ein Guillain-Barré-Syndrom könne nur dann als Impfschaden anerkannt werden, wenn sich Antikörper nachweisen ließen, entbehre jeder Grundlage. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass seine Erkrankung Impffolge sei.
Mit Urteil vom 15. Juni 2004 hob das SG den Bescheid vom 9. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2003 auf und führte zur Begründung aus, dass der Zustand nach Guillain-Barré-Syndrom mit persistierender leichter Fatique/pathologischer Ermüdbarkeit sowie Fehlregeneration des Nervus facialis rechts Folge der Grippeschutzimpfung vom 8. November 2001 sei. Allein die hypothetische Möglichkeit des Einflusses anderer, nicht erkannter Krankheiten könne nicht zum Nachteil des Klägers berücksichtigt werden. Da beim Kläger während seines stationären Aufenthalts im Klinikum S. H. keine Untersuchungen auf Antikörper-Titer gegen Influenza A bzw. B durchgeführt worden seien, könne über deren Existenz keine Aussage getroffen werden. Allein dass Prof. Dr. G. bei der von ihm durchgeführten Bestimmung keine entsprechenden Titer gefunden habe, könne ebenfalls keine sichere Antwort auf die Existenz oder das Fehlen einer Impfantwort geben, da der Titer bis zu seiner Untersuchung auch abgesunken sein könne. Darauf komme es jedoch nicht entscheidend an, da im Übrigen mehr Umstände für als gegen einen Zusammenhang sprechen würden.
Gegen das dem Beklagten am 4. August 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 3. September 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er unter Berufung auf die dem Gericht vorgelegte vä Stellungnahme vom 20. August 2004 vor, das Urteil stütze sich auf Möglichkeiten, nicht aber auf die gebotene überwiegende Wahrscheinlichkeit. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004" (AP) sei der Nachweis einer Autoimmunreaktion zur Anerkennung eines Impfschadens notwendig.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Das Gericht hat Befundunterlagen von PD Dr. M.-W. (Arztbriefe vom 10. Dezember 2001 und 8. Januar 2002; Befundberichte des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin Prof. Dr. G., E. D. S. H. e.V. u.a. vom 26. November, 3., 24., 26. und 27. Dezember 2001) sowie Befundberichte und Arztbriefe von Dr. F. vom 10. Januar 1994 (u.a. V.a. leichtes Karpaltunnelsyndrom rechts mehr als links, DD ophthalmische Migräne) und vom 15. Juni 1999 (akute Cephalgie) beigezogen. Der Beklagte legte die vä Stellungnahme vom 10. Februar 2005 vor. Danach bestünden zwar keine Anhaltspunkte für eine neurologische Systemerkrankung oder eine Polyneuropathie vor der Influenzaimpfung, ebenso bestünden wenig Hinweise für eine auslösende Ursache der idiopathischen Polyneuritis. Dennoch lasse sich aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Ereignis nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden könne, nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei.
Das Gericht hat weiter Prof. Dr. G. mit der Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme zu der Frage beauftragt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um den Zusammenhang einer Influenza-Impfung mit der Entstehung eines Guillain-Barré-Syndroms wahrscheinlich zu machen und ob darüber hinaus der fehlende oder nicht mehr erbringbare Nachweis von Antikörpern gegen Influenza A oder B einen Ausschlusstatbestand für die Anerkennung der Erkrankung als Impfschaden bildet.
In seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 2005 hat Prof. Dr. G. ausgeführt, von einem kausalen Zusammenhang werde ausgegangen, wenn eindeutige epidemiologische Studien vorliegen und die Plausibilität der biologischen Grundlagen klar gezeigt worden sei, ohne für andere Auslöser zu sprechen. Das Zeitfenster zwischen Impfzeitpunkt und Beginn der Erkrankung werde unterstützend herangezogen. Weiter führt er aus, als Grundlage eines Impferfolgs werde angesehen, dass die Impfung im Körper zu einer entsprechenden immunologischen Reaktion führe, die durch Antikörperbildung belegt werden könne. Wenn die von der Impfung vom 8. November 2001 therapeutisch angestrebte Immunreaktion als mit auslösend für das Guillain-Barré-Syndrom diskutiert werde, müsse diese Immunreaktion zumindest in Form eines Impferfolgs belegbar sein. Die modernen Vakzinen seien so optimiert, dass typischerweise bei mehr als 90% der geimpften Patienten eine Immunantwort auftrete. Da nun der Titer im Jahr 2001 nicht bestimmt worden und im Jahr 2003 nicht mehr feststellbar gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass keine gesicherte Immunreaktion als Folge der damaligen Impfung stattgefunden habe. Stelle man deshalb auf die epidemiologischen Überlegungen für die modernen Influenza-Vakzinen ab, die im Gegensatz zu den Schweineinfluenza-Impfvakzinen aus den 70er Jahren kein erhöhtes Risiko für das Auslösen des Guillain-Barré-Syndroms gezeigt hätten, sei ebenfalls nicht von einem wahrscheinlichen Zusammenhang auszugehen. Ergänzend weist Prof. Dr. G. darauf hin, dass für das Guillain-Barré-Syndrom jahreszeitliche Gipfel im Frühjahr und Herbst bekannt seien, die typischerweise mit dem in diesen Jahreszeiten erhöhten Risiko von Virusinfektionen korrelierten. Die Ersterkrankung im Monat November passe deshalb gut zu dem jahreszeitlichen Häufungsgipfel im Herbst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Ein Zusammenhang des Guillain-Barré-Syndroms mit der Impfung vom 8. November 2001 ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG). Ein Impfschaden stellt nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 11 Satz 1 IfSG die gesundheitliche oder wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung dar.
Impfung, Impfschaden und ein darauf beruhender andauernder Gesundheitsschaden müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, wofür eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit genügen kann, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (BSGE 32, 207; 35, 9; 45, 285 f; 40, 23). Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt dem gegenüber die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, d.h. es muss mehr für als gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechen (vgl. BSGE 60, 58).
Die Legaldefinition in § 60 IfSG stellt klar, dass ein Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung ist, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur der über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschäden anzusehen sind, lässt sich im allgemeinen den AP - jeweils Nr. 57 der AP 1996 und 2004 - entnehmen. Die AP geben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand wieder, u.a. auch über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen. Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltungen sind an die in den AP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorgung gebunden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5). Zwar beruhen die AP weder auf dem Gesetz, noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch wirken sie in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit, haben deshalb normähnlichen Charakter und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urt. v. 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R m.w.N., veröffentlicht in juris).
Bei der Influenza-Schutzimpfung des Klägers handelt es sich um eine nach der Bekanntmachung des Sozialministeriums Baden-Württemberg vom 20. Juni 2000 öffentlich empfohlene Schutzimpfung (GABl. vom 30. August 2000 Nr. 9).
Zwar kann nach Nr. 57 S. 196 der AP 2004 auch ein Guillain-Barré-Syndrom selten als Impfschaden einer Influenza-Schutzimpfung auftreten, doch ist diese medizinisch-theoretische Möglichkeit im Fall des Klägers nicht wahrscheinlich.
Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere dem Gutachten des Prof. Dr. G. im Verwaltungsverfahren sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25. Dezember 2005. Prof. Dr. G. hat nachvollziehbar dargelegt, dass ein Zusammenhang nur dann wahrscheinlich ist, wenn eindeutige epidemiologische Studien vorliegen und die Plausibilität der biologischen Grundlagen klar gezeigt worden ist, ohne für andere Auslöser zu sprechen. Das Zeitfenster zwischen Impfzeitpunkt und Beginn der Erkrankung wird dabei nur unterstützend gewertet.
Für die beim Kläger durchgeführte Influenza-Impfung mit modernen Vakzinen gibt es, im Gegensatz zu den in den 70er Jahren durchgeführten Influenza-Impfungen mit Schweine-Vakzinen, für die entsprechende Studien ein erhöhtes Infektionsrisiko belegt haben, schon keine gesicherten epidemiologischen Studien, die ein erhöhtes Risiko für das Auslösen des Guillain-Barré-Syndroms belegen. Wesentlich ist aber vor allem, dass beim Kläger keine Immunantwort auf die durchgeführte Impfung gesichert, d.h. bereits kein Nachweis dafür erbracht werden kann, dass im Körper des Klägers eine Immunreaktion erfolgt ist, die zu einer überschießenden Impfantwort in Form des Guillain-Barré-Syndroms geführt haben könnte. Wesentlich für die Beurteilung des Zusammenhangs ist dieses Kriterium deshalb, weil als Grundlage eines Impferfolgs angesehen wird, dass die Impfung im Körper zu einer immunologischen Reaktion führt, die durch eine Antikörperbildung belegt ist. Wenn man die von der Impfung vom 8. November 2001 therapeutisch angestrebte Immunreaktion aber als mit auslösend für das Guillain-Barré-Syndrom ansehen wollte, müsste eine Immunreaktion zumindest in Form eines Impferfolgs belegbar sein. Die modernen Vakzinen sind dabei so optimiert, dass typischerweise bei mehr als 90% der geimpften Patienten eine Immunantwort auftritt. Beim Kläger wurde aber ein Titer zum Nachweis einer Impfreaktion im Jahr 2001 nicht bestimmt und war im Jahr 2003 bei der Untersuchung durch Prof. Dr. G. nicht mehr feststellbar. Es muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialen Entschädigungsrecht gilt, davon ausgegangen werden, dass keine gesicherte Immunreaktion als Folge der damaligen Impfung stattgefunden hat. Eine Beweislastumkehr kommt, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es bei der Erstuntersuchung des Klägers im Jahr 2001 unterlassen worden ist, die Titer für die Feststellung einer Impfreaktion zu bestimmen und der Kläger nunmehr diesen Nachweis nicht mehr führen kann, nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 27. August 1998 a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1 m.w.N.). Es handelt sich vorliegend nämlich gerade um den typischen Fall einer nicht mehr nachweisbaren Tatsache, die durch keine Besonderheiten gekennzeichnet ist, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.
Für einen Zusammenhang der Impfung mit dem Impfschaden spricht somit im Ergebnis nur der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms und dem Impfzeitpunkt. Da nach aktuellem medizinischen Kenntnisstand der Grund für das Ausbrechen dieser Erkrankung noch immer vollkommen ungeklärt ist und letztlich auf einer Vielzahl von Ursachen beruhen kann, kommt der zeitlichen Korrelation im vorliegenden Fall keine ausschlaggebende Bedeutung im Verhältnis zu den gegen einen Zusammenhang sprechenden Umständen zu.
Da nach alldem der Zusammenhang zwischen Impfung, Impfschaden und Gesundheitsstörung nicht wahrscheinlich ist, hat das SG zu Unrecht den Beklagten zur Anerkennung eines Impfschadens verurteilt, so dass die Berufung des Beklagten erfolgreich und das angefochtene Urteil aufzuheben ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung eines Impfschadens durch den Beklagten.
Der 1951 geborene Kläger beantragte im Februar 2002 die Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden beim Versorgungsamt Heilbronn (VA). Er gab an, er habe sich am 8. November 2001 gegen Grippe impfen lassen. Seitdem leide er unter andauernden Gefühlsstörungen in den Händen und Füßen sowie unter Sehstörungen. Seinem Antrag beigelegt war ein "Bericht über Verdachtsfälle einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Verdacht auf Impfkomplikationen) nach dem IfSG" des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 17. Dezember 2001. Danach seien beim Kläger am 15. November 2001 erstmals Symptome des Guillain-Barré-Syndroms aufgetreten, was zu seiner stationären Einweisung am 19. November 2001 geführt habe. Vorgelegt wurde weiter eine Kopie des Impfpasses mit der Eintragung der Grippeschutzimpfung mit "Mutagripp" von 8. November 2001. Das VA zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von der Krankenkasse bei, holte den Befundbericht bei Dr. F. vom 15. Juli 2002 ein, dem u.a. Arztbriefe des D.-Krankenhauses S. H., Neurologische Klinik vom 10. Dezember 2001 und 8. Januar 2002, PD Dr. M.-W. (Diagnosen: V.a. Guillain Barré-Syndrom bei Dysästhesien der Extremitäten sowie peripherer Facialisparese rechtsseitig; im Arztbrief vom 8. Januar 2002 zusätzlich passagere Flankenschmerzen unklarer Genese, DD Intercostalneuralgie - keine Hinweise für Pleuritis) beigefügt waren.
Im Auftrag des VA erstellte Prof. Dr. G., Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik im Kopfklinikum der B. J.-M.-Universität W. unter dem 17. Februar 2003 ein neurologisches Gutachten. Dieser diagnostizierte einen Zustand nach Guillain-Barré-Syndrom mit persistierender leichter Fatigue/pathologischer Ermüdbarkeit sowie Fehlregeneration des Nervus facialis rechts. Er führte zusammenfassend aus, dass das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms nach Influenza-Impfungen durch Studien von 1976 sowie Anfang der 90er Jahre gut dokumentiert sei, für andere untersuchte Impfperioden eine solche Assoziation aber nicht habe belegt werden können. Der spezifische Faktor, der für das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms während dieser Impfperioden verantwortlich gewesen sei, sei bisher nicht identifiziert worden. Das zusätzliche Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms nach einer Influenza-Vakzination insbesondere in den Impfperioden 1992/93 und 1993/94 sei nur sehr gering gewesen. Dennoch müsse aufgrund der sehr fundierten epidemiologischen Datenlage die Möglichkeit der Auslösung eines Guillain-Barré-Syndroms durch eine Influenza-Impfung als gegeben angesehen werden. Das beim Kläger vorliegende Intervall zwischen der Influenza-Impfung und dem Auftreten erster neurologischer Symptome innerhalb einer Woche entspreche dem Zeitrahmen, in dem die Verursachung der Erkrankung durch eine Vakzination für möglich gehalten werde. Weiterführende Aussagen bezüglich einer immunologischen Antwort auf die Impfung könnten aufgrund der während der Erkrankung nicht bestimmten Influenza-Titer sowie der aktuell nur niedrigen Antikörpertiter nicht getroffen werden. Ein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Impfung mit dem in der Folge aufgetretenen Guillain-Barré-Syndrom sei daher allenfalls als möglich, das Guillain-Barré-Syndrom als eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende mögliche Gesundheitsstörung infolge der Grippeschutzimpfung am 8. November 2001 anzusehen. Andere Auslöser seien beim Kläger nicht identifiziert worden. Beim Kläger bestehe derzeit noch als Erkrankungsfolge ein Tränen des rechten Auges sowie eine vermehrte Ermüdbarkeit. Die Minderung der Erwerbfähigkeit (MdE) werde auf 15 v.H. geschätzt.
In ihrer versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 30. Mai 2003 führte Dr. H. aus, sie stimme dem Gutachten im Wesentlichen zu. Es spreche zwar einiges für den ursächlichen Zusammenhang (Erkrankung sei statistisch gesichert als Impffolge möglich; die Symptomatik sei in engem zeitlichen Zusammenhang zur Impfung aufgetreten; andere Ursachen seien nicht erkennbar). Dagegen spreche jedoch, dass sich bei etwa 30% der Guillain-Barré-Syndrom-Patienten keine vorausgehende Infektionserkrankung feststellen lasse, wie es wohl auch beim Kläger der Fall gewesen sei. Dagegen sprächen auch Studien, die belegt hätten, dass nach Influenza-Impfungen das Guillain-Barré-Syndrom sehr selten auftrete, ferner der Umstand, dass nicht mehr gesichert werden könne, ob beim Kläger überhaupt eine Immunantwort auf die Impfung erfolgt sei. Erst im Rahmen einer Immunantwort hätte sich dann eine autoimmune Reaktion erklären können, die wiederum die Auslösung des Guillain-Barré-Syndroms nachvollziehbar machen könnte. Daher werde die Anerkennung eines Impfschadens nicht vorgeschlagen.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2003 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. G. und die vä Stellungnahme. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2003 zurückgewiesen wurde. Darin wurde ausgeführt, dass nach den geltenden Bestimmungen ein Guillain-Barré-Syndrom als Folge einer Influenza-Schutzimpfung anerkannt werden könne, wenn die Erkrankung innerhalb von drei Wochen nach der Impfung aufgetreten, eine Antikörperbildung nachweisbar gewesen sei und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden würden. Allerdings seien beim Kläger keine Antikörper-Titer-Untersuchungen gegen Influenza A und B durchgeführt worden, so dass die Erkrankung nicht als Impfschaden anerkannt werden könne.
Dagegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, insbesondere die Behauptung des Beklagten, ein Guillain-Barré-Syndrom könne nur dann als Impfschaden anerkannt werden, wenn sich Antikörper nachweisen ließen, entbehre jeder Grundlage. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass seine Erkrankung Impffolge sei.
Mit Urteil vom 15. Juni 2004 hob das SG den Bescheid vom 9. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2003 auf und führte zur Begründung aus, dass der Zustand nach Guillain-Barré-Syndrom mit persistierender leichter Fatique/pathologischer Ermüdbarkeit sowie Fehlregeneration des Nervus facialis rechts Folge der Grippeschutzimpfung vom 8. November 2001 sei. Allein die hypothetische Möglichkeit des Einflusses anderer, nicht erkannter Krankheiten könne nicht zum Nachteil des Klägers berücksichtigt werden. Da beim Kläger während seines stationären Aufenthalts im Klinikum S. H. keine Untersuchungen auf Antikörper-Titer gegen Influenza A bzw. B durchgeführt worden seien, könne über deren Existenz keine Aussage getroffen werden. Allein dass Prof. Dr. G. bei der von ihm durchgeführten Bestimmung keine entsprechenden Titer gefunden habe, könne ebenfalls keine sichere Antwort auf die Existenz oder das Fehlen einer Impfantwort geben, da der Titer bis zu seiner Untersuchung auch abgesunken sein könne. Darauf komme es jedoch nicht entscheidend an, da im Übrigen mehr Umstände für als gegen einen Zusammenhang sprechen würden.
Gegen das dem Beklagten am 4. August 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 3. September 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er unter Berufung auf die dem Gericht vorgelegte vä Stellungnahme vom 20. August 2004 vor, das Urteil stütze sich auf Möglichkeiten, nicht aber auf die gebotene überwiegende Wahrscheinlichkeit. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004" (AP) sei der Nachweis einer Autoimmunreaktion zur Anerkennung eines Impfschadens notwendig.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Das Gericht hat Befundunterlagen von PD Dr. M.-W. (Arztbriefe vom 10. Dezember 2001 und 8. Januar 2002; Befundberichte des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin Prof. Dr. G., E. D. S. H. e.V. u.a. vom 26. November, 3., 24., 26. und 27. Dezember 2001) sowie Befundberichte und Arztbriefe von Dr. F. vom 10. Januar 1994 (u.a. V.a. leichtes Karpaltunnelsyndrom rechts mehr als links, DD ophthalmische Migräne) und vom 15. Juni 1999 (akute Cephalgie) beigezogen. Der Beklagte legte die vä Stellungnahme vom 10. Februar 2005 vor. Danach bestünden zwar keine Anhaltspunkte für eine neurologische Systemerkrankung oder eine Polyneuropathie vor der Influenzaimpfung, ebenso bestünden wenig Hinweise für eine auslösende Ursache der idiopathischen Polyneuritis. Dennoch lasse sich aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Ereignis nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden könne, nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei.
Das Gericht hat weiter Prof. Dr. G. mit der Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme zu der Frage beauftragt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um den Zusammenhang einer Influenza-Impfung mit der Entstehung eines Guillain-Barré-Syndroms wahrscheinlich zu machen und ob darüber hinaus der fehlende oder nicht mehr erbringbare Nachweis von Antikörpern gegen Influenza A oder B einen Ausschlusstatbestand für die Anerkennung der Erkrankung als Impfschaden bildet.
In seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 2005 hat Prof. Dr. G. ausgeführt, von einem kausalen Zusammenhang werde ausgegangen, wenn eindeutige epidemiologische Studien vorliegen und die Plausibilität der biologischen Grundlagen klar gezeigt worden sei, ohne für andere Auslöser zu sprechen. Das Zeitfenster zwischen Impfzeitpunkt und Beginn der Erkrankung werde unterstützend herangezogen. Weiter führt er aus, als Grundlage eines Impferfolgs werde angesehen, dass die Impfung im Körper zu einer entsprechenden immunologischen Reaktion führe, die durch Antikörperbildung belegt werden könne. Wenn die von der Impfung vom 8. November 2001 therapeutisch angestrebte Immunreaktion als mit auslösend für das Guillain-Barré-Syndrom diskutiert werde, müsse diese Immunreaktion zumindest in Form eines Impferfolgs belegbar sein. Die modernen Vakzinen seien so optimiert, dass typischerweise bei mehr als 90% der geimpften Patienten eine Immunantwort auftrete. Da nun der Titer im Jahr 2001 nicht bestimmt worden und im Jahr 2003 nicht mehr feststellbar gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass keine gesicherte Immunreaktion als Folge der damaligen Impfung stattgefunden habe. Stelle man deshalb auf die epidemiologischen Überlegungen für die modernen Influenza-Vakzinen ab, die im Gegensatz zu den Schweineinfluenza-Impfvakzinen aus den 70er Jahren kein erhöhtes Risiko für das Auslösen des Guillain-Barré-Syndroms gezeigt hätten, sei ebenfalls nicht von einem wahrscheinlichen Zusammenhang auszugehen. Ergänzend weist Prof. Dr. G. darauf hin, dass für das Guillain-Barré-Syndrom jahreszeitliche Gipfel im Frühjahr und Herbst bekannt seien, die typischerweise mit dem in diesen Jahreszeiten erhöhten Risiko von Virusinfektionen korrelierten. Die Ersterkrankung im Monat November passe deshalb gut zu dem jahreszeitlichen Häufungsgipfel im Herbst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Ein Zusammenhang des Guillain-Barré-Syndroms mit der Impfung vom 8. November 2001 ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG). Ein Impfschaden stellt nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 11 Satz 1 IfSG die gesundheitliche oder wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung dar.
Impfung, Impfschaden und ein darauf beruhender andauernder Gesundheitsschaden müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, wofür eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit genügen kann, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (BSGE 32, 207; 35, 9; 45, 285 f; 40, 23). Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt dem gegenüber die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, d.h. es muss mehr für als gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechen (vgl. BSGE 60, 58).
Die Legaldefinition in § 60 IfSG stellt klar, dass ein Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung ist, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur der über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschäden anzusehen sind, lässt sich im allgemeinen den AP - jeweils Nr. 57 der AP 1996 und 2004 - entnehmen. Die AP geben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand wieder, u.a. auch über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen. Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltungen sind an die in den AP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorgung gebunden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5). Zwar beruhen die AP weder auf dem Gesetz, noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch wirken sie in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit, haben deshalb normähnlichen Charakter und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urt. v. 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R m.w.N., veröffentlicht in juris).
Bei der Influenza-Schutzimpfung des Klägers handelt es sich um eine nach der Bekanntmachung des Sozialministeriums Baden-Württemberg vom 20. Juni 2000 öffentlich empfohlene Schutzimpfung (GABl. vom 30. August 2000 Nr. 9).
Zwar kann nach Nr. 57 S. 196 der AP 2004 auch ein Guillain-Barré-Syndrom selten als Impfschaden einer Influenza-Schutzimpfung auftreten, doch ist diese medizinisch-theoretische Möglichkeit im Fall des Klägers nicht wahrscheinlich.
Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere dem Gutachten des Prof. Dr. G. im Verwaltungsverfahren sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25. Dezember 2005. Prof. Dr. G. hat nachvollziehbar dargelegt, dass ein Zusammenhang nur dann wahrscheinlich ist, wenn eindeutige epidemiologische Studien vorliegen und die Plausibilität der biologischen Grundlagen klar gezeigt worden ist, ohne für andere Auslöser zu sprechen. Das Zeitfenster zwischen Impfzeitpunkt und Beginn der Erkrankung wird dabei nur unterstützend gewertet.
Für die beim Kläger durchgeführte Influenza-Impfung mit modernen Vakzinen gibt es, im Gegensatz zu den in den 70er Jahren durchgeführten Influenza-Impfungen mit Schweine-Vakzinen, für die entsprechende Studien ein erhöhtes Infektionsrisiko belegt haben, schon keine gesicherten epidemiologischen Studien, die ein erhöhtes Risiko für das Auslösen des Guillain-Barré-Syndroms belegen. Wesentlich ist aber vor allem, dass beim Kläger keine Immunantwort auf die durchgeführte Impfung gesichert, d.h. bereits kein Nachweis dafür erbracht werden kann, dass im Körper des Klägers eine Immunreaktion erfolgt ist, die zu einer überschießenden Impfantwort in Form des Guillain-Barré-Syndroms geführt haben könnte. Wesentlich für die Beurteilung des Zusammenhangs ist dieses Kriterium deshalb, weil als Grundlage eines Impferfolgs angesehen wird, dass die Impfung im Körper zu einer immunologischen Reaktion führt, die durch eine Antikörperbildung belegt ist. Wenn man die von der Impfung vom 8. November 2001 therapeutisch angestrebte Immunreaktion aber als mit auslösend für das Guillain-Barré-Syndrom ansehen wollte, müsste eine Immunreaktion zumindest in Form eines Impferfolgs belegbar sein. Die modernen Vakzinen sind dabei so optimiert, dass typischerweise bei mehr als 90% der geimpften Patienten eine Immunantwort auftritt. Beim Kläger wurde aber ein Titer zum Nachweis einer Impfreaktion im Jahr 2001 nicht bestimmt und war im Jahr 2003 bei der Untersuchung durch Prof. Dr. G. nicht mehr feststellbar. Es muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialen Entschädigungsrecht gilt, davon ausgegangen werden, dass keine gesicherte Immunreaktion als Folge der damaligen Impfung stattgefunden hat. Eine Beweislastumkehr kommt, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es bei der Erstuntersuchung des Klägers im Jahr 2001 unterlassen worden ist, die Titer für die Feststellung einer Impfreaktion zu bestimmen und der Kläger nunmehr diesen Nachweis nicht mehr führen kann, nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 27. August 1998 a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1 m.w.N.). Es handelt sich vorliegend nämlich gerade um den typischen Fall einer nicht mehr nachweisbaren Tatsache, die durch keine Besonderheiten gekennzeichnet ist, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.
Für einen Zusammenhang der Impfung mit dem Impfschaden spricht somit im Ergebnis nur der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms und dem Impfzeitpunkt. Da nach aktuellem medizinischen Kenntnisstand der Grund für das Ausbrechen dieser Erkrankung noch immer vollkommen ungeklärt ist und letztlich auf einer Vielzahl von Ursachen beruhen kann, kommt der zeitlichen Korrelation im vorliegenden Fall keine ausschlaggebende Bedeutung im Verhältnis zu den gegen einen Zusammenhang sprechenden Umständen zu.
Da nach alldem der Zusammenhang zwischen Impfung, Impfschaden und Gesundheitsstörung nicht wahrscheinlich ist, hat das SG zu Unrecht den Beklagten zur Anerkennung eines Impfschadens verurteilt, so dass die Berufung des Beklagten erfolgreich und das angefochtene Urteil aufzuheben ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
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