Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 979/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung ist eine Vertragspsychotherapeutin grundsätzlich nicht mehr berechtigt, psychotherapeutische Leistungen an gesetzlich versicherten Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Wird ihr als Ausnahme hiervon vom Berufungsausschuss die Genehmigung erteilt, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln, so muss ihr von Anfang an klar sein, dass sie neue Patienten nicht behandeln darf.
Die fehlende Berechtigung zur Behandlung neuer Fälle schließt aber ein, dass sie auch nicht berechtigt ist, die Durchführung neuer Therapien bei den Krankenkassen zu beantragen. Bereits von daher kommt es auf Genehmigungen der Krankenkassen nicht an.
Ein Vertrauensschutztatbestand wird auch nicht durch die Abrechnung von Behandlungsfällen in Vorquartalen begründet. Wer sich selbst bewusst rechtswidrig verhält, kann nicht darauf vertrauen, dies werde von der Rechtsgemeinschaft hingenommen werden.
Die fehlende Berechtigung zur Behandlung neuer Fälle schließt aber ein, dass sie auch nicht berechtigt ist, die Durchführung neuer Therapien bei den Krankenkassen zu beantragen. Bereits von daher kommt es auf Genehmigungen der Krankenkassen nicht an.
Ein Vertrauensschutztatbestand wird auch nicht durch die Abrechnung von Behandlungsfällen in Vorquartalen begründet. Wer sich selbst bewusst rechtswidrig verhält, kann nicht darauf vertrauen, dies werde von der Rechtsgemeinschaft hingenommen werden.
Bemerkung
verb. mit S 12 KA 986/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die sachlich-rechnerische Berichtigung der in den vier Quartalen I bis IV/05 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen nach Beendigung der Zulassung zum 31.12.2003.
Die 1935 geborene und jetzt 72-jährige Klägerin betrieb seit 1975 eine eigene Praxis als nichtärztliche Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, zunächst im sog. Delegationsverfahren, nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetztes als approbierte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Einen Antrag auf Verlängerung ihrer Zulassung über den 31.12.2003 hinaus lehnten die Zulassungsgremien ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das SG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.06.2005, Az.: S 5/27 KA 2166/04 zurück. Die Berufung nahm die Klägerin am 29.11.2005 zurück. Ein einstweiliges Anordnungsverfahren war zuvor ebf. erfolglos geblieben (SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.05.2004, Az.: S 27 KA 2024/04 ER; LSG Hessen, Beschluss vom 10.06.2005, Az.: L 6/7 KA 58/04 ER).
Mit Bescheid vom 19.08.2005 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal I/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., D., E. und F. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele. Aufgrund der Beendigung der Zulassung könne sie nur noch laufende Therapien abrechnen.
Hiergegen legte die Klägerin am 15.09.2005 Widerspruch ein. Sie trug vor, für die Behandlungsfälle lägen ihr Anerkennungsbescheide der Krankenkassen vor. Zudem seien in den Quartalen III und IV/04 sämtliche abgerechneten Behandlungsfälle übernommen worden. Hierdurch sei ihr ein Vertrauenstatbestand entstanden. Sie habe Leistungen in einem Umfang von 12.232,66 Euro abgerechnet, denen u. a. Kostenzusagen der DAK Hessen vom 11.03.2005 und 14.03.2005 zugrunde gelegen hätten. Ihr sei lediglich ein Betrag in Höhe von 8.500,79 Euro gutgeschrieben worden. Der Differenzbetrag von 3.731,87 Euro stehe noch aus.
In den Folgequartalen II bis IV/05 verfuhr die Beklagte entsprechend.
Mit Bescheid vom 28.11.2005 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal II/05 vor. In den vier Behandlungsfällen F., D., G. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele.
Mit Bescheid vom 06.03.2006 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal III/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., D., I. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal IV/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., J ..., I., K. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 04.01., 21.03. und 03.04.2006 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, der Klägerin zugestellt am 25.09., wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Quartals I/05 als unbegründet zurück. Die Beklagte verband die übrigen Widerspruchsverfahren und wies mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, der Klägerin zugestellt am 25.09., die Widersprüche bezüglich der Quartale II bis IV/05 ebf. als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie gleichlautend in beiden Widerspruchsbescheiden aus, es habe sich nicht um "anbehandelte" Psychotherapiefälle gehandelt. Alle von ihr eingereichten Anerkennungsbescheide seien als Erstantrag gekennzeichnet und von den Krankenkassen in den Monaten März, Juli bzw. Oktober 2005 bewilligt worden. Soweit versehentlich in der Vergangenheit Leistungen zu Gunsten der Klägerin nicht von der Vergütung ausgeschlossen worden seien, bedeute dies nicht, dass dieses Versehen in den Folgequartalen fortgesetzt werde und hieraus ein Anspruch für die Zukunft entstehe. Im info.doc vom Juni 2006 Nr. 3 sei ausführlich auf die Thematik eingegangen worden. Darin heiße es, nach Beendigung der Zulassung komme eine Fortführung der Therapien unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Im Übrigen sei eine Entscheidung nach den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall zu treffen. Die ausnahmsweise Zubilligung der Möglichkeit zur Beendigung laufender Psychotherapeutischer Behandlungen erstrecke sich in jedem Fall nur auf das bereits durch die Krankenkasse genehmigte Kontingent, so dass eine Umwandlung oder Verlängerung der begonnenen Psychotherapien in jedem Fall ausgeschlossen sei. Zu ihren Gunsten habe der Berufungsausschuss die Auslauffrist nicht begrenzt.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.10.2006 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen vor, in allen strittigen Behandlungsfällen hätten Anerkennungsbescheide der Krankenkassen vorgelegen. Sie sei deshalb davon ausgegangen, die Beklagte werde die Behandlungen abrechnen. Auch habe die Beklagte in den Quartalen III und IV/04 sog. Neufälle wie die Patienten L., DG., M., N. und O. abgerechnet. Die Beanstandung im Quartal I/04 in den Behandlungsfällen M., DG. und O. habe sie dann zurückgenommen. Der Beklagten hätten die Anerkennungsbescheide vorgelegen, aus denen eindeutig hervorgehe, dass es sich um Neufälle gehandelt habe. Unwissenheit der Beklagten hierüber sei daher auszuschließen. Die Beklagte halte selbst eine Einzelfallentscheidung für möglich. Sie habe die strittigen Fälle in der Annahme, die Verwaltungspraxis der Beklagten habe sich geändert, behandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28.11.2005, 06.03.2006 und 27.03.2006, alle drei in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die abgesetzten Leistungen zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, die Anerkennungsbescheide könnten nicht über die fehlende Zulassung hinweghelfen. Im Jahr 2004 seien nur solche Fälle vergütet worden, die der Maßgabe des Berufungsausschusses unterfallen würden. Die Klägerin habe gewusst, dass sie aufgrund des Endes ihrer Zulassung nicht neue Fälle behandeln durfte. Sollte eine Vergütung dennoch erfolgt sein, dann lediglich in Unkenntnis des Umstandes, dass es sich um einen neuen Fall gehandelt habe. Eine wissentliche Duldung ihrerseits liege nicht vor. Ein Abrechnungsverhalten, das sich bewusst in Widerspruch zur materiellen Rechtslage setze, vermöge ein schutzwürdiges Vertrauen nicht auszulösen. Hinsichtlich der Patienten DG., M., N. und O. seien die in den Quartalen I und II/04 erbrachten Leistungen abgesetzt worden. Eine Nachvergütung sei nicht erfolgt. Wenn auch in den Quartalen III und IV/04 Leistungen in den Fällen P., Q., M., DG. und O. vergütet worden seien, erwachse der Klägerin hieraus keine rechtlich vorteilhafte Position.
Die Kammer hat zunächst das Verfahren bzgl. der Quartale II bis IV/05 unter dem Az.: S 12 KA 986/06 geführt. Mit Beschluss vom 31.10.2007 hat sie die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 und die Bescheide der Beklagten vom 28.11.2005, 06.03.2006 und 27.03.2006, alle drei in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006, sind rechtmäßig. Sie waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der abgesetzten Leistungen. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.
Auch nach Beendigung der Zulassung der Klägerin folgt aus dem grundsätzlichen Anspruch der Klägerin, weiterhin im Rahmen der anbehandelten Fälle an der Honorarverteilung teilzunehmen und Honorarabrechnungen einzureichen, die Befugnis der Beklagten, über den Honoraranspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden und ggf. eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorzunehmen.
Die Klägerin war nicht berechtigt, in den Behandlungsfällen C., D., E., F., H., I., J ... und K. in den hier strittigen Quartalen I bis IV/05 weitere Behandlungen vorzunehmen und bei der Beklagten abzurechnen.
Nach Erreichen der Altersgrenze war die Zulassung der Klägerin kraft Gesetzes zum 31.12.2003 beendet.
Die Altersregelung nach § 95 Abs. 7 SGB ist auch rechtmäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hält diese Altersgrenze als eine subjektive Zulassungsbeschränkung für verfassungsgemäß. Unter Bezugnahme seiner Rechtsprechung zu anderen Altersgrenzen stellt es vor allem darauf ab, dass die angegriffenen Regelungen auch dazu dienten, den Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgingen, einzudämmen (vgl. BVerfG v. 31.03.1998 - 1 BvR 2167/93, 1 BvR 2198/93 - juris Rn. 30 f. - SozR 3-2500 § 95 Nr. 17 = NJW 1998, 1776). Das Bundessozialgericht sieht demgegenüber unter Hinweis auf die Möglichkeiten, über das 68. Lebensjahr hinaus als Vertragsarzt tätig zu sein (als Privatarzt und nach dem Übergangsrecht), keinen Willen des Gesetzgebers, jede patientenbezogene Berufsausübung durch ältere Ärzte als so potenziell gefährdend anzusehen, dass sie ausnahmslos zu unterbleiben hätten (vgl. BSG v. 30.06.2004 - B 6 KA 11/04 R - juris Rn. 24 - BSGE 93, 79 = SozR 4-5525 § 32 Nr. 1). Es stützt sich deshalb bei Bejahung der Verfassungsmäßigkeit vor allem auf die Erwägung des Gesetzgebers, wonach die zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung für zwingend erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Vertragsärzte nicht einseitig zu Lasten der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration zu verwirklichen sei (vgl. BSG v. 25.11.1998 - B 6 KA 4/98 R - juris Rn. 29 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18; BSG v. 12.09.2001 - B 6 KA 45/00 R - juris Rn. 13 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 32). Dies gelte auch für die Psychotherapeuten (vgl. BSG v. 08.11.2000 – B 6 KA 55/00 R – juris Rn. 36 f. - BSGE 87, 184, = SozR 3-2500 § 95 Nr. 26). Eine europarechtliche Dimension der Altersgrenze hat das BSG ausdrücklich verneint (vgl. BSG v. 27.04.2005 - B 6 KA 38/04 B – juris Rn. 12; BSG v. 25.11.1998 - B 6 KA 4/98 R - juris Rn. 35 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18; s. a. LSG Hessen v. 15.12.2004 - L 7 KA 412/03 ER – juris; LSG Hessen v. 10.06.2005 - L 6/7 KA 58/04 ER – juris; Boecken, NZS 2005, 393 ff.).
Die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung sieht auch nach Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte durch das GKV-WSG und der Einfügung der Ausnahmeregelungen in § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V durch das VÄndG sowie im Hinblick auf die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie (vgl. Art. 1 und 6 EGRL 78/2000) die Altersgrenze weiterhin einhellig als rechtmäßig an (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.06.2007 – L 11 B 12/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.09.2007 – L 11 B 17/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.05.2007 – L 4 B 406/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 31.01.2006 – L 4 KA 3/04 – NZS 2006, 559; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.10.2006 – L 5 KA 4343/06 ER-B – juris; LSG Bayern, Urt. v. 19.07.2006 – L 12 KA 9/06 – (Revision anhängig: B 6 KA 41/06 R); LSG Hamburg, Urt. v. 28.02.2007 – L 2 KA 2/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Hamburg, Urt. v. 28.06.2006 – L 2 KA 1/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Hessen, Beschl. v. 15.03.2006 – L 4 KA 32/05 – juris; LSG Hessen, Beschl. v. 10.06.2005 - L 6/7 KA 58/04 ER – MedR 2006, 237; LSG Hessen, Beschl. v. 15.12.2004 – L 7 KA 412/03 ER – juris; SG PI., Urt. v. 31.03.2006– S 8 ER 68/06 KA – juris; SG Marburg, Urt. v. 10.10.2007 - S 12 KA 268/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; anders z. T. die Literatur, s. Arnold, MedR 2007, 143 ff.; Boecken, NZS 2005, 393 ff.).
Nach Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung war die Klägerin grundsätzlich nicht mehr berechtigt, psychotherapeutische Leistungen an gesetzlich versicherten Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Als Ausnahme hiervon erteilte der Berufungsausschuss/Psychotherapie mit Beschluss vom 14.07.2004 der Klägerin die Genehmigung, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln". In den Bescheidgründen führte der Berufungsausschuss weiter aus, im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der psychotherapeutische Psychotherapeut nicht ausgewechselt werden sollte und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region und damit verbundenen Wartefristen habe er die Auslauffrist nicht begrenzt. Damit griff der Berufungsausschuss eine Thematik auf, die bereits Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gewesen ist. So führt bereits das SG Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 12.05.2004, Az.: S 27 KA 2024/04 ER aus, soweit die Fortführung bereits begonnener Therapien in Frage gestanden haben sollte, so habe die Beigeladene zu 1), also die jetzt beklagte KV, versichert, dass bereits genehmigte Therapien fortgeführt werden können.
Von daher musste der Klägerin von Anfang an klar sein, dass sie neue Patienten nicht behandeln durfte. Bei allen abgesetzten Behandlungen handelt es sich, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, um solche neuen Behandlungsfälle. Die fehlende Berechtigung zur Behandlung neuer Fälle schließt aber ein, dass sie auch nicht berechtigt war, die Durchführung neuer Therapien bei den Krankenkassen zu beantragen. Bereits von daher kommt es auf Genehmigungen der Krankenkassen nicht an. Zudem ist Gegenstand der Genehmigung der Krankenkassen lediglich die Berechtigung des Versicherten auf Behandlung hinsichtlich Versichertenstatus und Indikationsstellung nach den Psychotherapie-Richtlinien, nicht jedoch die Berechtigung des Behandlers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Dies ist Aufgabe der Beklagten.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, selbst wenn in den Vorquartalen die Beklagte Abrechnungen entgegengenommen und bisher von einer sachlich-rechnerischen Berichtigung abgesehen hat.
Die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung kann Einschränkungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes unterliegen. Sachlich-rechnerische Richtigstellungen dürfen aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit wissentlich geduldet und der Vertragsarzt im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat. Hierfür ist eine längere Verwaltungspraxis erforderlich, die über eine Zeit von wenigen Monaten hinausgehen muss. Diesem wissentlichen Dulden systematisch-fachfremder oder ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübter Tätigkeiten muss es gleichstehen, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung im Streit um die Abrechenbarkeit einer Leistung auf den Widerspruch des Vertragsarztes hin eine Abhilfeentscheidung zu seinen Gunsten trifft, ohne die Honorierung in ihrem Bescheid zeitlich klar zu begrenzen bzw. ohne sie als nur "vorläufig bis zur endgültigen Klärung" zu kennzeichnen. In einem solchen Fall begründet die Aufhebung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung ein Vertrauen des Vertragsarztes, dass die von ihm erreichte günstige Honorierung in Einklang mit der Rechtslage steht. Ein derart begründeter Vertrauensschutz unterliegt indessen auch Begrenzungen. Das Handeln im Vertrauen auf die Richtigkeit derartigen Verwaltungshandelns schützt den Vertragsarzt zum einen nur gegenüber demjenigen, der den Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Ein einmal geschaffener Vertrauenstatbestand entfaltet zudem nicht für alle Zukunft Schutzwirkungen, da er wieder entfallen kann. Ein solcher Wegfall ist etwa denkbar, wenn sich die Sach- oder Rechtslage maßgeblich ändert oder wenn die Kassenärztliche Vereinigung den Betroffenen gegenüber deutlich macht, dass sich Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung einer Leistungslegende ergeben oder verstärkt haben, und sie die betroffenen Vertragsärzte z. B. durch Rundschreiben o. ä. entsprechend informiert bzw. den Abrechnungsbescheiden deutliche Hinweise auf die Zweifel beifügt. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage kann darin liegen, dass eine andere dazu autorisierte Stelle – z. B. der Bewertungsausschuss - eine von der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung abweichende Entscheidung trifft. Dem steht gleich, wenn eine zum gleichen Komplex ergangene gerichtliche Entscheidung anders als die bisherige Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung lautet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, Az: B 6 KA 3/01 R, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 = BSGE 89, 90 = SGb 2003, 165, juris Rdnr. 39-41).
Ausgehend von diesen Grundsätzen des Bundessozialgerichts, von denen abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist ein Vertrauensschutztatbestand für die hier strittigen Quartale nicht gegeben.
Soweit die Beklagte in der Vergangenheit Leistungen in neuen Behandlungsfällen vergütet hat, ist dies zwischen den Beteiligten nicht streitig gewesen oder thematisiert worden. Es handelte sich um ein schlicht fehlerhaftes Handeln der Beklagten. Jedenfalls ist für die Kammer nicht nachgewiesen, dass die Beklagte die bis zu den streitbefangenen Quartalen vorgenommene Vergütung im Wissen, dass ein Vergütungsanspruch nicht bestand, vorgenommen hat. Zwischen den Beteiligten war vielmehr die Frage der Vergütungsfähigkeit der Leistungen, wie bereits ausgeführt, Gegenstand der Erörterungen im Verfahren um die Beendigung der Zulassung, wobei die Beklagte bereits seinerzeit klar zum Ausdruck gebracht hatte, Neufälle seien nicht abrechenbar. Soweit die Klägerin aber trotz Kenntnis von dieser Verfahrensweise dennoch Anträge für neue Behandlungsfälle eingereicht hat und damit überhaupt Kassenpatienten nicht über ihren Zulassungsstatus aufgeklärt hat, um anschließend für die Behandlungen Abrechnungen bei der Beklagten einzureichen, so hat sie offensichtlich schlichtweg spekuliert, Krankenkassen und die Beklagte werde dies im Einzelnen nicht überprüfen. Ein Vertrauen aus diesem offensichtlich rechtswidrigen Verhalten kann die Klägerin daraus aber nicht herleiten. Wer sich selbst bewusst rechtswidrig verhält, kann nicht darauf vertrauen, dies werde von der Rechtsgemeinschaft hingenommen werden. Im Übrigen schafft die Klägerin gerade wieder therapeutische Verhältnisse, ohne aus rechtlichen Gründen gewährleisten zu können, sie werde die Behandlung fortsetzen dürfen. Im Hinblick auf die für die Klägerin weiterhin geltenden Berufspflichten hält die Kammer dies für äußerst problematisch, was aber letztlich nicht Gegenstand dieses Verfahrens war.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die sachlich-rechnerische Berichtigung der in den vier Quartalen I bis IV/05 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen nach Beendigung der Zulassung zum 31.12.2003.
Die 1935 geborene und jetzt 72-jährige Klägerin betrieb seit 1975 eine eigene Praxis als nichtärztliche Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, zunächst im sog. Delegationsverfahren, nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetztes als approbierte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Einen Antrag auf Verlängerung ihrer Zulassung über den 31.12.2003 hinaus lehnten die Zulassungsgremien ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das SG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.06.2005, Az.: S 5/27 KA 2166/04 zurück. Die Berufung nahm die Klägerin am 29.11.2005 zurück. Ein einstweiliges Anordnungsverfahren war zuvor ebf. erfolglos geblieben (SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.05.2004, Az.: S 27 KA 2024/04 ER; LSG Hessen, Beschluss vom 10.06.2005, Az.: L 6/7 KA 58/04 ER).
Mit Bescheid vom 19.08.2005 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal I/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., D., E. und F. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele. Aufgrund der Beendigung der Zulassung könne sie nur noch laufende Therapien abrechnen.
Hiergegen legte die Klägerin am 15.09.2005 Widerspruch ein. Sie trug vor, für die Behandlungsfälle lägen ihr Anerkennungsbescheide der Krankenkassen vor. Zudem seien in den Quartalen III und IV/04 sämtliche abgerechneten Behandlungsfälle übernommen worden. Hierdurch sei ihr ein Vertrauenstatbestand entstanden. Sie habe Leistungen in einem Umfang von 12.232,66 Euro abgerechnet, denen u. a. Kostenzusagen der DAK Hessen vom 11.03.2005 und 14.03.2005 zugrunde gelegen hätten. Ihr sei lediglich ein Betrag in Höhe von 8.500,79 Euro gutgeschrieben worden. Der Differenzbetrag von 3.731,87 Euro stehe noch aus.
In den Folgequartalen II bis IV/05 verfuhr die Beklagte entsprechend.
Mit Bescheid vom 28.11.2005 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal II/05 vor. In den vier Behandlungsfällen F., D., G. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele.
Mit Bescheid vom 06.03.2006 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal III/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., D., I. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab, da die Klägerin diese Patienten erstmals zum Quartal I/05 in die Behandlung aufgenommen habe und es sich um keine laufenden Therapien handele.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung in dem streitbefangenen Quartal IV/05 vor. In den vier Behandlungsfällen C., J ..., I., K. und H. setzte sie die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 04.01., 21.03. und 03.04.2006 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, der Klägerin zugestellt am 25.09., wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Quartals I/05 als unbegründet zurück. Die Beklagte verband die übrigen Widerspruchsverfahren und wies mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, der Klägerin zugestellt am 25.09., die Widersprüche bezüglich der Quartale II bis IV/05 ebf. als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie gleichlautend in beiden Widerspruchsbescheiden aus, es habe sich nicht um "anbehandelte" Psychotherapiefälle gehandelt. Alle von ihr eingereichten Anerkennungsbescheide seien als Erstantrag gekennzeichnet und von den Krankenkassen in den Monaten März, Juli bzw. Oktober 2005 bewilligt worden. Soweit versehentlich in der Vergangenheit Leistungen zu Gunsten der Klägerin nicht von der Vergütung ausgeschlossen worden seien, bedeute dies nicht, dass dieses Versehen in den Folgequartalen fortgesetzt werde und hieraus ein Anspruch für die Zukunft entstehe. Im info.doc vom Juni 2006 Nr. 3 sei ausführlich auf die Thematik eingegangen worden. Darin heiße es, nach Beendigung der Zulassung komme eine Fortführung der Therapien unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Im Übrigen sei eine Entscheidung nach den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall zu treffen. Die ausnahmsweise Zubilligung der Möglichkeit zur Beendigung laufender Psychotherapeutischer Behandlungen erstrecke sich in jedem Fall nur auf das bereits durch die Krankenkasse genehmigte Kontingent, so dass eine Umwandlung oder Verlängerung der begonnenen Psychotherapien in jedem Fall ausgeschlossen sei. Zu ihren Gunsten habe der Berufungsausschuss die Auslauffrist nicht begrenzt.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.10.2006 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen vor, in allen strittigen Behandlungsfällen hätten Anerkennungsbescheide der Krankenkassen vorgelegen. Sie sei deshalb davon ausgegangen, die Beklagte werde die Behandlungen abrechnen. Auch habe die Beklagte in den Quartalen III und IV/04 sog. Neufälle wie die Patienten L., DG., M., N. und O. abgerechnet. Die Beanstandung im Quartal I/04 in den Behandlungsfällen M., DG. und O. habe sie dann zurückgenommen. Der Beklagten hätten die Anerkennungsbescheide vorgelegen, aus denen eindeutig hervorgehe, dass es sich um Neufälle gehandelt habe. Unwissenheit der Beklagten hierüber sei daher auszuschließen. Die Beklagte halte selbst eine Einzelfallentscheidung für möglich. Sie habe die strittigen Fälle in der Annahme, die Verwaltungspraxis der Beklagten habe sich geändert, behandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28.11.2005, 06.03.2006 und 27.03.2006, alle drei in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die abgesetzten Leistungen zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, die Anerkennungsbescheide könnten nicht über die fehlende Zulassung hinweghelfen. Im Jahr 2004 seien nur solche Fälle vergütet worden, die der Maßgabe des Berufungsausschusses unterfallen würden. Die Klägerin habe gewusst, dass sie aufgrund des Endes ihrer Zulassung nicht neue Fälle behandeln durfte. Sollte eine Vergütung dennoch erfolgt sein, dann lediglich in Unkenntnis des Umstandes, dass es sich um einen neuen Fall gehandelt habe. Eine wissentliche Duldung ihrerseits liege nicht vor. Ein Abrechnungsverhalten, das sich bewusst in Widerspruch zur materiellen Rechtslage setze, vermöge ein schutzwürdiges Vertrauen nicht auszulösen. Hinsichtlich der Patienten DG., M., N. und O. seien die in den Quartalen I und II/04 erbrachten Leistungen abgesetzt worden. Eine Nachvergütung sei nicht erfolgt. Wenn auch in den Quartalen III und IV/04 Leistungen in den Fällen P., Q., M., DG. und O. vergütet worden seien, erwachse der Klägerin hieraus keine rechtlich vorteilhafte Position.
Die Kammer hat zunächst das Verfahren bzgl. der Quartale II bis IV/05 unter dem Az.: S 12 KA 986/06 geführt. Mit Beschluss vom 31.10.2007 hat sie die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 und die Bescheide der Beklagten vom 28.11.2005, 06.03.2006 und 27.03.2006, alle drei in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006, sind rechtmäßig. Sie waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der abgesetzten Leistungen. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.
Auch nach Beendigung der Zulassung der Klägerin folgt aus dem grundsätzlichen Anspruch der Klägerin, weiterhin im Rahmen der anbehandelten Fälle an der Honorarverteilung teilzunehmen und Honorarabrechnungen einzureichen, die Befugnis der Beklagten, über den Honoraranspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden und ggf. eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorzunehmen.
Die Klägerin war nicht berechtigt, in den Behandlungsfällen C., D., E., F., H., I., J ... und K. in den hier strittigen Quartalen I bis IV/05 weitere Behandlungen vorzunehmen und bei der Beklagten abzurechnen.
Nach Erreichen der Altersgrenze war die Zulassung der Klägerin kraft Gesetzes zum 31.12.2003 beendet.
Die Altersregelung nach § 95 Abs. 7 SGB ist auch rechtmäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hält diese Altersgrenze als eine subjektive Zulassungsbeschränkung für verfassungsgemäß. Unter Bezugnahme seiner Rechtsprechung zu anderen Altersgrenzen stellt es vor allem darauf ab, dass die angegriffenen Regelungen auch dazu dienten, den Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgingen, einzudämmen (vgl. BVerfG v. 31.03.1998 - 1 BvR 2167/93, 1 BvR 2198/93 - juris Rn. 30 f. - SozR 3-2500 § 95 Nr. 17 = NJW 1998, 1776). Das Bundessozialgericht sieht demgegenüber unter Hinweis auf die Möglichkeiten, über das 68. Lebensjahr hinaus als Vertragsarzt tätig zu sein (als Privatarzt und nach dem Übergangsrecht), keinen Willen des Gesetzgebers, jede patientenbezogene Berufsausübung durch ältere Ärzte als so potenziell gefährdend anzusehen, dass sie ausnahmslos zu unterbleiben hätten (vgl. BSG v. 30.06.2004 - B 6 KA 11/04 R - juris Rn. 24 - BSGE 93, 79 = SozR 4-5525 § 32 Nr. 1). Es stützt sich deshalb bei Bejahung der Verfassungsmäßigkeit vor allem auf die Erwägung des Gesetzgebers, wonach die zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung für zwingend erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Vertragsärzte nicht einseitig zu Lasten der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration zu verwirklichen sei (vgl. BSG v. 25.11.1998 - B 6 KA 4/98 R - juris Rn. 29 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18; BSG v. 12.09.2001 - B 6 KA 45/00 R - juris Rn. 13 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 32). Dies gelte auch für die Psychotherapeuten (vgl. BSG v. 08.11.2000 – B 6 KA 55/00 R – juris Rn. 36 f. - BSGE 87, 184, = SozR 3-2500 § 95 Nr. 26). Eine europarechtliche Dimension der Altersgrenze hat das BSG ausdrücklich verneint (vgl. BSG v. 27.04.2005 - B 6 KA 38/04 B – juris Rn. 12; BSG v. 25.11.1998 - B 6 KA 4/98 R - juris Rn. 35 - BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 18; s. a. LSG Hessen v. 15.12.2004 - L 7 KA 412/03 ER – juris; LSG Hessen v. 10.06.2005 - L 6/7 KA 58/04 ER – juris; Boecken, NZS 2005, 393 ff.).
Die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung sieht auch nach Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte durch das GKV-WSG und der Einfügung der Ausnahmeregelungen in § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V durch das VÄndG sowie im Hinblick auf die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie (vgl. Art. 1 und 6 EGRL 78/2000) die Altersgrenze weiterhin einhellig als rechtmäßig an (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.06.2007 – L 11 B 12/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.09.2007 – L 11 B 17/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.05.2007 – L 4 B 406/07 KA ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 31.01.2006 – L 4 KA 3/04 – NZS 2006, 559; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.10.2006 – L 5 KA 4343/06 ER-B – juris; LSG Bayern, Urt. v. 19.07.2006 – L 12 KA 9/06 – (Revision anhängig: B 6 KA 41/06 R); LSG Hamburg, Urt. v. 28.02.2007 – L 2 KA 2/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Hamburg, Urt. v. 28.06.2006 – L 2 KA 1/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Hessen, Beschl. v. 15.03.2006 – L 4 KA 32/05 – juris; LSG Hessen, Beschl. v. 10.06.2005 - L 6/7 KA 58/04 ER – MedR 2006, 237; LSG Hessen, Beschl. v. 15.12.2004 – L 7 KA 412/03 ER – juris; SG PI., Urt. v. 31.03.2006– S 8 ER 68/06 KA – juris; SG Marburg, Urt. v. 10.10.2007 - S 12 KA 268/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; anders z. T. die Literatur, s. Arnold, MedR 2007, 143 ff.; Boecken, NZS 2005, 393 ff.).
Nach Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung war die Klägerin grundsätzlich nicht mehr berechtigt, psychotherapeutische Leistungen an gesetzlich versicherten Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Als Ausnahme hiervon erteilte der Berufungsausschuss/Psychotherapie mit Beschluss vom 14.07.2004 der Klägerin die Genehmigung, anbehandelte Fälle bei Kindern und Jugendlichen bis zu ihrem Abschluss weiter zu behandeln". In den Bescheidgründen führte der Berufungsausschuss weiter aus, im Hinblick darauf, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen der psychotherapeutische Psychotherapeut nicht ausgewechselt werden sollte und im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragene Unterversorgung in der Region und damit verbundenen Wartefristen habe er die Auslauffrist nicht begrenzt. Damit griff der Berufungsausschuss eine Thematik auf, die bereits Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gewesen ist. So führt bereits das SG Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 12.05.2004, Az.: S 27 KA 2024/04 ER aus, soweit die Fortführung bereits begonnener Therapien in Frage gestanden haben sollte, so habe die Beigeladene zu 1), also die jetzt beklagte KV, versichert, dass bereits genehmigte Therapien fortgeführt werden können.
Von daher musste der Klägerin von Anfang an klar sein, dass sie neue Patienten nicht behandeln durfte. Bei allen abgesetzten Behandlungen handelt es sich, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, um solche neuen Behandlungsfälle. Die fehlende Berechtigung zur Behandlung neuer Fälle schließt aber ein, dass sie auch nicht berechtigt war, die Durchführung neuer Therapien bei den Krankenkassen zu beantragen. Bereits von daher kommt es auf Genehmigungen der Krankenkassen nicht an. Zudem ist Gegenstand der Genehmigung der Krankenkassen lediglich die Berechtigung des Versicherten auf Behandlung hinsichtlich Versichertenstatus und Indikationsstellung nach den Psychotherapie-Richtlinien, nicht jedoch die Berechtigung des Behandlers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Dies ist Aufgabe der Beklagten.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, selbst wenn in den Vorquartalen die Beklagte Abrechnungen entgegengenommen und bisher von einer sachlich-rechnerischen Berichtigung abgesehen hat.
Die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung kann Einschränkungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes unterliegen. Sachlich-rechnerische Richtigstellungen dürfen aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit wissentlich geduldet und der Vertragsarzt im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat. Hierfür ist eine längere Verwaltungspraxis erforderlich, die über eine Zeit von wenigen Monaten hinausgehen muss. Diesem wissentlichen Dulden systematisch-fachfremder oder ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübter Tätigkeiten muss es gleichstehen, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung im Streit um die Abrechenbarkeit einer Leistung auf den Widerspruch des Vertragsarztes hin eine Abhilfeentscheidung zu seinen Gunsten trifft, ohne die Honorierung in ihrem Bescheid zeitlich klar zu begrenzen bzw. ohne sie als nur "vorläufig bis zur endgültigen Klärung" zu kennzeichnen. In einem solchen Fall begründet die Aufhebung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung ein Vertrauen des Vertragsarztes, dass die von ihm erreichte günstige Honorierung in Einklang mit der Rechtslage steht. Ein derart begründeter Vertrauensschutz unterliegt indessen auch Begrenzungen. Das Handeln im Vertrauen auf die Richtigkeit derartigen Verwaltungshandelns schützt den Vertragsarzt zum einen nur gegenüber demjenigen, der den Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Ein einmal geschaffener Vertrauenstatbestand entfaltet zudem nicht für alle Zukunft Schutzwirkungen, da er wieder entfallen kann. Ein solcher Wegfall ist etwa denkbar, wenn sich die Sach- oder Rechtslage maßgeblich ändert oder wenn die Kassenärztliche Vereinigung den Betroffenen gegenüber deutlich macht, dass sich Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung einer Leistungslegende ergeben oder verstärkt haben, und sie die betroffenen Vertragsärzte z. B. durch Rundschreiben o. ä. entsprechend informiert bzw. den Abrechnungsbescheiden deutliche Hinweise auf die Zweifel beifügt. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage kann darin liegen, dass eine andere dazu autorisierte Stelle – z. B. der Bewertungsausschuss - eine von der Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung abweichende Entscheidung trifft. Dem steht gleich, wenn eine zum gleichen Komplex ergangene gerichtliche Entscheidung anders als die bisherige Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung lautet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, Az: B 6 KA 3/01 R, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 = BSGE 89, 90 = SGb 2003, 165, juris Rdnr. 39-41).
Ausgehend von diesen Grundsätzen des Bundessozialgerichts, von denen abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist ein Vertrauensschutztatbestand für die hier strittigen Quartale nicht gegeben.
Soweit die Beklagte in der Vergangenheit Leistungen in neuen Behandlungsfällen vergütet hat, ist dies zwischen den Beteiligten nicht streitig gewesen oder thematisiert worden. Es handelte sich um ein schlicht fehlerhaftes Handeln der Beklagten. Jedenfalls ist für die Kammer nicht nachgewiesen, dass die Beklagte die bis zu den streitbefangenen Quartalen vorgenommene Vergütung im Wissen, dass ein Vergütungsanspruch nicht bestand, vorgenommen hat. Zwischen den Beteiligten war vielmehr die Frage der Vergütungsfähigkeit der Leistungen, wie bereits ausgeführt, Gegenstand der Erörterungen im Verfahren um die Beendigung der Zulassung, wobei die Beklagte bereits seinerzeit klar zum Ausdruck gebracht hatte, Neufälle seien nicht abrechenbar. Soweit die Klägerin aber trotz Kenntnis von dieser Verfahrensweise dennoch Anträge für neue Behandlungsfälle eingereicht hat und damit überhaupt Kassenpatienten nicht über ihren Zulassungsstatus aufgeklärt hat, um anschließend für die Behandlungen Abrechnungen bei der Beklagten einzureichen, so hat sie offensichtlich schlichtweg spekuliert, Krankenkassen und die Beklagte werde dies im Einzelnen nicht überprüfen. Ein Vertrauen aus diesem offensichtlich rechtswidrigen Verhalten kann die Klägerin daraus aber nicht herleiten. Wer sich selbst bewusst rechtswidrig verhält, kann nicht darauf vertrauen, dies werde von der Rechtsgemeinschaft hingenommen werden. Im Übrigen schafft die Klägerin gerade wieder therapeutische Verhältnisse, ohne aus rechtlichen Gründen gewährleisten zu können, sie werde die Behandlung fortsetzen dürfen. Im Hinblick auf die für die Klägerin weiterhin geltenden Berufspflichten hält die Kammer dies für äußerst problematisch, was aber letztlich nicht Gegenstand dieses Verfahrens war.
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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