Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2197/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3357/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf EUR 35.062,74 festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob K. S. (K.S.) in der Zeit vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 bei der Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Der am 1955 geborene K.S., von Beruf Bäcker und Konditor, bezieht seit September 1986/87 eine Berufsunfähigkeitsrente und ist bei der Beklagten im Rahmen der KVdR kranken- und pflegeversichert. Am 14. Oktober 1994 meldete K.S., der zuvor als Postfahrer bei der Firma H. gearbeitet hatte, bei der Stadt H. ein Gewerbe mit Betriebsbeginn am 01. November 1994 für die Durchführung von Kleintransporten an. Er war nach seinen Angaben danach für die Firma C.-Express in S. selbstständig tätig. Mit Datum vom 30. Juni 1998 schlossen die Klägerin und K.S. nach Abgabe eines Angebots einen als "Dienstvertrag" bezeichneten unbefristeten mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende kündbaren Vertrag (nachfolgend ersetzt am 01. Juli 1999 durch einen Dienstsvertrag vom 18. Mai 1999) über die Durchführung von Diensten an allen Werktagen, wobei Fahrzeug und Fahrzeugführer vom Auftragnehmer (K.S.) zu stellen waren. Im Anhang I zu diesem Vertrag war eine genaue "Ablauforganisation" mit Arbeitsbeginn um 7:45 Uhr im Werk N. und Dienstzeitende um 15:30 Uhr mit genauer zeitlicher Beschreibung der Route zwischen verschiedenen Werken der Klägerin, u.a. auch zum Transport von Essenbehältern aus der zentralen Werksküche zu den verschiedenen Werken der Klägerin und zu einer Drittfirma enthalten, im Anhang II war für den Zeitraum vom 01. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 eine tägliche Vergütung von DM 200,00 (ab Juli 1999 von DM 225,00), zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. In einer zusätzlichen Vereinbarung war K.S. verpflichtet, auch den Standort Siemens Matsushita Components GmbH & Co. KG in H. (Siemens) anzufahren, wo er in der zentralen Werksküche der Klägerin eingeladene Essenbehälter im Auftrag der die Küche betreibenden Konzernfirma der Klägerin, der Gusto Gourmet GmbH, abliefern sollte. Am 26. November 2001 erfolgte die Kündigung dieses Teiles des Dienstvertrages bezüglich der Andienung bei der Epcos AG in Heidenheim (vormals Siemens), was zu einer Reduzierung der Tagespauschale von EUR 120,15 auf EUR 107,37 führte. K.S. wurde ein Ausweis für Fremdfirmenangehörige (F-Ausweis) ausgestellt, auf dem sein Name und der Firmenname angegeben war.
Mit Schreiben vom 27. November 2002 kündigte die Klägerin den Dienstvertrag zum 31. Dezember 2002, wobei sie dann in einem Schreiben vom 29. November 2002 davon ausging, dass einvernehmlich die Beendigung des Dienstverhältnisses zum 30. November 2002 vereinbart worden sei.
K.S. meldete sich bei dem Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit -AfA-) A., Zweigstelle H., zum 01. Januar 2003 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2003 abgelehnt wurde. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Ulm (S 3 AL 1410/03) wurde die Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Beiladung der Klägerin und der Beklagten des vorliegenden Verfahrens mit Urteil vom 03. November 2004 zur Zahlung von Alg an K.S. ab dem 01. Januar 2003 verurteilt, weil dieser bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Hiergegen legte die Klägerin des vorliegenden Verfahrens und Beigeladene zu 1) jenen Verfahrens Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein, das unter dem Aktenzeichen L 9 AL 5805/04 anhängig und dessen Ruhen durch Beschluss vom 15. November 2005 angeordnet ist. Im Rahmen des Schriftverkehrs des SG Ulm im Verfahren S 3 AL 1410/03 mit der Beklagten und der AfA A. regte letztere mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 die Prüfung an, ob K.S. für die Klägerin als Selbstständiger oder im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen sei. Die Beklagte kam nach Prüfung der Unterlagen zum Ergebnis, dass eine abhängige Beschäftigung vorgelegen habe, was auch die AfA Aalen mit Schreiben vom 17. November 2003 gegenüber der Beklagten bestätigte. K.S. ging ebenfalls von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis aus, da er in der streitigen Zeit ausschließlich für die Klägerin gearbeitet und in dieser Zeit keinen Mitarbeiter beschäftigt gehabt habe (Schreiben vom 13. Januar 2004). Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 12. Dezember 2003) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2004 fest, dass K.S. in der streitigen Zeit bei der Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, da alle Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfüllt seien, weshalb sie Beiträge unter Berücksichtigung der Verjährung für die Zeit ab Dezember 1998 nachzuzahlen habe. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Juli 2004 Klage beim SG Ulm und wiederholte ihren Vortrag aus dem Rechtsstreit S 3 AL 1410/03 und aus dem Widerspruchsverfahren, wonach es sich um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe. Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und Vorlage der Verwaltungsakten entgegen. Mit Beschluss vom 03. Februar 2005 lud das SG K.S., Beigeladener zu 1), die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg), Beigeladene zu 2), die BA, Beigeladene zu 3), sowie die Pflegekasse der Beklagten, Beigeladene zu 4), zum Verfahren bei. Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 4) schlossen sich dem Klagabweisungsantrag und dem Feststellungsantrag der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Mit Urteil vom 28. Juni 2005, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 15. Juli 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab und stellte fest, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. In den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führte das SG unter Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), der §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III), des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) sowie der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus, dass bei Prüfung der vertraglichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Verhältnisse die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwögen. Dies ergebe sich aus der detaillierten Beschreibung der Tätigkeit mit genauen Terminen und Arbeitsabläufen in der Anlage I zum Dienstvertrag, die keinerlei Spielraum für andere Tätigkeiten im Zeitrahmen von 07:45 Uhr bis 15:30 Uhr gelassen habe. Siemens und nachfolgend Epcos seien keine eigenen Kunden des Beigeladenen zu 1) gewesen. Das Schreiben von Rechnungen mit dem Ausweisen von Mehrwertsteuer, die Gewerbeanmeldung sowie die Gestellung des Fahrzeuges träten gegenüber dieser engen Bindung des Beigeladenen zu 1) in die Betriebsabläufe der Klägerin zurück.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 15. August 2005 mittels Fernkopie beim LSG eingelegten Berufung unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens. Schon aufgrund der vertraglichen Formulierung liege rein begrifflich kein Arbeitsverhältnis vor. Auch tatsächlich sei keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden. Für die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1) spreche die Gestellung des Transportfahrzeuges durch ihn sowie die Tragung dessen Lasten, die handelsrechtliche Haftung, die Verpflichtung, gegebenenfalls eine Transportversicherung abzuschließen, und das Fehlen einer höchstpersönlichen Leistungspflicht. Zudem sei die Klägerin bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, dass der Kläger zumindest über einen Beschäftigten verfüge. Es bestehe keine Regelung, dass im Zweifel eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bejahen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Juni 2005 und den Bescheid vom 29. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in der Zeit von 01. Juli 1998 bis 31. Dezember 2002 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei ihr gestanden hat, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 13. Januar 2006 erörtert und den Beigeladenen zu 1) angehört. Der Beigeladene zu 1) hat Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen, Steuerbescheide und an die Klägerin gestellte Rechnungen während des Vertragsverhältnisses sowie die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes für den fraglichen Zeitraum vorgelegt. Die Klägerin hat die Ausweisordnung und den Auszug aus der Betriebsordnung bezüglich der Ausweise sowie weitere Unterlagen vorgelegt. Der Berichterstatter hat weiter die Akte des SG Ulm S 3 AL 1403/03, die Akte des LSG Baden-Württemberg L 9 AL 5805/04 sowie die Akten der Beigeladenen zu 2) beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und damit in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungspflicht bestand.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung aufgeführt und die Kriterien, die für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses einerseits und das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit andererseits sprechen, dargelegt. Es ist unter zutreffender Bewertung der maßgeblichen Gesichtspunkte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum in einer abhängigen Beschäftigung zu der Klägerin gestanden hat und nicht als Subunternehmer im Rahmen eines eigenen Betriebes für die Klägerin tätig geworden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin und die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass bei einem Abwägen gegenüber dem Unternehmerrisiko durch Gestellung des Fahrzeuges und Tragung von dessen Kosten durch den Beigeladenen zu 1) für ein Überwiegen der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung die enge zeitliche Einbindung mit detailliert vorgeschriebener Route, Abhol- und Zufahrstellen etc. maßgeblich ist. Der Beigeladene zu 1) hatte während der Zeit von 07:45 Uhr bis 15:30 Uhr nicht die Möglichkeit, Aufträge von Dritten durchzuführen. Soweit die Fahrten zur Firma Siemens (später Epcos) den Anschein erweckten, dass der Beigeladene zu 1) insoweit nicht für die Klägerin tätig geworden sei, hat sich ergeben, dass er Essenbehälter aus der zentralen Werksküche der Klägerin im Auftrag des Konzernunternehmens der Klägerin, der Gusto Gourmet GmbH, bei Siemens/Epcos ablieferte. Dies wurde im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin entsprechend vergütet. Die Andienung der Epcos AG wurde im Schreiben der Klägerin vom 26. November 2001 als Teil des Dienstvertrages bezeichnet. Sie stellt somit keine Bedienung eines weiteren Kunden des Beigeladenen zu 1) dar, sondern ist Auftragserfüllung im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin. Dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum auch für Dritte tätig war, ist den vorgelegten Buchhaltungsunterlagen (Umsatzsteuererklärungen, Rechnungen, Gewinnermittlung) im Übrigen nicht zu entnehmen.
Aus der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) vor Beginn des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin als "selbstständiger Fahrer" für die Firma C. Express in S. tätig war, kann nicht auf eine Anlage seiner beruflichen Tätigkeit als Selbstständiger geschlossen werden. Zum einen ist schon nicht offenkundig, dass es sich bei dieser für eine konkrete Firma ausgeübte Fahrertätigkeit tatsächlich auch im Rechtssinn um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt hat, zum anderen war der Beigeladene zu 1) zumindest bis zum Eintritt der BU auch im Rahmen seines erlernten Berufes als Bäcker und Konditor nicht selbstständig tätig.
Was die Höchstpersönlichkeit der Dienste angeht, haben die Ermittlungen ergeben, dass der Werksausweis des Beigeladenen zu 1) zwar nicht durch ein Bild personalisiert war, jedoch wegen der Vielfalt der Abholstellen und der notwendigen Kenntnis der Örtlichkeiten eine Vertretung schwierig war und in der Vertragslaufzeit auch äußerst selten stattgefunden hat. Somit kann der Senat hieraus keine für ein Überwiegen der Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) maßgeblichen Schlüsse ziehen.
Die Berufung der Klägerin erwies sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf der von der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Januar 2006 mitgeteilten Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeitragen, die sie für die nicht verjährte Zeit von Dezember 1999 bis 30. November 2002 anhand der Unterlagen über die an den Beigeladenen zu 1) gezahlte Vergütung berechnet hat.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf EUR 35.062,74 festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob K. S. (K.S.) in der Zeit vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 bei der Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Der am 1955 geborene K.S., von Beruf Bäcker und Konditor, bezieht seit September 1986/87 eine Berufsunfähigkeitsrente und ist bei der Beklagten im Rahmen der KVdR kranken- und pflegeversichert. Am 14. Oktober 1994 meldete K.S., der zuvor als Postfahrer bei der Firma H. gearbeitet hatte, bei der Stadt H. ein Gewerbe mit Betriebsbeginn am 01. November 1994 für die Durchführung von Kleintransporten an. Er war nach seinen Angaben danach für die Firma C.-Express in S. selbstständig tätig. Mit Datum vom 30. Juni 1998 schlossen die Klägerin und K.S. nach Abgabe eines Angebots einen als "Dienstvertrag" bezeichneten unbefristeten mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende kündbaren Vertrag (nachfolgend ersetzt am 01. Juli 1999 durch einen Dienstsvertrag vom 18. Mai 1999) über die Durchführung von Diensten an allen Werktagen, wobei Fahrzeug und Fahrzeugführer vom Auftragnehmer (K.S.) zu stellen waren. Im Anhang I zu diesem Vertrag war eine genaue "Ablauforganisation" mit Arbeitsbeginn um 7:45 Uhr im Werk N. und Dienstzeitende um 15:30 Uhr mit genauer zeitlicher Beschreibung der Route zwischen verschiedenen Werken der Klägerin, u.a. auch zum Transport von Essenbehältern aus der zentralen Werksküche zu den verschiedenen Werken der Klägerin und zu einer Drittfirma enthalten, im Anhang II war für den Zeitraum vom 01. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 eine tägliche Vergütung von DM 200,00 (ab Juli 1999 von DM 225,00), zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. In einer zusätzlichen Vereinbarung war K.S. verpflichtet, auch den Standort Siemens Matsushita Components GmbH & Co. KG in H. (Siemens) anzufahren, wo er in der zentralen Werksküche der Klägerin eingeladene Essenbehälter im Auftrag der die Küche betreibenden Konzernfirma der Klägerin, der Gusto Gourmet GmbH, abliefern sollte. Am 26. November 2001 erfolgte die Kündigung dieses Teiles des Dienstvertrages bezüglich der Andienung bei der Epcos AG in Heidenheim (vormals Siemens), was zu einer Reduzierung der Tagespauschale von EUR 120,15 auf EUR 107,37 führte. K.S. wurde ein Ausweis für Fremdfirmenangehörige (F-Ausweis) ausgestellt, auf dem sein Name und der Firmenname angegeben war.
Mit Schreiben vom 27. November 2002 kündigte die Klägerin den Dienstvertrag zum 31. Dezember 2002, wobei sie dann in einem Schreiben vom 29. November 2002 davon ausging, dass einvernehmlich die Beendigung des Dienstverhältnisses zum 30. November 2002 vereinbart worden sei.
K.S. meldete sich bei dem Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit -AfA-) A., Zweigstelle H., zum 01. Januar 2003 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2003 abgelehnt wurde. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Ulm (S 3 AL 1410/03) wurde die Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Beiladung der Klägerin und der Beklagten des vorliegenden Verfahrens mit Urteil vom 03. November 2004 zur Zahlung von Alg an K.S. ab dem 01. Januar 2003 verurteilt, weil dieser bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Hiergegen legte die Klägerin des vorliegenden Verfahrens und Beigeladene zu 1) jenen Verfahrens Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein, das unter dem Aktenzeichen L 9 AL 5805/04 anhängig und dessen Ruhen durch Beschluss vom 15. November 2005 angeordnet ist. Im Rahmen des Schriftverkehrs des SG Ulm im Verfahren S 3 AL 1410/03 mit der Beklagten und der AfA A. regte letztere mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 die Prüfung an, ob K.S. für die Klägerin als Selbstständiger oder im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen sei. Die Beklagte kam nach Prüfung der Unterlagen zum Ergebnis, dass eine abhängige Beschäftigung vorgelegen habe, was auch die AfA Aalen mit Schreiben vom 17. November 2003 gegenüber der Beklagten bestätigte. K.S. ging ebenfalls von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis aus, da er in der streitigen Zeit ausschließlich für die Klägerin gearbeitet und in dieser Zeit keinen Mitarbeiter beschäftigt gehabt habe (Schreiben vom 13. Januar 2004). Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 12. Dezember 2003) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2004 fest, dass K.S. in der streitigen Zeit bei der Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, da alle Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfüllt seien, weshalb sie Beiträge unter Berücksichtigung der Verjährung für die Zeit ab Dezember 1998 nachzuzahlen habe. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Juli 2004 Klage beim SG Ulm und wiederholte ihren Vortrag aus dem Rechtsstreit S 3 AL 1410/03 und aus dem Widerspruchsverfahren, wonach es sich um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe. Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und Vorlage der Verwaltungsakten entgegen. Mit Beschluss vom 03. Februar 2005 lud das SG K.S., Beigeladener zu 1), die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg), Beigeladene zu 2), die BA, Beigeladene zu 3), sowie die Pflegekasse der Beklagten, Beigeladene zu 4), zum Verfahren bei. Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 4) schlossen sich dem Klagabweisungsantrag und dem Feststellungsantrag der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Mit Urteil vom 28. Juni 2005, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 15. Juli 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab und stellte fest, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin vom 01. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. In den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führte das SG unter Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), der §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III), des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) sowie der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus, dass bei Prüfung der vertraglichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Verhältnisse die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwögen. Dies ergebe sich aus der detaillierten Beschreibung der Tätigkeit mit genauen Terminen und Arbeitsabläufen in der Anlage I zum Dienstvertrag, die keinerlei Spielraum für andere Tätigkeiten im Zeitrahmen von 07:45 Uhr bis 15:30 Uhr gelassen habe. Siemens und nachfolgend Epcos seien keine eigenen Kunden des Beigeladenen zu 1) gewesen. Das Schreiben von Rechnungen mit dem Ausweisen von Mehrwertsteuer, die Gewerbeanmeldung sowie die Gestellung des Fahrzeuges träten gegenüber dieser engen Bindung des Beigeladenen zu 1) in die Betriebsabläufe der Klägerin zurück.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 15. August 2005 mittels Fernkopie beim LSG eingelegten Berufung unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens. Schon aufgrund der vertraglichen Formulierung liege rein begrifflich kein Arbeitsverhältnis vor. Auch tatsächlich sei keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden. Für die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1) spreche die Gestellung des Transportfahrzeuges durch ihn sowie die Tragung dessen Lasten, die handelsrechtliche Haftung, die Verpflichtung, gegebenenfalls eine Transportversicherung abzuschließen, und das Fehlen einer höchstpersönlichen Leistungspflicht. Zudem sei die Klägerin bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, dass der Kläger zumindest über einen Beschäftigten verfüge. Es bestehe keine Regelung, dass im Zweifel eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bejahen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Juni 2005 und den Bescheid vom 29. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in der Zeit von 01. Juli 1998 bis 31. Dezember 2002 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei ihr gestanden hat, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 13. Januar 2006 erörtert und den Beigeladenen zu 1) angehört. Der Beigeladene zu 1) hat Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen, Steuerbescheide und an die Klägerin gestellte Rechnungen während des Vertragsverhältnisses sowie die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes für den fraglichen Zeitraum vorgelegt. Die Klägerin hat die Ausweisordnung und den Auszug aus der Betriebsordnung bezüglich der Ausweise sowie weitere Unterlagen vorgelegt. Der Berichterstatter hat weiter die Akte des SG Ulm S 3 AL 1403/03, die Akte des LSG Baden-Württemberg L 9 AL 5805/04 sowie die Akten der Beigeladenen zu 2) beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und damit in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungspflicht bestand.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung aufgeführt und die Kriterien, die für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses einerseits und das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit andererseits sprechen, dargelegt. Es ist unter zutreffender Bewertung der maßgeblichen Gesichtspunkte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum in einer abhängigen Beschäftigung zu der Klägerin gestanden hat und nicht als Subunternehmer im Rahmen eines eigenen Betriebes für die Klägerin tätig geworden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin und die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass bei einem Abwägen gegenüber dem Unternehmerrisiko durch Gestellung des Fahrzeuges und Tragung von dessen Kosten durch den Beigeladenen zu 1) für ein Überwiegen der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung die enge zeitliche Einbindung mit detailliert vorgeschriebener Route, Abhol- und Zufahrstellen etc. maßgeblich ist. Der Beigeladene zu 1) hatte während der Zeit von 07:45 Uhr bis 15:30 Uhr nicht die Möglichkeit, Aufträge von Dritten durchzuführen. Soweit die Fahrten zur Firma Siemens (später Epcos) den Anschein erweckten, dass der Beigeladene zu 1) insoweit nicht für die Klägerin tätig geworden sei, hat sich ergeben, dass er Essenbehälter aus der zentralen Werksküche der Klägerin im Auftrag des Konzernunternehmens der Klägerin, der Gusto Gourmet GmbH, bei Siemens/Epcos ablieferte. Dies wurde im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin entsprechend vergütet. Die Andienung der Epcos AG wurde im Schreiben der Klägerin vom 26. November 2001 als Teil des Dienstvertrages bezeichnet. Sie stellt somit keine Bedienung eines weiteren Kunden des Beigeladenen zu 1) dar, sondern ist Auftragserfüllung im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin. Dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum auch für Dritte tätig war, ist den vorgelegten Buchhaltungsunterlagen (Umsatzsteuererklärungen, Rechnungen, Gewinnermittlung) im Übrigen nicht zu entnehmen.
Aus der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) vor Beginn des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin als "selbstständiger Fahrer" für die Firma C. Express in S. tätig war, kann nicht auf eine Anlage seiner beruflichen Tätigkeit als Selbstständiger geschlossen werden. Zum einen ist schon nicht offenkundig, dass es sich bei dieser für eine konkrete Firma ausgeübte Fahrertätigkeit tatsächlich auch im Rechtssinn um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt hat, zum anderen war der Beigeladene zu 1) zumindest bis zum Eintritt der BU auch im Rahmen seines erlernten Berufes als Bäcker und Konditor nicht selbstständig tätig.
Was die Höchstpersönlichkeit der Dienste angeht, haben die Ermittlungen ergeben, dass der Werksausweis des Beigeladenen zu 1) zwar nicht durch ein Bild personalisiert war, jedoch wegen der Vielfalt der Abholstellen und der notwendigen Kenntnis der Örtlichkeiten eine Vertretung schwierig war und in der Vertragslaufzeit auch äußerst selten stattgefunden hat. Somit kann der Senat hieraus keine für ein Überwiegen der Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) maßgeblichen Schlüsse ziehen.
Die Berufung der Klägerin erwies sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf der von der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Januar 2006 mitgeteilten Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeitragen, die sie für die nicht verjährte Zeit von Dezember 1999 bis 30. November 2002 anhand der Unterlagen über die an den Beigeladenen zu 1) gezahlte Vergütung berechnet hat.
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