L 4 KR 4713/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1621/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4713/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten medizinischer Fußpflege sowie deren Gewährung in Zukunft streitig.

Die am 1964 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an Hyperkeratosen (Verdickung der Hornschicht der Haut) beidseits plantar und Onyhomykose (Zehennagelbefall durch pathogene Pilze) an beiden Füßen. Nachdem die Beklagte in der Vergangenheit Kosten für ärztlich verordnete medizinische Fußpflege übernommen hatte, legte die Klägerin der Beklagten am 10. Oktober 2002 das ärztliche Attest des Hautarztes, Allergologen und Venerologen S. vom 02. September 2002 vor, in dem darum gebeten wurde, die bei der Klägerin erforderlichen Fußpflegemaßnahmen zu übernehmen, da diese bei halbseitiger spastischer Lähmung die wegen der Hyperkeratosen und der Onychomykose notwendige fachgerechte Fußpflege nicht selbst durchführen könne. Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in K. kam in der Sozialmedizinischen Beratung des Dr. B. vom 09. Oktober 2002 zu dem Ergebnis, dass die Fußpflege nach Feststellung des früheren Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (BA - seit 01. Januar 2004 Gemeinsamer Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (GBA)) vom 25. Mai 1994 in der vertragsärztlichen Versorgung nicht als Heilmittel verordnet werden könne, weshalb auch die Delegierung dieser Maßnahme an ein Fußpflegeinstitut zu Lasten der Krankenkasse nicht verordnungsfähig sei. Dagegen stelle die Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß, wie sie attestiert seien, eine ärztliche Leistung nach § 27 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) dar, die vom behandelnden Arzt vertragsärztlich erbracht und abgerechnet werden könne. Die Beklagte teilte darauf dem Hautarzt S. mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 mit, dass es sich bei den beantragten Maßnahmen um ärztliche Leistungen im Sinne des § 27 SGB V handle, die vom behandelnden Vertragsarzt ohne besondere Genehmigung erbracht und abgerechnet werden könnten. In einer weiteren sozialmedizinischen Beratung vom 03. Januar 2003 kam die Ärztin Ba. vom MDK Baden-Württemberg in K. zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Verordnung von Podologischer Therapie als Heilmittel nicht erfüllt seien. Diese sei ab dem 01. August 2002 Bestandteil der Heilmittel-Richtlinien (HRL), wonach die Hornhautabtragung und die Nagelbearbeitung als Heilmittel bei Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß infolge Diabetes mellitus verordnungsfähig seien. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms um Schädigungen der Haut und der Zehennägel bei nachgewiesenen Gefühls- und/oder Durchblutungsstörungen der Füße handle. Die Verordnung dürfe jedoch nur erfolgen, wenn ohne diese Behandlung unumkehrbare Folgeschäden an den Füßen, wie Entzündungen und Wundheilungsstörungen, drohten. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 14. Januar 2003 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der bei der Bezirksdirektion Mittlerer Oberrhein der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2003 zurück.

Mit der am 14. Mai 2003 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragte die Erstattung von EUR 15,00 monatlich ab Oktober 2002 und die zukünftige Gewährung medizinischer Fußpflege als Sachleistung. Es liege zwar keine vertragsärztliche Verordnung vor, jedoch genüge das Attest ihres Hautarztes S. vom 02. September 2002. In der Praxis erfolge die Behandlung durch Fußpflege regelmäßig ohne ärztliche Verordnung, wobei anschließend die Rechnungen durch die Krankenkassen erstattet würden. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der Verwaltungsakten entgegen. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2003, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 04. November 2003 zugestellt wurde, ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG unter Darstellung der rechtlichen Voraussetzungen der §§ 32 Abs. 1, 34 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 6 SGB V aus, nach der Anlage 2 Nr. 13 zu den inzwischen außer Kraft getretenen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien i.d.F. vom 25. Mai 1994 (BAnz Nr. 60) habe die medizinische Fußpflege im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden können. Die an deren Stelle getretenen HRL vom 06. Februar 2001 (BAnz Nr. 118a) sähen den Ausschluss der medizinischen Fußpflege von der Verordnungsfähigkeit nicht mehr vor, vielmehr seien seit dem 01. August 2002 Maßnahmen der Podologischen Therapie als Heilmittel verordnungsfähig, wenn sie der Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom) dienten (Ziff. 17.B.1 der HML i.d.F. vom 21. Juni 2002 (BAnz Nr. 179)). Die Beschränkung auf eine Indikation sei von Rechts wegen nicht zu beanstanden, da der BA diese nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V habe treffen können, zumal es sich nicht um einen generellen Ausschluss eines Heilmittels handle. Da die HRL den Leistungsanspruch des Versicherten verbindlich konkretisierten und die Indikation eines diabetischen Fußsyndroms bei der Klägerin nicht vorliege, sei ein Anspruch auf medizinische Fußpflege ausgeschlossen. Im Übrigen sei die medizinische Fußpflege nicht ärztlich verordnet. Die im Attest des Hautarztes S. geäußerte Bitte genüge der Anforderung an eine Verordnung nicht. Die Erstattung der seit Oktober 2002 verauslagten Kosten für die medizinische Fußpflege komme nicht in Betracht, da die Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf Sachleistung trete, hier jedoch, wie ausgeführt, kein Anspruch auf medizinische Fußpflege bestehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 24. November 2003 beim Landessozialgericht (LSG) schriftlich eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiter vorträgt, nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. November 1999 (B 1 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 27 Nr. 12) sei der Ausschluss der medizinischen Fußpflege aus der vertragsärztlichen Versorgung nach den damaligen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien durch die gesetzliche Ermächtigung nicht gedeckt. Die Beklagte habe selbst noch unter dem 16. Oktober 2002 dem Hautarzt S. mitgeteilt, dass es sich bei der beantragten Maßnahme um eine ärztliche Leistung nach § 27 SGB V handle, die vom behandelnden Arzt vertragsärztlich erbracht und abgerechnet werden könne und einer besonderen Genehmigung nicht bedürfe. Hierauf habe sie sich verlassen können. Im Übrigen bestehe nach der Rechtsprechung des BSG ein Sachleistungsanspruch dann, wenn wegen besonderer gesundheitlicher Risiken die Fußpflege einer ausgebildeten medizinischen Fachkraft vorbehalten bleiben müsse. Die Verordnung müsse im Übrigen nicht auf dem Rezeptformular der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2003 zu verurteilen, ihr ab Oktober 2002 für jeden Monat EUR 15,00 zu erstatten und künftig medizinische Fußpflege als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig. Die medizinische Fußpflege sei nach den hier maßgeblichen HRL seit 01. August 2002 nur bei krankhaften Veränderungen am Fuß infolge von Diabetes mellitus möglich; diese Diagnose liege bei der Klägerin nicht vor. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin auch nicht berufen, da die ihr vormals erteilten Kostenzusagen jeweils befristet gewesen seien.

Mit dem Klägervertreter gegen Empfangsbekenntnis am 04. März 2004 zugestellten Schreiben vom 03. März 2004 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zu entscheiden. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat sich die Klägerin nicht geäußert; die Beklagte hat sich damit einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten der bisherigen Fußpflege in Höhe von EUR 15,00 monatlich ab Oktober 2002 zu erstatten und künftig die medizinische Fußpflege als Sachleistung zu gewähren.

Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der verauslagten Kosten für die medizinische Fußpflege und Gewährung zukünftiger Sachleistungen im einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung verneint, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen wird.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend auszuführen, dass die ab 01. August 2002 geltenden HRL, wobei seit 02. April 2005 die HRL vom 01. Dezember 2003/ 16. März 2004, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 21. Dezember 2004 (BAnz. 2005 Nr. 61), gelten, rechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Fußpflege weist ihrer Art nach keinen eindeutigen Krankheitsbezug auf und ist grundsätzlich der Körperpflege zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn der Betroffene individuell an der Durchführung gehindert ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 12 unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-3100 § 89 Nr. 5). Es handelt sich bei den maßgebenden Regelungen der HRL unter Ziff. III.B ("Maßnahmen der Podologischen Therapie") gerade nicht um einen generellen Ausschluss der besonderen medizinischen Fußpflege aus der vertragsärztlichen Versorgung, sondern um die Beschränkung der Gewährung der medizinischen Fußpflege im Rahmen des Vertragssystems auf eine bestimmte Indikation, d.h. bei krankhaften Veränderungen am Fuß, wie Schädigungen der Haut und Zehennägel bei nachweisbaren Gefühls- und /oder Durchblutungsstörungen der Füße infolge Diabetes mellitus, die jedoch bei der Klägerin nicht vorliegen. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die im Attest des Hautarztes S. vom 02. September 2002 gegenüber der Beklagten vorgetragene Bitte, die medizinische Fußpflege zu gewähren, die an eine ärztliche Verordnung zu stellenden Anforderungen erfüllt. Aus der Formulierung des Hautarztes S. in dem statt einer Verordnung ausgestellten Attest ist auch zu schließen, dass ihm wohl bekannt war, dass bei den bei der Klägerin vorliegenden Diagnosen aufgrund der neuen HRL die medizinische Fußpflege nicht mehr ärztlich verordnet werden konnte. Eine Bindung der Beklagten gegenüber der Klägerin war auch durch deren Schreiben an den Hautarzt S. vom 16. Oktober 2002 nicht eingetreten.

Nachdem die angefochtene Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist, konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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