L 3 R 4525/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 1652/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 4525/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1948 geborene Kläger erlernte den Beruf des Postboten, war jedoch hauptsächlich als Dreher sowie Laborant und bis April 2001 als Automatendreher versicherungspflichtig beschäftigt. Es handelte sich dabei um eine angelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von ca. drei Monaten (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 152/156 der SG-Akte Bezug genommen). Hieran schlossen sich Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit an. Zuletzt absolvierte er vom 29.3. bis 19.4.2001 eine stationäre Heilbehandlung in einer Reha-Klinik in Bad M., aus der er mit den Diagnosen Diabetes mellitus Typ I, Retinopathie, Zustand nach LAC, peripher sensible Polyneuropathie, autonome Neuropathie, chronische calzifizierende äthyltoxische Pankreatitis mit endokriner und exokriner Insuffizienz, Lactosemalassimilation und rezidivierende Lumboischialgie als arbeitsunfähig, aber mit der Leistungsbeurteilung entlassen wurde, mittelschwere Tätigkeiten könnten ohne wesentliche weitere Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden. Der Kläger verfügt über einen PKW und die hierzu erforderliche Fahrerlaubnis. Er benutzt das Fahrzeug auch.

Am 23.3.2001 beantragte er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die von der Beklagten veranlasste internistische Begutachtung (Gutachten Dr. S. vom 27.8.2001) erbrachte einen unzureichend eingestellten insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine diabetesbedingte Polyneuropathie der Beine sowie eine autonome Neuropathie und Retinopathie, rezidivierende linksseitige Lumboischialgien bei z. T. erheblichem Lendenwirbelsäulenverschleiß sowie eine bekannte chronische Pankreatitis mit endokriner und exokriner Insuffizienz. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könnten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden am Tag verrichtet werden.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 12.9.2001 ab.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Kläger chirurgisch und nervenärztlich begutachtet. In seiner zusammenfassenden Beurteilung vom 8.1.2002 gelangte Dr. S. zur Feststellung einer beinbetonten Polyneuropathie bei Diabetes mellitus mit leichten Funktionseinschränkungen, einer angegebenen lumboischialgieformen Symptomatik links, aktuell ohne segmentale Reiz- oder Ausfallserscheinungen, eines diskret ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndroms mit länger zurück reichender, derzeit etwas verdeutlicht dargestellter Vergesslichkeit sowie orthopädischerseits von wiederkehrenden Lumboischialgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen. Die Leistungseinschätzung entsprach der des Vorgutachtens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.2002 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.

Dagegen hat der Kläger am 5.4.2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 14/85 der SG-Akte Bezug genommen.

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. vom 10.12.2002. Dieser hat eine linksseitige Lumboischialgie bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen im unteren Lendenwirbelsäulenbereich und computertomografisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen L4/L5/S1, einen leichten Muskelansatzsehnenreizzustand des linken Hüftgelenks, mäßige degenerative Veränderungen im Bereich des Muskelsehnenmantels des rechten Schultergelenks, eine starke Belastungsinsuffizienz beider Füße, links stärker als rechts, bei Spreizfuß sowie eine Polyneuropathie bei Diabetes mellitus diagnostiziert. Zu vermeiden seien schwere Arbeiten mit dem Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Arbeiten in langanhaltend einseitiger und gebückter Körperhaltung, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. In Betracht kommende Tätigkeiten sollten überwiegend sitzend ausgeführt werden können, wobei die Möglichkeit bestehen müsse, die Tätigkeit kurzfristig durch Stehen und Gehen zu unterbrechen. Bei längerem Sitzen müsse dem Kläger ein verstellbarer und bandscheibengerechter Arbeitsstuhl zur Verfügung stehen. Die zuletzt verrichtete Tätigkeit könne nicht mehr ausgeübt werden. Leichte Tätigkeiten könnten jedoch noch vollschichtig verrichtet werden. Bei Benutzung von Unterarmgehstützen sei die Wegefähigkeit nicht eingeschränkt.

Im vom SG des weiteren eingeholten neurologischen Sachverständigengutachten von Dr. D. vom 28.2.2003 ist eine mäßig ausgeprägte, vorwiegend demyelinisierende Polyneuropathie der Beine bei pankreoprivem insulinpflichtigem Diabetes mellitus nach chronischer Pankreatitis im Rahmen eines Alkoholmissbrauchs bis 1976, eine Lumboischialgie links mit pseudoradikulären Schmerzen ohne Hinweis auf ein lumbosakrales Wurzelreiz- oder Ausfallsyndrom sowie eine beginnende Makroangiopathie der hirnversorgenden Halsarterien ohne Stenosen oder Verschlüsse diagnostiziert worden. Es bestehe eine erhebliche Verdeutlichungstendenz. Aus neurologischer Sicht könnten sowohl die bisherige Tätigkeit als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichtet werden. Die rentenrechtlich relevante Wegefähigkeit sei gegeben.

Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des internistischen Sachverständigengutachtens von Dr. L. vom 12.5.2003. Erhoben worden sind ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit nicht optimaler Einstellung des Zuckerstoffwechsels, eine beinbetonte Polyneuropathie mit Sensibilitätsstörungen und schmerzhaften Missempfindungen sowie trophischen Störungen, eine autonome Neuropathie an den viszeralen Organen des Gastro-Intestinal-Traktes, eine diabetische Retinopathie mit Zustand nach Laser-Koagulation, eine Mikroangiopathie an kardiovaskulären und peripheren Gefäßen sowie an der Niere und eine Makroangiopathie, ferner eine exogene Pankreasfunktionsstörung und ein Schmerzsyndrom. Die internistischen Befunde seien ohne wesentlichen Einfluss auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Zumutbar seien leichte, überwiegend im Sitzen ausgeübte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich. Zu vermeiden seien längere Anmarschwege (unter 1000 Meter), häufiges Bücken, Nachtschicht, besonderer Zeitdruck, Arbeiten an laufenden Maschinen, das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Nässe, starke Temperaturschwankungen und Arbeiten im Freien. Wegen der Diabetes-Einstellung müssten Arbeitsunterbrechungen einkalkuliert werden. Ferner müsse wegen der Durchfallneigung (nach den Angaben des Klägers acht bis zehn mal tagsüber) eine Toilette leicht erreichbar sein. Die bisherige Automatendrehertätigkeit sei nicht mehr zumutbar. Die Wegefähigkeit sei gegeben.

Schließlich hat das SG noch das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten von Dr. F. vom 13.4.2004 eingeholt. Die neurologischen Befunde sprächen für eine überwiegend linksseitige, beinbetonte, durch Zuckerkrankheit unterhaltene, sensible, jedoch nicht motorische Polyneuropathie, wobei durch teils hypochondrische, teils aggravatorische Fixierung und Überzeichnung von Beschwerden ein Beschwerdebild entstanden sei, welches sich aus den gestellten Diagnosen heraus nicht mehr vollständig erklären lasse. Deshalb sei von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Des weiteren bestehe eine objektiv nicht ins Gewicht fallende Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Aggravatorische Überhöhung bis hin zu einer objektiv nicht gerechtfertigten Benutzung zweier Gehstützen erschwerten die Diagnosefindung. Die Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. In Frage kämen nur noch leichte Tätigkeiten, ohne Zeitdruck, nicht an einem Fließband, ohne Schichtarbeit und ohne Inanspruchnahme des Kurzzeitgedächtnisses (dergestalt, dass nicht regelmäßig zu beobachtende Abweichungen zu registrieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Arbeitsprozess einzubringen wären). Entsprechende leichte Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden. Die Wegefähigkeit sei gegeben.

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.7.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als einfach angelernter und damit breit verweisbarer Arbeiter einzustufende Kläger die ihm damit noch zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als sechs Stunden am Tag verrichten könne. Es werde den eingeholten Sachverständigengutachten sowie den im Verwaltungsverfahren veranlassten Gutachten gefolgt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 6.9.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6.10.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Er ist der Auffassung, dass in den eingeholten Sachverständigengutachten von einem wesentlichen Einfluss der Gesundheitsstörungen auf seine berufliche Leistungsfähigkeit bzw. von einer verminderten Leistungsfähigkeit die Rede sei, weshalb das SG eine begründete Gesamtschau der Befunde hätte vornehmen müssen. Nicht geklärt worden sei die Frage, ob bei ihm eine psychische Erkrankung mit Krankheitswert vorliege, die willentlich nicht überwunden werden könne. Wegen der Durchfälle seien betriebsunübliche Pausen notwendig. Hinsichtlich der Wegefähigkeit bestehe weiterer Aufklärungsbedarf. Im internistischen Sachverständigengutachten sei die bei ihm erwähnte Herzerkrankung nicht aufgeführt. Insgesamt liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Der Senat hat auf entsprechenden Hinweis des Klägers auf eine Augenoperation den Chefarzt der C.-Klinik für Augenkranke, Prof. Dr. B., als sachverständigen Zeugen befragt, ferner den behandelnden Augenarzt Dr. W ... Letzterer hat zusammenfassend eine berufliche Leistungsfähigkeit für sechs bis acht Stunden täglich bejaht (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 38/39 sowie 48/68 der LSG-Akte Bezug genommen).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2002 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung gestützt auf mehrere Stellungnahmen von Dr. S. (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 26/28, 41 und 70 der LSG-Akte) für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er noch in der Lage ist, ihm zumutbare leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden am Tag zu verrichten.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Ergänzend weist der Senat im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf Folgendes hin:

Auch der Senat stützt seine Überzeugung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf die vom SG eingeholten Sachverständigengutachten. Danach bedingen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen - auch im Rahmen einer Gesamtbeurteilung - lediglich die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesen Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung in rentenberechtigendem Grade medizinisch nicht begründet. Die von den Sachverständigen vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Insbesondere wurde der in den Sachverständigengutachten festgestellten Leistungsminderung durch die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten und die Forderung nach weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen hinreichend Rechnung getragen. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch behandelnde Ärzte erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.

Es kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die bei ihm vorliegende psychische Erkrankung nicht ausschließlich durch Willensentschlüsse des Klägers überwunden werden kann, weil sonst nach der Rechtsprechung des BSG überhaupt nicht von einer Krankheit auszugehen wäre (BSG SozR Nr. 39 zu § 1246 Reichsversicherungsordnung [RVO]). Indes ist für die Beurteilung des beruflichen Restleistungsvermögens ohnehin nicht entscheidend, dass eine - bestimmte - Diagnose gestellt wird, sondern ob und gegebenenfalls welche Funktionseinschränkungen mit Auswirkung auf das Berufsleben gegeben sind. Die sozialmedizinische Beurteilung bei somatoformen Schmerzstörungen erfordert dabei eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47). Diesem Erfordernis trägt das Sachverständigengutachten von Dr. F. ausreichend Rechnung, wobei die Begutachtung Hinweise auf eine solche weitgehende Einschränkung in rentenberechtigendem Grad nicht ergeben hat (vgl. hierzu im Einzelnen Blatt 219/225 der SG-Akte).

Der Senat verneint das Erfordernis betriebsunüblicher Pausen in einem rentenberechtigenden Umfang. Abgesehen davon, dass bei acht bis zehn Durchfällen tagsüber und ausgehend von einem 16-Stunden-Tag von höchstens einem Durchfall alle 1,5 Stunden auszugehen ist, vermögen nach der Rechtsauffassung des Senats nicht alle, über die betriebsüblichen Pausen hinaus gehenden Arbeitsunterbrechungen einen Rentenanspruch zu begründen. Dabei berücksichtigt der Senat vorliegend durchaus, dass wegen der Diabeteserkrankung weitere Arbeitsunterbrechungen erforderlich sein können.

Denn solche Arbeitsunterbrechungen überschreiten nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres den Rahmen der von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" (zusätzliche Arbeitsunterbrechungen). Solche zusätzliche Möglichkeiten der Arbeitsunterbrechung für Erholung und persönliche Bedürfnisse über die Arbeitszeitregelungen hinaus sind in betriebsüblichen Arbeitszeitregelungen nach Maßgabe tarifvertraglicher Vereinbarungen vorgesehen (vgl. hierzu und für den Fall der Erforderlichkeit, jederzeit und kurzfristig kleine Pausen von nicht mehr als 5 bis 7 Minuten z. B. zur Einnahme einer kleinen Zwischenmahlzeit bzw. einer Blutzuckerselbstmessung bei diabetischer Stoffwechsellage einzulegen, Urteil des erkennenden Senats vom 05.07.2000 - L 3 RJ 847/99 -). Die Verteilzeiten sind erfahrungsgemäß mit 10 bis 12% der Arbeitszeit zu veranschlagen (für einen Erfahrungswert für die persönlichen Verteilzeiten in Höhe von 10% der Arbeitszeit: Handbuch des BMI für Personalbedarfsermittlung, 2. Auflage, 1997). Ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Anteil persönlicher Verteilungszeiten in Höhe von 10% errechnen sich damit insgesamt Verteilzeiten von 48 Minuten pro Arbeitstag (40: 5 x 60 x 10%). Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zeitrahmen vorliegend überschritten ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Senat ist der Auffassung, dass im Rahmen der dem Kläger zumutbaren leichten Arbeiten keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. keine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu beachten ist, die dazu zwingen würde, unter diesem Gesichtspunkt eine konkrete Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu benennen, die der vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden am Tag arbeitsfähige Kläger noch verrichten kann, bzw. zu prüfen, inwiefern derartige Arbeitsplätze überhaupt vorhanden sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 75, 81, 90, 104, 117, 136).

Nur ausnahmsweise u.a. in diesen Fällen ist nämlich auch für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten mit vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist (BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 50). In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O. mwN), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr muss eine Verweisungstätigkeit erst benannt werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger und außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Tätigkeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen, und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den wesentlichen qualitativen Einschränkungen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. Die übrigen qualitativen Einschränkungen engen das Arbeitsfeld des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darüber hinaus nicht in ungewöhnlicher Weise weiter ein.

Hinsichtlich der Frage der Wegefähigkeit hat sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt gefühlt.

Zwar gilt der Arbeitsmarkt als verschlossen, wenn der Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückgelegt werden kann. Zur Erwerbsfähigkeit gehört nämlich auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (BSG SozR 2200 § 1247 Nrn. 47, 50, 53, 56). Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1247 Nr. 56) Erwerbsunfähigkeit (und damit entsprechend dem ab 1.1.2001 geltenden Recht volle Erwerbsminderung) in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn nur noch eine Gehfähigkeit vorhanden ist, die maximal 500 Meter Wegstrecke zulässt, der Versicherte keinen Arbeitsplatz inne hat und einen solchen auch nicht mit Hilfe eines eigenen Kfz bzw. eines Fahrrads erreichen kann (vgl. hierzu KassKomm-Niesel, Rdnr. 93 zu § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung mwN) und der Rentenversicherungsträger diesbezüglich auch keine beruflichen Reha-Leistungen anbietet. Die Zumutbarkeit der Fußwege richtet sich hierbei nach allgemeinen medizinischen Kriterien. Sie ist zu verneinen, wenn beim Gehen auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Gehstützen) erhebliche Schmerzen auftreten, übermäßige körperliche Anstrengungen erforderlich sind oder die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet ist. Die Zumutbarkeitsgrenze kann auch durch die für die Wegstrecke erforderliche Zeit überschritten werden. Das ist der Fall, wenn für 500 Meter mehr als 20 Minuten benötigt werden. In der Regel ist daher nur erwerbsunfähig (bzw. voll erwerbsgemindert), wer nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Besonderheiten zum Beispiel der individuellen Wohnlage und der Beschaffenheit in Betracht kommender Wegstrecken sind bei der gebotenen generalisierenden Abgrenzung des Versichertenrisikos unbeachtlich (vgl. hierzu BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -).

Vorliegend wurde in einem Sachverständigengutachten eine zumutbare Wegstrecke von unter 1000 Metern angenommen und im Übrigen eine im oben beschriebenen Sinne eingeschränkte Wegefähigkeit verneint. Auf Grund dieser Feststellungen steht zur Überzeugung des Senats fest dass eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit nicht vorliegt. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Festlegung der möglichen Wegstrecke auf unter 1000 Meter. Denn diese Festlegung betrifft jeweils nur die einzelne, am Stück zurücklegbare Wegstrecke und nicht die täglich insgesamt zumutbare. Für die Annahme der Wegefähigkeit im oben beschriebenen Sinn genügt aber, dass die einzelne, am Stück mögliche Wegstrecke mehr als 500 Meter beträgt.

Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass dem Kläger ein PKW zur Verfügung steht, den er auch benützt und mit dem er für ihn in Betracht kommende Arbeitsplätze erreichen kann.

Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine belangvolle Herzerkrankung mit Auswirkungen auf sein berufliches Restleistungsvermögen (allein letzteres und nicht eine bestimmte Diagnose ist entscheidend) vorliegt, haben sich zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ergeben. Weder anlässlich der letzten stationären Heilbehandlung und der Begutachtung im Rentenverfahren noch im vom SG eingeholten internistischen Sachverständigengutachten konnten entsprechende Befunde erhoben werden. Vielmehr waren die insoweit erhobenen Befunde unauffällig (wegen der Einzelheiten vgl. insbesondere Blatt 170/175 der SG-Akte).

Die Befunde im Bereich der Augen bedingen schließlich nach den durchgeführten Ermittlungen keine rentenberechtigenden Einschränkungen. Ausgeschlossen sind damit lediglich Tätigkeiten, die ein ständiges bzw. überwiegendes Lesen erfordern.

Zwar verneint der Senat im Falle des Klägers das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. oben), verkennt dabei aber nicht, dass sein Leistungsvermögen in mehrfacher Hinsicht qualitativ eingeschränkt ist. Gleichwohl ist ihm der allgemeine Arbeitsmarkt deshalb nicht verschlossen. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist nämlich nicht ersichtlich, warum der Kläger nicht mehr fähig sein soll, beispielsweise Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und/oder Etikettierarbeiten vollschichtig zu verrichten. Derartige Tätigkeiten erfordern kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg, sind in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung nach dem individuellen Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen ausführbar und werden in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt (vgl. Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG] vom 28.08.2001 - L 9 RJ 2798/00 - und - L 9 RJ 1657/01 - mwN).

Lediglich hilfsweise und ohne Entscheidungsrelevanz für den vorliegenden Fall (weil der Kläger auch nach Auffassung des Senats nur als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs einzustufen ist, dem keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss) kommt hier als objektiv zumutbare Tätigkeit die eines Pförtners (an einer Nebenpforte) in Betracht.

Entsprechende Tätigkeiten sind im Lohngruppenverzeichnis i.d.F. des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom 22.3.1991 des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter der Länder II der Lohngruppe 2 (Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist - Ziff. 1.9) zugeordnet.

Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitarbeiter passieren zu lassen (vgl. BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 - und Urteil des 2. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte erfordern auch keine besonderen sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen. Ferner handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, die mit ständigem oder überwiegendem Lesen verbunden ist.

Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Der Kläger könnte deshalb in einem Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Pförtnertätigkeiten eignen sich auch für Personen, deren Hebe- und Tragefähigkeit eingeschränkt ist, weil derartige Einschränkungen sich - je nach konkretem Arbeitsplatz - berücksichtigen lassen (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger und in der Schlüsselverwaltung Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -, gestützt auf entsprechende berufskundliche Feststellungen des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg). Es gibt nach Feststellungen des Berufsverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. sogar Tätigkeiten im Pfortenbereich, die lediglich im Sitzen ausgeführt werden können und bei denen der Pförtner nur auf ein Klingelzeichen hin die Tür öffnen muss. Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass selbst eine erhebliche Beeinträchtigung mit einer dadurch bedingten eingeschränkten Beweglichkeit und der Unfähigkeit, Lasten von mindestens 5 kg zu heben oder zu tragen, ihrer Art nach selbst bei Eintritt einer Verschlimmerung einer Pförtnertätigkeit der beschriebenen Art nicht entgegensteht (Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.2004 - L 3 RJ 1120/03 -).

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht über die für die Tätigkeit als Pförtner notwendige Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit verfügt, sind aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht ersichtlich.

Arbeitsplätze als Pförtner sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl vorhanden und sind nicht nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten, sondern werden auch mit Bewerbern vom freien Arbeitsmarkt besetzt (vgl. Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -). Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass der Kläger möglicherweise keinen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und vom 21.7.1992 - 3 RA 13/91 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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