L 11 R 5778/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 2885/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5778/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Streitig ist insbesondere der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles und hieraus resultierend das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der 1952 geborene, aus Slowenien stammende Kläger, hat dort nach seinen Angaben eine Ausbildung zum Büroangestellten absolviert und anschließend eine dieser Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Zuletzt war er als Geschäftsführer bzw. Selbstständiger tätig. Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989 war er mit Unterbrechungen als Gastwirt und selbstständiger Holzschlagunternehmer tätig und arbeitete als Schweißer. Vom 01.01.2000 bis 31.12.2000 war er versicherungspflichtig als hauswirtschaftlicher Helfer beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Pflichtversicherungsbeiträge sind bei der Beklagten bis Februar 1994, von Dezember 1998 bis September 1999 und ab Januar 2000 gespeichert. Der Grad der Behinderung des Klägers beträgt 90 ab dem 27.12.1996 und 100 seit 1999.

Einen ersten Rentenantrag des Klägers vom September 1996, den er damit begründete, dass er sich seit Herbst 1992/31.03.1993 wegen einer Sehminderung, Gesichtsfeldausfall, Herzminderung und Bluthochdruck sowie Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen für erwerbsunfähig halte, lehnte die Beklagte gestützt auf ein Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. I. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle A. (Diagnosen: 1. Hohe Myopie mit Blindheit des rechten Auges und starker Sehminderung links und totalem zentralem und peripherem Skotom links bei Cataract, 2. arterielle Hypertonie unter Dreierkombinationstherapie, 3. beginnende chronische Niereninsuffizienz, Hypokaliaemie, Hyperuricaemie und 4. unklare Gelenkbeschwerden; Leistungsfähigkeit: leichte bis mittelschwere Arbeiten unter der Voraussetzung eines behinderungsgerechten Arbeitsplatzes vollschichtig) mit Bescheid vom 07.01.1997 ab, da er noch in der Lage sei, vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten an einem behinderungsgerechten Arbeitsplatz zu verrichten. Den dagegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.1997, nachdem die Internistin und Sozialmedizinerin Dr. M. aufgrund neuerer ärztlicher Unterlagen (augenärztliche Untersuchung vom 02.12.1996) nunmehr davon ausging, dass ab 03.12.1996 von einem unter zweistündigen Leistungsvermögen auf Dauer ausgegangen werden müsse, zurück. Zwar stehe fest, dass Erwerbsunfähigkeit seit dem 03.12.1996 vorliege. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestehe aber dennoch nicht, weil die hierfür erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im maßgebenden 5-Jahreszeitraum vom 03.12.1993 bis 02.12.1996 seien nur für 3 Monate Pflichtbeiträge enthalten. Das Sozialgericht Ulm (SG) wies die vom Kläger dagegen erhobene Klage, nachdem es Beweis erhoben hatte durch Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse und Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte von Dr. S., dem Augenarzt Dr. S. und dem Internisten Dr. K. sowie eines Gutachtens nach Aktenlage durch den Augenarzt Dr. K. (Leistungsvermögen: leichte Tätigkeit vollschichtig bis September 1996), mit Urteil vom 19.01.2000 ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger sei bis September 1996 in der Lage gewesen, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Die Festlegung des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit durch die Beklagte auf den 01.09.1996 sei nachvollziehbar. Bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im September 1996 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Im maßgebenden 5-Jahreszeitraum seien lediglich 26 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen enthalten. Die Monate seit 01.01.1984 seien nicht durchgehend mit rentenrechtlichen Zeiten belegt. Anhaltspunkte für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung seien nicht gegeben. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu Recht ausgeführt habe, dass der Kläger ab Juli 1998 auch wieder vollschichtig arbeiten könne. Durch die zwischenzeitlich durchgeführte Staroperation habe sich das Sehvermögen des linken Auges erheblich gebessert (SG - S 10 RJ 1298/97).

Am 08.11.2001 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, wobei er angab, dass er sich seit dem 22.05.2001 für berufs- bzw. erwerbsunfähig halte.

Die Beklagte zog zunächst die ärztlichen Unterlagen, die im Zusammenhang mit einem Antrag des Klägers auf Gewährung von berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation (Kraftfahrzeughilfeleistungen) angefallen waren, und die zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens des jugoslawischen Sozialversicherungsträgers von der Nervenärztin Dr. S. und dem Internisten Dr. G. erstatteten Gutachten (Gutachten vom 07.05.2001) bei. Dr. S. hatte als Diagnosen eine Amaurose rechts, bei wirbelsäulen- und gelenkbezogenen Beschwerden derzeit keinen Hinweis für belangvolle Wurzelreiz-Symptomatik, bei auswärts festgestellter Megadochobasilaris mit Kontakt zum 7. und 8. Hirnnerv, geklagte Schwindelzustände glaubhaft und biographische Belastungen ohne Rückwirkung auf das altersentsprechende Leistungsvermögen genannt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Eigen- und Fremdgefährdung vollschichtig zuzumuten seien. Dr. G. hatte 1. Amaurose rechtes Auge, Myopie linkes Auge, 2. Schulter-Arm-Syndrom beidseits, 3. Schwindel/Megadolichobasilaris, 4. ausgeprägte überbrückende Spondylosis deformans BWS/LWS, 5. Adipositas, 6. chronisch-venöse Insuffizienz und 7. leichte Coxarthrose, leichte Iliosacralarthrose diagnostiziert und die Auffassung vertreten, dem Kläger seien leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne Eigen- oder Fremdgefährdung, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten und häufiges Bücken vollschichtig zumutbar. Außerdem zog die Beklagte den Entlassungsbericht über die vom Kläger in der Zeit vom 11.10. bis 01.11.2001 durchgeführte stationäre Heilbehandlung in der R.-Klinik in Bad R. bei. Anlässlich dieses Aufenthalts waren beim Kläger ein degeneratives LWS-Syndrom, Adipositas, arterielle Hypertonie, coronare Herzkrankheit und Amaurose rechtes Auge diagnostiziert worden. Der Kläger wurde für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, fixiertes Sitzen, häufige starke Stoß- und Erschütterungsbelastungen 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Es wurden jedoch zusätzliche Begutachtungen auf augenärztlich- und HNO-ärztlichem sowie psychiatrischem Gebiet für notwendig erachtet.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Internisten Dr. R.-W. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.02.2002 sodann den Rentenantrag ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen sei die Erwerbsfähigkeit zwar beeinträchtigt. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden jedoch noch ausgeübt werden. Damit liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor. Selbst bei Eintritt der Erwerbsminderung im Monat November 2001 wäre der Antrag jedoch abzulehnen gewesen, da in den letzten 5 Jahren keine 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt worden seien.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2002 zurück.

Deswegen erhob der Kläger erneut Klage zum SG. Zur Begründung trug er vor, er sei nicht mehr in der Lage, einer Beschäftigung nachzugehen. Vom Versorgungsamt sei ihm nicht nur ein Grad der Behinderung von 100, sondern auch die Merkzeichen B, G, H und RF zuerkannt worden. Er legte ein augenärztliches Attest des Augenarztes Dr. A. (Sehschärfe bis 22.08.2002: rechts: keine Lichtscheinwahrnehmung, links: 0,4, hochgradige Gesichtsfeldeinschränkung links auf unter 10 Grad) vor.

Die Beklagte äußerte sich hierzu zunächst unter Vorlage einer Stellungnahme des Internisten Dr. W. dahingehend, dass der Kläger seit August 2002 voll erwerbsgemindert sei. Er sei auf dem rechten Auge blind, die Sehschärfe des linken Auges sei mit 0,4 deutlich vermindert. Diese eingeschränkte Sehschärfe würde an sich zwar noch keine rentenrelevante Leistungsminderung nach sich ziehen, da jedoch auch noch eine hochgradige Gesichtsfeldeinschränkung vorliege, sei der Kläger auch auf dem linken Auge praktisch blind. Ein Rentenanspruch ergäbe sich jedoch nicht, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im maßgebenden verlängerten 5-Jahreszeitraum vom 01.09.1996 bis 31.07.2002 lägen nur 29 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten vor. Vorgelegt wurde insoweit ein Versicherungsverlauf vom 14.02.2003.

Das SG hörte daraufhin den Orthopäden Dr. C., Dr. A. und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. als sachverständige Zeugen. Dr. C. teilte mit, er habe beim Kläger ein chronisches Kopfschmerzsyndrom, eine chronische Dorsalgie bei Spondylosis der BWS und eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei degenerativen Veränderungen der LWS diagnostiziert. Dr. A. führte aus, es sei beim Kläger zwischen März 2000 und Juni 2001 zu einer deutlichen funktionellen Verschlechterung auf augenärztlichem Gebiet gekommen. Am 22.11.2001 sei eine Nachstaroperation durchgeführt worden. Postoperativ habe sich keine durchgreifende Sehverbesserung eingestellt. Die Sehschärfe habe sich nur auf 0,4 verbessert. Seit September 2001 (Untersuchung 05.09.2001) sei auch eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung auf unter 10 Grad beidseits nachgewiesen. Wegen der konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung sei der Kläger seit zumindest September 2001 nicht mehr in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Dr. A. fügte die von ihm durchgeführten Gesichtsfelduntersuchungen bei. Dr. S. teilte unter Bezugnahme auf einen eigenen Arztbrief mit, er habe beim Kläger eine somatoform neurasthenisch ausgeformte Schmerzstörung diagnostiziert. Der Kläger sei nicht in der Lage, regelmäßig leichte Tätigkeiten für mindestens 6 Stunden täglich auszuüben.

Die Beklagte äußerte sich hierzu unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Internisten Dr. R.-W. dahingehend, dass der Leistungsfall beim Kläger gemäß dem augenärztlichen Befundbericht des Dr. A. bereits im September 2001 eingetreten sei. Auch in diesem Fall lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht vor.

Nach einer im September 2004 durchgeführten Untersuchung äußerte sich Dr. A. noch einmal ergänzend gegenüber dem SG und teilte mit, dass die Sehschärfe des linken Auges auf 0,2 herabgesunken sei. Ursächlich hierfür sei eine altersbedingte Makuladegeneration der Makulopathie.

Mit Urteil vom 29.10.2004, dem Kläger per Postzustellungsurkunde zugestellt am 23.11.2004, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger sei zwar seit 05.09.2001 erwerbsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt erfülle er jedoch nicht die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Im maßgeblichen 5-Jahreszeitraum vom 05.09.1996 bis 04.09.2001 seien nur 23 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Hiergegen hat der Kläger am 23.12.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er unter Vorlage von Schreiben des Dr. A. und eines Bescheids der Beklagten vom 02.05.2002, wonach ihm Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (Eingliederungshilfe an den Arbeitgeber) in Aussicht gestellt worden sind, vorgetragen, dass der Monat September 2001 nicht als Beginn des Erwerbsunfähigkeitszeitraums angesetzt werden könne, nachdem sich durch die im November 2001 erfolgte Nachstaroperation die Sehschärfe merklich gebessert habe. Er hätte an einem Sehbehindertenarbeitsplatz tätig sein können. Erst seit Juni 2003 habe sich seine Sehschärfe massiv verschlechtert. In diesem Monat und auch im relevanten Monat Juni 2002 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch erfüllt gewesen. Insoweit sei nicht darauf abzustellen, ob eine Tätigkeit noch mindestens 6 Stunden verrichtet werden könne, sondern ob noch ein Leistungsvermögen von mindestens 3 Stunden täglich bestehe. Aus dem beigefügten Schreiben von Dr. A. geht hervor, dass sich das Gesichtsfeld durch die Nachstaroperation nicht verbessert hat. Durch die Gesichtsfeldeinschränkung sei die Mobilität des Klägers erheblich eingeschränkt gewesen. Ob er mit dieser Behinderung mehr als 3 Stunden am Tag hätte arbeiten können, wäre von der Art der Arbeitsausübung abhängig gewesen. Es wäre insoweit eine entsprechende Adaption des Arbeitsplatzes notwendig gewesen. Außerdem hätte der Kläger den Arbeitsplatz nicht selbstständig erreichen können. Ergänzend hat der Kläger noch den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2006 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst einen Versicherungsverlauf vom 17.01.2005, wonach die Zeit vom 25.03.2002 bis 31.12.2004 mit Pflichtbeiträgen belegt ist, und außerdem Äußerungen von Dr. R.-W. vorgelegt. In der zweiten Stellungnahme führt der Arzt aus, dass der Versicherungsfall eher früher als am 5. September 2001 eingetreten sei.

In der Folge hat die Beklagte aufgrund einer Bescheinigung der AOK A. den Versicherungsverlauf noch um den Monat Dezember 2000 ergänzt und ausgeführt, dass damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur erfüllt wären, wenn der Leistungsfall nach dem 02.06.2002 eingetreten wäre.

Im weiteren Verlauf hat die Beklagte außerdem die im Rahmen des vom Kläger gestellten Rehabilitationsantrags angefallenen Unterlagen und den Entlassungsbericht über die zwischen dem 23.08. und 13.09.2005 in der Rheuma-Klinik Bad W. durchgeführte Heilbehandlung zu den Akten gegeben. Nach dem Entlassungsbericht wurde beim Kläger ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom bei Fehlstatik und muskulärer Dysbalance, Blindheit des rechten Auges, hochgradige Sehstörung des linken Auges, arterielle Hypertonie, chronische Herzinsuffizienz und Adipositas diagnostiziert. Der Kläger wurde für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, häufige einseitige Wirbelsäulenzwangshaltungen und andauernde Überkopfarbeiten 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Zu beachten sei auch das stark eingeschränkte Sehvermögen des Klägers. In der sozialmedizinischen Epikrise heißt es im Gegensatz dazu, dass die Entlassung arbeitsfähig für eine leichte Tätigkeit 3 bis unter 6 Stunden erfolgt sei.

Der Senat hat Prof. Dr. B., C-Klinik für Augenkranke in S., mit der Erstattung eines augenärztlichen Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. B., der sich der Mitarbeit der Assistenzärztin G. bedient hat, hat auf dem rechten Auge eine hohe Myopie, Amaurose, Zustand nach Netzhautablösung und Blutung 1982, Hornhautbanddegeneration und Occlusio- und Seclusio pupillae und auf dem linken Auge eine hohe Myopie und Zustände nach Argonlaserkoagualtion eines Netzhautforamens 1984, Phakoemulsifikation mit Hinterkammerlinse Ulm 1998, Nachstarentfernung 11/01 und Nachstarentfernung 7/05 diagnostiziert. Bei der Gesichtsfelduntersuchung hat sich auf dem linken Auge eine konzentrische Einschränkung auf ca. 3 bis 6 Grad vom Zentrum gezeigt. Die Gutachter haben weiter ausgeführt, dass der Kläger nach den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft als blind gelte. Prinzipiell seien ihm alle Tätigkeiten, die von blinden Menschen an einen definierten optimal eingerichteten Arbeitsplatz nach beruflicher Rehabilitation für Blinde ausgeführt werden könnten, möglich. Solche Tätigkeiten könnten von ihm 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche ausgeübt werden. Möglich sei dies aber nur dann, wenn sich die Tätigkeit ausschließlich auf diesen optimal für Blinde eingerichteten Arbeitsplatz beschränke und eine entsprechende berufliche Rehabilitation für Blinde durchgeführt worden sei, nicht jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Gesundheitsstörungen würden Einschränkungen des Arbeitsweges insoweit bedingen, dass die Länge und damit zu benötigende Zeitdauer möglichst kurz sein sollte. Seit wann die besonderen Arbeitsbedingungen unerlässlich seien, sei schwer zu beurteilen. Bis August 2001 sei es zu einem nachstarbedingten weiteren Abfall der Sehschärfe auf 0,3 bis 0,4 gekommen. Außerdem sei eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung bis 15 Grad beschrieben worden. Im November 2001 sei der Nachstar entfernt worden, danach habe die Sehschärfe bei Kontrollen bis Juni 2003 gleichbleibend bei 0,4 bis 0,5 teilweise gelegen. Das Gesichtsfeld sei ebenfalls relativ gleichbleibend bis Juli 2003 mit einer Einschränkung von 15 bis 5 Grad, nach Vergleich mit dem Gesichtsfeld von 2001, eher etwas besser gewesen. Mit einer Sehschärfe von 0,4 sei trotz der Gesichtsfeldeinschränkung ein Einsatz im Arbeitsleben unter der Voraussetzung eines sehbehindertengerechten klar definierten Arbeitsplatzes und einer Schulung bzw. einer beruflichen Rehabilitation für Sehbehinderte und z. B. eines Mobilitätstrainings voll möglich. Zu einer weiteren Verschlechterung sei es erst am Juni 2003 gekommen. Zwischen Herbst 2001 und Juli 2003 habe für den Kläger die Möglichkeit bestanden, an einem klar definierten und sehbehindertengerechten Arbeitsplatz und nach einer beruflichen Rehabilitation für Sehbehinderte/Blinde bzw. einer Schulung wie einem Mobilitätstraining zu arbeiten.

Die Beklagte hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. R.-W. vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, das Gutachten bestätige, dass seit August 2001 eine außergewöhnliche qualitative Leistungseinschränkung vorliege, die eine Tätigkeit zu Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr gestatte. Ein sehbehindertengerechter klar definierter Arbeitsplatz habe nicht vorgelegen, eine entsprechende berufliche Rehabilitation sei nicht durchgeführt worden, deshalb bleibe es bei der Einschätzung, dass bereits ab August 2001 Erwerbsunfähigkeit bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Vorprozessakten des SG S 10 RJ 1298/97, S 10 RJ 141/00 und S 10 RJ 1172/02 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Versicherungsfall ist beim Kläger mit der Feststellung der Gesichtsfeldeinschränkung am 05.09.2001 eingetreten. In der damit maßgeblichen Zeit vom 05.09.1996 bis 04.09.2001 sind nicht mindestens 36 Kalendermonate mit anrechenbaren Pflichtbeiträgen belegt. Damit sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben, so dass der Kläger keinen Anspruch auf eine solche Rente hat.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung und hierbei insbesondere die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz). Der Leistungsfall ist beim Kläger aufgrund der Gesichtsfeldeinschränkung, die am 05.09.2001 von Dr. A. gemessen wurde, am 05.09.2001 eingetreten. Ergänzend wird insoweit auf die wohlbegründeten Stellungnahmen von Dr. R.-W. verwiesen, der herausgestellt hat, dass unabhängig von der Sehschärfe, die sich durch die im November 2001 erfolgte Nachstaroperation wieder kurze Zeit geringfügig verbessert hatte, aufgrund der mit Datum vom 05.09.2001 dokumentierten relevanten Einschränkung des Gesichtsfeldes die Orientierung im Raum (Arbeitsplatz, Weg zur Arbeit) seit diesem Zeitpunkt massiv erschwert gewesen ist und deshalb der Versicherungsfall eingetreten ist. Aufgrund dieser Gesichtsfeldeinschränkung bis 15 Grad, die sich anschließend nicht mehr gebessert, vielmehr im weiteren Verlauf weiter verschlechtert hat, war der Kläger unfähig, einen Arbeitsplatz zu erreichen, da er im Straßenverkehr bewegte Objekte im peripheren Gesichtsfeld nicht mehr erfassen konnte. Außerdem waren ab diesem Zeitpunkt auch besondere Bedingungen am Arbeitsplatz erforderlich. Dieser muss seit diesem Datum die Voraussetzungen, die an einen Arbeitsplatz für Blinde zu stellen sind, erfüllen. Dies stellt eine spezifische Leistungseinschränkung dar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind solche Arbeitsplätze nicht vorhanden, so dass der Leistungsfall eingetreten ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Schreiben des Dr. A ... Dr. A. weist darin noch einmal darauf hin, dass er im August 2001 eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung bis 15 Grad festgestellt habe. Der nächste Gesichtsfeldbefund am 31.07.2003 habe eine konzentrische Einschränkung auf 5 bis 15 Grad gezeigt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass zwischen November 2001 und September 2002 das Gesichtsfeld nicht besser gewesen sei. Hierdurch sei die Mobilität des Klägers erheblich eingeschränkt gewesen. Eine berufliche Tätigkeit hätte nur an einem Arbeitsplatz erfolgen können, der entsprechend adaptiert gewesen sei. Hierfür wäre eine berufliche Rehabilitation erforderlich gewesen. Diese Ausführungen entsprechen der von Dr. A. erteilten sachverständigen Zeugenauskunft. Der Arzt bleibt dabei, dass durch die festgestellte Gesichtsfeldeinschränkung zum einen ein blindengerechter Arbeitsplatz notwendig und zum anderen die Mobilität erheblich eingeschränkt war.

Der Eintritt des Leistungsfalls mit Feststellung der Gesichtsfeldeinschränkung am 05.09.2001 wird auch durch das von Prof. Dr. B. erstattete Gutachten belegt. Der Gutachter führt aus, dass es bis August 2001 zu einem nachstarbedingten weiteren Abfall der Sehschärfe auf 0,3 bis 0,4 und außerdem einer konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung bis 15 Grad gekommen sei. Nachdem der Nachstar im November 2001 entfernt worden sei, habe die Sehschärfe bis Juni 2003 gleichbleibend bei 0,4 bis 0,5 teilweise gelegen. Das Gesichtsfeld sei ebenfalls bis Juli 2003 mit einer Einschränkung von 15 bis 5 Grad gleichbleibend gewesen. Mit einer Sehschärfe von 0,4 sei trotz der Gesichtsfeldeinschränkung ein Einsatz im Arbeitsleben unter der Voraussetzung eines sehbehindertengerechten klar definierten Arbeitsplatzes und einer Schulung bzw. einer beruflichen Rehabilitation für Sehbehinderte, und zum Beispiel eines Mobilitätstrainings, voll möglich gewesen. Auch dies bedeutet, dass ab August/September 2001 dem Kläger nur noch eine Tätigkeit an einem Sehbehindertenarbeitsplatz nach vorausgegangener Schulung möglich war. Einen Arbeitsplatz unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes stellt dies nicht dar. Der Kläger konnte ab diesem Zeitpunkt nur noch an einem Arbeitsplatz arbeiten, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblicherweise nicht zur Verfügung steht. Einen solchen Arbeitsplatz hatte er nicht. Eine Rehabilitation war nicht durchgeführt worden. Damit ist der Leistungsfall eingetreten, denn nach § 43 SGB VI liegt eine volle Erwerbsminderung vor, wenn eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr möglich ist.

Dies steht auch im Einklang mit den eigenen Angaben des Klägers. Im Rentenantrag, der bereits vom 08.11.2001 stammt, hat er angegeben, dass er sich seit 22.05.2001 für berufs- bzw. erwerbsunfähig halte. Prof. Dr. B. gegenüber meinte er, er sei bis Ende 2002 in der Lage gewesen, an einem definierten sehbehindertengerechten Arbeitsplatz zu arbeiten.

Aufgrund der Angabe von Prof. Dr. B. und seiner Mitarbeiterin G., der Versicherungsfall sei erst nach dem 02.06.2002 anzunehmen, ist hiervon nicht abzuweichen. Dieses Datum ist im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen der Gutachter zu sehen, wonach der Kläger zumindest bis Juni 2002 in der Lage gewesen sei, an einem sehbehindertengerechten klar definierten Arbeitsplatz nach vorausgegangener Schulung zu arbeiten. Erst in der Folge habe er auch einen solchen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen können. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, ob eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen am allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet werden kann. Dies war dem Kläger - wie ausgeführt - seit 05.09.2001 nicht mehr möglich.

Ein anderes Ergebnis vermag auch der Entlassungsbericht über die vom Kläger im August/September 2005 in der Rheuma-Klinik in Bad W. durchgeführte Heilbehandlung nicht zu rechtfertigen. Zwar gehen die Ärzte - widersprüchlich - davon aus, der Kläger könne noch 6 Stunden bzw. 3 bis unter 6 Stunden versicherungspflichtig tätig sein. Abgesehen von dieser Ungereimtheit, behandelten die dort tätigen Ärzte, die Internisten, Rheumatologen und Ärzte für physikalische und rehabilitative Medizin Prof. Dr. J. und Dr. S. sowie der Arzt für Allgemeinmedizin A., den Kläger wegen Erkrankungen und Schmerzen in den Gelenken und in der Wirbelsäule. In diesem Zusammenhang ist auch ihre Leistungsbeurteilung zu sehen. Die Augenerkrankung nahmen sie nur zur Kenntnis. Die Leistungseinschätzung bezieht sich hierauf nicht.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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