L 1 U 2396/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 821/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2396/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen einer als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit Rente zusteht.

Der am 25.06.1944 geborene Kläger war als Textilarbeiter ab 1975 beschäftigt. Im Oktober 2003 zeigte Dr. T. der Beklagten eine Schwerhörigkeit des Klägers als mögliche Berufskrankheit an unter Beifügung des im Oktober 2003 erstellten Tonaudiogramms. In den eingeholten Auskünften vom 11.11.2003 und 13.10.2004 der Beschäftigungsfirma wurde die Tätigkeit des Klägers von 1975 bis 1995 an der Ringspinnmaschine mit einem Dauerschallpegel von 85 bis 90 dB, die Tätigkeit von 1995 bis zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2002 mit einem Dauerschallpegel von 91 bis 98 dB angegeben. Mit Bescheid vom 24.11.2003 anerkannte die Beklagte die beidseitige Hörstörung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), lehnte aber die Gewährung einer Rente ab. Nach dem Tonaudiogramm vom 13.10.2003 verursache der Lärmschaden keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 13.12.2002 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, als er auf Glatteis ausgerutscht und auf den Rücken gestürzt war. Die Beklagte gewährte hierfür Verletztengeld und Heilbehandlung, lehnte aber mit Bescheid vom 03.03.2004 die Gewährung von Verletztenrente ab, denn die als Unfallfolge festgestellte Keilform eines knöchern fest verheilten Bruchs des 12. Brustwirbelkörpers verursache nur eine MdE von 10 v.H. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004) hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben (S 9 U 1786/04), über die noch nicht entschieden ist.

Am 26.05.2004 beantragte der Kläger im Wege einer Zugunstenentscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X, ihm wegen der anerkannten Berufskrankheit Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte holte von Dr. F. das Gutachten vom 23.06.2004 ein. Darin beschrieb die Gutachterin einen Hörverlust von 20% beidseits nach dem Sprachaudiogramm und einen Hörverlust nach dem Tonaudiogramm von 15% beidseits. Ein Tinnitus liege nicht vor. Die aus der Schwerhörigkeit folgende MdE betrage bei dem gebrochen Deutsch sprechenden Kläger 10 v.H. Dieser Einschätzung widersprache die staatliche Gewerbeärztin Dr. G. in ihrer Stellungnahme vom 22.11.2004. Da der Kläger über keine ausreichend gute Deutschkenntnisse verfüge, seien die im Sprachaudiogramm registrierten Hörverluste höher als bei einem Versicherten mit guten Deutschkenntnissen. Nach den Empfehlungen im "Königsteiner Merkblatt" sei in solchen Fällen auf das Tonaudiogramm zurückzugreifen, das im allgemeinen einen höheren Hörverlust als das Sprachaudiogramm registriere. Nach dem Tonaudiogramm der Gutachterin habe sich ein Hörverlust von 15% ergeben, der nach den Richtlinien eine MdE von unter 10 v.H. begründe. Außerdem sei der Kläger nur bis Dezember 2002 lärmexponiert gewesen, bei der Untersuchung von Dr. T. am 13.10.2003 habe die gesamte Hörstörung eine MdE von 10 v.H. noch nicht erreicht. Nach Beendigung der Lärmexposition schreite nach medizinischen Erkenntnissen jedoch eine lärmtraumatische Hörstörung nicht fort.

Mit Bescheid vom 13.12.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, denn eine durch die Hörstörung bedingte MdE von mindestens 10 v.H. werde nicht erreicht. Ein Anspruch auf Rente bzw. Stütz-Rente bestehe weiterhin nicht.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Die Gutachterin Dr. F. äußerte sich unter dem 13.12.2004 ergänzend zu der ihr zugeleiteten Stellungnahme der staatlichen Gewerbeärztin. Sie stimmte deren Einschätzung zu, dass unter Berücksichtigung des Tonaudiogramms vorliegend eine MdE von unter 10 v.H. anzunehmen sei und eine nicht entschädigungspflichtige Lärmschwerhörigkeit vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 07.03.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und hat geltend gemacht, seine Lärmschwerhörigkeit verursache eine MdE von 20 v.H.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2005 die Klage abgewiesen und sich auf die ärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. und Dr. G. gestützt.

Der Kläger hat am 13.06.2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31.05.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKVO anerkannten Lärmschwerhörigkeit eine Rente nach einer MdE von wenigstens 10 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 15.03.2006 eingeholt. Darin hat sich der Sachverständige der Auffassung von Dr. F. und Dr. G. angeschlossen. Aus der beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit resultiere eine MdE von unter 10 v.H. Hierbei sei ein ab und zu auftretender Tinnitus, der vom Kläger als nicht störend angegeben worden sei, integrierend mit einer MdE von 0 v.H. berücksichtigt.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids, der im Rahmen des vom Kläger beantragten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X als das abgeschlossene Verwaltungsverfahren wieder eröffnender Zweitbescheid (vgl. Engelmann: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 31 Rdnr. 31) erlassen wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen der als Berufskrankheit nach Nr. 2301 anerkannten Lärmschwerhörigkeit.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 SGB VII).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente. Alle begutachtenden Ärzte im vorliegenden Verfahren haben für den Senat überzeugend die aus der Berufskrankheit Nr. 2301 folgende MdE mit weniger als 10 v.H. eingeschätzt. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob der Kläger aus einem anderen Versicherungsfall eine Erwerbsminderung von mindestens 10 v.H. erlitten hat. Die Folgen der anerkannten berufsbedingten Hörstörung rechtfertigen daher keine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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