Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 158/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2346/06 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zu den Rechtsvoraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens, wenn sich im Lauf des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist.
2. Liegen die Rechtsvoraussetzungen für eine Aussetzung vor, steht diese im Ermessen des Gerichts. Das Gericht muss deshalb die im Einzelfall maßgebenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen und in der getroffenen Entscheidung darstellen.
2. Liegen die Rechtsvoraussetzungen für eine Aussetzung vor, steht diese im Ermessen des Gerichts. Das Gericht muss deshalb die im Einzelfall maßgebenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen und in der getroffenen Entscheidung darstellen.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. April 2006 aufgehoben.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers, welcher das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist begründet.
Gemäß § 114 Abs. 3 SGG kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung des unter dem Aktenzeichen S 8 AL 158/06 vor dem SG geführten Klageverfahrens liegen zwar vor, denn die vom Hauptzollamt S. durchgeführten Ermittlungen begründen den Verdacht, dass der Kläger ab 1. Mai 2004 mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit in größerem Umfang, als gegenüber der Agentur für Arbeit R. angegeben, als Taxifahrer beschäftigt gewesen ist. Sollte sich dieser Sachverhalt als zutreffend erweisen, hätte der Kläger ab 1. Mai 2004 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt; in strafrechtlicher Hinsicht käme ein vollendeter Betrug (§ 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs) zu Lasten der Beklagten in Betracht.
Die im Strafverfahren durchzuführenden Ermittlungen können zudem Einfluss auf die Entscheidung des SG haben. Für die Erfüllung des Betrugstatbestands ist von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger tatsächlich in mehr als geringfügigem Umfang beschäftigt gewesen und gegenüber der Agentur für Arbeit (vorsätzlich) unzutreffende Angaben zum Umfang der Beschäftigung gemacht hat. Deshalb werden diese, auch für die arbeitsförderungsrechtliche Beurteilung des Sachverhalts zentralen Gesichtspunkte aller Voraussicht nach Gegenstand der von den Ermittlungsbehörden bzw. dem Strafgericht durchzuführenden Ermittlungen sein. Den Strafverfolgungsbehörden stehen insoweit weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung als dem Sozialgericht. So können diese - anders als das SG - z. B. Durchsuchungen anordnen oder Geschäftsunterlagen beschlagnahmen. Unter anderem dieser Umstand kann eine Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens gerade in solchen Fällen rechtfertigen, in denen - wie hier - vorrangig der tatsächliche Sachverhalt und nicht dessen (sozialversicherungs-) rechtliche Beurteilung im Streit steht.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist hingegen nicht erforderlich, dass die zu treffende strafgerichtliche Entscheidung Bindungswirkung für den Sozialgerichtsprozess entfaltet. Es genügt vielmehr, dass die Ermittlungsergebnisse des Strafverfahrens für die Entscheidung des SG Bedeutung erlangen können. Dies kann vor allem im Rahmen der Beweiswürdigung der Fall sein (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rdnr. 4).
Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss vom 11. April 2006 erweist sich gleichwohl als rechtswidrig, da die Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, der angefochtene Beschluss eine solche Ermessensentscheidung aber nicht erkennen lässt. Liegen die Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 SGG vor, hat das Gericht in Ausübung seines Ermessens abzuwägen, ob eine Aussetzung der Verhandlung zweckmäßig ist. Für eine Aussetzung sprechende Umstände können neben den bereits genannten erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden z. B. eine sich durch die Aussetzung ergebende Arbeitserleichterung, die Vermeidung von Doppelermittlungen oder die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen sein. Auf der anderen Seite ist gegebenenfalls eine Verzögerung der sozialgerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Die für das Gericht im konkreten Einzelfall maßgebenden Gesichtspunkte sind gegeneinander abzuwägen und in der getroffenen Entscheidung darzustellen (Hessisches LSG, Beschluss vom 27. September 2001 - L 3 B 73/01 - veröffentlicht in Juris; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rdnr. 5 m.w.N.). Ist die Entscheidung des SG -wie hier - überhaupt nicht begründet, ist eine Ermessensentscheidung nicht erkennbar und der angefochtene Beschluss allein aus diesem Grund aufzuheben (Meyer-Ladewig a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 2534).
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers, welcher das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist begründet.
Gemäß § 114 Abs. 3 SGG kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung des unter dem Aktenzeichen S 8 AL 158/06 vor dem SG geführten Klageverfahrens liegen zwar vor, denn die vom Hauptzollamt S. durchgeführten Ermittlungen begründen den Verdacht, dass der Kläger ab 1. Mai 2004 mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit in größerem Umfang, als gegenüber der Agentur für Arbeit R. angegeben, als Taxifahrer beschäftigt gewesen ist. Sollte sich dieser Sachverhalt als zutreffend erweisen, hätte der Kläger ab 1. Mai 2004 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt; in strafrechtlicher Hinsicht käme ein vollendeter Betrug (§ 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs) zu Lasten der Beklagten in Betracht.
Die im Strafverfahren durchzuführenden Ermittlungen können zudem Einfluss auf die Entscheidung des SG haben. Für die Erfüllung des Betrugstatbestands ist von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger tatsächlich in mehr als geringfügigem Umfang beschäftigt gewesen und gegenüber der Agentur für Arbeit (vorsätzlich) unzutreffende Angaben zum Umfang der Beschäftigung gemacht hat. Deshalb werden diese, auch für die arbeitsförderungsrechtliche Beurteilung des Sachverhalts zentralen Gesichtspunkte aller Voraussicht nach Gegenstand der von den Ermittlungsbehörden bzw. dem Strafgericht durchzuführenden Ermittlungen sein. Den Strafverfolgungsbehörden stehen insoweit weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung als dem Sozialgericht. So können diese - anders als das SG - z. B. Durchsuchungen anordnen oder Geschäftsunterlagen beschlagnahmen. Unter anderem dieser Umstand kann eine Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens gerade in solchen Fällen rechtfertigen, in denen - wie hier - vorrangig der tatsächliche Sachverhalt und nicht dessen (sozialversicherungs-) rechtliche Beurteilung im Streit steht.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist hingegen nicht erforderlich, dass die zu treffende strafgerichtliche Entscheidung Bindungswirkung für den Sozialgerichtsprozess entfaltet. Es genügt vielmehr, dass die Ermittlungsergebnisse des Strafverfahrens für die Entscheidung des SG Bedeutung erlangen können. Dies kann vor allem im Rahmen der Beweiswürdigung der Fall sein (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rdnr. 4).
Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss vom 11. April 2006 erweist sich gleichwohl als rechtswidrig, da die Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, der angefochtene Beschluss eine solche Ermessensentscheidung aber nicht erkennen lässt. Liegen die Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 SGG vor, hat das Gericht in Ausübung seines Ermessens abzuwägen, ob eine Aussetzung der Verhandlung zweckmäßig ist. Für eine Aussetzung sprechende Umstände können neben den bereits genannten erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden z. B. eine sich durch die Aussetzung ergebende Arbeitserleichterung, die Vermeidung von Doppelermittlungen oder die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen sein. Auf der anderen Seite ist gegebenenfalls eine Verzögerung der sozialgerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Die für das Gericht im konkreten Einzelfall maßgebenden Gesichtspunkte sind gegeneinander abzuwägen und in der getroffenen Entscheidung darzustellen (Hessisches LSG, Beschluss vom 27. September 2001 - L 3 B 73/01 - veröffentlicht in Juris; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rdnr. 5 m.w.N.). Ist die Entscheidung des SG -wie hier - überhaupt nicht begründet, ist eine Ermessensentscheidung nicht erkennbar und der angefochtene Beschluss allein aus diesem Grund aufzuheben (Meyer-Ladewig a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 2534).
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
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