L 8 AL 4802/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 2494/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4802/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Schränkt ein Arbeitsloser bei der Stellung eines Antrages auf Arbeitslosengeld seine Verfügbarkeit im Antragsformular auf die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr ein, steht er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.
2. Das tatsächliches Verhalten des Arbeitslosen und der Agentur für Arbeit kann jedoch zur Folge haben, dass die schriftlich erfolgte Einschränkung der zeitlichen Verfügbarkeit konkludent geändert und dadurch rückwirkend ab Antragstellung gegenstandslos geworden ist. Dies ist anzunehmen, wenn die Agentur für Arbeit die vom Arbeitslosen gemachte zeitliche Einschränkung bei ihrer Vermittlungstätigkeit ignoriert und der Arbeitslose sich ohne Beachtung der ursprünglich gemachten Einschränkung auf die ihm angebotenen Stellen sowie auf Stellenangebote in Zeitungen bewirbt.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2003 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 3. Januar 2001 bis 8. August 2001 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für die Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Der am 1955 geborene Kläger war vom 05.06.1989 bis 31.03.2000 und vom 04.10.2000 bis 31.12.2000 beim gleichen Arbeitgeber als Metallhilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Zu den Gründen der durch ihn erfolgten Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.03.2000 gab der Kläger gegenüber dem Arbeitsamt Stuttgart (AA) an, da seine Ehefrau den ganzen Tag (als Krankenschwester) arbeite habe er sich um die Betreuung seiner beiden 6 und 7 Jahre alten Kinder kümmern müssen, so dass er die Beschäftigung nicht mehr habe ausüben können. Er suche eine reine Nachtarbeit. Die mit Bescheid vom 13.04.2000 erfolgte Bewilligung von Alg hob das AA mit Bescheid vom 22.09.2000 (Widerspruchsbescheid vom 10.04.2002) mit der Begründung auf, der Kläger stehe bereits seit 01.04.2000 in einem Beschäftigungsverhältnis. Gleichzeitig verlangte es die Erstattung des bis 31.08.2000 gezahlten Alg nebst Versicherungsbeiträgen. Der Steuerberater der Arbeitgeberin des Klägers hatte am 01.08.2000 bescheinigt, der Kläger sei vom 01.04. bis 01.06.2000 als Fahrer und ab 01.06.2000 bis auf weiteres als Aushilfsfahrer beschäftigt gewesen. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sich der Kläger gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 01.04.2000 und die entsprechende Rückforderung der Beklagten wandte. Der Rechtsstreit endete nach Vernehmung eines Mitarbeiters des damaligen Arbeitgebers des Klägers als Zeugen mit einem Vergleich, wonach dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2000 bis 17.09.2000 Alg zusteht und das in den Monaten ab April 2000 jeweils erzielte Nebeneinkommen hierauf angerechnet wird.

Am 26.09.2000 gab der Kläger gegenüber dem AA an, er suche noch eine Nachmittagsbetreuung für seine Kinder und könne dann wieder bei seiner alten Firma anfangen zu arbeiten. Am 04.10.2000 nahm er diese Tätigkeit wieder auf, kündigte dieses Arbeitsverhältnis aber wieder zum 31.12.2000 mit der Begründung, seine Ehefrau und er hätten aufgrund ihrer Vollzeitbeschäftigungen eine durchgängige Betreuung ihrer Kinder, die zuvor ganztägig in einem Kinderhort untergebracht gewesen seien, seit ihrer Einschulung nicht mehr gewährleisten können. Da seine Ehefrau als Krankenschwester im Öffentlichen Dienst beschäftigt und zudem ihr Arbeitsplatz nicht weit von ihrer Wohnung entfernt sei, hätten sie sich entschlossen, dass er sich um eine andere Beschäftigung bemühe, um eine abwechselnde Betreuung der Kinder sicherzustellen.

Am 03.01.2001 meldete sich der Kläger beim AA arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag auf Alg vom 15.01.2001 gab er an, seine Vermittlungsfähigkeit sei nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden eingeschränkt. Ferner ist in diesem am 10.01.2001 vom Arbeitsvermittler G. unterzeichneten Teil des Antrages angegeben, die dem Kläger mögliche Arbeitszeit sei nach Stundenzahl bzw. Lage/Verteilung eingeschränkt und zwar auf die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Die Frage im Antragsformular, ob die Betreuung der Kinder stets sichergestellt sei, wenn der Kläger diese nicht übernehmen könne, wurde bejaht. Mit Bescheid vom 18.01.2001 lehnte das AA den Antrag des Klägers auf Alg ab. Er habe erklärt, nur von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr arbeiten zu können, so dass er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe und nicht arbeitslos sei. Die vom Kläger angegebene Arbeitszeit stimme hinsichtlich ihrer Lage nicht mit dem Beginn oder Ende üblicher Vollzeitarbeit überein bzw. Lage und Dauer der ihm nur möglichen Arbeitszeit entspreche nicht dem Beginn oder Ende des einschlägigen Teilzeitarbeitsmarktes.

Dagegen legte der Kläger am 21.02.2001 Widerspruch ein und machte geltend, er habe Anspruch auf Alg, da er in vollem zeitlichen Umfang verfügbar sei. Er habe mit keinem Wort zum Ausdruck gebracht, dass er nur von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr arbeiten könne. Im Gegenteil, er suche eine Vollzeitbeschäftigung entweder tagsüber, die ihm bei entsprechenden Schichten eine Betreuung der Kinder teilweise erlaube oder eine Nachtarbeit. Es sei ohnehin so, dass seine Ehefrau auch die Möglichkeit habe, entsprechende Schichten zu tauschen, so dass hier eine vollständige Flexibilität vorhanden sei. Das Antragsformular sei am 10.01.2001 während eines Termins von Herrn G. ausgefüllt worden, der offensichtlich Umstände angegeben habe, die nicht seinen Angaben entsprochen hätten.

Bereits vor Erlass des Bescheides vom 18.01.2001 hatte das AA dem Kläger mit Schreiben vom 17.01.2001 ein Angebot für eine Vollzeitstelle bei der Firma H. in B. gemacht. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger auch, wurde aber nicht eingestellt. Weitere Stellenangebote wurden dem Kläger mit Schreiben des AA vom 15.02.2001, 05.04.2001, 11.07.2001 und 09.08.2001 gemacht.

Das AA holte dienstliche Stellungnahmen der Arbeitsberater G. und J. jeweils vom 11.04.2001 ein und wies anschließend den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2001 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg, da er den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung stehe. Zum zur Klärung der Verfügbarkeit des Klägers vereinbarten Termin am 02.05.2001 um 12.00 Uhr sei er bereits um 9.45 Uhr erschienen und habe angegeben, dass er nicht später kommen könne, weil er seine Kinder von der Schule abholen müsse und ab 14.00 Uhr arbeite. Seine Ehefrau könne seit dem 01.04.2001 die Arbeitszeit reduzieren; es müsse aber beantragt werden und dauere ca. 14 Tage bis vier Wochen. Damit sei festzustellen, dass der Kläger nicht sofort eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen könne. Für die Verfügbarkeit reiche es aber nicht aus, im Falle eines Stellenangebots die Voraussetzungen für eine Arbeitsaufnahme erst zu schaffen, sondern sie müssten aktuell - und sofort - gegeben sein.

Vom 15.12.2000 bis 31.01.2001 arbeitete der Kläger insgesamt 50 Stunden für Wohnungseigentümergemeinschaften. Am 29.01.2001 nahm der Kläger eine Nebentätigkeit als Wagenwäscher im zeitlichen Umfang von 50 Stunden pro Monat auf. Die Aufnahme dieser Tätigkeit hatte der Kläger der Beklagten am 26.01.2001 telefonisch mitgeteilt. Am 09.08.2001 meldete sich der Kläger beim AA erneut arbeitslos und gab an, seine Vermittlungsfähigkeit sei jetzt nicht mehr eingeschränkt. Seine Kinder seien ab sofort in einem Kinderhort untergebracht, der auch in den Ferien geöffnet sei. Daraufhin bewilligte das AA dem Kläger ab 09.08.2001 Alg.

Am 21.05.2001 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, mit der er einen Anspruch auf Alg auch für die Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 geltend macht. Die Beklagte habe bei ihm zu Unrecht Verfügbarkeit verneint. Schon mit dem Widerspruch habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für eine vollschichtige Tätigkeit zur Verfügung stehe. Es sei zwischen seiner Ehefrau und ihm abgesprochen, dass seine Ehefrau für den Fall, dass er eine Vollzeitstelle finde, ihre Arbeit auch reduzieren könne. Hierfür werde zwar nach Angaben des Arbeitgebers seiner Ehefrau eine Umstellungszeit von 14 Tagen benötigt. Diese Zeit könne von seiner Ehefrau und ihm aber ohne weiteres mit Urlaub oder mit Hilfe von Verwandten und Bekannten überbrückt werden. Der Kläger brachte ferner vor, er habe weder zu irgendeinem Zeitpunkt angegeben, dass er lediglich für eine Beschäftigung zwischen 20.00 Uhr und 22. 00 Uhr zur Verfügung stehe noch, dass es ihm um eine reine Nachtarbeit gehe. Vielmehr habe er eine Vollzeitstelle gesucht, die sich wegen der Betreuung der Kinder mit der Schichtarbeit seiner Ehefrau habe vereinbaren lassen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, der Kläger habe seine Beschäftigung zum 31.12.2000 aufgegeben, weil eine durchgängige Betreuung der Kinder bei der Vollzeitarbeit beider Elternteile nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Hierzu hat die Beklagte die Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin K. vom 26.07.2001 vorgelegt, wonach geeignete Arbeitsplätze für reine Nachtarbeit, die für den Kläger in Frage kämen, nicht bekannt seien. Der Kläger habe sich am 10.01.2001 ausschließlich für eine Arbeitszeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr zur Verfügung gestellt. Von Nachtarbeit sei während der Vermittlungsgespräche mit ihr zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 18.09.2003 den Kläger angehört und R. G. und M. J., Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt Stuttgart, als Zeugen vernommen.

Der Kläger hat angegeben, sie seien am 15.12.2000 an den Marienplatz umgezogen. Da die Betreuung der Kinder - diese seien bis dahin bis 16.00 Uhr in einem Kindertagheim untergebracht gewesen - nicht mehr sichergestellt gewesen sei, habe er sein Beschäftigungsverhältnis wieder gekündigt und sich im Januar 2001 erneut beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Auf die Frage des Zeugen G., zu welchen Zeiten er arbeiten könne, habe er ihm gesagt, dass er in Nachtschicht so ca. ab 20.00 Uhr arbeiten könne. Daraufhin habe dieser ihm gesagt, es gäbe für diese Zeit keine Arbeit. Das AA selber habe ihm aber dann ein Arbeitsangebot zugesandt mit einer Arbeitszeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr morgens. Der Zeuge G. habe ihn aber nicht auf die Konsequenzen für den Arbeitslosengeldbezug hingewiesen. Das Antragsformular habe er nochmals durchgelesen, bevor er es unterschrieben habe. Er sei so nervös gewesen, weil ihn der Zeuge G. beleidigt gehabt habe.

Der Zeuge G. hat angegeben, der Kläger habe ihm gesagt, er wisse nicht, wann er arbeiten könne, weil seine Ehefrau noch einen Antrag auf Teilzeitarbeit oder ähnliches stellen müsse. Darauf hingewiesen, dass er eine konkrete Arbeitszeit angeben müsse, habe er die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr genannt. Er habe dann den Kläger über die Rechtsfolgen belehrt, weil es sich hierbei um eine geringfügige Zeit handele und damit keine Verfügbarkeit vorgelegen habe und ihm die Möglichkeit gegeben, die angegebene Zeit zu ändern. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger gesagt hat, dass er mit 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr nur den Zeitpunkt des Arbeitsantrittes meine. Er hätte dies jedenfalls deutlich so sagen müssen. Der Kläger hätte auch jederzeit seine Angaben wieder ändern können. Er habe dies aber nicht getan. Der Kläger habe zum Ausdruck gebracht, dass er seine Kinder betreuen müsse und deshalb nicht arbeiten könne.

Der Zeuge J. hat ausgeführt, der Kläger sei vom Zeugen G. in seiner Anwesenheit darauf hingewiesen worden, dass durch die von ihm angegebene Stundenzahl die Mindestgrenze von 15 Stunden nicht erreicht werde und die Lage der Arbeitszeit nicht üblich sei. Der Kläger habe wiederholt erklärt, dass er sich auf zwei Stunden, also von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr, einschränke. Soweit er sich erinnere, habe der Kläger nicht deutlich gesagt, dass er mit 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr den Beginn der Arbeitszeit gemeint habe, sondern es sei vielmehr um den Zeitkorridor gegangen, in dem er überhaupt habe arbeiten können.

Mit Urteil vom 18.09.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Alg nicht zu, weil er sich nicht im erforderlichen Umfang der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Zwar sei ein Arbeitsloser auch dann arbeitsbereit und arbeitsfähig, wenn er bereit oder in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nur versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen mit bestimmter Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit aufzunehmen und auszuüben, wenn dies wegen der Betreuung und Erziehung eines aufsichtsbedürftigen Kindes oder Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen erforderlich ist. Davon, dass sich der Kläger in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt hat, könne es sich jedoch nicht überzeugen. Dagegen würden eindeutig seine Angaben im Antrag auf Alg sprechen, in dem er die ihm mögliche Arbeitszeit auf 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr eingeschränkt habe. Diesen Antrag habe er nach dessen Aushändigung am 10.01.2001 am 15.01.2001 unterschrieben, so dass er sich die vom Zeugen G. eingetragenen Angaben in Ruhe anschauen und auf ihre Richtigkeit hin habe überprüfen können. Im Antrag sei auch nicht vermerkt, dass es sich insoweit nur um den Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Arbeitsschicht habe handeln sollen. Dagegen sprächen vor allem die Angaben der Zeugen G. und J ... Soweit der Kläger vorbringe, die 14 Tage, die notwendig gewesen wären, um die Arbeitszeit seiner Ehefrau nach einem entsprechenden Arbeitsangebot umstellen zu können, hätte jederzeit durch Verwandte, Freunde etc. überbrückt werden können, reiche dies für die Bejahung der Verfügbarkeit nicht aus. Der Kläger hätte konkret sagen müssen, wie er die Betreuung seiner Kinder - ab sofort - sicherstellen wolle.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 31.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.11.2003 Berufung eingelegt. Er macht geltend, ihm stehe vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 Alg zu. Seine Verfügbarkeit in diesem Zeitraum sei zu bejahen und auch nachgewiesen. Entgegen dem angefochtenen Urteil sei mit der Angabe 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr im Antrag auf Alg nicht die Arbeitszeit, sondern der Arbeitsbeginn gemeint. Im Übrigen habe er seine Verfügbarkeit mit Einlegung des Widerspruchs am 21.02.2001, spätestens aber mit Klageerhebung am 21.05.2001 dargelegt. Mit der entsprechenden schriftlichen Erklärung sei seine Verfügbarkeit nachgewiesen. Unabhängig davon, dass er von Anfang an vorgebracht habe, dass bis zur Schichtumstellung seiner Ehefrau bei Antritt einer eigenen Vollzeitarbeitsstelle eine Überbrückung der Kinderbetreuung jederzeit und sofort gewährleistet gewesen wäre, könne er, nachdem dies von der Beklagten erst jetzt von ihm verlangt werde, die in Frage kommenden Betreuungspersonen - zwei seiner in Stuttgart wohnhaften Schwägerinnen namentlich sowie weitere Bekannte und Freunde von ihm - auch namentlich benennen. Die benannten Personen könnten dies auch bezeugen. Im Übrigen habe er sich damals selbst auf verschiedene Vollzeitstellen beworben, die ihm durch den Stellenservice des Arbeitsamts bekannt geworden seien. Als Beleg für die Richtigkeit seiner Angaben legt er mehrere Schreiben verschiedener Firmen (Ferrum-Objekte, Lufthansa-Service, Aldi Süd, Herma usw.) aus der Zeit vom 02.04.2001 bis 25.07.2001 vor, mit dem seine jeweiligen Bewerbungen auf freie Stellen abschlägig beschieden worden sind.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. September 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 3. Januar 2001 bis 8. August 2001 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei im fraglichen Zeitraum nicht verfügbar gewesen. Dies belegten die Angaben der vom SG gehörten Zeugen. Es genüge nicht, beim Arbeitsamt vorzusprechen und auf eine mögliche zukünftige Verfügbarkeit in vollem Umfang hinzuweisen bzw. bei teilweiser Verfügbarkeit den Zeitrahmen offen zu lassen, weil zu diesem Zeitpunkt die Frage der gegenseitigen Vertretung mit der Ehefrau und gegebenenfalls Freunden nicht abgeklärt sei. Im Übrigen sei eine schriftliche Mitteilung der Verfügbarkeit, wenn diese gerade zweifelhaft sei, nicht ausreichend. Die Verfügbarkeit sei vom Kläger nachzuweisen, wenn - wie hier - Zweifel daran bestünden. Durch eine im Nachhinein abgegebene Erklärung könnten Zweifel ebenso wenig wie durch die Vorlage von Bewerbungen auf Vollzeitstellen ausgeräumt werden. Es stelle sich die Frage, wie der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben ausführen könne, er suche eine Vollzeitbeschäftigung, wenn er wegen der nicht sichergestellten Kinderbetreuung gerade seine vorherige Vollzeitbeschäftigung aufgegeben habe. Die Kinderbetreuung sei für den Fall einer Arbeitsaufnahme seitens des Klägers trotz seines anders lautenden Vorbringens gerade nicht sichergestellt gewesen, da die Kinderbetreuung nicht sofort anderweitig habe übernommen werden können. Dass die angeblichen Betreuungspersonen vom Kläger jetzt nachträglich namentlich benannt worden seien, ändere hieran nichts. Bestätigungen dieser Personen lägen nicht vor und erschienen im Übrigen höchst zweifelhaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem ein Anspruch des Klägers auf Alg für die Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 mangels (subjektiver) Verfügbarkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum abgelehnt worden ist, entspricht nicht der Sach- und Rechtslage und ist damit rechtswidrig. Der Kläger stand in der Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, so dass ihm für diesen Zeitraum unter Anrechnung des von ihm erzielten Nebeneinkommens dem Grunde nach Alg zusteht.

Anspruch auf Alg hat gemäß § 117 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (SGB III) in der bis 31.12.2004 geltenden und hier maßgeblichen Fassung, wer arbeitslos ist, die Anwartschaftszeit erfüllt und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Hier steht fest, dass beim Kläger ab 03.01.2001 die Voraussetzungen der Arbeitslosmeldung, der Beantragung von Alg sowie die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit einschließlich der objektiven Verfügbarkeit (§§ 118, 119 SGB III) erfüllt waren. Umstritten ist jedoch, ob der Kläger in der Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 auch subjektiv verfügbar war. Verfügbar ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III aF). Arbeitsfähig ist ua. ein Arbeitsloser, der eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 3 SGB III aF.). Arbeitsbereit und arbeitsfähig ist der Arbeitslose auch dann, wenn er bereit oder in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nur versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen mit bestimmter Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit aufzunehmen und auszuüben, wenn dies wegen der Betreuung und Erziehung eines aufsichtsbedürftigen Kindes oder Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen erforderlich ist (§ 119 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III aF). Entsprechende Einschränkungen der Arbeitsbereitschaft oder Arbeitsfähigkeit sind nach § 119 Abs. 4 Satz 2 SGB III aF längstens für die Dauer von sechs Monaten zulässig.

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten und der in den Akten des SG und der Beklagten enthaltenen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger auch in der Zeit vom 03.01.2001 bis 08.08.2001 seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit war, weil er auch in dieser Zeit eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben konnte und wollte. Zwar stimmt der Senat mit dem SG darin überein, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Alg, den er am 03.01.2001 gestellt hat, seine Verfügbarkeit - zunächst - auf die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr eingeschränkt hatte und deshalb, wäre es hierbei geblieben, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden hätte. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass weder die Beklagte - für ihre Arbeitsvermittlung - noch der Kläger - in Bezug auf seine Stellensuche - Konsequenzen aus diesen Angaben des Klägers gezogen haben. So hat das AA dem Kläger schon zwei Tage nachdem dieser das Antragsformular am 15.01.2001 unterschrieben dem AA zurückgebracht hatte, ein Arbeitsangebot für eine Vollzeitstelle unterbreitet und der Kläger hat sich auf die angebotene Stelle auch beworben. Auch danach hat das AA dem Kläger mehrere Stellenangebote übersandt, ohne dabei auf die vom Kläger im Antrag gemachte Einschränkung hinsichtlich seiner zeitlichen Verfügbarkeit Rücksicht zu nehmen. Dadurch hat das AA - für den Kläger erkennbar - zum Ausdruck gebracht, dass es die vom Kläger im Antrag gemachte Einschränkung nicht beachtet. Dies hat zur Folge, dass die vom Kläger zunächst gemachte Einschränkung bezüglich seiner Arbeitsbereitschaft keine Wirkungen mehr entfaltet.

Insoweit ist das Verhalten der Beklagten zwar widersprüchlich, weil es einerseits den Antrag auf Alg wegen fehlender Verfügbarkeit des Klägers abgelehnt hat, andererseits aber ihre Vermittlungstätigkeit für den Kläger ohne Beachtung von Einschränkungen fortgeführt hat. Die Nichtbeachtung der vom Kläger im Antragsformular gemachten Einschränkung hinsichtlich seiner zeitlichen Verfügbarkeit hat dazu geführt, dass die Vermittlungstätigkeit des AA in tatsächlicher Hinsicht gar nicht eingeschränkt war. Ferner gab es keinerlei Hinweise, dass der Kläger weiterhin an der im Antrag gemachten Einschränkung festhalten möchte. Im Gegenteil. Er hat sich zumindest auf zwei der ihm vom AA angebotenen Stellen auch beworben. Darüber hinaus hat sich der Kläger von sich aus auf Stellenanzeigen mehrerer Firmen beworben. Er hat dem Senat durch Vorlage schriftlicher Absagen von Arbeitgebern, bei denen er sich beworben hatte, nachgewiesen, dass seine Bewerbungen nicht deshalb abgelehnt wurden, weil er zeitlich nur eingeschränkt verfügbar gewesen wäre. So hat z.B. die Firma H. aus S. dem Kläger geantwortet, dass sie nach Prüfung der Unterlagen des Klägers seine Bewerbung nicht in die engere Auswahl hätten nehmen können und die Firma F. Objekte hat die Absage damit begründet, dass die Entscheidung zugunsten eines anderen Bewerbers ausgefallen sei. Bei diesem Sachverhalt kann nach Auffassung des Senats nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich nur eingeschränkt der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Durch das tatsächliche Verhalten des Klägers und des AA ist die schriftlich erfolgte Einschränkung der zeitlichen Verfügbarkeit konkludent geändert und dadurch gegenstandslos geworden. Damit wird außerdem der Vortrag des Klägers bestätigt, dass die Betreuung der Kinder der Aufnahme einer Beschäftigung nicht entgegen gestanden hat, weil die Betreuung durch Verwandte und Bekannte sichergestellt war.

Im Übrigen wäre es auch als Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben zu werten, wenn die Beklagte einerseits eine vom Kläger gemachte Einschränkung in Bezug auf seine Arbeitsbereitschaft nicht beachtet, andererseits aber dem Kläger Leistungen unter Hinweis auf diese Einschränkung verweigert. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der Kläger mit seinen Angaben im Widerspruchs- oder Klageverfahren die im Antragsformular enthaltene Einschränkung hinsichtlich seiner zeitlichen Verfügbarkeit zurückgenommen hat und, wenn ja, welche Konsequenzen dies für den geltend gemachten Leistungsanspruch hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved