L 8 AL 1273/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 1480/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1273/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2. wenden sich gegen das Verlangen des Arbeitsamtes Karlsruhe, jetzt Agentur für Arbeit (AA), ihre Einkommensverhältnisse für das Jahr 1999 offen zu legen.

Die Kläger sind die Eltern der am 1985 geborenen B.S ... Ihnen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 16.02.2001 -1 F 3/00 - (unter anderem) für B.S. die elterliche Sorge entzogen. Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 04.10.2001 - VII 30/01 - wurde das Jugendamt des Beigeladenen zum Vormund der B.S. bestellt. Die Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge wurde mit Eintritt der Volljährigkeit der B.S. am 03.05.2003 gegenstandslos (Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 21.05.2003 - 3 F 27/03; Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25.08.2003 - 2 UF 113/03 -).

Am 28.08.2001 beantragte das Jugendamt des Beigeladenen für B.S. formlos Berufsausbildungsbeihilfe für eine zum 01.09.2001 beginnende berufliche Ausbildung. Mit Schreiben vom 26.11.2001 legte das Jugendamt des Beigeladenen dem AA einen Berufsausbildungsvertrag, einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe sowie eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte vor.

Mit Schreiben vom 16.12.2001 und 10.05.2002 teilte das AA den Klägern zu Nr. 1 und zu Nr. 2 mit, dass B.S. für ihre berufliche Ausbildung für den Zeitraum vom 03.09.2001/09.09.2001 bis 02.03.2003 Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III beantragt habe und forderte sie unter Hinweis auf ihre Unterhaltspflicht auf, eine Erklärung über ihr Einkommen und/oder einen Einkommens- bzw. Lohnsteuerbescheid und/oder Lohn- bzw. Gehaltsbescheinigungen, gegebenenfalls eine Rentenbescheinigung sowie weitere Unterlagen über ihre Einkommensverhältnisse jeweils für das Jahr 1999 zuzusenden.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 23.05.2002 teilten die Kläger zu der Aufforderung vom 10.05.2002 mit, sie seien nicht bereit, die angeforderten Nachweise vorzulegen. Das Jugendamt habe B.S. zu Unrecht aus der Familie genommen. Gleichzeitig beantragten sie Akteneinsicht. Das AA wertete das Vorbringen der Kläger als Widerspruch gegen das Schreiben vom 10.05.2002.

Mit Schreiben vom 12.06.2002 lehnte das AA den Antrag auf Akteneinsicht der Kläger ab. Ein Anspruch auf Einsicht in die Akten bestehe nur für Beteiligte. Die Kläger seien nicht Beteiligte im Sinne des § 12 SGB X. Durch die Entscheidung über den Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe werde nicht in die rechtlichen Interessen der Kläger eingegriffen. Das AA werde sie nicht zur Zahlung von "Unterhaltsleistungen" jeglicher Art verpflichten. Aus welchen Gründen Maßnahmen der Jugendhilfe eingeleitet und durchgeführt würden, sei nicht von Bedeutung. Die Verpflichtung, über die Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben, bestehe auch dann, wenn keine Maßnahmen der Jugendhilfe angeordnet worden seien. Gegen diese Entscheidung sei der Widerspruch zulässig.

Das AA leitete außerdem gegen die Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 ein Ermittlungsverfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ein, weil sie ihre Einkommensnachweise für das Kalenderjahr 1999 nicht übersandten. Hierzu hörte das AA die Kläger mit zwei Schreiben vom 17.07.2002 an. Die Kläger trugen daraufhin vor, ihnen sei Akteneinsicht verweigert worden. Das Jugendamt habe sämtliche gesetzlichen Grundlagen im Sinne des KJHG bislang missachtet, weshalb sie der Auffassung seien, zur Vorlage von Einkommensnachweisen nicht verpflichtet zu sein. B.S. befinde sich widerrechtlich in den vom Jugendamt herbeigeführten Maßnahmen. Ihr derzeitiger Zustand sei vom Jugendamt herbeigeführt worden. Für die Kosten der Unterbringung sei das Jugendamt haftbar zu machen. Ausbildungsbeihilfe könne hierfür nicht in Anspruch genommen werden.

Mit zwei Bescheiden vom 15.08.2002 verhängte das AA gegen die Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 jeweils ein Bußgeld in Höhe von 375 EUR. Der von den Klägern gegen diese Bußgeldbescheide eingelegte Einspruch wurde durch rechtskräftige Urteile des Amtsgerichts Karlsruhe vom 07.04.2003 und 09.07.2003 zurückgewiesen.

Inzwischen hatte die Widerspruchsstelle des AA die Widersprüche der Kläger gegen den Bescheid vom 10.05.2002 mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 04.04.2003 zurückgewiesen. Die Kläger seien verpflichtet, ihrer Tochter (B.S.) Unterhalt zu gewähren. Damit bestehe eine Leistungsverpflichtung im Sinne des § 315 Absatz 2 SGB III. Die Angaben zur Höhe des Einkommens würden zur Prüfung des Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe benötigt. Die erforderlichen Informationen hätten nicht durch einen geringeren Aufwand auf andere Weise beschafft werden können. Die Kläger seien deshalb zur Erteilung der Auskünfte zu ihren Einkommen verpflichtet. Nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahren sei die Frage, ob und inwieweit die Kläger gegenüber ihrer Tochter nach § 1605 BGB zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet seien.

Hiergegen erhoben die Kläger am 05.05.2003 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie führte zur Begründung aus, dass B.S. gegen ihren Willen und unter psychischem Zwang durch die beteiligten Einrichtungen veranlasst worden sei, sich von ihrem Elternhaus und der gesamten Herkunftsfamilie zu trennen und außerhalb ihres Elternhauses zu leben. Ein Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe sei von B.S. nicht unterzeichnet worden. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für die Antragstellung auf Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III vorgelegen. Die Voraussetzungen des § 315 SGB III, der die Auskunftsverpflichtungen Dritter regele, lägen nicht vor. Der Auffassung des AA, die Berufsausbildungsbeihilfeakte enthalte schutzwürdige Daten, werde widersprochen. Eine Begründung liege hierfür nicht vor. Die Kläger beriefen sich auf die näheren Umstände der Entziehung ihres Sorgerechtes für B.S., die sie schilderten und die sie für rechtswidrig erachten. Hierzu legten Sie ein in ihrem Auftrag erstattetes Gutachten der Gesellschafts-Management K. (GMK) e.V. vom 29.01.2003 vor. Die Frage der Ausbildungsförderung wäre für Sie und Ihre Tochter kein Thema gewesen. Weder sie noch B.S. hätten einen Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt. Das Auskunftsbegehren des AA habe ihre Grundlagen in der vom Jugendamt und der Kinder- und Jugendpsychiatrie verursachten Rechtsverstöße. Ihre Tochter hätte ihre Ausbildung ohne staatliche Ausbildungsförderung und Jugendhilfemaßnahmen absolviert, wenn das Jugendamt seinen vom Gesetzgeber geforderten Aufgaben nachgekommen wäre. Die Kläger baten, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, um den Fall von der Dienstaufsicht des Landesarbeitsamtes Stuttgart prüfen zu lassen.

Die Beklagte und der Beigeladene traten der Klage entgegen. Die Beklagte hielt die Voraussetzungen für die Auskunftspflicht der Kläger für gegeben. Der Beigeladene trug vor, auch B.S. habe selbst am 03.10.2001 einen förmlichen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe gestellt. Die von den Klägern aufgestellte Behauptung, B.S. sei gegen ihren Willen und unter psychischem Zwang von der Herkunftsfamilie getrennt worden, treffe selbstverständlich nicht zu. Den Klägern sei seit dem Sorgerechtsbeschluss vom 16.02.2001 bis zur Volljährigkeit der B.S. das Sorgerecht durchgängig entzogen gewesen. Die Gewährung von Jugendhilfe sei bis zur Volljährigkeit der B.S. nicht von der Zustimmung der Eltern abhängig. Seit der Volljährigkeit der B.S. werde Jugendhilfe auf deren Antrag und Wunsch weitergewährt. B.S. habe zum 01.09.2001 eine Ausbildung begonnen. Die Vorwürfe und Behauptungen der Kläger gegen das Jugendamt seien unsachlich und unberechtigt.

Mit Urteil vom 18.02.2005 wies das SG die Klage der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 ab. Die Kläger seien als Eltern gegenüber B.S. zur Gewährung von Unterhalt grundsätzlich verpflichtet. Die Beklagte, die B.S. für die im Januar 2005 erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung Berufsausbildungsbeihilfe gewährt habe, sei berechtigt gewesen, die Kläger zur Auskunftserteilung über ihre Einkommensverhältnisse im Jahr 1999 aufzufordern, um entscheiden zu können, ob sich die gewährte Berufsausbildungsbeihilfe um einen Anrechnungsbetrag mindere. Mangels Zuständigkeit habe das Sozialgericht nicht darüber zu befinden, ob die Entziehung des elterlichen Sorgerechts rechtswidrig gewesen sei oder nicht. Die Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kindern beruhe im Übrigen nicht auf der elterlichen Sorge, sondern auf den verwandtschaftlichen Verhältnissen. Das Urteil wurde an die Kläger am 24.02.2005 mit "Übergabe-Einschreiben" zur Post gegeben.

Am 29.03.2005 haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie haben vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei das Sozialgericht bzw. Landessozialgericht für ihre Klage wegen bereits bewilligter Ausbildungsförderung ihrer Tochter nicht zuständig, weshalb beantragt werde, das Verfahren vorläufig ruhen zu lassen, bis zur Klärung des Gerichtszüge. Außerdem werde beantragt, die Akte der Staatsanwaltschaft vorzulegen, wegen Verdachts der Nötigung, der Entziehung Minderjähriger und der Verletzung des Umgangsrechts und der Umgangspflicht. Der Erlass des Verwaltungsaktes beruhe auf einer Rechtsnorm, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungs- und Sorgerechtes sei rechts- und gesetzeswidrig gewesen.

In der mündlichen Verhandlung am 28.04.2006 haben die Kläger das Schreiben vom 27.04.2006 vorgelegt. Nachdem der Vorsitzende darauf hingewiesen hat, dass die in diesem Schreiben enthaltenen Anträge nicht zulässiger Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind, haben die Kläger den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch hat der Senat mit Beschluss, der ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ergangen ist, für unbegründet erklärt. In der danach in der Besetzung mit dem (erfolglos) abgelehnten Richter fortgesetzten Verhandlung haben die Kläger erklärt, keinen Antrag stellen zu wollen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Februar 2005 und den Bescheid vom 10. Mai 2002 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. April 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In der mündlichen Verhandlung hat sie ergänzend vorgetragen, sollte davon auszugehen sein, dass die Kläger keinen Antrag im Berufungsverfahren (mehr) stellen wollen, wäre die Berufung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen sei sie aber unbegründet. Ferner hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe mit Ausnahme der Frage der Leistungsfähigkeit der Kläger (Eltern) dem Grunde nach erfüllt seien.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Er hat vorgetragen, Ausbildungsförderung sei aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Kläger bis heute nicht bewilligt worden.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie ein Band Akten an der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Zulässiger Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Bescheid vom 10. Mai 2002 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. April 2003. Die von den Klägern im Schreiben vom 27.04.2006 gestellten Anträge, die sich alle mit dem Entzug des Sorgerechts befassen, sind nicht (zulässiger) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und können auch im Rahmen einer Klageänderung nicht zum Streitgegenstand gemacht werden. Das Gericht war auch nicht verpflichtet, dem von den Klägern in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag stattzugeben. Die Kläger haben Gelegenheit erhalten, ihr Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden mündlich zu begründen. Der nach der Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuches vorgebrachte Wunsch der Kläger, das Ablehnungsgesuch auch schriftlich begründen zu wollen, ist kein erheblicher Grund für eine Vertagung des Termins.

Die Berufung der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 ist gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der genannten Einschränkung in Bezug auf den Streitgegenstand statthaft und auch sonst zulässig. Zwar haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, keinen Antrag stellen zu wollen und für Verfahren ohne Anträge besteht in der Tat kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies geschah aber als Reaktion auf die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs und die Weigerung des Senats, den Termin zu vertagen. Möglicherweise sind die Kläger der Ansicht, dadurch eine Vertagung erzwingen zu können. Sie haben nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ihr Begehren auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mehr weiterverfolgen wollen. Der Senat hat ihre Anträge daher als sinngemäß gestellt betrachtet.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gem. § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG eröffnet. Danach entscheiden die Gericht der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit. Eine solche Streitigkeit liegt vorliegend vor. Die Beklagte verlangt von den Klägern Auskunft gemäß § 315 SGB III. Die Verpflichtung zur Auskunft gemäß § 315 SGB III ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 315 Rdnr. 7) und dient der Aufgabenerfüllung der Beklagten (vgl. auch BSG, Urt. vom 16.08.1989 - 7 RAr 82/88 - zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 144 Abs. 3 AFG). Einen Auskunftsanspruch aus übergegangenem Unterhaltsanspruch macht die Beklagte ausdrücklich nicht geltend, wie sich aus den Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden vom 04.04.2003 ergibt. Anlass, den Rechtsstreit zur Klärung des zuständigen Gerichtszweiges ruhend zu stellen, besteht danach nicht.

Das streitige Verlangen der Beklagten auf Auskunft ist ein Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte aufgrund von § 315 SGB III befugt und der im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbar ist. Die Beklagte muss sich nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage gegen die Kläger verweisen lassen (vgl. BSG, Urt. vom 16.08.1989 - 7 RAr 82/88 - a.a.O.). Richtige Klageart ist die Anfechtungsklage (vgl. auch Gagel, SGB III, § 315 Rdnr. 27; Niesel, a.a.O.).

Die Frist zur Einlegung der Berufung ist von den Klägern gewahrt worden. Dabei kann im vorliegenden Fall offen bleiben, wann die Kläger das Urteil des SG tatsächlich erhalten haben. Denn die einmonatige Berufungsfrist hat nicht zu laufen begonnen, weil das Urteil vom SG nicht formgerecht zugestellt worden ist. Das SG hat das Urteil nur als Einschreiben (die Bezeichnung Übergabe-Einschreiben ist nach Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post Brief National ( AGB Brief National ) - Stand 01.01.2004 - nicht mehr vorgesehen) an die Kläger zur Post gegeben. Zwar wird auch bei dieser Zustellungsart die Sendung nur gegen schriftliche Empfangsbestätigung abgeliefert (Abschnitt 4 Abs. 3 Satz 2 AGB Brief National). Mit der Versandart "Rückschein" erhält der Absender aber darüber hinaus eine handschriftliche Bestätigung des Empfängers über den Erhalt der Sendung im Original. Dabei handelt es sich um eine private Urkunde, welche die Zustellungsurkunde i.S. des § 182 ZPO, die eine öffentliche Urkunde darstellt, ersetzt (BSG Beschluss vom 07.10.2004 - B 3 KR 14/04 R - SozR 4-1750 § 175 Nr. 1 = NJW 2005, 1303). Da die Regelung in § 175 ZPO ausdrücklich die Zustellungsart "Rückschein" vorschreibt und nur bei dieser Zustellungsart eine die Zustellungsurkunde ersetzende Urkunde (Rückschein) ausgestellt wird, ist eine Zustellung nur mit Einschreiben oder gar nur mit Einschreiben Einwurf nicht zulässig (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers ZPO 64. Aufl. 2005 § 175 Rn 4; Beschluss des erkennenden Senats vom 21.02.2006 - L 8 AS 416/06 ER-B -).

Die Berufung der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 ist jedoch nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 16.12.2001/10.05.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage ist § 315 SGB Absatz 2 III in der ab 01.08.2001 (bis 31.12.2003) geltenden Fassung. Danach hat u.a., wer jemandem, der eine laufende Geldleistung beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, die laufende Geldleistung auszuschließen oder zu mindern, dem Arbeitsamt auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB III erforderlich ist. § 21 Abs. 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Das schließt ein, dass über die Höhe der Einkünfte auf Verlangen Belege vorzulegen sind. Die von den Klägern behaupteten verfassungsrechtlichen Zweifel teilt der Senat nicht.

Diese Voraussetzungen sind bei den Klägern zu Nr. 1 und zu Nr. 2 jeweils erfüllt.

Die Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 sind B.S. als deren leibliche Eltern gemäß § 1601 BGB grundsätzlich - im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit - zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Dies stellt eine Leistungspflicht im Sinne des § 315 Absatz 2 SGB III dar. Dass die Kläger zur Leistung von Unterhalt an B.S. von vorn herein nicht leistungsfähig oder sonst nicht verpflichtet sind, ist nicht ersichtlich und ist von ihnen auch nicht glaubhaft gemacht worden. Der Umstand dass ihnen das Sorgerecht hinsichtlich B.S. entzogen war, steht ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht entgegen, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat.

Die Unterhaltspflicht der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 gegenüber B.S. ist auch geeignet, die von B.S. beantragte Bewilligung von Berufsausbildungshilfe auszuschließen oder zu mindern. Denn nach § 71 Absatz 1 SGB III sind auf den Gesamtbedarf der beantragten Berufsausbildungsbeihilfe, der sich bei einer Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils nach § 65 SGB III bestimmt, zuzüglich des Bedarfs für Fahrkosten (§ 67 SGB III) und für sonstige Aufwendungen (§ 68 SGB III), das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge nach den Maßgaben der Absätze 2 bis 5 des § 71 SGB III anzurechnen.

Zur Bestimmung einer Unterhaltpflicht der Kläger zu Nr. 1 und zu Nr. 2 sowie des auf den Gesamtbedarf anzurechnenden Betrages bedarf es der Kenntnis der Beklagten über ihre Einkommensverhältnisse, die sich die Beklagte nur durch eine Auskunft der Kläger und die Vorlage entsprechender Unterlagen beschaffen kann und die daher zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB III erforderlich ist. Eine Entscheidung über den Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe der B.S. ohne die von den Klägern verlangten Auskünfte ist nicht möglich. Insbesondere kann ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe unabhängig vom Einkommen der Kläger nicht verneint werden, denn das vorrangig zu berücksichtigende Einkommen der B.S. deckt ihren Gesamtbedarf nicht, sodass es für die Frage des Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe und deren Höhe auf das mit zu berücksichtigende Einkommen der Kläger ankommt. Dies steht aufgrund der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe mit Ausnahme der Frage der Leistungsfähigkeit der Eltern dem Grunde nach erfüllt sind, fest.

Sonstige Gesichtspunkte, die einer Verpflichtung der Kläger zur Erbringung der verlangten Auskunft entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.

Die Einwendungen der Kläger rechtfertigen keine andere Beurteilung. Unerheblich ist, ob den Klägern das Sorgerecht für B.S. zur Unrecht entzogen wurde, wie sie geltend machen. Hierauf kommt es nach den dargelegten Voraussetzungen nicht an. Der zur Auskunft verpflichtete ist weiter nicht berechtigt, den möglichen Erfolg des Antrags oder die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung zu prüfen (vgl. Niesel Rdnr. 9, a.a.O.). Die Kläger können sich daher ihrer Auskunftspflicht nicht dadurch entziehen, dass sie die beantragte Berufsausbildungsbeihilfe nicht für gerechtfertigt erachten, wie sie ebenfalls ausgeführt haben. Aus diesem Grund ist es auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass den Klägern im Verwaltungsverfahren Einsicht in die Leistungsakte der B.S. nicht gewährt worden ist, wie die Beklagte in ihrem ablehnenden Schreiben vom 12.06.2002 zutreffend dargelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved