S 12 KA 1062/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1062/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Berufungsausschuss bei der Prüfung des Bedarfs für die gleichzeitige Teilnahme eines Internisten an der fachärztlichen Versorgung davon ausgeht, dass die Bedarfsdeckung nach dem Regelfall, also der Anwesenheit einer weiteren Behandlerin am Praxisstandort, zu ermitteln ist und dass im Falle deren Abwesenheit die Vertretungsregelungen oder die Möglichkeiten zur Notfallbehandlung greifen.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers zur gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V und hierbei um die Berechtigung zur Erbringung der Leistungen nach Ziffer 13400, 13421, 13422, 13423, 34240, 34241 und 34242 EBM 2005.

Der Kläger ist als Internist mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung seit 01.10.1991 zugelassen. Er nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Die Beigeladene zu 1) erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 11.07.2003 die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der kurativen Koloskopie nach der Qualitätssicherungsvereinbarung rückwirkend ab 01.10.2002. Die Genehmigung präventiver Koloskopien blieb zunächst streitbefangen vor dem SG Frankfurt a. M., Az.: S 5 KA 2142/04. Die Klage nahm der Kläger im Juli 2007 zurück.

Am 02.01.2002 beantragte er die Genehmigung zur gleichzeitigen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung betreffend Oesophago-Gastro-Duodenoskopie, Rekto-Sigmo-Koloskopie mit Polypektomie, Röntgen der Thoraxorgane und Langzeit-EKG. Zur Begründung führte er aus, dass aufgrund der besonderen Versorgungssituation im Raum A-Stadt ab 1. Januar 2003 die Sicherstellung bestimmter, vor allem gastroenterologischer, Leistungen im ambulanten Bereich nicht mehr gewährleistet seien, da nur noch eine einzige fachärztliche Kollegin diese Leistungen erbringen dürfte.

Die Bezirksstelle LJ. der Beigeladenen zu 1) empfahl dem Zulassungsausschuss für Ärzte (ZA) unter Datum vom 04.12.2002, den Antrag des Klägers abzulehnen, weil nach ihrer Auffassung die vom Kläger beantragten sog. K.O.-Leistungen durch die niedergelassenen Fachärzte am Ort bzw. in der Region sichergestellt seien. Mit Beschluss vom 17.12.2002 lehnte der ZA den Antrag des Klägers ab, weil eine bedarfsgerechte fachärztliche Versorgung durch die niedergelassenen Fachärzte am Ort bzw. in der Region gewährleistet sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Beschluss vom 04.06.2003 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach der unwidersprochenen Stellungnahme der Bezirksstelle LJ. der KVH besitze der Kläger keine Genehmigung zur Erbringung koloskopischer Leistungen, weshalb der Widerspruch insoweit schon deshalb unbegründet sei. Für die übrigen beantragten Leistungen habe es keiner befristeten Ausnahmeregelung im Sinne des § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V bedurft, weil die bedarfsgerechte Versorgung im Sinne des Gesetzes nach der Stellungnahme der Bezirksstelle LJ. der KVH sichergestellt sei. Diese Leistungen würden in A-Stadt selbst von der Gemeinschaftspraxis Dres. G und von dem Internisten Dr. C in C-Stadt erbracht wie auch die beantragten radiologischen Leistungen. Hinzu komme die Gemeinschaftspraxis Dres. D in D-Stadt mit einer Entfernung von 17 km von A-Stadt und eine Gemeinschaftspraxis in AF. mit einer Entfernung von 12 km von A Stadt, die ebenfalls die beantragten radiologischen Leistungen erbrächten. Im Regelfall sei den Versicherten die Zurücklegung von Entfernungen im Bereich von 12 bis 17 km zumutbar. Notfälle könne der Kläger auch betreuen, ohne im Besitz einer Genehmigung nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V zu sein.

Gegen den Beschluss des Beklagten erhob der Kläger Klage, die das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 16.03.2005, Az.: S 28 KA 3171/03 abwies. Der hiergegen eingelegten Berufung gab das Landessozialgericht Hessen mit Urteil vom 15.03.2006, Az.: L 4 KA 36/05 teilweise statt. Es hob das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main und den Beschluss des Beklagten auf, soweit sie nicht den Antrag des Klägers auf Sondergenehmigung für präventive Rekto-Sigmo-Koloskopie betreffen. Es verurteilte den Beklagten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in diesem Umfang neu zu bescheiden. Im Übrigen wies es die Berufung zurück. In den Bescheidgründen führte es aus:

"Bis zum 31. Dezember 2002 beruhte die Befugnis des Klägers zur Abrechnung der beantragten Leistungen auf §§ 6, 9 Abs. 1 des Vertrages über die hausärztliche Versorgung vom 1. Oktober 2000. Für den nachfolgenden Zeitraum kann der Kläger nur unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V zur Abrechnung der beantragten Leistungen befugt sein. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 73 Abs. 1 a SGB V hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 17. Juni 1999 bestätigt (Az.: 1 BvR 2507/97). Danach kann der Zulassungsausschuss u. a. für Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine befristete Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung genehmigen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Mithin liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Zulassungsausschusses und schließlich des Beklagten, die beantragte Genehmigung zu erteilen, wenn anders eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Ähnlich wie bei der Sonderbedarfszulassung nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V steht den zuständigen Gremien bei der Einschätzung des Versorgungsbedarfs ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, wovon das Sozialgericht und der Beklagte zutreffend ausgegangen sind. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs "bedarfsgerechte Versorgung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 6 KA 35/99 R). Hierbei ist es sachgerecht und statthaft, die niedergelassenen Ärzte, die die beantragten Leistungen bereits erbringen, nach der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. Insoweit durfte der Beklagte grundsätzlich auch Praxen heranziehen, die zwar nicht im Planungsgebiet der klägerischen Praxis (WX.), wohl aber in näherer Umgebung in einem angrenzenden Planungsgebiet (VJ.) liegen, denn die klägerische Praxis liegt selbst am östlichen Rand des Planungsgebiets. Insoweit sind auch die vom Vorstand der KVH am 14. September 2002 aufgestellten Beurteilungskriterien und deren allgemeine Auslegung in der Sitzung des Geschäftsausschusses vom 27. November 2002 nicht zu beanstanden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass alle für die Versorgung in Betracht kommenden Fachärzte konkret nach der Aufnahmekapazität in der Gegenwart und auch in absehbarer Zukunft befragt werden, was schon im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung erweiterten Vortrag des Beklagten offensichtlich nicht der Fall war. Auf den klägerischen Vortrag, dass einige vom Beklagten genannte Praxen für Patienten unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungen auf die Untersuchungen etc. sowie die regionale Verkehrssituation nur unter unzumutbaren Bedingungen erreichbar wären, hätten die betreffenden Ärzte auch hierzu befragt werden müssen. Um eine kritische Würdigung der Antworten zu ermöglichen, wären außerdem Angaben bei bestehenden Facharztpraxen, auf die der Beklagte verweist, einzuholen gewesen, in welchem Umfang Patienten aus dem Planungsgebiet des Klägers bereits Facharztpraxen im angrenzenden Planungsgebiet aufsuchen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie hier - nach den vom Beklagten herangezogenen Kriterien bereits um einen Grenzfall handelt, weil die zur Diskussion stehenden Leistungen im Planungsbereich des Klägers nur von einer Facharztpraxis (Dr. G) erbracht werden. Den genannten Anforderungen ist der Beklagte nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. So hat der Beklagte nur Stellungnahmen von zwei Fachärzten, nämlich Dr. G und Dr. C, eingeholt, ohne jedoch bei Praxen im angrenzenden Planungsgebiet die Zumutbarkeit der Anreise aus dem Planungsgebiet des Klägers nachzufragen und anhand von tatsächlichen Patientenbewegungen zu überprüfen. Von einer weiteren Facharztpraxis (Dr. E, E-Stadt) wurde lediglich auf telefonische Nachfrage eine in der Größenordnung nicht näher beschriebene Aufnahmekapazität für Gastroskopie und Koloskopie bezeichnet, wobei diese Praxis aber nach eigenen Angaben überwiegend Patienten aus dem Planungsgebiet LJ. betreut. Ob unter Berücksichtigung der Verkehrsanbindungen auch eine Betreuung von Patienten aus dem Planungsgebiet des Klägers in nennenswertem Umfang möglich erscheint, wurde nicht erfragt. Im Übrigen hat der Beklagte bei den genannten und fünf weiteren Praxen lediglich die Abrechnungsfrequenzen bezüglich der beantragten Leistungen in den Quartalen 4/2001 bis 3/2002 überprüft. Möglicherweise aus diesem Grund ist dem Beklagten auch entgangen, dass die Facharztpraxis Dres. D in D-Stadt zum Ende des Jahres 2003 aus Altersgründen geschlossen wurde. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Beklagte bei Kenntnis der tatsächlichen Versorgungslage unter Berücksichtigung zu erwartender oder bereits eingetretener Praxisschließungen sowie unter Einbeziehung der noch nachzufragenden begründeten Erwartungen von Facharztpraxen aus einem angrenzenden Planungsgebiet über die Betreuung von Patienten aus dem Planungsgebiet des Klägers im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes einen Versorgungsbedarf für die vom Kläger beantragten sog. K.O.-Leistungen feststellt und im Rahmen seines weitergehenden Ermessens eine befristete Ausnahmegenehmigung für die vom Kläger beantragten Leistungen erteilt. Bei seiner erneuten Entscheidung wird der Beklagte daher sämtliche Praxen, die die vom Kläger beantragten Leistungen bereits erbringen und auf die der Beklagte verweist, konkret auch über die Möglichkeiten einer zumutbaren Versorgung von Patienten aus dem Planungsgebiet des Klägers zu befragen und die Antworten anhand der vorhandenen Daten über die örtliche Herkunft der Patienten zu verifizieren haben. Bei Ermittlung des Versorgungsbedarfs kann die dem an der T-Klinik beschäftigten Arzt Dr. F befristet erteilte Ermächtigung zur Durchführung von Koloskopien auf Überweisung von Vertragsärzten allerdings nicht berücksichtigt werden, sofern es sich nicht wider Erwarten um eine bedürfnisunabhängige Ermächtigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Bundesmantelvertrag – Ärzte handeln sollte, denn auch eine Ermächtigung nach §§ 31, 31a Zulassungsverordnung - Ärzte darf nur nach quantitativer bzw. qualitativer Bedarfsprüfung erteilt werden, wobei den niedergelassenen Vertragsärzten nach § 75 Abs. 1 SGB V und unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit (siehe Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. August 2004, Az.: 1 BvR 378/00) für den gesamten Bereich der ambulanten Versorgung der Vorrang gebührt. Die bei Entscheidung über einen Ermächtigungsantrag notwendige Bedarfsprüfung darf nämlich nicht dadurch ersetzt werden, dass sie für den Fall einer etwaigen Versorgungslücke vorsorglich auf Facharztüberweisungen beschränkt erteilt wird (so zutreffend: BSG, Urteil vom 15. März 1995, Az.: 6 RKa 42/93 m.w.N. und Schallen, Zulassungverordnung für Ärzte etc., Kommentar, 4. Aufl. 2004, Rdnr. 694). Der Grundsatz des Vorranges niedergelassener Vertragsärzte gilt unter dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit und mangels einer anderweitigen gesetzlichen Regelung auch für die Beurteilung des Versorgungsbedarfs nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V. Allerdings war der Gesetzgeber nicht daran gehindert, aus übergeordneten Gesichtspunkten des Allgemeinwohls (so etwa zur Kostendämpfung zwecks Sicherstellung der Finanzierbarkeit des öffentlichen Gesundheitssystems) besondere Regelungen zur Förderung des ambulanten Operierens im Krankenhaus zu treffen (§ 115b SGB V) und insoweit von einer vorrangigen Berücksichtigung niedergelassener Vertragsärzte abzusehen. Aus diesem Grund muss bei der Ermittlung des Versorgungsbedarfs die in der T-Klinik im Zusammenhang mit § 115b SGB V bestehende Befugnis zur Durchführung von Koloskopien, bei der es sich gerade um keine Ermächtigung handelt, Berücksichtigung finden, zumal die Zulassungsgremien zutreffend für verpflichtet gehalten werden zu prüfen, inwieweit die Teilnahme des Krankenhauses am ambulanten Operieren bestehende Ermächtigungen von Krankenhausärzten berühren. Denn soweit das Krankenhaus ambulante Operationen selbst vornimmt, kann dadurch das Ermächtigungsbedürfnis für den angestellten Krankenhausarzt zur Durchführung ambulanter Operationen entfallen (so: Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, C 115 b-6). Dies kann sich im Übrigen auch auf Koloskopie-Leistungen auswirken, soweit diese im Zusammenhang mit ambulanten Operationen stehen. Soweit der Kläger die Genehmigung zur Erbringung von Leistungen der präventiven Rekto-Sigmo-Koloskopie begehrt, ist die Berufung allerdings ohne Weiteres unbegründet. Denn er besitzt nicht die hierfür zwingend vorauszusetzende Genehmigung nach § 2 der auf § 135 Abs. 2 SGB V beruhenden Qualitätssicherungsvereinbarung zur Koloskopie vom 20. September 2002, die ihm bislang, aus welchen Gründen auch immer, ausdrücklich nur für "kuratives" Koloskopieren erteilt wurde. Im überragenden öffentlichen Interesse an der Qualitätssicherung kann hiervon auch nicht im Einzelfall abgesehen werden. Soweit der Kläger einwendet, die AL ... zu 1.) verzögere das insoweit wohl noch anhängige Widerspruchsverfahren, ist er auf seine dortigen Verfahrensrechte zu verweisen."

Die Beigeladene zu 1) gab unter Datum vom 26.07.2006 eine Bedarfsanalyse ab, aufgrund derer sie sich gegen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung aussprach.

Der Kläger wies darauf hin, dass in der näheren Umgebung tatsächlich nur Frau Dr. G zur Verfügung stünde. In den letzten beiden Jahren der Übergangsregelung hätten Frau Dr. G und er zusammen etwa 275 Magenspiegelungen im Quartal erbracht, jährlich er etwa 600 und sie 500. Frau Dr. G habe in den Quartalen IV/05 und I/06 nur noch 88 bzw. 138 Magenspiegelungen (Ziffer 13400 EBM 2005) erbracht. Ein entsprechender Rückgang des Bedarfs sei ausgeschlossen. Bei einer gegenseitigen Vertretung könnten zwei Praxen den Bedarf in A-Stadt abdecken. Es sei zu vermuten, dass viele Patienten die Anfahrtswege zu anderen Praxen scheuten und die notwendigen Magenspiegelungen nicht mehr durchführen ließen. Die vorgelegten Zahlen seien nicht geeignet auszudrücken, dass zusätzlich Patienten aus A-Stadt darin enthalten wären. Frau Dr. G befürworte weiterhin seine Sondergenehmigung. Dr. F von den T-Kliniken führe ambulant Magenspiegelungen nicht mehr durch. Röntgen-Thoraxleistungen würden im gesamten Planungsbereich ausschließlich von Frau Dr. G erbracht werden. Im Falle eines Urlaubs könnten diese Leistungen nicht erbracht werden. Bei Gastroskopien und Koloskopien müssten die Patienten sediert werden und dürften anschließend einen PKW nicht selbst steuern. Sie könnten nicht auf die Ärzte in anderen Orten verwiesen werden. Die Angaben der auswärtigen Praxen, sie würden auch Patienten aus der Region A-Stadt versorgen, sei offenbar nicht näher geprüft worden. Es fehlten Angaben, welche Praxis welche Angabe gemacht habe, so dass diese nicht auf Plausibilität geprüft werden könnten. Es fehlten auch eigene Ermittlungen, inwiefern die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel den Patienten zumutbar sei. Die Langzeit-EKG sei zu den hausärztlichen Leistungen zurückgekehrt, weshalb er den Widerspruch insoweit für erledigt erkläre.

Mit Beschluss vom 27.09.2006, ausgefertigt am 16.11.2006 und dem Kläger am 17.11.2006 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers erneut zurück. Zur Begründung führte er aus, die vom Kläger beantragten fachärztlich-internistischen Leistungen würden sämtlich am selben Praxisort von einer weiteren fachärztlichen Internistin erbracht werden, die zudem mitgeteilt habe, über freie Kapazitäten zu verfügen. Es müsse deshalb von einer Bedarfsdeckung ausgegangen werden. Hieran ändere nichts, dass die genannte Internistin selbst keine Einwendungen gegen eine Sondergenehmigung des Klägers haben solle. Die Frage einer Bedarfsdeckung könne nicht aufgrund der subjektiven Eindrücke der beteiligten Vertragsärzte, sondern nur anhand objektiver Kriterien entschieden werden. Der Einwand, dass in Fällen der urlaubs-, krankheits- oder fortbildungsbedingten Abwesenheit der genannten fachärztlichen Internistin kein entsprechendes Angebot zur Erbringung der strittigen fachärztlich-internistischen Leistungen am Praxisort A-Stadt bestünde, vermöge hieran nichts zu ändern. Für diesen Fall sei eine weitere Praxis zur Erbringung von Leistungen der Ösophago-Gastro-Duodenoskopie in der Lage. Im Bereich der Röntgen-Thorax-Leistungen stünden zwar bei einem Ausfall der genannten Internistin im selben Planungsbereich lediglich noch Kapazitäten niedergelassener Radiologen zur Verfügung. In diesem Fall sei es jedoch auch zumutbar, die Leistungskapazität im benachbarten Planungsbereich (drei Praxen) in Anspruch zu nehmen. Eine Sondergenehmigung quasi als "Ausfallgenehmigung" könne nicht erteilt werden. Insgesamt könne aufgrund der Bedarfsermittlung der Beigeladenen zu 1) ein bedarfsgerechtes Angebot im Planungsbereich festgestellt werden.

Hiergegen hat der Kläger am 18.12.2006 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, bei der vom Beklagten aufgeführten Statistik sei eine solide Ermittlung nicht erfolgt. Insbesondere erscheine eine Befragung von auswärtigen Konkurrenzpraxen nicht als die geeignete Form, das objektive Bedürfnis für einen weiteren Arzt in A-Stadt objektiv zu ermitteln. Ihm werde die Möglichkeit genommen, die (angeblichen) Selbstauskünfte der Konkurrenzpraxen zu verifizieren, so dass er z. B. die Angabe, eine Praxis habe von 100 WB-Patienten gesprochen, nicht einmal im Ansatz nachvollziehen oder überprüfen könne. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass die Patienten bei den Untersuchungen, um die es hier gehe (Darm- und Magenspiegelungen), öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssten, so dass ein Verweis auf auswärtige Praxen schon im Ansatz verfehlt erscheine. Die Landesstelle der Beigeladenen zu 1 habe in einem Rundschreiben vom 02.02.2007 mitgeteilt, dass in Hessen ein Versorgungsnotstand mit gastroenterologischen Leistungen vor der Tür stehe. Anhand der vorliegenden Anfragen und Beschwerden einerseits und der Abrechnungsfrequenz andererseits könne die KV derzeit nicht mehr erkennen, dass flächendeckend in Hessen noch gastroenterologische Leistungen mit den niedergelassenen Internisten sichergestellt werden könnten. Für den Fall, dass sich die Situation nicht zeitnahe bessere, könne man gezwungen sein, zur Versorgung von gesetzlich krankenversicherten Patienten mit gastroenterologischen Leistungen auch in ggf. großem Umfang Ermächtigungen an die Krankenhausärzte bzw. Krankenhäuser auszusprechen, die über die erforderlichen Qualifikationen verfügten. Es werde übersehen, so der Kläger weiter, dass eine Sondergenehmigung für hausärztlich tätige Internisten solchen Ermächtigungen vorgingen.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 27.09.2006 diesen verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, es sei eine umfangreiche, durch eine solide Datenerhebung gestützte Bedarfsprüfung erfolgt. Insoweit nehme er auf den angefochtenen Beschluss Bezug. Die Bedarfsanalyse habe ergeben, dass alle vom Kläger beantragten Leistungen nicht nur im selben Planungsbereich, sondern am selben Praxisort durch eine niedergelassene Ärztin erbracht würden. In dieser Praxis bestünden auch freie Behandlungskapazitäten für die Aufnahme weiterer Patienten. Für eine "Ausfallgenehmigung" existiere kein Bedarf. Zum einen handele es sich um ganz überwiegend planbare Behandlungen, zum anderen stünden im selben Planungsbereich notwendigenfalls auch alternative Behandlungskapazitäten zur Verfügung.

Die Beigeladenen zu 1) bis 8) beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) trägt vor, als hausärztlich tätiger Internist könne der Kläger die strittigen Leistungen grundsätzlich nicht abrechnen. Nach einem Vorstandsbeschluss könne jedoch ausnahmsweise von den Vorgaben des einheitlichen Bewertungsmaßstabes ausnahmsweise abgewichen werden, wenn im Einzelfall im Umkreis von 50 km nicht in ausreichendem Maße Ärzte zur Verfügung stünden, die die streitgegenständlichen Leistungen abrechneten. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt. Gehe man davon aus, dass ihr diese Kompetenz nicht zustehe, bedürfe es zunächst einer Entscheidung der Zulassungsgremien. Diese hätten Status begründenden Charakter und könnten für die Vergangenheit nicht erteilt werden. Eine umfangreiche, auf eine solide Datenerhebung gestützte Bedarfsprüfung des Beklagten habe ergeben, dass ein Sicherstellungsbedarf im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung mit gastroenterologischen Leistungen nicht bestehe. Sie schließe sich daher der zutreffenden Begründung des beklagten Berufungsausschusses an.

Die übrigen Beteiligten haben sich zur Streitsache schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 19.12.2006 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie konnte dies trotz Ausbleibens des Klägers und der Beigeladenen zu 1) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 27.09.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung hinsichtlich seines Antrags auf Genehmigung zur gleichzeitigen Tätigkeit im fachärztlichen Versorgungsbereich.

Der Beschluss des Beklagten vom 27.09.2006 ist rechtmäßig.

An der hausärztlichen Versorgung nehmen Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, teil. Der Zulassungsausschuss kann für Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine hiervon abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist (§ 73 Abs. 1 a Satz 1 und 3 SGB V).

In nicht zu beanstandender Weise hat der Beklagte von seinem Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht und hat die Rechtsauffassung des LSG Hessen beachtet. Insbesondere liegt eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung vor. Der Beklagte hat, gestützt auf die Ermittlungen der Beigeladenen zu 1), im angefochtenen Beschluss ausführlich die Versorgungslage in der Stadt A-Stadt sowie im Planungsbereich WX. sowie im angrenzenden Planungsbereich VJ.Kreis unter Heranziehung der Abrechnungsfrequenzen der hier strittigen Leistungen dargestellt. Die Versorgungslage ist daher erneut anhand der Abrechnungsquartale IV/05 bis II/06, also anhand aktueller Abrechnungsquartale, überprüft worden. Hierauf wird im Einzelnen Bezug genommen; insofern sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 136 Abs. 3 SGG).

Der Beklagte stellt entscheidend darauf ab, dass die vom Kläger beantragten fachärztlich-internistischen Leistungen bereits sämtlich am selben Praxisort A-Stadt erbracht werden. Soweit es sich um radiologische Leistungen handelt, hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass solche auch von den zugelassenen Radiologen erbracht werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte von einer unzureichenden Versorgungssituation hätte ausgehen müssen. Auch der Kläger weist im Wesentlichen darauf hin, dass ein Versorgungsengpass lediglich im Falle einer Abwesenheit der Frau Dr. G, die in A-Stadt die Leistungen erbringt, entstehen kann. Insofern hat der Beklagte seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn er der Auffassung ist, dass aus diesem Grund eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden kann. Insofern war von der Kammer nicht zu beanstanden, dass der Beklagte grundsätzlich davon ausgeht, dass die Bedarfsdeckung nach dem Regelfall, also der Anwesenheit der weiteren Behandlerin, zu ermitteln ist und dass im Falle deren Abwesenheit die Vertretungsregelungen oder die Möglichkeiten zur Notfallbehandlung greifen. In ihren Ermittlungen ist die Beigeladene zu 1) auch der Vorgabe der Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen nachgekommen. Sie hat die befragten Ärzte auch danach gefragt, in welchem Umfang Patienten aus dem Planungsgebiet des Klägers die Praxen im angrenzenden Planungsgebiet aufsuchen. Wenn auch dem Kläger grundsätzlich zuzustimmen ist, dass die Befragungen im Einzelnen schriftlich zu fixieren und in der Verwaltungsakte aufzunehmen sind, da nur dann eine Nachprüfung möglich ist, so kam es hierauf aber für die Entscheidung des Beklagten letztlich nicht an. Entgegen des klägerischen Vortrags hat der Beklagte auch seine Entscheidung nicht auf die Befragungen gestützt, sondern wesentlich auf die Frequenzstatistiken. Dies war von der Kammer nicht zu beanstanden, da Befragungen lediglich ergänzend herangezogen werden können und sie auf subjektiven Einschätzungen der Ärzte beruhen und daher allein keine Grundlage für eine Bedarfsprüfung ergeben können.

Soweit der Kläger auf ein Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) hingewiesen hat, so handelt es sich um eine Auseinandersetzung über die Vergütung gastroenterologischer Leistungen. Daraus ist lediglich zu entnehmen, dass allgemein seitens der Gastroenterologen aufgrund der aus ihrer Sicht unzureichenden Vergütung angekündigt wird, ggf. diese Leistungen zukünftig nicht mehr zu erbringen. Folgerungen für die konkrete Versorgungssituation im Planungsbereich des Klägers können hieraus nicht gezogen werden. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dass die Praxis Dres. G oder die übrigen Ärzte in seinem oder im angrenzenden Planungsbereich diese Leistungen nicht mehr erbringen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 150 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Rechtskraft
Aus
Saved