L 7 AS 1196/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 369/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1196/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt, der die Absenkung oder den Wegfall von Arbeitslosengeld II feststellt, ist nach § 86b Abs. 1 SGG zu gewähren, da der Widerspruch hiergegen gem. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Auslegung der Vorschrift des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II im Hinblick auf ihren Wortlaut und den rechtssystematischen Zusammenhang Schwierigkeiten bereitet und die Gestzesmaterialien nicht aufschlussreich sind.
Aus dem Wortlaut von § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II ist zu schließen, dass der Beginn der Leistungskürzung nicht auf einen späteren Zeitpunkt als den Monat nach dem Wirksamwerden des Verwaltungsaktes verlegt werden kann.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Februar 2006 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 20. Dezember 2005 und die Widerspruchsbescheide vom 25. Januar 2006 (S 4 AS 308/06, verbunden zu S 4 AS 58/06) wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat die seit 1. Februar 2006 absenkungsbedingt einbehaltenen Leistungen an den Antragsteller auszuzahlen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens dem Grunde nach zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) Mannheim nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und begründet.

Der Senat konnte entscheiden, ohne dem Berichtigungsantrag des Antragstellers (§ 139 SGG) nachgegangen zu sein, denn bei ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschlüssen - wie hier dem angefochtenen Beschluss des SG - kommt eine Tatbestandsberichtigung nicht in Betracht (vgl. § 142 Abs. 1 SGG; ferner Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 13. September 2003 - 4 BS (A) 1/93 - (nicht veröffentlicht); Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 139 Rdnr. 2a).

Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist die Bestimmung des § 86b SGG; dabei ermöglicht Abs. 1 a.a.O. in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage, während Abs. 2 a.a.O. den Fall der einstweiligen Anordnung in Vornahmesachen regelt. Das vorliegende Rechtsschutzverlangen ist unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG zu fassen. Denn durch die hier umstrittenen, auf die Sanktionsnormen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1516 S. 47, 61) des § 31 Abs. 2 und 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) gestützten Bescheide vom 20. Dezember 2005 (Widerspruchsbescheide vom 25. Januar 2006) über die Absenkung der - zuletzt mit Bescheid vom 9. November 2005 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 bewilligten - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes um jeweils 10 v.H. ab 1. Februar 2006 wird in die durch die Leistungsbewilligung erlangte Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); Berlit in LPK-SGB II, 1. Auflage, § 31 Rdnr. 123 f.; Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 31 Rdnr. 66), und zwar unabhängig davon, ob es hierzu zusätzlich - wie die Antragsgegnerin meint - einer kassatorischen Entscheidung nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bedürfte oder ob § 31 SGB II den Bestimmungen der §§ 45 ff. SGB X grundsätzlich vorgeht (so Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage, § 31 Rdnr. 59; Eicher, a.a.O., § 39 Rdnr. 14; allerdings differenzierend im Hinblick auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II Rixen, a.a.O., § 31 Rdnr. 60; Eicher, SGb 2005, 553, 557). Im Gegensatz zur Leistungskürzung nach der vergleichbaren - indes als "Hilfenorm" (vgl. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 67, 1, 5 f.; 98, 203, 204 f.) ausgelegten - Vorläuferregelung des § 25 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - (vgl. jetzt §§ 26, 39 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)) kann deshalb im Rahmen des § 31 SGB II interessengerechter Rechtsschutz regelmäßig nicht über die einstweilige Anordnung gesucht werden (zu Ausnahmen vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 a.a.O.; Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolph, a.a.O.; ferner zu § 25 BSHG Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg - 7 S 2137/00 - (juris); Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, Beschluss vom 20. März 2003 - 7 K 5775/02 - (nicht veröffentlicht); VG Aachen, Beschluss vom 12. August 2004 - 2 L 719/04 - (juris)). Da dem Widerspruch des Antragstellers gegen die Bescheide vom 20. Dezember 2005 sowie seiner (am 26. Januar 2006 rechtzeitig erhobenen) Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; ferner LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; Eicher in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 39 Rdnrn. 2 f.), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur - wie zutreffend vom SG erkannt - die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Der zulässige Antrag ist auch begründet. Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.

Die sonach gebotene Interessenabwägung führt hier zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Klageverfahren angefochtenen Bescheide. Bereits die Auslegung der Bestimmung des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II bereitet Schwierigkeiten und lässt sich im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend beantworten; die Gesetzesmaterialien (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1516 S. 61 f.) sind insoweit nicht aufschlussreich. Insbesondere der rechtssystematische Zusammenhang mit den Absenkungs- und Wegfalltatbeständen der Abs. 1 bis 5 und namentlich mit den Regelungen in Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 3 a.a.O. einerseits sowie der Norm des § 144 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ist unklar; so tritt die Sperrzeit nach § 144 Abs. 2 SGB III kraft Gesetzes ein und läuft kalendermäßig ab, ohne dass es hierzu einer konstitutiven Feststellung durch Verwaltungsakt bedarf (ständige Rechtssprechung; vgl. zuletzt - dort auch zum deklaratorischen Verfügungssatz des so genannten Sperrzeitbescheides - BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)). Demgegenüber bestimmt § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II: Absenkung und Wegfall (des Arbeitslosengeldes II) treten mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Darüber hinaus regelt § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II, dass Absenkung und Wegfall drei Monate dauern. All das könnte - gerade auch mit Blick auf die Rechtsentwicklung unter Berücksichtigung der freilich als Ermessensnorm ausgestalteten Bestimmungen des § 25 BSHG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Dezember 2000 a.a.O.; Krahmer in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 25 Rdnrn. 1, 7, 10) - für die konstitutive Anordnung der Sanktionen des § 31 SGB II durch den Verwaltungsakt sprechen (so Rixen in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 31 Rdnr. 55), wobei insoweit allerdings - wie ausgeführt - etwa das Verhältnis zur Sperrzeitregelung des § 144 SGB III ungelöst erscheint (vgl. hierzu Rixen, a.a.O., Rdnr. 57; Eicher, SGb 2005, 553, 557). Andererseits wird auch die Meinung vertreten, dass die Sanktionen bei Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 bis 5 SGB II von Gesetzes wegen eintreten, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, und lediglich bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung einer (deklaratorischen) Feststellung durch Bescheid bedürfen (so Valgoglio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rdnr. 75); damit lässt sich freilich nicht in Einklang bringen, dass es nach dem Gesetzeswortlaut des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Beginns des Absenkungs- und Wegfallzeitraumes nicht auf den Zeitpunkt des Pflichtverstoßes ankommt, sondern auf das Wirksamwerden des feststellenden Verwaltungsaktes (so auch Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 115). Deshalb könnte daran gedacht werden, als Regelungsgegenstand eines solchen Bescheides die - deklaratorische - Feststellung der Voraussetzungen für die Leistungskürzung, nämlich der Verwirklichung einer der Tatbestandsvarianten des § 31 Abs. 1 bis 4 SGB II, anzusehen, während die eigentliche Absenkung oder der Wegfall der Leistungen sowie deren Beginn und Ende von Gesetzes wegen eintreten und an das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes geknüpft sind (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 a.a.O.). Allerdings stellte sich auch insoweit das Problem der möglicherweise fehlenden zeitlichen Kongruenz beispielsweise zwischen einer Sperrzeit nach § 144 SGB III und der Leistungskürzung nach § 31 SGB II, wobei dies, wenngleich unbefriedigend, angesichts der bislang - trotz kritischer Literaturstimmen (vgl. nochmals Rixen, a.a.O. Rdnr. 57; Eicher, a.a.O.) - auch durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) unverändert gebliebenen Fassung des § 31 SGB II hinzunehmen wäre. Hinsichtlich des Wirksamwerdens des Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II könnte im Übrigen fraglich sein, ob allein auf die Bekanntgabe des Verwaltungsakts (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X) abzustellen ist (so wohl Rixen in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 31 Rdnr. 55; Valgoglio in Hauck/Noftz, a.a.O.; Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 115) oder ob nicht damit dessen Vollziehbarkeit gemeint ist (vgl. Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolph, a.a.O., § 31 Rdnr. 66; vgl. zur Aufrechnung BSG SozR 1200 § 51 Nr. 8 S. 18).

Indessen erscheinen die mit der Klage beim SG angefochtenen Bescheide, gleichgültig, welcher der oben dargestellten Auslegungsalternativen zu folgen wäre, bereits deswegen rechtswidrig, weil die dreimonatige Absenkung des Arbeitslosengeldes II in den dem Antragsteller noch vor Weihnachten zugegangenen Bescheiden vom 20. Dezember 2005 (vgl. sein Widerspruchsschreiben vom 25. Dezember 2005 sowie die Eingangsbestätigung der Antragsgegnerin vom 5. Januar 2006) erst mit Februar 2006 verfügt worden ist, obwohl die Vorschrift des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II vorsieht, dass die Leistungskürzung bereits mit Wirkung des Kalendermonats eintritt, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsakts folgt. Darüber hinaus werden beide Absenkungsentscheidungen auf die Regelung des § 31 Abs. 2 SGB II gestützt, obgleich die Antragsgegnerin wegen der Meldeversäumnisse vom 17. und 24. November 2005 offenbar - anders ist die Kürzung um insgesamt 70,00 EUR bei der dem Antragsteller bewilligten Regelleistung von 345,00 EUR nicht verständlich - von einer wiederholten Pflichtverletzung ausgeht, sodass jedenfalls hinsichtlich des zweiten Bescheides vom 20. Dezember 2005 nur die Bestimmung des § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II in Betracht gekommen wäre; fraglich erscheint wegen des Vomhundertsatzes von 10 auch die Höhe des Minderungsbetrages (10 v.H. von 345,00 EUR = 34,50 EUR).

Sonach bestehen bereits unter den oben dargestellten Gesichtspunkten erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit der Klage angefochtenen Bescheide. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist daher hier geboten, zumal existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II betroffen sind. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend beantwortet werden können überdies weitere offene, jedoch möglicherweise im Hauptsacheverfahren klärungsbedürftige rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte. Deshalb muss hier offen bleiben, ob es zulässig ist, wiederholte Pflichtverletzungen innerhalb eines Kalendermonats - wie geschehen - in zwei zeitgleich erlassenen Verwaltungsakten zu sanktionieren (so Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 116) oder ob das erste Sanktionsereignis bereits festgestellt sein muss, bevor eine kumulierte Absenkung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgen darf (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Valgoglio in Hauck/Noftz, a.a.O., § 31 Rdnr. 52; zu § 39 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. SGB XII Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 1. Auflage, § 39 Rdnr. 6; zur anderslautenden Vorschrift des § 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vgl. Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 147 Rdnr. 12). Dahingestellt bleiben muss ferner, welcher zeitliche Zusammenhang zwischen Pflichtverstoß und Sanktionsentscheidung zu fordern wäre (vgl. hierzu Rixen in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 31 Rdnr. 58; Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., § 31 Rdnrn. 116 f.; SG Berlin, Beschluss vom 12. Januar 2006 - S 37 AS 11525/05 ER (juris)). Hier nicht erörtert werden kann nach allem auch, ob die von der Antragsgegnerin verwendeten Vordrucke für Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III (Muster vorlegt im Verfahren S 10 AS 2555/05) in der Rechtsfolgenbelehrung ausreichend sind (vgl. hierzu BSGE 53, 13, 15 f. = SozR 4100 § 119 Nr. 18; BSGE 61, 289, 293 f. = SozR a.a.O. Nr. 31), was angesichts der im Wesentlichen nur den Gesetzeswortlaut wiederholenden Belehrungen zweifelhaft erscheint, und ob den Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II, die - anders als in § 336a SGB III die Meldeaufforderung nach § 309 SGB III - in § 39 SGB II nicht genannt sind, die Qualität eines Verwaltungsakts zukommt (im Recht der Arbeitsförderung offen gelassen in BSGE 62, 173, 175 = SozR 4100 § 132 Nr. 4; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen); verneinend Rixen in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 26; kritisch auch Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, 1. Auflage, § 336a Rdnrn. 36 f.; bejahend Blüggel in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 59 Rdnr. 10). All diese Unklarheiten sind jedoch im Rahmen der Interessenabwägung ergänzend zu Gunsten des Aussetzungsinteresses des Antragstellers zu berücksichtigen. Auf das Verhalten des Antragstellers war deshalb nicht weiter einzugehen, wenngleich die von ihm mitgeteilten Gründe weder einen wichtigen Grund im Sinne der §§ 31 Abs. 1, 59 SGB II darstellen noch Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit (§ 65 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) tangiert sein dürften.

Der Folgenbeseitigungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus § 86b Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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