Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1936/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 300/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2003 abgeändert. Der Bescheid vom 2. April 2003 in der Gestalt des Wiederspruchsbescheids vom 28. Mai 2003 wird aufgehoben, soweit der GdB von 90 auf 80 herabgesetzt worden ist.
Die Klage wegen der Entziehung des Nachteilsausgleichs aG wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im Wege der Neufeststellung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin von 90 auf 80 herabsetzen und den Nachteilsausgleich aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) entziehen konnte.
Mit dem bindend gewordenen Erstfeststellungsbescheid vom 11. April 2000 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) bei der 1940 geborenen Klägerin einen GdB von 90 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), B (Notwendigkeit einer ständigen Begleitperson) sowie aG fest. Dem lagen an Behinderungen Schlaganfallfolgen, eine Halbseitenlähmung rechts, eine Sprachstörung sowie eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks zu Grunde. Maßgebend hierfür war die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. C. vom 21. März 2000. Diese beruhte auf den Arztbriefen des Städtischen Klinikums K. vom 3. November 1999 (rechter Arm plegisch und rechtes Bein hochgradig paretisch) und der Kliniken für Rehabilitation/W.-Klinik D. vom 24. Februar 2000 (kurze Strecken bei persistierender Fußheberschwäche und eingeschränkter Hüftflexion möglich; im rechten Bein proximale Bewegungen entsprechend Kraftgrad 3+/5 möglich; aktive Fußhebung noch nicht möglich; im Stand Mehrbelastung auf dem linken Bein; Gehen mit Zirkumduktion und adduziertem, flektiertem Oberarm im typischen Muster möglich), in welchen über die Behandlung der Klägerin wegen eines am 10. Oktober 1999 aufgetretenen Hirninfarkts berichtet wurde.
Aufgrund der in der vä Stellungnahme vorgeschlagenen Nachprüfung leitete das VA im November 2002 ein entsprechendes Verfahren ein. In dem von ihr unter dem 29. November 2002 ausgefüllten Vordruck gab die Klägerin an, die bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen seien unverändert. Dr. F., Internist in E., teilte in seiner schriftlichen Auskunft vom 21. Januar 2003 u. a. mit, der Zustand des rechten Beines habe sich leicht gebessert, wobei die Muskeln deutlich athrophisch seien. Die rechte Hand und der rechte Arm seien vollkommen spastisch verkrampft. Die Muskulatur habe sich vollständig zurückgebildet. Eine Bewegung der Finger sei nicht möglich. Die Bewegungsfreiheit des rechten Armes und der rechten Hand sei gänzlich eingeschränkt. Eine Besserung des Zustandes sei nicht in Sicht. In der Wohnung könne sich die Klägerin mithilfe von Gehhilfen nur langsam fortbewegen. Außer Haus sei sie auf die ständige Zuhilfenahme von Gehstöcken, Gehstöcken mit Unterarmstützen, ZBG-Wagen und Rollstuhl angewiesen. Aus eigener Kraft und unter Verwendung der Gehstöcke könne sie jedoch nicht mehr als 50 m zu Fuß zurücklegen. Sie könne selbständig keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse oder Bahnen mehr nutzen und bedürfe der ständigen Hilfe Dritter bzw. einer ständigen Begleitperson. Die Erledigung der Einkäufe sei ihr nur mit Hilfe ihres Ehegatten und unter Verwendung eines faltbaren Rollstuhles möglich. Beigefügt waren u. a. der Krankheitsbericht des Städtischen Klinikums K. vom 21. September 2000, der Arztbrief des Klinikums K.-L. gGmbH vom 7. März 2001 und der Arztbrief des Städtischen Klinikums K. vom 12. Juni 2001. Prof. Dr. Dr. D./Dr. E. vom Städtischen Klinikum K. führten unter dem 21. September 2000 aus, die Klägerin habe am 19. September 2000 mitgeteilt, das Gehen sei für kurze Strecken mithilfe eines Einpunktstockes (bis zu 1 km) möglich. Unbefriedigend sei die noch vorhandene Schwäche des rechten Armes. Es wurde die Beurteilung abgegeben, dass im Vergleich zum Oktober 1999 das Befinden der Klägerin bzgl. der Gehfähigkeit, Selbstversorgungsmöglichkeit und der sich gut rückgebildeten Sprachstörung erfreulicherweise entwickelt habe. Prof. Dr. D./Dr. T. vom Klinikum K.-L. gGmbH führten unter dem 7. März 2001 aus, in der Krankengymnastik habe sich ein verbessertes Gangbild nach Weglassen des Gehstockes, der auch zu einer völlig falschen Gewichtsverlagerung und einem asymmetrischen Gangbild geführt habe, gezeigt. So habe sich unter intensiver Krankengymnastik eine Verbesserung des Gangbildes, eine bessere Symmetrie und ein Abbau der Angst gezeigt. Die Zirkumduktion beim Gehen habe reduziert werden können. Prof. Dr. Dr. D. teilte in seinem Arztbrief vom 12. Juni 2001 in Bezug auf den Ehegatten der Klägerin mit, das Laufen sei etwas schwieriger, er ermüde leichter, das Gangbild sei etwas unsicher und breitbeinig und der rechte Arm werde beim Gehen weniger mitbewegt. Hierzu hieß es in der vä Stellungnahme vom 9. März 2003, die Schlaganfallfolgen hätten sich nach den darin übereinstimmenden Berichten, wenn auch nicht gravierend, so aber doch insgesamt messbar zurückgebildet, weshalb insoweit der GdB mit 70 (statt bisher 80) und der Gesamt-GdB mit 80 (statt bisher 90) bewertet und der Nachteilsausgleich aG kassiert werden könne. Hierzu hörte das VA die Klägerin unter dem 18. März 2003 an. In seinem Schreiben vom 30. März 2003 gab der Ehegatte der Klägerin an, der körperliche Zustand der Klägerin habe sich nicht gebessert. Sie sei nach wie vor rechtsseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl mit Begleitperson angewiesen, da sie auch nur den linken Arm zur Verfügung habe, mit dem sie sich allein nicht fortbewegen könne. Am rechten Fuß müsse sie eine Prothese tragen und könne sich mit einem Stock nur wenige Meter fortbewegen. Wenn man sie an der Hand führe, könne sie sehr langsam eine längere Wegstrecke von 200 bis 300 m zurücklegen, sei aber anschließend stark erschöpft und müsse sich setzen. Das VA erteilte sodann den Bescheid vom 2. April 2003, mit dem der GdB ab 5. April 2003 nur noch mit 80 festgestellt und der Nachteilsausgleich aG entzogen wurde.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde die vä Stellungnahme vom 19. Mai 2003 eingeholt, in der es hieß, nach den vorliegenden Berichten werde ein deutlich gebessertes Gangbild bzw. ein etwas unsicheres breitbeiniges Gangbild bei zufriedenstellendem Zustand beschrieben. Eine Gleichstellung mit dem Personenkreis aG sei unter diesem Gesichtspunkt nicht vertretbar. Eine Gehstrecke mit Hilfsmitteln um 100 m sei möglich. Der Gesamt-GdB betrage 80 seit dem 1. März 2003. Hierauf gestützt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2003 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 5. Juni 2003 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung sie sich auf das in ihrem Auftrag erstattete Gutachten zur Frage der Kraftfahrtauglichkeit von Dr. M., Orthopäde in K., vom 20. August 2001 (spezielle Anforderungen an die Anpassung am Fahrzeug wegen vollkommenem Funktionsausfall des rechten Armes und einer erheblichen Funktionseinschränkung des rechten Beines, vor allen Dingen hinsichtlich des Fußes im oberen Sprunggelenk) sowie auf das auf Veranlassung des Landratsamtes/Straßenverkehrs- und Ordnungsamtes K. von Dr. M., Nervenärztin in K., erstellte Gutachten vom 22. Mai 2003 (im Laufe der Rehabilitation sei es zu einer deutlichen Besserung der Symptome gekommen, sodass die Klägerin jetzt mit Hilfe eines Gehstockes langsam gehen könne; ansonsten wegen ausgeprägter Defizite in der Wahrnehmung und Konzentration Unfähigkeit, ein Kraftfahrzeug der Klassen BC1E sicher zu führen) berief.
Das SG holte von Dr. F. die telefonischen Auskünfte vom 28. Oktober 2003 (die Angaben im Bericht an das VA seien weiterhin zutreffend; die Klägerin könne mit Hilfe von zwei Gehstöcken allenfalls 50 m gehen) und 29. Oktober 2003 (nach nochmaliger Überprüfung sei davon auszugehen, dass die Klägerin ohne Gehstock allenfalls 5 m, mit zwei Gehstöcken allenfalls 50 m laufen könne; dabei sei zu berücksichtigen, dass sie als Rechtshänderin unter einer Arthrose an der rechten Schulter leide und ihre rechte Hand völlig verkrampft sei, sodass der rechte Stock fast nutzlos sei) ein. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2003 gab die Klägerin vor dem SG an, zu Hause gehe sie quasi von Möbel zu Möbel ohne Stock. Sobald es sich jedoch um eine Entfernung von beispielsweise 2 ½ m oder mehr handle, müsse sie unbedingt einen Stock benützen. Außerhalb des Hauses könne sie ziemlich gut gehen. Allerdings sei sie nach einer kurzen Strecke sehr erschöpft und müsse eine Pause machen. Der Ehegatte der Klägerin gab an, die Klägerin könne ca. 20 bis 30 m mit einem Stock alleine gehen, dann brauche sie jedoch eine Hilfe. Sie könne beispielsweise an einem Zaun entlanggehen, weil sie dann etwas habe, an dem sie sich notfalls festhalten könne. Sie könne jedoch nicht die Straße überqueren.
Gestützt auf den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck sowie auf die Darlegungen von Dr. F. hob das SG durch Urteil vom 30. Oktober 2003 die angefochtenen Bescheide auf.
Gegen das am 30. Dezember 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22. Januar 2004 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf die vä Stellungnahmen von Dr. R. vom 20. Januar und 1. April 2004 gestützt. Er hat ausgeführt, unter Berücksichtigung der Angaben von Dr. M. und der Klägerin in Verbindung mit den aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen könne eine Gleichstellung mit dem zum Erhalt des Nachteilsausgleichs aG berechtigten Personenkreis nicht begründet werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat hierzu auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Der Senat hat von Amts wegen von Prof. Dr. Dr. D., Direktor der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums K., das Gutachten vom 17. Mai 2004 eingeholt. Darin heißt es zusammengefasst, der GdB sei bei der Klägerin weiterhin mit 90 zu bewerten. Dem Personenkreis, dem der Nachteilsausgleich aG ohne weitere Nachprüfung zustehe, lasse sich die Klägerin nicht ohne Weiteres gleichstellen. Allerdings sei die Klägerin nur in der Lage, sich mit einem Gehstock und einer Peronaeusschiene deutlich verlangsamt mit einem Wernicke-Mannschen Gangbild kleinschrittig und unsicher fortzubewegen. Dazu komme, dass der rechte Arm eine nahezu vollständige spastische Lähmung aufweise. Bei den bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen sei aus neurologischer Sicht davon auszugehen, dass sie sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen müsse. Angaben von Gehstrecken unterlägen der jeweiligen subjektiven Einschätzung. Folge man den Angaben des Ehemannes der Klägerin, so betrage die Gehstrecke der Klägerin mit Stock etwa 20-30 oder auch 40 m. Aus neurologischer Sicht sei unter Berücksichtigung dieser Angaben zusammenfassend festzustellen, dass entsprechend den Ausführungen in dem unter dem Az. B 9 SB 7/01 R ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 2002 eine Gleichstellung der Klägerin mit dem in den "Anhaltspunkten für die ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AP) aufgeführten Personenkreis denkbar wäre.
Der Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 6. Juli 2004 ein Vergleichsangebot unterbreitet, wonach der GdB über den 4. April 2003 hinaus 90 betrage. In der diesem Vergleichsangebot zugrundeliegenden vä Stellungnahme vom 28. Juni 2004 wird ausgeführt, nach den Ausführungen im Sachverständigengutachten sei für die gesamte, sich auf das Gehvermögen auswirkende Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines nach den AP ein Teil-GdB von maximal 50 zu veranschlagen. Mit dem im Urteil des BSG vom 10. Dezember 2002 angeführten Fall sei die Klägerin nicht zu vergleichen, da ihre Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sei. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21. Juli 2004 die Annahme des Vergleichsangebotes u. a. mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte verkenne das vom Sachverständigen beschriebene Zusammenwirken verschiedener Beeinträchtigungen.
Der Senat hat die Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. D. vom 29. Juli 2005 eingeholt. Im Vergleich zur ambulanten Voruntersuchung vom 19. September 2000 und dem von ihm am 14. Mai 2004 erhobenen Befund lasse sich kein wesentlicher Unterschied feststellen, zumindest sei keine Verschlechterung des neurologischen Befundes eingetreten. Gehe man davon aus, dass die im September 2000 von der Klägerin anlässlich der ambulanten Untersuchung gemachten Angaben zutreffend gewesen seien, so bestehe eine deutliche Diskrepanz zu den jetzt gemachten Aussagen, die sich nicht durch eine Verschlechterung des neurologischen Befundes erklären lasse. Prof. Dr. Dr. D. hat auch ausgeführt, es bestehe aus neurologischer Sicht kein Zweifel, dass die Gehfähigkeit der Klägerin in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sei und sich die Klägerin beim Gehen körperlich besonders anstrengen müsse, um mit der intakten linken Seite die Defizite der rechten Körperhälfte auszugleichen, da beispielsweise durch die Hemispastik links Gangunsicherheiten entstünden und durch die Spitzfußstellung die Gefahr bestehe, mit der Fußspitze hängen zu bleiben. Die Klägerin belaste durch das Gangbild nach Wernicke-Mann die linke Körperhälfte in vermehrtem Maße und benötige einen höheren Konzentrationsaufwand als nicht behinderte Vergleichspersonen, um laufen zu können. Aus neurologischer Sicht bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin nicht zu dem Personenkreis zähle, der in den AP aufgeführt sei. Wenn man den Angaben des Ehegatten der Klägerin und der Klägerin zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung folge, sei - wie in dem vom BSG am 10. Dezember 2002 entschiedenen Fall - davon auszugehen, dass die Gehfähigkeit so stark eingeschränkt sei, dass es unzumutbar sei, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Einschränkend sei allerdings hinzuzufügen, dass die Aussagen der Klägerin zur Gehfähigkeit bei früheren Untersuchungen hierzu im Widerspruch stünden. Gehe man von den Angaben der Klägerin im September 2000 aus, so wäre eine Gehstrecke mit Hilfe eines Einpunktstockes bis zu 1 km möglich.
Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 4. Oktober 2005 vorgelegt. Eine Gleichstellung mit den in den AP aufgeführten Personenkreis nur unter Berücksichtigung subjektiver - im Übrigen widersprüchlicher Angaben im Krankheitsverlauf - herzustellen, könne nicht das entscheidende Beurteilungskriterium für die Beibehaltung des Nachteilsausgleichs aG sein. Unter Anlegung der geforderten objektiven Beurteilungsmaßstäbe sei von einer deutlichen Besserung des Zustandsbilds im Hinblick auf das Gehvermögen nach dem Hirninfarkt vom 10. Oktober 1999 auszugehen.
Die Beteiligten haben sich in ihren Schriftsätzen vom 19. und 31. Oktober 2005 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 2. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 zwar zu Unrecht den GdB von 90 auf 80 herabgesetzt, aber zu Recht den Nachteilsausgleich aG entzogen.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert bzw. die tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme weiterer Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht mehr vorliegen. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m. w. N.). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - "früheren" Behinderungszustand ermittelt werden. Gegenwärtiger Zustand ist im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin ihr Begehren mit der reinen Anfechtungsklage verfolgt, der Gesundheitszustand der Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Widerspruchsbescheides, also am 28. Mai 2003. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast trägt der Beklagte die Beweislast dafür, ob in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine die Herabsetzung des GdB bzw. den Entzug von Nachteilsausgleichen rechtfertigende Änderung eingetreten ist.
Ausgehend von diesen Vorschriften vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass bei der Klägerin eine wesentliche, die Herabsetzung des GdB rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind seit dem 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Artikel 63, 68 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 - BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, Nr. 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, Nr. 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, Nr. 19 Abs. 4, S. 26).
Wie dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten vom 17. Mai 2004 zu entnehmen ist, beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin, die lediglich die Entziehung angefochten hat, weiterhin (mindestens) 90. Der Senat ist von der Richtigkeit dieser Einschätzung überzeugt. Da dieser Bewertung in der vä Stellungnahme vom 28. Juni 2004 zumindest im Ergebnis nicht widersprochen worden ist, sieht der Senat hier von weiteren Darlegungen ab.
Nach Überzeugung des Senats ist bei der Klägerin eine wesentliche, die Entziehung des Nachteilsausgleichs aG rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten.
Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des SchwbG (Ausweisverordnung - SchwbAwV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 2378), geändert durch Artikel 6 Abs. 104 Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), ist im Ausweis eines Schwerbehinderten den Nachteilsausgleich aG einzutragen, wenn der Schwerbehinderte außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Damit weist das Schwerbehindertenrecht die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dem Straßenverkehrsrecht zu, für das die Begünstigung überwiegend Bedeutung hat. Denn ein Ausweis mit dem Nachteilsausgleich aG befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten. Gemäß § 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) ist darüber hinaus das Halten von Kraftfahrzeugen von der Steuer befreit. Umschrieben wird der begünstigte Personenkreis in der vom Bundesminister für Verkehr erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VV-StVO) in der Fassung vom 19. März 1992, die auf der gesetzlichen Grundlage des § 6 StVG beruht. Die VV-StVO ist in der - zu Nr. 11 unveränderten - Fassung vom 28. Oktober 1998 (BAnz 1998 Nr. 246b) gemäß Artikel 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung (zuvor: der Bundesminister für Verkehr sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) neu erlassen worden (BAnz 2001, Nr. 21, 1419). Sie bleibt in ihrem Bestand mithin unberührt vom Wegfall der Ermächtigung des Bundesministeriums für Verkehr zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften in § 6 Abs. 1 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 11. September 2002 (BGBl. I 3574 - vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180).
Danach zählen zu den Behinderten, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen können, Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte sowie einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach vä Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind (Nr. 11 Abschn. II 1 VV-StVO; AP, Nr. 31 Abs. 2 und 3, S. 139; vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/86 - SozR 3870 § 3 Nr. 28). Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; der Betroffene muss vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (AP, Nr. 31 Abs. 4).
Ein Betroffener ist also mit der Gruppe der in der VV-StVO beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Der vollständige Verlust des Gehvermögens ist daher nicht zu fordern, das Restgehvermögen muss aber soweit eingeschränkt sein, dass es den Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Einen exakten Beurteilungsmaßstab zur Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises nach dem gesteigerten Energieaufwand beim Gehen gibt es nicht. Eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt hierzu grundsätzlich nicht. Die Wegelänge bis zu den ersten auftretenden Zeichen der Erschöpfung ist aber ein gewichtiges Indiz für die Beurteilung des Restgehvermögens (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180 für eine Gehpause wegen Erschöpfung nach 30 m).
Demnach liegt eine außergewöhnliche Gehbehinderung nur dann vor, wenn die Fortbewegung zu Fuß auf das Schwerste eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 8. Mai 1981 - 9 RVs 5/80 - SozR 3870 § 3 Nr. 11; BSG, Urteil vom 6. November 1985 - 9a RVs 7/83 - SozR 3870 § 3 Nr. 18). Der begünstigte Personenkreis ist dabei eng zu fassen, weil eine Ausweitung desselben die Verknappung des ortsnahen Parkraums - der im Übrigen nicht beliebig vermehrbar ist - nach sich ziehen würde, wodurch dem gesamten begünstigten Personenkreis letztlich längere Wegstrecken zugemutet würden (BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/86 - SozR 3870 § 3 Nr. 28). Aus dem so begründeten Gebot, den begünstigten Personenkreis eng zu fassen, leitet der Senat in ständiger Rechtssprechung ab (stellvertretend in seinem Urteil vom 27. September 2001 - L 6 SB 1340/00 – m. w. N.), dass die Sonderparkplätze in der Nähe von Behörden, anderen öffentlichen Einrichtungen oder Kliniken sowie die Sonderparkrechte vor Wohnungen und Arbeitsstätten denjenigen vorbehalten bleiben sollen, denen nur noch Wegstrecken zumutbar sind, die sie von diesen Sonderparkplätzen aus üblicherweise bis zum Eingang des zu erreichenden Gebäudes zurücklegen können. Solche Wegstrecken in die Eingangsbereiche der betreffenden Gebäude betragen in der Regel unter 100 m. Die Fähigkeit des Behinderten, Wegstrecken über 100 Meter ohne Erholungspausen und Zeichen der Überanstrengung in angemessener Zeit zurücklegen zu können, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180) in Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtiges Indiz für ein anspruchausschließendes Restgehvermögen.
Der Klägerin steht wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zwischen April 2000 und Mai 2003 nicht mehr der Nachteilsausgleich aG zu.
Grundlage für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG im Bescheid vom 11. April 2000 war insbesondere der Arztbrief der Kliniken für Rehabilitation/W.-Klinik D. vom 24. Februar 2000, wo sich die Klägerin in der Zeit vom 25. Oktober 1999 bis zum 11. Februar 2000 in der Frührehabilitation bzw. Anschlussheilbehandlung befand. Danach war die Klägerin nur in der Lage, Wegstrecken - auch zu Hause - mit einem Aktivrollstuhl zurückzulegen. Deshalb war die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG im Bescheid vom 11. April 2000 zutreffend. Der Gesundheitszustand der Klägerin hat sich bis Mai 2003 derart wesentlich geändert, dass die Klägerin nicht mehr der Gruppe der in der VV-StVO beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden kann.
Dass eine Besserung des Gangbildes der Klägerin eingetreten ist, ergibt sich aus dem Krankheitsbericht der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums K. vom 21. September 2000, wonach sich im Vergleich zum Befund vom Oktober 1999 das Befinden der Klägerin bezüglich der Gehfähigkeit "erfreulicherweise entwickelt" hat. Mit dieser Beschreibung stimmen die Angaben der Klägerin, die sie am 19. September 2000 anlässlich der Untersuchung in der Neurologischen Klinik in K. gemacht hat, überein. Sie hat angegeben, dass "das Gehen für kurze Strecken mit Hilfe eines Einpunktstockes möglich (bis zu einen Kilometer)" sei. Auch zeigte sich im Rahmen der bis zum 25. Januar 2001 im Klinikum K.-L. gGmbH durchgeführten stationären Maßnahme ein verbessertes Gangbild nach Weglassen des Gehstocks, was sich aus dem Arztbrief des Klinikums K.-L. gGmbH vom 7. März 2001 ergibt. Hieraus ist nach Überzeugung des Senats sicher zu entnehmen, dass sich das Gehvermögen der Klägerin so gebessert hat, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs aG nicht mehr vorliegen.
Dieser Gesundheitszustand bestand nach Überzeugung des Senats unverändert bis zum maßgeblichen Entziehungszeitpunkt fort. Als wesentlich erachtet der Senat insoweit die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2005. Dort hat er ausgeführt, im Vergleich zur ambulanten Voruntersuchung vom 19. September 2000 und dem von ihm am 14. Mai 2004 erhobenen Befund lasse sich kein wesentlicher Unterschied feststellen, zumindest sei keine Verschlechterung des neurologischen Befundes eingetreten.
Daher sind die unter dem 29. November 2002 gegenüber der Beklagten gemachten Angaben der Klägerin, die Gesundheitsstörungen seien unverändert (also ohne zwischenzeitliche Besserung) geblieben, ebenso wenig nachvollziehbar, wie die Ausführungen von Dr. F. in seinem Befundbericht vom 21. Januar 2003 und in seiner gegenüber dem SG getätigten telefonischen Auskunft vom 29. Oktober 2003, aus eigener Kraft und unter Verwendung der Gehstöcke könne die Klägerin nicht mehr als 50 m zu Fuß zurücklegen. Auch steht der Hinweis des Ehegatten der Klägerin in seinem Schreiben vom 30. März 2003, die Klägerin könne sich nicht allein fortbewegen, mit den oben zitierten Beschreibungen der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikum K. und des Klinikums K.-L. gGmbH in Widerspruch. Auf diese Diskrepanz hat Prof. Dr. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2005 hingewiesen und dargelegt, die unterschiedlichen Angaben ließen sich nicht durch objektivierbare neurologische Auffälligkeiten im Sinne einer Verschlechterung des neurologischen Zustandsbilds belegen.
Die Klägerin gehört in ihrem jetzigen Gesundheitszustand nicht zu der in Nr. 11 Abschn. II 1 VV-StVO (siehe auch AP, Nr. 31 Abs. 2 und 3, S. 139) aufgeführten Personengruppe und kann mit diesem Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. D. in seinem Gutachten vom 17. Mai 2004.
Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 30. Oktober 2003 abzuändern, der Bescheid vom 2. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2003 aufzuheben, soweit der GdB von 90 auf 80 herabgesetzt wurde, die Berufung im Übrigen zurückzuweisen und die Klage, soweit sie sich gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs aG richtete, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Klage wegen der Entziehung des Nachteilsausgleichs aG wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im Wege der Neufeststellung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin von 90 auf 80 herabsetzen und den Nachteilsausgleich aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) entziehen konnte.
Mit dem bindend gewordenen Erstfeststellungsbescheid vom 11. April 2000 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) bei der 1940 geborenen Klägerin einen GdB von 90 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), B (Notwendigkeit einer ständigen Begleitperson) sowie aG fest. Dem lagen an Behinderungen Schlaganfallfolgen, eine Halbseitenlähmung rechts, eine Sprachstörung sowie eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks zu Grunde. Maßgebend hierfür war die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. C. vom 21. März 2000. Diese beruhte auf den Arztbriefen des Städtischen Klinikums K. vom 3. November 1999 (rechter Arm plegisch und rechtes Bein hochgradig paretisch) und der Kliniken für Rehabilitation/W.-Klinik D. vom 24. Februar 2000 (kurze Strecken bei persistierender Fußheberschwäche und eingeschränkter Hüftflexion möglich; im rechten Bein proximale Bewegungen entsprechend Kraftgrad 3+/5 möglich; aktive Fußhebung noch nicht möglich; im Stand Mehrbelastung auf dem linken Bein; Gehen mit Zirkumduktion und adduziertem, flektiertem Oberarm im typischen Muster möglich), in welchen über die Behandlung der Klägerin wegen eines am 10. Oktober 1999 aufgetretenen Hirninfarkts berichtet wurde.
Aufgrund der in der vä Stellungnahme vorgeschlagenen Nachprüfung leitete das VA im November 2002 ein entsprechendes Verfahren ein. In dem von ihr unter dem 29. November 2002 ausgefüllten Vordruck gab die Klägerin an, die bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen seien unverändert. Dr. F., Internist in E., teilte in seiner schriftlichen Auskunft vom 21. Januar 2003 u. a. mit, der Zustand des rechten Beines habe sich leicht gebessert, wobei die Muskeln deutlich athrophisch seien. Die rechte Hand und der rechte Arm seien vollkommen spastisch verkrampft. Die Muskulatur habe sich vollständig zurückgebildet. Eine Bewegung der Finger sei nicht möglich. Die Bewegungsfreiheit des rechten Armes und der rechten Hand sei gänzlich eingeschränkt. Eine Besserung des Zustandes sei nicht in Sicht. In der Wohnung könne sich die Klägerin mithilfe von Gehhilfen nur langsam fortbewegen. Außer Haus sei sie auf die ständige Zuhilfenahme von Gehstöcken, Gehstöcken mit Unterarmstützen, ZBG-Wagen und Rollstuhl angewiesen. Aus eigener Kraft und unter Verwendung der Gehstöcke könne sie jedoch nicht mehr als 50 m zu Fuß zurücklegen. Sie könne selbständig keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse oder Bahnen mehr nutzen und bedürfe der ständigen Hilfe Dritter bzw. einer ständigen Begleitperson. Die Erledigung der Einkäufe sei ihr nur mit Hilfe ihres Ehegatten und unter Verwendung eines faltbaren Rollstuhles möglich. Beigefügt waren u. a. der Krankheitsbericht des Städtischen Klinikums K. vom 21. September 2000, der Arztbrief des Klinikums K.-L. gGmbH vom 7. März 2001 und der Arztbrief des Städtischen Klinikums K. vom 12. Juni 2001. Prof. Dr. Dr. D./Dr. E. vom Städtischen Klinikum K. führten unter dem 21. September 2000 aus, die Klägerin habe am 19. September 2000 mitgeteilt, das Gehen sei für kurze Strecken mithilfe eines Einpunktstockes (bis zu 1 km) möglich. Unbefriedigend sei die noch vorhandene Schwäche des rechten Armes. Es wurde die Beurteilung abgegeben, dass im Vergleich zum Oktober 1999 das Befinden der Klägerin bzgl. der Gehfähigkeit, Selbstversorgungsmöglichkeit und der sich gut rückgebildeten Sprachstörung erfreulicherweise entwickelt habe. Prof. Dr. D./Dr. T. vom Klinikum K.-L. gGmbH führten unter dem 7. März 2001 aus, in der Krankengymnastik habe sich ein verbessertes Gangbild nach Weglassen des Gehstockes, der auch zu einer völlig falschen Gewichtsverlagerung und einem asymmetrischen Gangbild geführt habe, gezeigt. So habe sich unter intensiver Krankengymnastik eine Verbesserung des Gangbildes, eine bessere Symmetrie und ein Abbau der Angst gezeigt. Die Zirkumduktion beim Gehen habe reduziert werden können. Prof. Dr. Dr. D. teilte in seinem Arztbrief vom 12. Juni 2001 in Bezug auf den Ehegatten der Klägerin mit, das Laufen sei etwas schwieriger, er ermüde leichter, das Gangbild sei etwas unsicher und breitbeinig und der rechte Arm werde beim Gehen weniger mitbewegt. Hierzu hieß es in der vä Stellungnahme vom 9. März 2003, die Schlaganfallfolgen hätten sich nach den darin übereinstimmenden Berichten, wenn auch nicht gravierend, so aber doch insgesamt messbar zurückgebildet, weshalb insoweit der GdB mit 70 (statt bisher 80) und der Gesamt-GdB mit 80 (statt bisher 90) bewertet und der Nachteilsausgleich aG kassiert werden könne. Hierzu hörte das VA die Klägerin unter dem 18. März 2003 an. In seinem Schreiben vom 30. März 2003 gab der Ehegatte der Klägerin an, der körperliche Zustand der Klägerin habe sich nicht gebessert. Sie sei nach wie vor rechtsseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl mit Begleitperson angewiesen, da sie auch nur den linken Arm zur Verfügung habe, mit dem sie sich allein nicht fortbewegen könne. Am rechten Fuß müsse sie eine Prothese tragen und könne sich mit einem Stock nur wenige Meter fortbewegen. Wenn man sie an der Hand führe, könne sie sehr langsam eine längere Wegstrecke von 200 bis 300 m zurücklegen, sei aber anschließend stark erschöpft und müsse sich setzen. Das VA erteilte sodann den Bescheid vom 2. April 2003, mit dem der GdB ab 5. April 2003 nur noch mit 80 festgestellt und der Nachteilsausgleich aG entzogen wurde.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde die vä Stellungnahme vom 19. Mai 2003 eingeholt, in der es hieß, nach den vorliegenden Berichten werde ein deutlich gebessertes Gangbild bzw. ein etwas unsicheres breitbeiniges Gangbild bei zufriedenstellendem Zustand beschrieben. Eine Gleichstellung mit dem Personenkreis aG sei unter diesem Gesichtspunkt nicht vertretbar. Eine Gehstrecke mit Hilfsmitteln um 100 m sei möglich. Der Gesamt-GdB betrage 80 seit dem 1. März 2003. Hierauf gestützt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2003 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 5. Juni 2003 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung sie sich auf das in ihrem Auftrag erstattete Gutachten zur Frage der Kraftfahrtauglichkeit von Dr. M., Orthopäde in K., vom 20. August 2001 (spezielle Anforderungen an die Anpassung am Fahrzeug wegen vollkommenem Funktionsausfall des rechten Armes und einer erheblichen Funktionseinschränkung des rechten Beines, vor allen Dingen hinsichtlich des Fußes im oberen Sprunggelenk) sowie auf das auf Veranlassung des Landratsamtes/Straßenverkehrs- und Ordnungsamtes K. von Dr. M., Nervenärztin in K., erstellte Gutachten vom 22. Mai 2003 (im Laufe der Rehabilitation sei es zu einer deutlichen Besserung der Symptome gekommen, sodass die Klägerin jetzt mit Hilfe eines Gehstockes langsam gehen könne; ansonsten wegen ausgeprägter Defizite in der Wahrnehmung und Konzentration Unfähigkeit, ein Kraftfahrzeug der Klassen BC1E sicher zu führen) berief.
Das SG holte von Dr. F. die telefonischen Auskünfte vom 28. Oktober 2003 (die Angaben im Bericht an das VA seien weiterhin zutreffend; die Klägerin könne mit Hilfe von zwei Gehstöcken allenfalls 50 m gehen) und 29. Oktober 2003 (nach nochmaliger Überprüfung sei davon auszugehen, dass die Klägerin ohne Gehstock allenfalls 5 m, mit zwei Gehstöcken allenfalls 50 m laufen könne; dabei sei zu berücksichtigen, dass sie als Rechtshänderin unter einer Arthrose an der rechten Schulter leide und ihre rechte Hand völlig verkrampft sei, sodass der rechte Stock fast nutzlos sei) ein. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2003 gab die Klägerin vor dem SG an, zu Hause gehe sie quasi von Möbel zu Möbel ohne Stock. Sobald es sich jedoch um eine Entfernung von beispielsweise 2 ½ m oder mehr handle, müsse sie unbedingt einen Stock benützen. Außerhalb des Hauses könne sie ziemlich gut gehen. Allerdings sei sie nach einer kurzen Strecke sehr erschöpft und müsse eine Pause machen. Der Ehegatte der Klägerin gab an, die Klägerin könne ca. 20 bis 30 m mit einem Stock alleine gehen, dann brauche sie jedoch eine Hilfe. Sie könne beispielsweise an einem Zaun entlanggehen, weil sie dann etwas habe, an dem sie sich notfalls festhalten könne. Sie könne jedoch nicht die Straße überqueren.
Gestützt auf den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck sowie auf die Darlegungen von Dr. F. hob das SG durch Urteil vom 30. Oktober 2003 die angefochtenen Bescheide auf.
Gegen das am 30. Dezember 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22. Januar 2004 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf die vä Stellungnahmen von Dr. R. vom 20. Januar und 1. April 2004 gestützt. Er hat ausgeführt, unter Berücksichtigung der Angaben von Dr. M. und der Klägerin in Verbindung mit den aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen könne eine Gleichstellung mit dem zum Erhalt des Nachteilsausgleichs aG berechtigten Personenkreis nicht begründet werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat hierzu auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Der Senat hat von Amts wegen von Prof. Dr. Dr. D., Direktor der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums K., das Gutachten vom 17. Mai 2004 eingeholt. Darin heißt es zusammengefasst, der GdB sei bei der Klägerin weiterhin mit 90 zu bewerten. Dem Personenkreis, dem der Nachteilsausgleich aG ohne weitere Nachprüfung zustehe, lasse sich die Klägerin nicht ohne Weiteres gleichstellen. Allerdings sei die Klägerin nur in der Lage, sich mit einem Gehstock und einer Peronaeusschiene deutlich verlangsamt mit einem Wernicke-Mannschen Gangbild kleinschrittig und unsicher fortzubewegen. Dazu komme, dass der rechte Arm eine nahezu vollständige spastische Lähmung aufweise. Bei den bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen sei aus neurologischer Sicht davon auszugehen, dass sie sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen müsse. Angaben von Gehstrecken unterlägen der jeweiligen subjektiven Einschätzung. Folge man den Angaben des Ehemannes der Klägerin, so betrage die Gehstrecke der Klägerin mit Stock etwa 20-30 oder auch 40 m. Aus neurologischer Sicht sei unter Berücksichtigung dieser Angaben zusammenfassend festzustellen, dass entsprechend den Ausführungen in dem unter dem Az. B 9 SB 7/01 R ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 2002 eine Gleichstellung der Klägerin mit dem in den "Anhaltspunkten für die ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AP) aufgeführten Personenkreis denkbar wäre.
Der Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 6. Juli 2004 ein Vergleichsangebot unterbreitet, wonach der GdB über den 4. April 2003 hinaus 90 betrage. In der diesem Vergleichsangebot zugrundeliegenden vä Stellungnahme vom 28. Juni 2004 wird ausgeführt, nach den Ausführungen im Sachverständigengutachten sei für die gesamte, sich auf das Gehvermögen auswirkende Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines nach den AP ein Teil-GdB von maximal 50 zu veranschlagen. Mit dem im Urteil des BSG vom 10. Dezember 2002 angeführten Fall sei die Klägerin nicht zu vergleichen, da ihre Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sei. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21. Juli 2004 die Annahme des Vergleichsangebotes u. a. mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte verkenne das vom Sachverständigen beschriebene Zusammenwirken verschiedener Beeinträchtigungen.
Der Senat hat die Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. D. vom 29. Juli 2005 eingeholt. Im Vergleich zur ambulanten Voruntersuchung vom 19. September 2000 und dem von ihm am 14. Mai 2004 erhobenen Befund lasse sich kein wesentlicher Unterschied feststellen, zumindest sei keine Verschlechterung des neurologischen Befundes eingetreten. Gehe man davon aus, dass die im September 2000 von der Klägerin anlässlich der ambulanten Untersuchung gemachten Angaben zutreffend gewesen seien, so bestehe eine deutliche Diskrepanz zu den jetzt gemachten Aussagen, die sich nicht durch eine Verschlechterung des neurologischen Befundes erklären lasse. Prof. Dr. Dr. D. hat auch ausgeführt, es bestehe aus neurologischer Sicht kein Zweifel, dass die Gehfähigkeit der Klägerin in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sei und sich die Klägerin beim Gehen körperlich besonders anstrengen müsse, um mit der intakten linken Seite die Defizite der rechten Körperhälfte auszugleichen, da beispielsweise durch die Hemispastik links Gangunsicherheiten entstünden und durch die Spitzfußstellung die Gefahr bestehe, mit der Fußspitze hängen zu bleiben. Die Klägerin belaste durch das Gangbild nach Wernicke-Mann die linke Körperhälfte in vermehrtem Maße und benötige einen höheren Konzentrationsaufwand als nicht behinderte Vergleichspersonen, um laufen zu können. Aus neurologischer Sicht bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin nicht zu dem Personenkreis zähle, der in den AP aufgeführt sei. Wenn man den Angaben des Ehegatten der Klägerin und der Klägerin zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung folge, sei - wie in dem vom BSG am 10. Dezember 2002 entschiedenen Fall - davon auszugehen, dass die Gehfähigkeit so stark eingeschränkt sei, dass es unzumutbar sei, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Einschränkend sei allerdings hinzuzufügen, dass die Aussagen der Klägerin zur Gehfähigkeit bei früheren Untersuchungen hierzu im Widerspruch stünden. Gehe man von den Angaben der Klägerin im September 2000 aus, so wäre eine Gehstrecke mit Hilfe eines Einpunktstockes bis zu 1 km möglich.
Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 4. Oktober 2005 vorgelegt. Eine Gleichstellung mit den in den AP aufgeführten Personenkreis nur unter Berücksichtigung subjektiver - im Übrigen widersprüchlicher Angaben im Krankheitsverlauf - herzustellen, könne nicht das entscheidende Beurteilungskriterium für die Beibehaltung des Nachteilsausgleichs aG sein. Unter Anlegung der geforderten objektiven Beurteilungsmaßstäbe sei von einer deutlichen Besserung des Zustandsbilds im Hinblick auf das Gehvermögen nach dem Hirninfarkt vom 10. Oktober 1999 auszugehen.
Die Beteiligten haben sich in ihren Schriftsätzen vom 19. und 31. Oktober 2005 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 2. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 zwar zu Unrecht den GdB von 90 auf 80 herabgesetzt, aber zu Recht den Nachteilsausgleich aG entzogen.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert bzw. die tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme weiterer Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht mehr vorliegen. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m. w. N.). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - "früheren" Behinderungszustand ermittelt werden. Gegenwärtiger Zustand ist im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin ihr Begehren mit der reinen Anfechtungsklage verfolgt, der Gesundheitszustand der Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Widerspruchsbescheides, also am 28. Mai 2003. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast trägt der Beklagte die Beweislast dafür, ob in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine die Herabsetzung des GdB bzw. den Entzug von Nachteilsausgleichen rechtfertigende Änderung eingetreten ist.
Ausgehend von diesen Vorschriften vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass bei der Klägerin eine wesentliche, die Herabsetzung des GdB rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind seit dem 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Artikel 63, 68 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 - BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, Nr. 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, Nr. 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, Nr. 19 Abs. 4, S. 26).
Wie dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten vom 17. Mai 2004 zu entnehmen ist, beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin, die lediglich die Entziehung angefochten hat, weiterhin (mindestens) 90. Der Senat ist von der Richtigkeit dieser Einschätzung überzeugt. Da dieser Bewertung in der vä Stellungnahme vom 28. Juni 2004 zumindest im Ergebnis nicht widersprochen worden ist, sieht der Senat hier von weiteren Darlegungen ab.
Nach Überzeugung des Senats ist bei der Klägerin eine wesentliche, die Entziehung des Nachteilsausgleichs aG rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten.
Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des SchwbG (Ausweisverordnung - SchwbAwV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 2378), geändert durch Artikel 6 Abs. 104 Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), ist im Ausweis eines Schwerbehinderten den Nachteilsausgleich aG einzutragen, wenn der Schwerbehinderte außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Damit weist das Schwerbehindertenrecht die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dem Straßenverkehrsrecht zu, für das die Begünstigung überwiegend Bedeutung hat. Denn ein Ausweis mit dem Nachteilsausgleich aG befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten. Gemäß § 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) ist darüber hinaus das Halten von Kraftfahrzeugen von der Steuer befreit. Umschrieben wird der begünstigte Personenkreis in der vom Bundesminister für Verkehr erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VV-StVO) in der Fassung vom 19. März 1992, die auf der gesetzlichen Grundlage des § 6 StVG beruht. Die VV-StVO ist in der - zu Nr. 11 unveränderten - Fassung vom 28. Oktober 1998 (BAnz 1998 Nr. 246b) gemäß Artikel 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung (zuvor: der Bundesminister für Verkehr sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) neu erlassen worden (BAnz 2001, Nr. 21, 1419). Sie bleibt in ihrem Bestand mithin unberührt vom Wegfall der Ermächtigung des Bundesministeriums für Verkehr zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften in § 6 Abs. 1 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 11. September 2002 (BGBl. I 3574 - vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180).
Danach zählen zu den Behinderten, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen können, Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte sowie einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach vä Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind (Nr. 11 Abschn. II 1 VV-StVO; AP, Nr. 31 Abs. 2 und 3, S. 139; vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/86 - SozR 3870 § 3 Nr. 28). Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; der Betroffene muss vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (AP, Nr. 31 Abs. 4).
Ein Betroffener ist also mit der Gruppe der in der VV-StVO beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Der vollständige Verlust des Gehvermögens ist daher nicht zu fordern, das Restgehvermögen muss aber soweit eingeschränkt sein, dass es den Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Einen exakten Beurteilungsmaßstab zur Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises nach dem gesteigerten Energieaufwand beim Gehen gibt es nicht. Eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt hierzu grundsätzlich nicht. Die Wegelänge bis zu den ersten auftretenden Zeichen der Erschöpfung ist aber ein gewichtiges Indiz für die Beurteilung des Restgehvermögens (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180 für eine Gehpause wegen Erschöpfung nach 30 m).
Demnach liegt eine außergewöhnliche Gehbehinderung nur dann vor, wenn die Fortbewegung zu Fuß auf das Schwerste eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 8. Mai 1981 - 9 RVs 5/80 - SozR 3870 § 3 Nr. 11; BSG, Urteil vom 6. November 1985 - 9a RVs 7/83 - SozR 3870 § 3 Nr. 18). Der begünstigte Personenkreis ist dabei eng zu fassen, weil eine Ausweitung desselben die Verknappung des ortsnahen Parkraums - der im Übrigen nicht beliebig vermehrbar ist - nach sich ziehen würde, wodurch dem gesamten begünstigten Personenkreis letztlich längere Wegstrecken zugemutet würden (BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/86 - SozR 3870 § 3 Nr. 28). Aus dem so begründeten Gebot, den begünstigten Personenkreis eng zu fassen, leitet der Senat in ständiger Rechtssprechung ab (stellvertretend in seinem Urteil vom 27. September 2001 - L 6 SB 1340/00 – m. w. N.), dass die Sonderparkplätze in der Nähe von Behörden, anderen öffentlichen Einrichtungen oder Kliniken sowie die Sonderparkrechte vor Wohnungen und Arbeitsstätten denjenigen vorbehalten bleiben sollen, denen nur noch Wegstrecken zumutbar sind, die sie von diesen Sonderparkplätzen aus üblicherweise bis zum Eingang des zu erreichenden Gebäudes zurücklegen können. Solche Wegstrecken in die Eingangsbereiche der betreffenden Gebäude betragen in der Regel unter 100 m. Die Fähigkeit des Behinderten, Wegstrecken über 100 Meter ohne Erholungspausen und Zeichen der Überanstrengung in angemessener Zeit zurücklegen zu können, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180) in Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtiges Indiz für ein anspruchausschließendes Restgehvermögen.
Der Klägerin steht wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zwischen April 2000 und Mai 2003 nicht mehr der Nachteilsausgleich aG zu.
Grundlage für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG im Bescheid vom 11. April 2000 war insbesondere der Arztbrief der Kliniken für Rehabilitation/W.-Klinik D. vom 24. Februar 2000, wo sich die Klägerin in der Zeit vom 25. Oktober 1999 bis zum 11. Februar 2000 in der Frührehabilitation bzw. Anschlussheilbehandlung befand. Danach war die Klägerin nur in der Lage, Wegstrecken - auch zu Hause - mit einem Aktivrollstuhl zurückzulegen. Deshalb war die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG im Bescheid vom 11. April 2000 zutreffend. Der Gesundheitszustand der Klägerin hat sich bis Mai 2003 derart wesentlich geändert, dass die Klägerin nicht mehr der Gruppe der in der VV-StVO beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden kann.
Dass eine Besserung des Gangbildes der Klägerin eingetreten ist, ergibt sich aus dem Krankheitsbericht der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums K. vom 21. September 2000, wonach sich im Vergleich zum Befund vom Oktober 1999 das Befinden der Klägerin bezüglich der Gehfähigkeit "erfreulicherweise entwickelt" hat. Mit dieser Beschreibung stimmen die Angaben der Klägerin, die sie am 19. September 2000 anlässlich der Untersuchung in der Neurologischen Klinik in K. gemacht hat, überein. Sie hat angegeben, dass "das Gehen für kurze Strecken mit Hilfe eines Einpunktstockes möglich (bis zu einen Kilometer)" sei. Auch zeigte sich im Rahmen der bis zum 25. Januar 2001 im Klinikum K.-L. gGmbH durchgeführten stationären Maßnahme ein verbessertes Gangbild nach Weglassen des Gehstocks, was sich aus dem Arztbrief des Klinikums K.-L. gGmbH vom 7. März 2001 ergibt. Hieraus ist nach Überzeugung des Senats sicher zu entnehmen, dass sich das Gehvermögen der Klägerin so gebessert hat, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs aG nicht mehr vorliegen.
Dieser Gesundheitszustand bestand nach Überzeugung des Senats unverändert bis zum maßgeblichen Entziehungszeitpunkt fort. Als wesentlich erachtet der Senat insoweit die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2005. Dort hat er ausgeführt, im Vergleich zur ambulanten Voruntersuchung vom 19. September 2000 und dem von ihm am 14. Mai 2004 erhobenen Befund lasse sich kein wesentlicher Unterschied feststellen, zumindest sei keine Verschlechterung des neurologischen Befundes eingetreten.
Daher sind die unter dem 29. November 2002 gegenüber der Beklagten gemachten Angaben der Klägerin, die Gesundheitsstörungen seien unverändert (also ohne zwischenzeitliche Besserung) geblieben, ebenso wenig nachvollziehbar, wie die Ausführungen von Dr. F. in seinem Befundbericht vom 21. Januar 2003 und in seiner gegenüber dem SG getätigten telefonischen Auskunft vom 29. Oktober 2003, aus eigener Kraft und unter Verwendung der Gehstöcke könne die Klägerin nicht mehr als 50 m zu Fuß zurücklegen. Auch steht der Hinweis des Ehegatten der Klägerin in seinem Schreiben vom 30. März 2003, die Klägerin könne sich nicht allein fortbewegen, mit den oben zitierten Beschreibungen der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikum K. und des Klinikums K.-L. gGmbH in Widerspruch. Auf diese Diskrepanz hat Prof. Dr. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Juli 2005 hingewiesen und dargelegt, die unterschiedlichen Angaben ließen sich nicht durch objektivierbare neurologische Auffälligkeiten im Sinne einer Verschlechterung des neurologischen Zustandsbilds belegen.
Die Klägerin gehört in ihrem jetzigen Gesundheitszustand nicht zu der in Nr. 11 Abschn. II 1 VV-StVO (siehe auch AP, Nr. 31 Abs. 2 und 3, S. 139) aufgeführten Personengruppe und kann mit diesem Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. D. in seinem Gutachten vom 17. Mai 2004.
Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 30. Oktober 2003 abzuändern, der Bescheid vom 2. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2003 aufzuheben, soweit der GdB von 90 auf 80 herabgesetzt wurde, die Berufung im Übrigen zurückzuweisen und die Klage, soweit sie sich gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs aG richtete, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved