L 6 SB 1108/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1474/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1108/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" (RF).

Der am 15. Dezember 1937 geborene Kläger beantragte am 22. Juli 2002 die Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft. Das Versorgungsamt Freiburg (VA) zog daraufhin den Durchgangsarztbericht des Arztes für (Unfall-)Chirurgie Dr. W. vom 2. Oktober 1998, die Arztbriefe des Facharztes für Radiologie Dr. E. vom 8. September 1998, von Prof. Dr. E./Dr. H. vom Klinikum O. vom 6. September 2000, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. R. vom 13. September 2000 und von Prof. Dr. R./Dr. L./Dr. M. vom Klinikum O. vom 17. Oktober 2000 bei. In den Arztbriefen des Klinikums O. wurde über eine am 30. August 2000 aufgetretene traumatisch-subarachnoidale Blutung mit kleiner Kontusionsblutung rechts temporal, einer damit einhergehenden armbetonten Hemiparese links mit Faszialismundastschwäche links und darüber berichtet, dass der Kläger sich aus der stationären Behandlung selbstständig entlassen habe. Unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 30. September 2002 stellte das VA mit Bescheid vom 11. Oktober 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 ab 1. Januar 1999 und einen GdB von 60 ab 30. August 2000 fest.

Am 14. November 2002 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB. Eine vä Stellungnahme erfolgte unter dem 20. Dezember 2002. Sodann ließ das VA den Kläger vä untersuchen und begutachten. OMR Dr. L. brachte in der vä Stellungnahme vom 15. Juli 2003 und ihrem vä Gutachten vom 16. Juli 2003 eine inkomplette Halbseitenlähmung links nach Schädel-Hirn-Trauma und Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 60), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 40) sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke und eine Polyneuropathie (Teil-GdB 40) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 100 und schlug den Nachteilsausgleich "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) vor. Mit Bescheid vom 21. Juli 2003 stellte das VA einen GdB von 90 ab 14. November 2002 und den Nachteilsausgleich G fest. Hiergegen legte der Kläger am 13. August 2003 Widerspruch ein und begehrte zusätzlich den Nachteilsausgleich RF. Mit Berichtigungsbescheid vom 11. September 2003 stellte das VA einen GdB von 100 ab 14. November 2002 fest. Sodann holte das VA den Befundschein des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 18. September 2003 ein. Dr. L. führte in ihrer vä Stellungnahme vom 28. Oktober 2003 aus, die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF lägen nicht vor. Der Kläger sei zur Begutachtung ohne Weglauftendenz oder schwere seelische Beeinträchtigungen gekommen, sodass es ihm zuzumuten sei, gelegentlich an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Eine schwere seelische oder hirnorganische Störung liege beim Kläger nicht vor. Allerdings könne eine rückwirkende Feststellung des GdB und des Nachteilsausgleichs G ab August 2000 erfolgen. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 einen GdB von 100 ab 30. August 2000 und den Nachteilsausgleich G fest. Mit Bescheid vom 3. November 2003 lehnte das VA den Antrag auf Feststellung des Nachteilsausgleichs RF ab. Hiergegen legte der Kläger am 10. November 2003 Widerspruch ein. Dr. B. führte in ihrer vä Stellungnahme vom 26. Januar 2004 aus, die selbstständige Entlassung aus dem Krankenhaus sei nicht so ungewöhnlich und sei nicht mit einer Weglauftendenz bei dementen Menschen gleichzusetzen. Auch versorge der Kläger noch selbstständig seinen landwirtschaftlichen Betrieb, was in der Regel den Nachteilsausgleich RF ausschließe. Eine Vermeidung öffentlicher Veranstaltungen sei nicht gleichzusetzen mit einem Ausschluss von allen öffentlichen Veranstaltungen aufgrund einer Behinderung. Diese Kriterien seien nicht erfüllt. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 28. April 2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. M. vom 4. Oktober 2004 ein. Dieser teilte mit, den Kläger am 2. September 2003 und 6. Juli 2004 untersucht zu haben. Der Kläger habe berichtet, sich seit seinem Unfall immer mehr zu isolieren. Der Kläger sei "eher aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und der nach dem Unfall eingetretenen Veränderungen von sich selbst aus gehindert", an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Mit Urteil vom 4. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein Hinweis darauf vor, dass es dem Kläger aus objektiven Gründen nicht möglich sei, an Veranstaltungen teilzunehmen. Hier sei eher eine mangelnde Motivation zu vermuten.

Gegen das am 2. März 2005 abgesandte Urteil des SG hat der Kläger am 14. März 2005 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Februar 2005 und den Bescheid vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Nachteilsausgleich RF festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. F. und des psychologischen Zusatz-Gutachtens des Dipl.-Psych. E., jeweils von der P.-Klinik W ... Im testpsychologischen Zusatz-Gutachten ist ausgeführt worden, der Befund spreche für eine durchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit bei einer ängstlich-depressiven Persönlichkeitsstruktur. Dr. F. hat ausgeführt, von nervenärztlicher Seite bestehe eine Resthemiparese der linken Körperseite nach einem Schädel-Hirn-Trauma sowie eine Polyneuropathie. Weiterhin sei von einem leichten organischen Psychosyndrom mit den typischen Beschwerden nach Schädel-Hirn-Trauma wie häufiger Kopfdruck insbesondere bei Wetterwechsel, mangelnde Belastbarkeit, affektive Labilität und Ähnliches auszugehen, ohne dass ein pathologisches Ausmaß vorläge. Insbesondere sei es zu keinen hirnorganischen Anfällen oder grobmotorischen Kopf- oder Gliedmaßenbewegungen gekommen. Auch würden nach dem Trauma keine aggressiven Verhaltensweisen oder motorische Unruhezustände benannt oder beschrieben. Während der zweimaligen Untersuchungssituation habe der Kläger lediglich beim ersten Termin aufgrund von orthopädisch bedingten Rückenbeschwerden mehrmals seine Sitzposition geändert. Eine kognitive Beeinträchtigung habe sich durch eine nervenärztliche Exploration und klinische Untersuchung sowie eine psychologische Testung ausschließen lassen. Auch hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass eine manifeste Störung vorliege, die es dem Kläger nicht mehr ermögliche, an den Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen. Insgesamt gesehen dränge sich der Eindruck auf, dass die Maßnahme, den Rechtsweg einzuschlagen, bei ihm fremdmotiviert sein dürfte. Dr. F. kam zu dem Ergebnis, es lägen keine Behinderungen vor, die den Kläger dauernd und in vollem Umfang daran hinderten, an öffentlichen Veranstaltungen wie Kino-, Theater-, Konzert-, Vortrags- und kirchlichen Veranstaltungen sowie öffentlichen Festen, Versammlungen oder Sportveranstaltungen in geschlossenen Räumen oder im Freien teilzunehmen. Es müsse nicht befürchtet werden, dass er beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten störe. Aus nervenärztlicher Sicht seien keine Benachteiligungen gefunden worden, die den Nachteilsausgleich RF begründen könnten.

Der Senat hat den Beteiligten am 9. November 2005 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 16. April 2004 zu Recht die Feststellung des Nachteilsausgleichs RF abgelehnt.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Feststellung des GdB und von Nachteilsausgleichen ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Nach § 1 der Verordnung der Landesregierung von Baden-Württemberg über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21. Juli 1992 (Ges.Bl. S. 573 ff) in Verbindung mit den Fernmeldegebührenvorschriften werden wegen einer Behinderung von der Rundfunkgebührenpflicht befreit bzw. erhalten Gebührenermäßigung beim Fernsprechhauptanschluss (Nachteilsausgleich RF) unter anderem Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e BVG, Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Personen, bei denen der GdB wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung beträgt, Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist oder Behinderte, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.

Letzteres ist nach den AP (Abschnitt 33 Abs. 2 c Satz 2) der Fall bei - behinderten Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen – auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) – bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - behinderten Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können oder bei ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten [siehe auch BSG, Urteil vom 10. August 1993 - 9/9a RVs 7/91 - SozR 3-3870 § 48 Nr. 2]), - behinderten Menschen mit – nicht nur vorübergehend – ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, - behinderten Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, wobei Nachprüfungen in kurzen Zeitabständen erforderlich sind, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören (siehe auch BSG, Urteil vom 23. Februar 1987 - 9a RVs 72/85 - SozR 3870 § 3 Nr. 24).

Nach den AP (Abschnitt 33 Abs. Abs. 2 c Satz 3-6) müssen die behinderten Menschen allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Es genügt nicht, dass sich die Teilnahme an einzelnen, nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen – bestimmter Art – verbietet. Behinderte Menschen, die noch in nennenswertem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, erfüllen die Voraussetzungen nicht. Die Berufstätigkeit eines behinderten Menschen ist in der Regel ein Indiz dafür, dass öffentliche Veranstaltungen – zumindest gelegentlich – besucht werden können, es sei denn, dass eine der vorgenannten Behinderungen vorliegt, die bei Menschenansammlungen zu unzumutbaren Belastungen für die Umgebung oder für den Betroffenen führt.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine enge Auslegung von Gebührenbefreiungsvorschriften, also auch des § 1 der baden-württembergischen Landesverordnung, geboten. Danach wird dem Zweck der Befreiung von der Gebührenpflicht für den Rundfunk- und Fernsehempfang dann genügt, wenn der Schwerbehinderte wegen seiner Leiden ständig, d. h. allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn er praktisch an das Haus gebunden ist und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen kann (BSG, Urteil vom 17. März 1982 - 9a/9 RVs 6/81 - SozR 3870 § 3 Nr. 15; BSG, Urteil vom 23. Februar 1987 - 9a RVs 72/85 - SozR 3870 § 3 Nr. 24; BSG, Urteil vom 10. August 1993 - 9/9a RVs 7/91 - SozR 3-3870 § 48 Nr. 2).

Zur Überzeugung des Senats liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens RF nicht vor.

Beim Kläger liegt keine der in den AP aufgeführten Krankheiten vor. Insbesondere handelt es sich bei ihm nicht um einen geistig oder seelisch behinderten Menschen, bei dem befürchtet werden muss, dass er beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stört. Insoweit stützt sich der Senat auf das schlüssige und gut nachvollziehbare nervenärztliche Gutachten von Dr. F ... Zwar hat Dr. F. in der Beschreibung des psychischen Befundes ausgeführt, der Kläger habe bei der Anamneseerhebung schmerzbedingt seine Position mehrmals wechseln bzw. kurz aufstehen müssen. Hieraus schloss die Gutachterin jedoch gut nachvollziehbar keine psychomotorische Unruhe. Vielmehr führte sie aus, sie habe beim Kläger keine grobmotorischen Kopf- oder Gliedmaßenbewegungen gesehen. Auch seien vom Kläger nach dem Trauma keine motorischen Unruhezustände benannt oder beschrieben worden. Beim Kläger sind keine Hinweise dafür vorhanden, dass eine manifeste Störung vorliegt, die es ihm nicht mehr ermöglicht, an den Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen.

Was die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet anbelangt, sind diese für das begehrte Merkzeichen nicht von Relevanz. Denn der Kläger ist aufgrund dieser Erkrankungen nicht ans Haus gebunden.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht beim Kläger nicht bereits deshalb vorliegen, weil der Beklagte ihm wegen seiner Gehbehinderung das Merkzeichen G zuerkannt hat. Denn Schwerbehinderte sind vom öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen, solange sie mit technischen Hilfsmitteln, z. B. ihrem Rollstuhl, oder der Hilfe einer Begleitperson jedenfalls eine Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen aufsuchen können (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juni 1987 - 9a RVs 27/85 - SozR 3870 § 3 Nr. 25).

Nach alledem war die Berufung unbegründet.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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