L 10 R 4913/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 440/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4913/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
In einem auf die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens gerichteten Klageverfahren ist die Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu treffen, wenn der Kläger von der Beklagten zwar zunächst als Versicherter angesehen worden war, im dagegen angestrengten Statusfeststellungsverfahren dann aber - auf seinen Widerspruch hin - obsiegte. Im Zeitpunkt der Klageerhebung steht dann nämlich bestandskräftig fest, dass der Kläger nicht zum Kreis der Versicherten gehört.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Oktober 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ausspruch über die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten aufgehoben wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 819,07 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens nach Abschluss eines Statusfestellungsverfahrens (§ 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]).

Der 1972 geborene Kläger ist Gesellschafter und Prokurist der L. Anlagenbau GmbH. Im Statusfeststellungsverfahren forderte die Beklagte mit Schreiben vom 26. Juli 2003 den Kläger auf, innerhalb von 14 Tagen (weitere) Unterlagen zu übersenden, nämlich einen von einem Vertreter der Gesellschaft ausgefüllten Feststellungsantrag, einen ausgefüllten Fragebogen zur Beurteilung der Versicherungspflicht sowie Kopien des Gesellschaftsvertrags, des Geschäftsführervertrags und eines Handelsregisterauszugs. Der Kläger übersandte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Juni 2003 den angeforderten Fragebogen und - nach Erinnerung der Beklagten mit Schreiben vom 31. Juli 2003 - mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11. August 2003 eine Kopie des Anstellungsvertrages. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. August 2003 bat der Kläger um Fristverlängerung bis 30. September 2003 auf Grund urlaubsbedingter Personalengpässe und Jahresurlaubs. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2003 stellte die Beklagte das Verwaltungsverfahren ein, da eine Entscheidungsfindung anhand der bisher eingereichten Unterlagen nicht möglich sei.

Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger weitere Unterlagen vor, worauf die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2004 den Bescheid vom 14. Oktober 2003 zurücknahm und feststellte, dass der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer und Gesellschafter für die L. Anlagenbau GmbH selbstständig ausübe und ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Da die erforderlichen Unterlagen erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden seien, seien die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten gem. § 63 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht zu erstatten.

Der Kläger legte im Hinblick auf die Nichtübernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens Widerspruch ein. Es liege kein Verschulden des Vertreters vor, vielmehr habe der Kläger unverschuldet nicht die Gelegenheit gehabt, aufgrund der umfangreichen Berufsausübung schnell genug zu agieren. Gemessen an der Bearbeitungszeit der Beklagten sei die Entscheidung unverhältnismäßig. Auch hätte die Beklagte nach §§ 60 ff Erstes Buchsozialgesetzbuch (SGB I) vorgehen und auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hinweisen müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Das hiergegen am 17. Januar 2005 angerufene Sozialgericht Konstanz, gegenüber dem der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens mit 819,07 EUR veranschlagt hat, hat mit Urteil vom 19. Oktober 2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 63 Abs. 1 Satz 3 SGB X auch bei einem erfolgreichen Widerspruch der Widerspruchsführer die Aufwendungen selbst zu tragen habe, die durch sein Verschulden entstanden seien; das Verschulden seines Vertreters sei ihm zuzurechnen. Hätte der Kläger die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen bereits zumindest innerhalb der selbst gesetzten Frist bis 30. September 2003 übermittelt, so wäre der Bescheid vom 14. Oktober 2003 nicht ergangen und es wären keine Kosten entstanden. Die von der Beklagten abgewartete Zeit sei auch ausreichend gewesen, um die Unterlagen vorzulegen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass der Prozessvertreter die Frist selbst angegeben habe und bis zum Erlass des Bescheides vom 14. Oktober 2003 keine Reaktion mehr erfolgt sei. § 66 SGB I sei bei einem Statusfeststellungsverfahren nicht einschlägig.

Der Kläger hat gegen das ihm am 4. November 2005 zugestellte Urteil am 17. November 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine bisherigen Angaben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Oktober 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 3. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2003 zu erstatten, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend hält, beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Kostenerstattung dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Es bleibt somit dabei, dass entgegen dem in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X geregelten Grundsatz der Kostenerstattung bei Erfolg des Widerspruchs auf Grund der Ausnahmeregelung des Satzes 3 dieser Vorschrift wegen Verschuldens des Klägers dieser seine Kosten aus den vom Sozialgericht genannten Gründen selbst zu tragen hat. Auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit des "Einstellungsbescheides" vom 14. Oktober 2003 kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Denn selbst wenn dieser Bescheid mangels Rechtsgrundlage nicht hätte ergehen dürfen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Das Widerspruchsverfahren war tatsächlich erfolgreich, und zwar unabhängig von der Frage einer Rechtswidrigkeit des Einstellungsbescheides. Auch im Falle der Annahme von Rechtswidrigkeit hätte sich somit am Ausgang des Widerspruchsverfahrens nichts geändert.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Mitwirkungspflicht des Klägers aus § 7a Abs. 3 SGB IV folgt, wonach die Beklagte den Beteiligten des Statusfeststellungsverfahrens schriftlich mitteilt, welche Angaben und Unterlagen sie für die Entscheidung benötigt und den Beteiligten eine angemessene Frist setzt, innerhalb derer diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben. Die Beklagte war nicht dazu verpflichtet, dem Kläger eine erneute Frist zu setzen, nachdem seit der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen mehr als zwei Monate vergangen waren und der Kläger die Vorlage der Unterlagen bis Ende September 2003 selbst angekündigt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in der seit 2. Januar 2002 gültigen Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144), § 183 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben und die §§ 154 bis 162 VwGO finden Anwendung, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zum Kreis der Versicherten, Leistungsempfänger oder Behinderten gehören. Dies ist hier der Fall, insbesondere gehört der Kläger nicht zum Kreis der Versicherten. Dies hat im Zeitpunkt der Klagerhebung bereits bestandskräftig festgestanden.

Kein anderes Ergebnis lässt sich mit der Überlegung rechtfertigen, der Streit um die Kosten des Widerspruchsverfahrens sei ein Annex zum Widerspruchsverfahren selbst und dort sei der Kläger - weil von der Beklagten so behandelt - als Versicherter anzusehen gewesen. Ob Letzteres zutrifft, kann offen bleiben. Denn selbst wenn der Kläger für das Widerspruchsverfahren als Versicherter im Sinne des § 183 SGG anzusehen wäre, ändert dies nichts daran, dass im Zeitpunkt der Klagerhebung bereits bestandskräftig das Gegenteil feststand, also dass der Kläger gerade kein Versicherter ist. § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG stellt auf den "Rechtszug" ab und gibt damit zu erkennen, dass es für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht auf den Inhalt des Streits, sondern allein auf die formale Stellung der Beteiligten und ihre Eigenschaft im Zeitpunkt der Klagerhebung bzw. Rechtsmitteleinlegung ankommt. Dementsprechend kann es keine Rolle spielen, dass der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt von der Beklagten als Versicherter angesehen wurde.

Zu entscheiden ist damit über die Kosten des Verfahrens. Der Ausspruch des Sozialgerichts ist entsprechend zu ändern.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 1 und 3 GKG und der vom Kläger vorgelegten Kostennote für das Widerspruchsverfahren.
Rechtskraft
Aus
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