L 11 KR 202/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1887/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 202/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge streitig.

Die 1935 geborene Klägerin nahm am 01.07.1952 erstmalig eine Erwerbstätigkeit auf und war mit Ausnahme einer privaten Krankenversicherung vom 01.12.1970 bis 30.04.1977 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben am 31.01.1995 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.

Auf ihren Rentenantrag vom 30.06.1994, den sie bei der Versichertenältesten der Beigeladenen, der Zeugin B. S., stellte, bezieht sie seit dem 01.02.1995 Altersrente für Frauen.

Auf die von der Zeugin B. S. erfolgte Meldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten lehnte die Beklagte mit Formularschreiben vom 18.07.1994 die Aufnahme in die (KVdR) ab. Beigefügt war dem Schreiben die Kurzinformation der Beklagten "Krankenversicherungsschutz als Rentner - Ausgabe West". Danach werden freiwillig versicherte Rentner gemäß § 22 Abs. 8 Nr. 3 der Satzung nach der Höhe ihres Arbeitsentgeltes, des Arbeitseinkommens und den sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt eingestuft. Zu den sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt würden neben den Bezügen zur Alterssicherung unter anderem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus Kapitalvermögen gehören.

Ab dem 01.02.1995 war die Klägerin bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Als beitragspflichtige Einnahmen wurden die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Versorgungsrente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder berücksichtigt.

Aufgrund der Einkommenserklärung der Klägerin vom 22.08.2001, in dem die Klägerin ihre Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Versorgungsrente angegeben hatte, setzte die Beklagte auf der Grundlage dieser Einnahmen mit Bescheid vom 28.08.2001 den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.07.2001 in Höhe von 115,48 EUR fest.

Mit Schreiben vom 31.08.2001 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine Einkommenserklärung des Ehemannes vorzulegen, da künftig, d.h. ab 01.09.2001, auch die Einkünfte des Ehemannes mit heranzuziehen seien. Das Gesamteinkommen werde halbiert, aus dem sich ergebenden Betrag werde der Beitrag berechnet.

Mit Schreiben vom 23.11.2001 führte die Beklagte aus, sie habe den Bescheid über die Beitragseinstufung ab 01.07.2001 mit dem Versand der Einkommensanfrage am 31.08.2001 mit Wirkung für die Zukunft ab 01.09.2001 nach § 45 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben.

Mit Bescheid vom 27.12.2001 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 die Voraussetzung für eine Versicherung in der KVdR ab 01.04.2002 nicht erfülle. Sie weise in der zweiten Hälfte des Zeitraums von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags nicht die erforderlichen 9/10 gesetzlichen Versicherungszeiten auf. Dies bedeute, dass sie ab 01.04.2002 weiterhin freiwillig versichert sei.

Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann eine Einkommenserklärung des Ehemannes nicht abgaben, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 17.01.2002 die Monatsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 246,06 EUR ab 01.09.2001 fest.

Mit Bescheid vom 20.02.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ab 01.01.2002 errechne sich ein monatlicher Gesamtbeitrag in Höhe von 259,88 EUR.

Gegen die beiden letztgenannten Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Bescheide seien, da sie in keiner Weise nachvollzogen werden könnten, nichtig. Auf jeden Fall seien sie rechtswidrig, da ihre Einstufung in die freiwillige Krankenversicherung dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspreche, nachdem sie ihre Berufstätigkeit nur bis zur Einschulung ihres Kindes unterbrochen habe. Wäre sie ihrer Mutterpflicht nicht so lange nachgekommen, wäre sie pflichtversichert und müsse sich das Einkommen ihres Ehemannes nicht zurechnen lassen. Insgesamt gesehen sei sie ausreichend berufstätig gewesen. Außerdem würde ein monatlicher Gesamtbeitrag von 259,88 EUR 33,6 % ihrer monatlichen Rente ausmachen.

Mit Schreiben vom 30.04.2002 erläuterte die Beklagte noch einmal, dass die Klägerin wegen der vom 01.12.1970 bis 30.04.1977 erfolgten privaten Krankenversicherung die zeitlichen Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der KVdR nicht erfülle. Der Beitrag für die freiwillige Krankenversicherung ergebe sich aus §§ 240 Abs. 1, 238 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. ihrer Satzung. Danach seien für die Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen auch die Einnahmen des Ehegatten, wenn dieser nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei, zu berücksichtigen. Der Einstufung werde die Hälfte der nachgewiesenen monatlichen Einnahmen beider Ehegatten bis zur Hälfte der jeweiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2002 = EUR 3.375,00 dividiert durch 2 = EUR 1687,50) zugrunde gelegt, es sei denn, die beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten überstiegen den Betrag. Bis zum 31.01.2002 verbleibe es aus Vertrauensschutzgründen jedoch bei der bisherigen Beitragseinstufung. Ab 01.03.2002 seien die Beiträge aus der Hälfte des monatlichen Familieneinkommens gekürzt auf die Hälfte der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen.

Nachdem die Klägerin auf Ungereimtheiten hinsichtlich des Beginns des höheren Versicherungsbeitrags hingewiesen hatte, teilte die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 10.07.2002 mit, dass im Februar 2002 nur die niedrigeren Beiträge (EUR 217,81 + EUR 28,25 = EUR 246,06) zu entrichten seien, ab 01.03.2002 seien jedoch 259,88 EUR pro Monat fällig. Eine weitere Erläuterung zur Errechnung der Beiträge erfolgte mit Schreiben vom 08.08.2002.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.01.2002 mit Ergänzungen durch die Schreiben vom 20.02.2002, 30.04.2002, 10.07.2002 und 08.08.2002, soweit ihm nicht bereits mit Schreiben vom 30.04.2002 und 10.07.2002 abgeholfen worden sei, zurück. Zu Recht werde ab 01.02.2002 auch das Einkommen des Ehemannes bei der Beitragsbemessung berücksichtigt. Aus Vertrauensschutzgründen werde im Februar 2002 noch der niedrigere Monatsbeitrag erhoben. Neben den eigenen Einkünften der Klägerin sei nach § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 21 Abs. 4 und Abs. 7 ihrer Satzung auch das Einkommen des Ehemannes heranzuziehen. Da hierzu keine Einkommensnachweise erbracht worden seien, sei von einem Familieneinkommen ausgegangen worden, das die monatliche Beitragsbemessungsgrenze übersteige. Die Hälfte hiervon betrage 1.687,50 EUR. Dieser Betrag sei der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Die Berücksichtigung des Ehegatten-Einkommens verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Bei der Rücknahme des Bescheids vom 28.08.2001 mit Wirkung für die Zukunft habe sie Ermessen ausgeübt. Es sei geprüft worden, ob Gesichtspunkte vorlägen, die eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin rechtfertigen könnten. Solche seien jedoch nicht feststellbar gewesen. Hinsichtlich der Nichtdurchführung der KVdR ab 01.02.1995 bzw. 01.04.2002 habe sie mit Schreiben vom 30.04.2002 die relevanten Gründe mitgeteilt.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit der Begründung, dass in den Bescheiden vom 17.01.2002 und 20.02.2002 angesetzte beitragspflichtige Einkommen sei zu hoch bemessen. Abgesehen davon müsse sie als Pflichtversicherte eingestuft werden. Dies habe im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zu erfolgen. Das dem Herstellungsanspruch zugrunde liegende Fehlverhalten liege in ihrer fehlerhaften Beratung durch die Versichertenälteste der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) B. S ... Die Beratung habe im Juni 1994 stattgefunden. Dabei habe sie deutlich gemacht, dass sie Rente ab Vollendung des 60. Lebensjahres nur dann beziehen wolle, wenn dem keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile gegenüberständen. Ein solcher Nachteil sei jetzt die Verschlossenheit der KVdR. Wäre ihr dies vor Augen gestellt worden, hätte sie die notwendige Zeit von etwa 32 Monaten weitergearbeitet und einen Rentenantrag erst entsprechend später gestellt. Die diesbezügliche Aufklärung und Beratung wäre in der konkreten Situation geboten und möglich gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ihre Satzungen Stand 01.01.1994, 01.10.1994 und 01.01.2002 sowie die Beitragstabelle für freiwillige Mitglieder, gültig ab 01.01.2001 und das Merkblatt der Deutschen Rentenversicherung - Bund über die KVdR, 70. Auflage - 06/93 - vor. Ergänzend wies sie darauf hin, der Klägerin sei spätestens ab Juli 1994 bekannt gewesen, dass sie nach Beschäftigungsende nicht in der KVdR versichert werde. Es wäre angezeigt gewesen, dass sie sich an sie - die Beklagte - gewendet hätte, um die Voraussetzungen für die KVdR bzw. die Modalitäten einer freiwilligen Versicherung zu klären.

Die Klägerin trug hierzu vor, dass sie dem Merkblatt "Krankenversicherungsschutz als Rentner" nicht habe entnehmen können, dass auch das Einkommen des Ehemannes der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werde. Im übrigen sei sie bei der Beratung dahingehend belehrt worden, dass sie durch den Beitragszuschuss zur freiwilligen Versicherung ähnlich gestellt werde wie eine Pflichtversicherte. Es werde nicht bestritten, dass sie ab Juli 1994 davon Kenntnis gehabt habe, dass sie nicht in die KVdR aufgenommen werde, sie sei jedoch nicht über die Konsequenzen und immensen Auswirkungen aufgeklärt worden. Dies wäre angesichts der finanziellen Bedeutung geboten und möglich gewesen.

Mit Bescheid vom 20.03.2003 setzte die Beklagte den Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung auf 272,56 EUR ab 01.01.2003 fest. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch.

Nachdem das SG die Klägerin darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es ihr in der Sache um die Aufnahme in die KVdR zu gehen scheine, sich die Klage aber gegen die Bescheide der Beklagten im Hinblick auf die Höhe der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge richte, führte die Klägerin aus, dass sie der Auffassung sei, dass in diesem Verfahren ihre Nichteinbeziehung in die KVdR überprüft werden könne. In der Begründung des Widerspruchsbescheides sei die Nichteinbeziehung in die KVdR bekräftigt worden. Sie begehre im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so gestellt zu werden, wie sie bei erfolgter Einbeziehung in die KVdR stünde. Höchst hilfsweise beantrage sie die Einbeziehung in die KVdR im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nach § 44 SGB X.

Das SG wies die Beteiligten im Anschluss daran darauf hin, dass es davon ausgehe, dass mit den angefochtenen Bescheiden nicht über die Aufnahme oder Nichtaufnahme in die KVdR entschieden worden sei. Vertretbar sei allenfalls der Standpunkt, dass (auch) ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (nach bindend gewordener Entscheidung vom 18.07.1994) abgelehnt worden sei.

In einer nichtöffentlichen Sitzung vom 18.02.2004 hörte das SG die Zeugin B. S ... Die Zeugin führte aus, sie könne sich an den Vorgang, ein Gespräch mit Frau S. im Jahr 1994, beim besten Willen nicht erinnern. Wenn Dinge, wie die Voraussetzungen für die KVdR, angesprochen würden, dann mache sie hierzu keinerlei Aussagen. Sie nehme lediglich die Angaben auf und leite sie an die jeweilige Krankenkasse weiter. Wenn ihr ein Versicherter sage, dass er auf der einen Seite möglichst früh in Rente gehen, auf der anderen Seite dadurch aber keine Nachteile erleiden wolle, dann würde sie ihn, wenn sie den Eindruck habe, dass es um Krankenversicherung gehe, an die Krankenversicherung verweisen. Es könnte auch sein, dass sie an Kollegen weiter verweise. Die Klägerin erklärte anlässlich des Termins, dass ihr die Zeugin S. gesagt habe, dass sie die 9/10 für die KVdR nicht erreiche. Dies sei aber kein Problem. Dann würde sie eben freiwillig versichert. Darauf, dass dann das Einkommen ihres Mannes eine Rolle spiele, habe sie nicht hingewiesen. Die Zeugin S. ließ sich hinsichtlich des letzten Punktes dahingehend ein, dass dies sein könne. Die Klägerin gab weiter an, dass sie, wenn ihr bewusst gewesen wäre, was der Renteneintritt für ihre spätere Krankenversicherung bedeute, weiter gearbeitet hätte. Dies wäre bei der Staatsanwaltschaft, bei der sie früher beschäftigt gewesen sei, möglich gewesen.

Zum Erörterungstermin trug die Klägerin vor, dass sich aus der Zeugenvernehmung ergebe, dass sich die Zeugin S. zur kompetenten Beantwortung von Fragen der Krankenversicherung weder berufen noch in der Lage sehe. Sie habe insbesondere auch angegeben, dass sie nicht nach dem Einkommen des Ehemannes frage. Dies sei in der damaligen Situation jedoch geboten gewesen. Auch hätte auf die Unterschiede zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger Versicherung hingewiesen werden müssen. Den Beratungsfehler der Zeugin S. müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Die Beklagte erwiderte hierauf, dass sie eine Grundlage dafür, dass sie sich den von der Klägerin behaupteten Beratungsfehler der Rentenberaterin zurechnen lassen müsse, nicht sehe.

Mit Beschluss vom 21.02.2005 lud das SG die Deutsche Rentenversicherung - Bund zum Verfahren bei. Die Deutsche Rentenversicherung - Bund stellte keinen Antrag und verwies auf die Zuständigkeit der Beklagten.

Mit Urteil vom 27.07.2005, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 14.12.2005, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Rücknahme des Beitragsbescheides vom 28.01.2001 (richtig: 28.08.2001) mit Wirkung für die Zukunft sei zu Recht erfolgt. Der Verstoß gegen die Satzungsbestimmung, wonach die Einnahmen des Ehegattens der Klägerin zu berücksichtigen seien, führe zur (teilweisen) Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides vom 28.08.2001. Die Klägerin müsse nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als betreffe sie diese Satzungsbestimmung nicht. Die Klägerin vermöge sich nicht mit Erfolg auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zu berufen. Die Zeugin habe glaubhaft dargelegt, dass sie bei etwaigen Fragen zur Krankenversicherung an die Krankenkasse verwiesen hätte. Im übrigen könne von einer nahe liegenden oder sich gar aufdrängenden Gestaltungsmöglichkeit, auf die die Zeugin hätte hinweisen müssen, nicht die Rede sein.

Hiergegen richtet sich die am 13.01.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, sie sei von der Zeugin S. falsch beraten worden. Diese habe ihr bei der Entgegennahme des Antrags gesagt, es sei kein Problem, dass die 9/10 für die KVdR nicht erreicht wären, wenn sie sich freiwillig weiterversichere. Dass eine Beratung insoweit erforderlich gewesen wäre, ergäbe sich auch daraus, dass sie bei Beginn des Gesprächs darauf hingewiesen habe, dass sie eine Rente ab dem 60. Lebensjahr nur dann beziehen wolle, wenn dem keine Sozialversicherungsnachteile entgegenstünden. Die Tatsache, dass die Beklagte im Jahr 2002 ihre Satzung geändert habe, führe nicht dazu, dass die Beklagte sie rückwirkend in die Pflicht nehmen könne. Sie genieße insoweit Vertrauensschutz nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft. Der pauschale Verweis der Zeugin S., sie solle sich an die zuständige Stelle wenden, sei nicht ausreichend. Ihr hätte die konkret in Anspruch zu nehmende Stelle gesagt werden müssen. Dass sich die Zeugin S. an die Situation nicht mehr erinnere und es auch keine Dokumentations- und Nachweispflicht bei der Beklagten gebe, führe dazu, dass sich die Beweislast zu Lasten der Beklagten umdrehe. Im Wege der weitergehenden Interpretation sei sie so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie nach ordnungsgemäßer Beratung noch bis zur Erreichung der Voraussetzungen der KVdR weitergearbeitet hätte. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X nicht vor. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Bescheide rechtmäßig seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Juli 2005 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 17. Januar 2002 und 20. Februar 2002 in der Fassung der Bescheide vom 30. April 2002, 10. Juli 2002 und 08. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01. Februar 2002 nur in Höhe der Beiträge zur KVdR zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Beratungsfehler der Zeugin S. sei nicht nachvollziehbar. Diese habe glaubhaft gemacht, dass sie bei etwaigen Fragen an die Krankenkasse verweise. Diese Verfahrensweise sei nicht zu beanstanden. Auch der Hinweis, dass die Klägerin ggfs. weitergearbeitet hätte, vermöge nicht zu überzeugen. Es sei nicht plausibel, dass die Klägerin für einen bestimmten Zeitraum auf die Zahlung der Rente verzichtet hätte. Auch sei nicht belegt, dass der ehemalige Arbeitgeber überhaupt mit einer entsprechenden Weiterbeschäftigung einverstanden gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nur in Höhe der Beiträge der Mitglieder der KVdR.

Die Klägerin ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V freiwilliges Mitglied der Beklagten. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Nach § 21 Abs. 4 der ab 01.01.2002 gültigen Satzung der Beklagten sind bei der Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder auch die Einnahmen des Ehegatten zu berücksichtigen, wenn dieser nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist. Der Beitragsbemessung wird die Hälfte der nachgewiesenen monatlichen Einnahmen beider Eheleute bis zur Hälfte der jeweiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt, es sei denn, die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds überstiegen diesen Betrag. Entsprechendes sahen auch die Satzungen in der Fassung des 30. und 31. Nachtrags jeweils in § 22 Abs. 10 (Stand: 01.01. bzw. 10.1994) vor. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte zum einen die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Versorgungsbezüge der Klägerin in Höhe von monatlich EUR 790,04 (ab 01.07.2002, EUR 805,51) und darüber hinaus das Einkommen des Ehemannes angesetzt. Da zu letzterem keine Einkommensnachweise vorgelegt wurden, wurde von einem Familieneinkommen ausgegangen, das die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 3.375,00 EUR übersteigt, die Hälfte hiervon beträgt 1.687,50 EUR. Dieser Betrag ist der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt worden. Hieraus errechnen sich ein Beitrag in Höhe von 231,19 EUR für die Kranken- und in Höhe von 28,69 EUR für die Pflegeversicherung.

Der Beitragsbescheid vom 17.01.2002, der nachfolgend Änderungen erfuhr und zuletzt einen Beitrag in Höhe von EUR 246,06 ab 01.02.2002 und von EUR 259,88 ab 01.03.2002 festsetzte, erging zu Recht, nachdem zuvor der Beitragsbescheid vom 28.08.2001, der noch ohne Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes ergangen war, mit Schreiben vom 31.08.2001 gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 2 SGB X zurückgenommen worden war. Zwar wurde der Bescheid vom 28.08.2001 in diesem Schreiben nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem Schreiben geht jedoch hervor, dass der Beitrag ab 01.09.2001 unter Berücksichtigung der Einkünfte des Ehemannes neu anzusetzen sei. Nachdem die Berücksichtigung dieser Einnahmen zumindest bereits seit dem ab 01.01.1994 in Kraft getretenen 30. Nachtrag zur Satzung in § 22 Abs. 10 vorgesehen war, war der Bescheid vom 28.08.2001 rechtswidrig. Er war, nachdem zu niedrige Beiträge festgesetzt wurden, auch begünstigend und schließlich war das Vertrauen der Klägerin auch nicht schutzwürdig, sodass - wie vom SG ausgeführt - die Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Rücknahme vorlagen.

Die Rechtmäßigkeit der Anrechnung von Einnahmen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten hat das Bundessozialgericht (BSG) in den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid angegebenen Entscheidungen, denen sich der Senat anschließt, nicht beanstandet (vgl. zuletzt Beschluss des BSG vom 05.06.1997 - 12 BK 43/96). Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze ist nicht ersichtlich (vgl. Urteile des BSG vom 21.06.1990 - 12 RK 11/89 - und vom 17.07.1990 - 12 RK 16/89 -).

Die Klägerin kann das von ihr gewünschte Ergebnis von Beiträgen nur in Höhe der Beiträge in der KVdR nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erreichen. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§ 15 und 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -) verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat sowie ferner, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2004 - B 13 RJ 16/03 R -). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 47/77 -). Voraussetzung ist damit neben der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Handlung, ausgeglichen werden kann (BSG, Urteil vom 11.03.2004 a.a.O.). Vorliegend ist auch der Senat - wie das SG und die Klägerin - der Auffassung, dass ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Versichertenältesten der Beigeladenen der Beklagten zwar zurechenbar wäre, denn die Versichertenälteste war im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das Verwaltungsverfahren eingeschaltet (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.04.2005. B 5 RJ 6/04 R -). Die Versichertenälteste hat bei der Verwirklichung des Rechts auf Rente und damit zusammenhängend auch dem Krankenversicherungsschutz als Rentner mitzuwirken. Als Ausfluss dieser Mitwirkungspflicht übersandte sie die Meldung zur KVdR an die Beklagte. Ob die Versichertenälteste eine Beratungs- und Auskunftspflicht verletzt hat, kann indes dahingestellt bleiben. Zwar dürfte dies, wie das SG ausgeführt hat, nicht der Fall sein. Ergänzend wird insoweit darauf hingewiesen, dass die Versichertenälteste ihrer Aufklärungspflicht bereits durch Aushändigung des "Merkblatts über die KVdR" anlässlich der Antragstellung nachgekommen sein dürfte (so auch Bayr. LSG Urteil vom 21.03.2006 - L 5 KR 41/05 -). Diesem Merkblatt ist im Hinblick auf die Beiträge freiwillig versicherter Rentner zu entnehmen, dass zur Beitragsbemessung auch sonstige Einnahmen herangezogen werden. Auch wenn nicht explizit darauf hingewiesen wurde, dass hierzu auch Einnahmen des Ehegatten gehören können, so ist doch deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist (wie zum Beispiel). Etwaige Unklarheiten hätte die Klägerin durch Nachfrage bei der Beklagten ausräumen können und müssen. Die Klägerin hat mit ihrer Unterschrift unter die Meldung zur Krankenversicherung auch bekundet, dass sie das Merkblatt erhalten hat. Das Begehren nach einer weiteren Beratung anlässlich des Gesprächs mit der Versichertenältesten vermag die Klägerin, die hierfür, nachdem es sich um eine für sie anspruchsbegründende Tatsache handelt und eine Beweislastumkehr nicht zu erfolgen hat, nicht darzulegen. Die Zeugin S. erinnert sich - was auch angesichts des Zeitablaufs nachvollziehbar ist - nicht mehr an das Gespräch. Irgendwelche Unterlagen schriftlicher Art, die das Beratungsbegehren oder Auskünfte der Zeugin belegen würden, hat die Klägerin nicht und sie kann sich auch nicht auf eine weitere Person berufen, die bei dem Gespräch mit anwesend gewesen wäre. Letztendlich ist eine abschließende Festlegung aber nicht erforderlich, denn auch wenn man einen Beratungsbedarf und eine Pflichtverletzung bejahen würde, ließe sich die fehlende Weiterbeschäftigung der Klägerin und damit fehlende Pflichtversicherung bei der Beklagten und Entrichtung von Beiträgen nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzen. Diese fehlenden Tatsachen sind nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich (BSG Urteil vom 11.03.2004, a.a.O), so dass aus diesem Grund ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu verneinen ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, weil die Satzung der Beklagten geändert worden sei. Abgesehen davon, dass auch nach den früheren Satzungen schon die Berücksichtigung von Ehegatteneinkommen vorgesehen war, besteht kein geschützter Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Zustands. Außerdem ergibt sich auch aus den früheren Satzungen nicht, dass die Beiträge der freiwillig versicherten Klägerin sich nach den Beiträgen in der KVdR richten.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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