Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5366/05 PKH-B
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 215/06 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Dezember 2005 aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das Verfahren S 1 U 3512/05 vor dem Sozialgericht Karlsruhe Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt. Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt D., M., zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Im Hauptverfahren vor dem Sozialgericht begehrt der Antragsteller die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine Rentenabfindung zu gewähren.
Der am 27. Oktober 1966 geborene Antragsteller ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker. Er war - unterbrochen durch einige Zeiten der Arbeitslosigkeit - als Kraftfahrer und Lagerist tätig. Sein letztes abhängiges Beschäftigungsverhältnis als Kraftfahrer dauerte vom 15. März 2004 bis 31. Januar 2005, danach bezog er Krankengeld und war ab 4. Mai 2005 wieder als Kraftfahrer bei einer Zeitarbeitsfirma tätig. Der Arbeitsvertrag sah eine sechsmonatige Probezeit vor. Der Antragsteller erzielte dort im Mai 2005 und Juni 2005 ein Einkommen um 950 EUR netto.
Der Antragsteller bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 25. Oktober 1989 von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. in einer monatlichen Höhe von zuletzt 404,21 EUR. Am 2. Februar 2005 beantragte der Antragsteller die teilweise oder vollständige Abfindung der Rente. Er beabsichtigte, so gab er an, eine Tankstelle zu pachten, wofür er eine Kosten-/Ertragsaufstellung des Diplom-Kaufmanns und Steuerberaters Marcus Müller vorlegte. Die Beklagte errechnete ein Abfindungskapital von 85.853,14 EUR.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 lehnte die Beklagte eine Rentenabfindung ab. Die monatlichen Ausgaben des Antragstellers würden über seinem Nettoeinkommen für Mai 2005 liegen. Die angegebene Mietbeteiligung durch eine dritte Person könne nicht berücksichtigt werden, da der Antragsteller als alleiniger Mieter der Wohnung grundsätzlich auch die Kosten zu tragen habe. Daher sei zu erwarten, dass er ohne die laufende Rente sowie nach Wegfall einer Mietbeteiligung sofort oder wahrscheinlich in absehbarer Zeit sozialhilfebedürftig werde. Er befinde sich auch noch in einem Probearbeitsverhältnis, welches noch keiner wirtschaftlich gefestigten Situation entspreche. Auch habe es in der Vergangenheit immer wieder längere Zeiträume ohne Beschäftigung gegeben.
Der Antragsteller hat hiergegen am 2. September 2005 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe mit dem Ziel der Gewährung der Rentenabfindung erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessvertreters beantragt.
Am 22. Oktober 2005 hat der Antragsteller geheiratet. Seine Ehefrau ist arbeitslos. Das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers bei der Zeitarbeitsfirma ist zum Ablauf des 11. November 2005 gekündigt, zum 13. Februar 2006 aber befristet bis 13. Oktober 2006 ("auf ausdrücklichen Wunsch des Mitarbeiters" "wegen geplanten Umzug ins Ausland") wieder aufgenommen worden. Der Antragsteller hat vorgetragen, trotz intensivsten Bemühens keine langfristige Beschäftigung erreichen zu können. Dies mache die Notwendigkeit einer selbstständigem Existenzgründung umso deutlicher.
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Der Antragsteller und seine Ehefrau seien arbeitslos. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten habe das Nettoeinkommen des Antragstellers unter seinen monatlichen Ausgaben gelegen und er habe sich in einem Probearbeitsverhältnis befunden. Die Entscheidung der Beklagten, die Rentenabfindung wegen der Besorgnis des Eintritts von Hilfebedürftigkeit abzulehnen, sei somit nicht ermessensfehlerhaft gewesen, da konkrete und erhebliche Anhaltspunkte für die von der Beklagten getroffene Einschätzung vorgelegen hätten.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen, sondern die Akten dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Antragsteller trägt weiter vor, der Betrag der Rentenabfindung diene einerseits dazu, ihn komplett zu entschulden und andererseits, eine Grundlage für seine Erwerbstätigkeit zu schaffen.
Die Beklagte hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringt. Das ist hier der Fall.
Der Anspruch des Antragstellers richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Gemäß § 214 Abs. 3 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetretene Versicherungsfälle, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des SGB VII (1. Januar 1997) erstmals festzusetzen sind. Festzusetzen sind Leistungen, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden: BSG, Urteil vom 18. April 2000, B 2 U 19/99 R, SozR 3-2700 § 76 Nr. 2). Da ein Antrag Voraussetzung für die Bewilligung der Abfindung durch den Unfallversicherungsträger ist und der Antragsteller diese im Februar 2005, also nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997, beantragt hat, lagen frühestens zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Leistung vor, war diese mithin erstmals festzusetzen.
Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB VII können Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer MdE von weniger als 40 v. H. haben, auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Eine Abfindung darf nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt (Abs. 2 a.a.O.).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abfindung sind erfüllt. Beim Antragsteller liegen die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. vor. Der Antragsteller hat auch einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt. Für einen Ausschluss der Leistung gemäß § 76 Abs. 2 SGB VII sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Aus dem in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB VII enthaltenen Wort "können" geht hervor, dass der Unfallversicherungsträger über Anträge auf Bewilligung einer Abfindung nach Ermessen zu entscheiden hat; es handelt sich nicht um ein bloßes "Kompetenz-Kann". Das bedeutet, dass die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch [SGB I]; § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt hat der Antragsteller einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Abfindung aber nur, wenn eine "Ermessensreduzierung auf Null" hinsichtlich der Bewilligung der begehrten Leistung eingetreten ist.
Hier spricht einiges dafür, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtswidrig sein könnte und den Antragsteller in seinem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch verletzt. Damit wäre die Klage insoweit begründet, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichtet wäre (§ 131 Abs. 3 SGG).
Zwar ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte auf eine mögliche Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers nach Wegfall der Rente abstellt (vgl. Ricke in: Kasseler Kommentar, § 76 SGB VII Rdnr. 4; Sacher in: Lauterbach, Unfallversicherung, § 76 Rdnr. 22). Sie hat sich jedoch mit keinem Wort damit auseinandergesetzt, dass der Antragsteller die Abfindungssumme wohl zumindest teilweise dafür verwenden will, um sich eine wirtschaftliche Existenz durch Pacht einer Tankstelle aufzubauen. Dieses Vorhaben erscheint - auch im Hinblick auf die einschlägige Berufsausbildung des Antragstellers - nicht von vornherein chancenlos. Auch wenn der Verwendungszweck und die "Nützlichkeit" der Verwendung des Abfindungsbetrags nicht Gegenstand der Überprüfung des Sozialversicherungsträgers ist (Ricke, a.a.O., Sacher, a.a.O. Rdnr. 23), hätte die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit unmittelbar Auswirkungen auf die von der Beklagten angenommene Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers. Denn eine solche Selbstständigkeit des Antragstellers mit entsprechenden Einnahmen hätte zur Folge, dass keine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch bzw. § 19 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch entsteht. Die Beklagte hätte sich daher mit der Tragfähigkeit des vom Antragsteller vorgelegten wirtschaftlichen Konzepts und seinen körperlichen und beruflichen Fähigkeiten, dieses auch zu verwirklichen, auseinandersetzen müssen. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller Schulden hat, deren genaue Höhe aber bisher nicht benannt worden ist.
Die Möglichkeit, sich eine wirtschaftliche Existenz als Tankstellenpächter aufzubauen, ist unabhängig von der Frage zu würdigen, ob sich der Antragsteller aktuell in einem Beschäftigungsverhältnis befindet. Daher kann es offen gelassen werden, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Kontrolle der Ermessensentscheidung und damit für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage die Widerspruchsentscheidung der Beklagten oder die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 32 ff), also die zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit des Antragstellers und die Unterhaltspflicht für seine arbeitslose Ehefrau nach der Heirat Berücksichtigung finden kann. Näherer Prüfung bedarf es aber, wie sich das Vorhaben, eine Tankstelle zu betreiben, mit den aus dem Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma ersichtlichen Plan, ins Ausland zu ziehen, verträgt. Das kann aber nicht im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens erfolgen.
Der Antragsteller ist auch bedürftig. Geht man davon aus, dass er nach erneuter Anstellung bei der Zeitarbeitsfirma etwa den gleichen Lohn erhalten wird, wie dies aus der zuletzt vorgelegten Lohnabrechnung (August 2005) ersichtlich ist, ergibt sich nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben, Miete, Mietnebenkosten, Beitrag für eine private Rentenversicherung und Freibeträgen für sich und seine Ehefrau ein Einkommen, das Ratenzahlung ausschließt. Berücksichtigungsfähiges Vermögen hat der Antragsteller nicht.
Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beruht auf § 121 ZPO.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Im Hauptverfahren vor dem Sozialgericht begehrt der Antragsteller die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine Rentenabfindung zu gewähren.
Der am 27. Oktober 1966 geborene Antragsteller ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker. Er war - unterbrochen durch einige Zeiten der Arbeitslosigkeit - als Kraftfahrer und Lagerist tätig. Sein letztes abhängiges Beschäftigungsverhältnis als Kraftfahrer dauerte vom 15. März 2004 bis 31. Januar 2005, danach bezog er Krankengeld und war ab 4. Mai 2005 wieder als Kraftfahrer bei einer Zeitarbeitsfirma tätig. Der Arbeitsvertrag sah eine sechsmonatige Probezeit vor. Der Antragsteller erzielte dort im Mai 2005 und Juni 2005 ein Einkommen um 950 EUR netto.
Der Antragsteller bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 25. Oktober 1989 von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. in einer monatlichen Höhe von zuletzt 404,21 EUR. Am 2. Februar 2005 beantragte der Antragsteller die teilweise oder vollständige Abfindung der Rente. Er beabsichtigte, so gab er an, eine Tankstelle zu pachten, wofür er eine Kosten-/Ertragsaufstellung des Diplom-Kaufmanns und Steuerberaters Marcus Müller vorlegte. Die Beklagte errechnete ein Abfindungskapital von 85.853,14 EUR.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 lehnte die Beklagte eine Rentenabfindung ab. Die monatlichen Ausgaben des Antragstellers würden über seinem Nettoeinkommen für Mai 2005 liegen. Die angegebene Mietbeteiligung durch eine dritte Person könne nicht berücksichtigt werden, da der Antragsteller als alleiniger Mieter der Wohnung grundsätzlich auch die Kosten zu tragen habe. Daher sei zu erwarten, dass er ohne die laufende Rente sowie nach Wegfall einer Mietbeteiligung sofort oder wahrscheinlich in absehbarer Zeit sozialhilfebedürftig werde. Er befinde sich auch noch in einem Probearbeitsverhältnis, welches noch keiner wirtschaftlich gefestigten Situation entspreche. Auch habe es in der Vergangenheit immer wieder längere Zeiträume ohne Beschäftigung gegeben.
Der Antragsteller hat hiergegen am 2. September 2005 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe mit dem Ziel der Gewährung der Rentenabfindung erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessvertreters beantragt.
Am 22. Oktober 2005 hat der Antragsteller geheiratet. Seine Ehefrau ist arbeitslos. Das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers bei der Zeitarbeitsfirma ist zum Ablauf des 11. November 2005 gekündigt, zum 13. Februar 2006 aber befristet bis 13. Oktober 2006 ("auf ausdrücklichen Wunsch des Mitarbeiters" "wegen geplanten Umzug ins Ausland") wieder aufgenommen worden. Der Antragsteller hat vorgetragen, trotz intensivsten Bemühens keine langfristige Beschäftigung erreichen zu können. Dies mache die Notwendigkeit einer selbstständigem Existenzgründung umso deutlicher.
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Der Antragsteller und seine Ehefrau seien arbeitslos. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten habe das Nettoeinkommen des Antragstellers unter seinen monatlichen Ausgaben gelegen und er habe sich in einem Probearbeitsverhältnis befunden. Die Entscheidung der Beklagten, die Rentenabfindung wegen der Besorgnis des Eintritts von Hilfebedürftigkeit abzulehnen, sei somit nicht ermessensfehlerhaft gewesen, da konkrete und erhebliche Anhaltspunkte für die von der Beklagten getroffene Einschätzung vorgelegen hätten.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen, sondern die Akten dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Antragsteller trägt weiter vor, der Betrag der Rentenabfindung diene einerseits dazu, ihn komplett zu entschulden und andererseits, eine Grundlage für seine Erwerbstätigkeit zu schaffen.
Die Beklagte hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringt. Das ist hier der Fall.
Der Anspruch des Antragstellers richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Gemäß § 214 Abs. 3 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetretene Versicherungsfälle, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des SGB VII (1. Januar 1997) erstmals festzusetzen sind. Festzusetzen sind Leistungen, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden: BSG, Urteil vom 18. April 2000, B 2 U 19/99 R, SozR 3-2700 § 76 Nr. 2). Da ein Antrag Voraussetzung für die Bewilligung der Abfindung durch den Unfallversicherungsträger ist und der Antragsteller diese im Februar 2005, also nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997, beantragt hat, lagen frühestens zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Leistung vor, war diese mithin erstmals festzusetzen.
Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB VII können Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer MdE von weniger als 40 v. H. haben, auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Eine Abfindung darf nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt (Abs. 2 a.a.O.).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abfindung sind erfüllt. Beim Antragsteller liegen die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. vor. Der Antragsteller hat auch einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt. Für einen Ausschluss der Leistung gemäß § 76 Abs. 2 SGB VII sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Aus dem in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB VII enthaltenen Wort "können" geht hervor, dass der Unfallversicherungsträger über Anträge auf Bewilligung einer Abfindung nach Ermessen zu entscheiden hat; es handelt sich nicht um ein bloßes "Kompetenz-Kann". Das bedeutet, dass die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch [SGB I]; § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt hat der Antragsteller einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Abfindung aber nur, wenn eine "Ermessensreduzierung auf Null" hinsichtlich der Bewilligung der begehrten Leistung eingetreten ist.
Hier spricht einiges dafür, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtswidrig sein könnte und den Antragsteller in seinem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch verletzt. Damit wäre die Klage insoweit begründet, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichtet wäre (§ 131 Abs. 3 SGG).
Zwar ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte auf eine mögliche Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers nach Wegfall der Rente abstellt (vgl. Ricke in: Kasseler Kommentar, § 76 SGB VII Rdnr. 4; Sacher in: Lauterbach, Unfallversicherung, § 76 Rdnr. 22). Sie hat sich jedoch mit keinem Wort damit auseinandergesetzt, dass der Antragsteller die Abfindungssumme wohl zumindest teilweise dafür verwenden will, um sich eine wirtschaftliche Existenz durch Pacht einer Tankstelle aufzubauen. Dieses Vorhaben erscheint - auch im Hinblick auf die einschlägige Berufsausbildung des Antragstellers - nicht von vornherein chancenlos. Auch wenn der Verwendungszweck und die "Nützlichkeit" der Verwendung des Abfindungsbetrags nicht Gegenstand der Überprüfung des Sozialversicherungsträgers ist (Ricke, a.a.O., Sacher, a.a.O. Rdnr. 23), hätte die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit unmittelbar Auswirkungen auf die von der Beklagten angenommene Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers. Denn eine solche Selbstständigkeit des Antragstellers mit entsprechenden Einnahmen hätte zur Folge, dass keine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch bzw. § 19 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch entsteht. Die Beklagte hätte sich daher mit der Tragfähigkeit des vom Antragsteller vorgelegten wirtschaftlichen Konzepts und seinen körperlichen und beruflichen Fähigkeiten, dieses auch zu verwirklichen, auseinandersetzen müssen. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller Schulden hat, deren genaue Höhe aber bisher nicht benannt worden ist.
Die Möglichkeit, sich eine wirtschaftliche Existenz als Tankstellenpächter aufzubauen, ist unabhängig von der Frage zu würdigen, ob sich der Antragsteller aktuell in einem Beschäftigungsverhältnis befindet. Daher kann es offen gelassen werden, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Kontrolle der Ermessensentscheidung und damit für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage die Widerspruchsentscheidung der Beklagten oder die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 32 ff), also die zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit des Antragstellers und die Unterhaltspflicht für seine arbeitslose Ehefrau nach der Heirat Berücksichtigung finden kann. Näherer Prüfung bedarf es aber, wie sich das Vorhaben, eine Tankstelle zu betreiben, mit den aus dem Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma ersichtlichen Plan, ins Ausland zu ziehen, verträgt. Das kann aber nicht im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens erfolgen.
Der Antragsteller ist auch bedürftig. Geht man davon aus, dass er nach erneuter Anstellung bei der Zeitarbeitsfirma etwa den gleichen Lohn erhalten wird, wie dies aus der zuletzt vorgelegten Lohnabrechnung (August 2005) ersichtlich ist, ergibt sich nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben, Miete, Mietnebenkosten, Beitrag für eine private Rentenversicherung und Freibeträgen für sich und seine Ehefrau ein Einkommen, das Ratenzahlung ausschließt. Berücksichtigungsfähiges Vermögen hat der Antragsteller nicht.
Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beruht auf § 121 ZPO.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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