L 1 U 498/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1527/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 498/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. November 1999 eine Rente über den 31. Dezember 2000 hinaus zu zahlen.

Der 1949 geborene Kläger war nach Bezug von Arbeitslosengeld ab 4. Oktober 1999 als Schlosser/Schweißer beschäftigt. Auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause fuhr er am 20. November 1999 mit dem Fahrrad auf einen PKW auf. Er zog sich dabei eine mediale, leicht dislozierte Clavikulafraktur links, eine Schädelkontusion links mit Kopfplatzwunde parieto-temporal links sowie eine Rippenserienfraktur der 5. bis 10. Rippe links zu. Stationäre Behandlung erfolgte bis 29. November 1999 (Durchgangsarztbericht des Dr. T. vom 22. November 1999/Zwischenbericht des Dr. T. vom 17. Dezember 1999). Die am 23. November 1999 durchgeführte Computertomographie der Halswirbelsäule zeigte erhebliche degenerative Veränderungen der oberen Halswirbelsäule, vor allem auch Randausziehungen des degenerativ-veränderten Dens axis sowie eine Spondylose bei C 2/3 mehr als bei C 3/4 (Bericht des Radiologen K. vom 24. November 1999). Der Neurologe und Psychiater S. fand in einem EEG keinen krankhaften Befund. Der psychische Befund war nicht auffällig (Bericht vom 17. Januar 2000). Der HNO-Arzt Dr. K. diagnostizierte aufgrund der Anamnese einen posttraumatischen Innenohrabfall links und empfahl eine Hörgeräteversorgung (Berichte vom 17. Januar 2000 und 5. April 2000). Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. W. fand bei seiner Konsiliaruntersuchung am 25. Februar 2000 keine Hinweise auf eine signifikante Schädigung der Lunge durch das Thoraxtrauma. Die leichte Atemwegsrestriktion sei durch die Folgen der knöchernen Verletzung mit begleitender pleuraler Reaktion erklärbar (Bericht vom 14. März 2000). Die Kernspintomographie der linken Schulter vom 9. März 2000 ergab keine Hinweise auf eine Rotatorenmanschettenruptur (Befundbericht der Universitätsklinik U. vom 13. März 2000).

Vom 23. Mai 2000 bis 29. Juni 2000 erfolgte ein stationäres Heilverfahren mit intensiver physikalischer Therapie und Befundabklärung auf hno-ärztlichem, neurologischem und urologischem Fachgebiet in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M ... Nach dem Abschlussbericht des Prof. Dr. B. vom 29. Juni 2000 seien in das rechte Bein ausstrahlende Schmerzen durch einen in der Kernspintomographie nachgewiesenen Bandscheibenvorfall L 4/L 5 rechtsseitig erklärt. Hinsichtlich der Commotio cerebri und der Distorsion der Halswirbelsäule seien keine neurologischen Ausfälle nachweisbar. Auf Grund des bei der urologischen Abklärung geäußerten Verdachts auf eine zentralmotorische Enthemmung bei Commotio cerebri sei ein medikamentöser Therapieversuch empfohlen worden. Eine unfallbedingte Hörstörung sei auszuschließen. Bei der Unterfunktion des linken peripheren Vestibularorgans im Sinne einer unvollständig kompensierten peripheren vestibulären Störung mit geringen Schwindelbeschwerden handele es sich um eine unfallunabhängige Erkrankung. Hinsichtlich der Rippenserienfraktur zeigten die Röntgenaufnahmen rechtsseitig einen regelrechten Befund, linksseitig lateral und basal Pleuraverschwielungen. Eine Lungenfunktionsprüfung habe eine sehr leichtgradige restriktive Ventilationsstörung ohne Anhalt für Obstruktion und eine leichtgradige Minderung der Diffusionskapazität ergeben. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien unfallunabhängig. Die Bewegung der linken Schulter sei endgradig und schmerzhaft eingeschränkt, als fassbare Unfallfolgen jedoch nicht nachweisbar. Arbeitsfähigkeit bestehe spätestens ab 24. Juli 2000. Nach einer Belastungserprobung und Urlaub vom 14. August 2000 bis 25. August 2000 nahm der Kläger am 28. August 2000 seine Tätigkeit vollschichtig wieder auf. Die S. M.-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) zahlte Verletztengeld vom 3. Januar 2000 bis 13. August 2000.

In dem chirurgischen Gutachten vom 19. September 2000 bezeichnete Dr. G. auf chirurgischem Gebiet ein posttraumatisches Impingementsyndrom der linken Schulter nach Schulterblattfraktur und acromionnaher Fraktur der Clavicula mit leichter Verkürzung der Schulter und muskulären Verspannungen sowie glaubhafte Belastungsbeschwerden und Bewegungseinschränkung der linken Schulter als Unfallfolgen. Die noch geklagten Bewegungsbeschwerden im Bereich der Halswirbelsäule ließen sich dem Unfallereignis nicht mehr zuordnen. Sie seien vielmehr auf eine erhebliche degenerative Erkrankung der oberen und mittleren Halswirbelsäule zurückzuführen. Wesentliche Unfallfolgen lägen auch auf neurologischem und hno-ärztlichem Gebiet nicht mehr vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Unfallfolgen werde vom 14. August 2000 bis 31. Dezember 2000 auf 20 vH, danach auf 10 vH eingeschätzt.

Das neuropsychiatrische Zusatzgutachten des Dr. B. vom 18. August 2000 kam zu dem Ergebnis, dass auf neuropsychiatrischem Gebiet wesentliche Unfallfolgen nicht mehr vorlägen.

Dr. S. führte im hno-ärztlichen Gutachten vom 30. August 2000 aus, auf Grund der Hörbefunde vor dem Unfall und ca. 2 Monate nach dem Unfall und dem jetzigen Untersuchungsbefund sei eine Contusio labyrinthi im Rahmen des Schädelhirntraumas möglich, welche die geringgradige Hörminderung (prozentuale Hörverlust links 30%) mit einer MdE von 0 vH verursacht habe. Der Tinnitus, der beidseitig und von wechselnder Intensität sei, könnte bei entsprechendem Befund der Halswirbelsäule cervikogen bedingt sein und es sei ein MdE Zuschlag von 5% möglich. Ein Unfallzusammenhang mit den Schwindelbeschwerden, die weder von der Symptomatik noch vom Untersuchungsergebnis mit einer vestibulären Genese zu vereinbaren seien, sei auszuschließen.

Prof. Dr. E. erstattete das urologische Gutachten vom 16. Februar 2001. Er diagnostizierte eine neurogene Blasenentleerungsstörung im Sinne einer zerebral enthemmten Blase mit hyperreflektivem Detrusor ohne Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, eine Stressinkontinenz 1. Grades und eine erektile Dysfunktion. Der Zusammenhang zwischen der neurogenen Blasenentleerungsstörung mit imperativem Harndrang und dem Unfallereignis mit schwerer Commotio cerebri sei wahrscheinlich. Nach Angaben des Klägers sei die Miktion vor dem Unfallereignis völlig normal gewesen. Andere Ursachen für eine derartige Blasenentleerungsstörung hätten durch das neuropsychiatrische Vorgutachten ausgeschlossen werden können. Die MdE auf urologischem Gebiet liege bei 15 vH.

Der Neurologe und Psychiater Dr. B. führte in einer nervenärztlichen Stellungnahme vom 13. März 2001 zu diesem urologischen Gutachten aus, bei der Unfalldiagnose einer Commotio cerebri könne die festgestellte neurogene Störung der Blasenfunktion nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Hirnschädigung zurückgeführt werden.

Der Orthopäde Dr. M. erstattete das Rentengutachten vom 15. März 2001. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein knöchern auch unter Fehlstellung und Verkürzung fest durchgeheilter Schlüsselbeinbruch zu einer Funktionseinbuße des linken Schultergelenkes führe, wie sie anlässlich der Untersuchung durch den Versicherten dargestellt worden sei, zumal sich Parameter für eine deutlichere Schonung der linken oberen Gliedmaße im Sinne einer zu rechts nachweisbaren deutlicheren Umfangsminderung der Muskulatur anlässlich der Untersuchung nicht hätte nachweisen lassen, insbesondere nicht unter Berücksichtigung des Langzeitverlaufs. Die MdE durch die Verletzungsfolgen betrage ab 1. Januar 2001 unter 10 vH.

Nachdem der Kläger eine Einschränkung der Lungenfunktion geltend gemacht hatte, veranlasste die Beklagte das internistische Gutachten des Dr. L. vom 2. August 2001. Er kam zum Ergebnis, auf internistischem Gebiet lägen als Unfallfolgen eine knöchern in geringer Fehlstellung verheilte Rippenreihenfraktur links und eine Pleuraschwiele mit Volumenreduktion der linken Lunge ohne Anhalt für restriktive Ventilationsstörung vor. Die MdE im internistischem Gebiet betrage weniger als 10 vH. Zusätzlich erstattete Prof. Dr. B. das chirurgische Gutachten vom 1. August 2001. Als Unfallfolgen lägen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks nach Clavikulafraktur links und Skapulafraktur links sowie eine knöchern fest verheilte Rippenserienfraktur links vor. Die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Wirbelsäule, des Kopfes und der Ohren liege in unfallunabhängiger Ursache. Die MdE liege auf chirurgischem und internistischem Gebiet bei jeweils 10 vH. Der bisherigen Einschätzung der MdE vom 14. August 2000 bis 31. Dezember 2000 mit 20 vH sei chirurgischerseits zuzustimmen. Die Gesamt-MdE schätzte er nach Kenntnis des internistischen Gutachtens des Dr. L. vom 2. August 2001 mit 10 vH ab 1. Januar 2001 ein (Stellungnahme vom 21. September 2001).

Die Beklagte erkannte den Unfall vom 20. November 1999 als Arbeitsunfall an und bewilligte eine Verletztenrente vom 14. August 2000 bis 31. Dezember 2000 nach einer MdE von 20 vH. Über den 31. Dezember 2000 hinaus lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil die MdE unter 20 vH liege (Bescheid vom 25. Oktober 2001). Als Folgen des Arbeitsunfall erkannte sie an: Bruch des linken Schulterblattes, des linken Schlüsselbein und der Rippen 4 bis 10 links, Gehirnerschütterung, Kopfplatzwunde. Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenks, Schwielenbildung am linken Brustfell mit Volumeneinschränkung des linken Lungenflügels ohne Anhalt für eine Störung der Lungenbelüftung. Der Bruch des linken Schulterblattes ist knöchern fest mit geringgradiger Seitverbiegung verheilt. Die Brüche des linken Schlüsselbein und der Rippen linksseitig sind knöchern fest verheilt. Als Folgen des Arbeitsunfall erkannte sie nicht an: Zustand nach Schädelhirntrauma im November 1995, Spannungskopfschmerzen, Hörstörungen am linken Ohr sowie Ohrgeräusche beidseits, degenerative Veränderungen an Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden an der Lendenwirbelsäule, Zustand nach Oberarmbruch rechts, Bruch des linken kleinen Fingers, Empfindungsstörungen an beiden Oberschenkeln beidseits, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Blasenentleerungsstörungen, Schwindelgefühle, Atemwegsbeschwerden. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004). Nach dem Ergebnis der Begutachtungen sei die Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk sowie die Schwielenbildung am linken Brustfell mit Volumeneinschränkung des linken Lungenflügels aber ohne Anhalt für eine Störung der Lungenbelüftung ursächlich auf das Unfallereignis vom 20. November 1999 zurückzuführen. Diese Unfallfolgen rechtfertigten nur vorübergehend bis zum 31. Dezember 2000 eine MdE in Höhe von 20 vH. Über den 31. Dezember 2000 hinaus lasse sich eine MdE von 20 vH nicht begründen. Eine höhere Einschätzung der MdE auf Grund von geklagten subjektiven Beschwerden, wie Schmerzen, könne nicht erfolgen. Bei der Bewertung der MdE blieben ferner die Auswirkungen auf den ausgeübten Beruf in der Regel außer Betracht ebenso die Beeinträchtigungen im Privatbereich. Dr. B. sei zu dem Ergebnis gekommen, das am 20. November 1999 erlittene Schädelhirntrauma sei als eine Commotio cerebri einzustufen, was bedeute, dass dauerhafte neurologische Störungen nicht begründbar seien und die festgestellte neurogene Blasenstörung nicht auf die Commotio cerebri zurückzuführen sei. Der Durchführung einer Kernspintomographie, um morphologisch fassbare Läsionen des Gehirns nachzuweisen, so dass die neurogene Blasenstörung als Folge einer Verletzung eingestuft werden könnte, habe der Kläger nicht zugestimmt. Nach der bereits anlässlich der unmittelbar nach den Unfall erfolgten stationären Behandlung durchgeführten Computertomographie der Halswirbelsäule bestünden erhebliche degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, sodass der Tinnitus in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den erlittenen Arbeitsunfall stehe. Auch liege keine unfallbedingte Hörstörung vor. Die vom Kläger bereits anfänglich beschriebenen Sensibilitätsstörungen ausstrahlend ins rechte Bein seien durch einen kernspintomographisch nachgewiesenen unfallunabhängigen Bandscheibenvorfall im Bereich L 4/L 5 erklärt. Die Bewertung der MdE auf internistischem Gebiet sei nicht zu beanstanden. Die vom Gutachter diagnostizierte Obstruktion sei auf ein unfallunabhängiges Schlafapnoe-Syndrom zurückzuführen.

Der Kläger hat am 28. Mai 2004 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben mit dem Begehren, Rente über den 31. Dezember 2000 hinaus zu gewähren. Er hat auf die von der Beklagten veranlassten Gutachten verwiesen und weiter ausgeführt, die Rente könne frühestens nach einem Jahr entzogen werden. Zu berücksichtigen seien auch sein Alter und der Verlust seines Arbeitsplatzes auf Grund der Unfallfolgen.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. November 2005). Es hat sich hinsichtlich der Unfallfolgen und der Einschätzung der MdE auf die Gutachten des Prof. Dr. B. und des Dr. L. gestützt und weiter ausgeführt, weitere Unfallfolgen, insbesondere auf urologischem Gebiet, lägen nicht vor. Prof. Dr. E. gehe in seinem Gutachten unzutreffenderweise davon aus, der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall eine schwere Commotio cerebri erlitten und stütze sich bei seiner Einschätzung allein auf die Angaben des Klägers.

Gegen das ihm am 5. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Februar 2006 Berufung eingelegt Er hält das Gutachten des Prof. Dr. E. für zutreffend, weil er bei dem Arbeitsunfall schwere traumatische Einwirkungen auf seinen Kopf erlitten habe. Die Funktionalität des Schultergürtels sei eingeschränkt. Bei Berücksichtigung aller gutachterlichen Feststellungen stehe ihm eine Rente nach einer MdE in Höhe von 50 vH zu. Der Kläger hat das Gutachten des Prof. Dr. M. vom 22. Februar 2005, das dieser in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit des Klägers gegen den Unfallverletzungen behandelnden Arzt erstattet hat, vorgelegt und ausgeführt, aus dem Gutachten ergebe sich eine Verschlechterung der Befunde sowie eine Einschränkung der Funktionalität im Schultergürtel, die eine MdE von 20 vH rechtfertige.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. Dezember 2000 hinaus eine Rente nach einer MdE von 50 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit es die Beklagte ablehnte, über den 31. Dezember 2000 hinaus eine Rente zu gewähren.

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Angesichts des Ergebnisses der vorliegenden Gutachten weist nach Einschätzung des Senats der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

I.

Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bescheid vom 25. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004. Mit seiner Klage angefochten hat der Kläger den Bescheid vom 25. Oktober 2001, soweit die Zahlung einer Verletztenrente über den 31. Dezember 2000 hinaus abgelehnt wurde. Weitere Bescheide, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall des Klägers vom 20. November 1999 erließ, sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Keiner der weiteren ergangenen Bescheide ändert oder ersetzt den streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Oktober 2001. Des Weiteren entschied die Beklagte über weitere Anträge des Klägers regelmäßig in gesonderten Verwaltungsverfahren, denen in den meisten Fällen auch ein Klageverfahren nachfolgte.

II.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Das Unfallereignis am 20. November 1999 war ein Arbeitsunfall. Denn der Kläger war auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle, was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität). Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio sine qua non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind nur solche Bedingungen wesentlich, die gegenüber anderen von überragender Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen: z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R -; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.). Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung - mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein müssen, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.).

1. Der Kläger erlitt bei dem Arbeitsunfall einen Bruch des Schlüsselbeins und einen Bruch des Schulterblatts links. Diese Brüche sind knöchern verheilt. Funktionell besteht eine Bewegungseinschränkung bei der Armhebung vorwärts und seitwärts. Dies ergibt sich aus dem chirurgischen Gutachten des Prof. Dr. B. vom 1. August 2001. Dr. G. und Dr. M. haben in ihren zuvor von der Beklagten veranlassten chirurgischen Gutachten im Wesentlichen dieselben Befunde erhoben. Die von Prof. Dr. B. erhobenen Befunde stehen schließlich auch in Übereinstimmung mit denjenigen der behandelnden Ärzte, insbesondere des Prof. Dr. K ... Auch der Nachschaubericht des Dr. F. vom 26. Juni 2003 beschreibt die schmerzhafte Beweglichkeit bei Abduktion des linken Schultergelenks und bietet deshalb keinen Anhalt für eine wesentliche Änderung. Dasselbe ergibt sich schließlich aus dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten des Dr. M. vom 22. Februar 2005. Auch er führt aus, dass die Fraktur des Schlüsselbeins knöchern in weitgehend achsengerechter Stellung verheilt ist.

Weiter erlitt der Kläger bei dem Arbeitsunfall eine Rippenserienfraktur. Diese ist knöchern verheilt und hat keine funktionellen Auswirkungen, insbesondere nicht auf die Lungenfunktion. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. B. und des Dr. L ...

Schließlich erlitt der Kläger bei dem Arbeitsunfall eine Gehirnerschütterung. Eine Gehirnerschütterung führt nicht zu einer dauerhaften Beeinträchtigung. Allgemeiner medizinischer Erfahrung nach bilden sich postcommotionelle Beschwerden spätestens nach Ablauf von ein bis zwei Jahren nach dem Unfall zurück (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 274).

Dafür, dass der Kläger eine Hirnkontusion bei dem Unfall erlitt, geben die erhobenen Befunde, insbesondere die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall von den behandelnden Ärzten erhobenen Befunde, keinen Anhalt, was Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 13. März 2001 zutreffend ausführt. Die anlässlich der stationären Behandlung erfolgte neurologische Konsiliarbehandlung zeigte außer einer Teilamnesie für den Unfall keine neurologischen Paresen oder Defizite (Bericht des Dr. T. vom 17. Dezember 1999). Das von dem Neurologen S. im Januar 2000 durchgeführte EEG war unauffällig und der Befund der testpsychologischen Untersuchungen sprach nicht für eine hirnorganische Beeinträchtigung (Bericht vom 17. Januar 2000). Bestätigt wird dies durch das Ergebnis der Untersuchungen, die Prof. Dr. Dr. G. für sein im Auftrag des Sozialgerichts Ulm im Klageverfahren S 2 U 14/01 erstattetes neurochirurgisches Gutachten vom 13. Januar 2003 durchführte. Die Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf eine Schädigung der sensiblen Rückenmarksbahnen bis ins Großhirn oder der Leitung der Hörinformation durch den Hirnstamm. Für eine schwerere Schädigung des Gehirns gab es zu keiner Zeit sichere Hinweise.

Auf urologischem Gebiet bestehen keine Unfallfolgen. Das Sozialgericht ist der Beurteilung des Prof. Dr. E. hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Blasenentleerungsstörung und dem Unfallereignis zu Recht nicht gefolgt. Denn Prof. Dr. E. geht davon aus, der Kläger habe bei dem Unfallereignis eine schwerere Commotio cerebri erlitten. Auf welche Befunde er diese Annahme einer schwereren Commotio cerebri - möglicherweise meint er sogar, der Kläger habe eine Contusio cerebri erlitten - stützt, lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Wie zuvor dargelegt, gibt es für eine schwere Gehirnerschütterung oder gar eine substanzielle Hirnverletzung keine Hinweise. Jedenfalls führt eine Commotio cerebri - wie zuvor ausgeführt - nicht zu dauerhaften Schädigungen, was Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 13. März 2001 zutreffend darlegte. Prof. Dr. Dr. G. schloss sich dem in seinem neurochirurgischen Gutachten vom 13. Januar 2003 an. Deshalb besteht auch kein weiterer Anlass zu Ermittlungen Amts wegen im Berufungsverfahren.

Des Weiteren sind Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule des Klägers nicht auf den Arbeitsunfall vom 20. November 1999 zurückzuführen. Sowohl im Bereich der Halswirbelsäule als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen degenerative Veränderungen, im Bereich der Lendenwirbelsäule auch ein kernspintomographisch nachgewiesener Bandscheibenvorfall. Die degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule konnten bereits in der Kernspintomographie der Halswirbelsäule, die während der stationären Behandlung nach dem Unfall erfolgte, nachgewiesen werden. Diese degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule erklären auch den vom Kläger geklagten Tinnitus, wie sich aus dem Gutachten des Dr. S. ergibt.

2. Die Unfallfolgen bedingen für die Zeit ab 1. Januar 2001 eine MdE von weniger als 20 vH. Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE hängt von zwei Faktoren ab, den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22, 23; SozR 3 2200 § 581 Nr. 5 mwN; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII Stand: Januar 2004, § 56 RdNr. 67 ff). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; Burchardt aaO; zum Ganzen: SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Der Senat folgt der Einschätzung der MdE auf unfallchirurgischem Gebiet mit 10 vH durch Prof. Dr. B ... Die MdE ist mit 20 vH einzuschätzen bei einer Bewegungseinschränkung im Schultergelenk bei Vorhebung bis 90 Grad (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 604). Ein entsprechender Befund lässt sich nach dem Gutachten des Prof. Dr. B. nicht feststellen. Nach dem dem Gutachten beigefügten Messblatt betrug die aktive Vorhebung bis 100 Grad. Entsprechende Bewegungsmaße hat auch Dr. G. erhoben. Demgegenüber konnte Dr. M. bei der Funktionsprüfung ein Vorheben des linken Arms bis 150 Grad feststellen. Eine andere Beurteilung erfordert nicht das Gutachten des Dr. M. vom 22. Februar 2005, der eine Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks bei Vorwärtsheben des Arms bis 90 Grad beschreibt. Denn Dr. M. stellte in seinem Gutachten weiterhin die unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule fest, die die vom Kläger geklagten Beschwerden und die Bewegungseinschränkung erklären. Die Rippenserienfraktur sowie die Gehirnerschütterung sind ohne funktionelle Folgen verheilt, sodass sich insoweit keine MdE ergibt und damit die Gesamt-MdE mit 10 vH.

3. Ein Anspruch des Klägers auf Rente jedenfalls bis 13. August 2001 ergibt sich auch nicht aus § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach er Anspruch auf eine Rente, die auf unbestimmte Zeit geleistet wird, aufgrund einer Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zuungunsten der Versicherten nur in Abständen von mindestens einem Jahr geändert werden kann. Der eindeutige gesetzliche Wortlaut setzt voraus, dass eine Rente auf unbestimmte Zeit geleistet wird. Eine solche ist dem Kläger nicht bewilligt worden und wird damit nicht geleistet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger lediglich für einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit (14. August 2000 bis 31. Dezember 2000) eine Rente. Das Schutzjahr des § 74 Abs. Satz 1 SGB VII gilt nicht für die Bewilligung einer Rente für einen Zeitraum in der Vergangenheit (BSG, Urteil vom 21. März 1974 - 8 RU 59/73 - = SozR 2200 § 622 Nr. 1).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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