Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2953/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 537/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente hat.
Der 1962 geborene Kläger wurde am 19.02.2002 bei seiner beruflichen Tätigkeit auf einer Baustelle zwischen einem LKW und einer Hauswand eingeklemmt und erlitt dabei eine Thoraxquetschung rechtsseitig bis in den Abdominalbereich mit zentraler Leberparenchymruptur (ärztliche Unfallmeldung des Chirurgen Prof. Dr. R. vom 19.02.2002). Am 20.02.2002 erfolgte eine Laparotomie mit Lebernaht. Die stationäre Behandlung dauerte vom 19.02. bis 07.03.2002. Ab 20.05.2002 war der Kläger wieder arbeitsfähig, er klagte jedoch über verbliebene Blähungen und Narbenbeschwerden.
1979 hatte der Kläger eine Dünndarmperforation nach Verschlucken eines Geflügelknochens erlitten. Die operative Therapie erfolgte durch Übernähung, 1986 mussten Verwachsungen des Darmes operativ gelöst werden.
Prof. Dr. P., Direktor der Unfallchirurgischen Abteilung am Städtischen Klinikum K., erstellte am 31.07.2003 im Auftrag der Beklagten ein erstes Rentengutachten. Er bezeichnete eine im Bereich des Oberbauchs befindliche, leicht ellipsoid verlaufende quere und reizlose Oberbauchnarbe mit einer Länge von 34,5 cm sowie eine subjektive Beschwerdesymptomatik (Völlegefühl und Blähungen) als wesentliche Unfallfolgen und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 20.05. bis 18.08.2002 auf 20 v.H., danach auf 10 v. H. Die Beklagte holte weiter das Gutachten von Prof. Dr. G., Direktor der Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum K., vom 9.10.2003 ein. Er verneinte das Vorliegen von Unfallfolgen auf internistischem Gebiet.
Mit Bescheid vom 22.12.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Unfall vom 19.02.2002 habe keine MdE im rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche hinaus hinterlassen. Der dagegen eingelegte Widerspruch (er leide nach wie vor unter Blähungen und Völlegefühl, außerdem habe er ein rezidivierendes Reiben der Narbe am Zwerchfell, zudem habe er nächtliche Alpträume und in den eingeholten Gutachten sei nichts über seine Lungenwerte erwähnt) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004) zurück.
Dagegen hat der Kläger am 21.07.2004 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und ergänzend u. a. vorgebracht, der Unfall habe auch Auswirkungen auf seine Psyche, da er nachts immer wieder die Unfallsituation vor Augen habe und das Gefühl habe, durch den LKW erdrückt zu werden. Allein für die psychischen Folgen sei eine MdE von 10 bis 20 v.H. anzunehmen und die Unfallfolgen auf chirurgischem Bereich seien mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Chirurg Dr. J. hat von weichen Narbenverhältnissen und dem Vorliegen eines Meteorismus berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. hat mitgeteilt, er habe den Kläger einmalig am 11.10.2004 untersucht. Der Kläger sei nicht erkennbar depressiv und in neurologischer Hinsicht seien alle Befunde unauffällig. Eine MdE auf seinem Fachgebiet bestehe nicht. Außerdem hat das Sozialgericht das Gutachten des Internisten Dr. S. vom 15.04.2005 mit späterer Ergänzung eingeholt. Er hat das Vorliegen internistischer unfallbedingter Erkrankungen - insbesondere auch was die Blähungen betrifft - verneint.
Mit Urteil vom 9.12.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Unfallfolgen seien auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit einer MdE von 10 v.H. ausreichend und zutreffend bewertet. Weitere Unfallfolgen auf internistischem bzw. neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünden nicht.
Gegen das am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.2006 Berufung eingelegt und u. a. darauf hingewiesen, dass Dr. J. in seinem Nachschaubericht vom 24.04.2003 ausdrücklich eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. für möglich erachtet habe. Im Übrigen hätte das Sozialgericht einen Abdominalchirurg mit seiner Begutachtung beauftragen müssen. Er legt den Krankheitsbericht des Chirurgen Dr. K. vom 10.11.2005 sowie den Arztbrief von Prof. Dr. B., Direktor der Chirurgischen Klinik am Städtischen Klinikum K., vom 15.12.2005 vor.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9.12.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2004 zu verurteilen, ihm Verletztenrente unter Zugrundelegung einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundlagen hat die Beklagte zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt, da die Unfallfolgen ab 19.8.2002 keine MdE von 20 v. H. bedingen.
Beim Kläger besteht aufgrund des Arbeitsunfalls vom 19.02.2002 ab 19.08.2002 lediglich noch eine Oberbauchnarbe auf einer Länge von 34,5 cm. Die Narbe ist auf der Unterlage gut verschieblich, reizlos und Muskellücken sind nicht tastbar. Ein Narbenbruch im Bereich der Oberbauchnarbe liegt nicht vor. Diese Unfallfolge bedingt keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß. Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus dem Gutachten Prof. Dr. P., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Soweit Prof. Dr. P. bis zum 18.08.2002 eine MdE von 20 v. H. annimmt, kann der Senat die Richtigkeit dieser Beurteilung offen lassen. Denn selbst wenn dies zuträfe, läge eine rentenberechtigende MdE dann nicht über die 26. Woche hinaus vor.
Unfallfolgen auf internistischem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten von Dr. S. und Prof. Dr. G ... Danach besteht beim Kläger kein Hinweis auf eine relevante organische Lebererkrankung. Bei der Untersuchung durch Dr. S. bestanden eine regelrechte Läppchenarchitektur, keine Verfettung und keine entzündlichen Infiltrate. Die am 18.09.2003 durchgeführte Virusserologie ergab bei Zustand nach Verabreichung von Bluttranfusionen keinen Hinweis auf eine Restschädigung der Leber bei Ausschluss einer Hepatitis B und C und bei der Untersuchung durch Dr. S. waren die Leberwerte bis auf eine leicht überhöhte GPT normal.
Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden im Oberbauch sowie die Blähungen dürften weitaus eher auf die von dem Internisten Priv. Doz. Dr. F. festgestellte leichte Laktoseintoleranz zurückzuführen sein, wie dies von Prof. Dr. S. angenommen worden ist. Hierfür spricht nicht nur die allgemeine medizinische Erfahrung, wie sie im Gutachten von Prof. Dr. S. zum Ausdruck kommt, sondern auch die Tatsache, dass gerade bei der Testung durch Dr. F. mit Laktose Blähungen ausgelöst wurden. Schließlich können die Blähungen des Klägers möglicherweise auch im Zusammenhang mit zwischenzeitlich diagnostizierten geringgradigen Verwachsungen des Dünndarms stehen, deren Ursache aber unklar bleibt. Da hierfür auch die frühere Dünndarmperforation in Frage kommt, die schon einmal zu Verwachsungen führte, kann ein ursächlicher Zusammenhang mit der unfallbedingten Bauchoperation im Februar 2002 lediglich als möglich, nicht aber als wahrscheinlich angesehen werden.
Auch von pulmonologischer Seite sind keine Unfallfolgen vorhanden. Prof. Dr. G. fand zwar eine leichte Obstruktion, wies jedoch gleichzeitig auf einen stattgehabten Nikotinabusus hin. Der Nikotinabusus bestand bis Februar 2002 mit bis zu 20 Zigaretten pro Tag. Bei der von Dr. S. durchgeführten Lungenfunktionsdiagnostik ergaben sich keine Hinweise auf eine relevante obstruktive oder restriktive Atemwegserkrankung.
Auch auf psychiatrischem Gebiet liegen keine Unfallfolgen vor. Der Kläger befand sich lediglich einmalig im Oktober 2004 bei dem Psychiater Dr. R. in Behandlung. Dieser fand den Kläger nicht erkennbar depressiv, kognitive Störungen lagen nicht vor und das Denken war nicht psychotisch. Außerdem fanden sich keine Albträume und keine Intrusionen. Er ging lediglich in der Anfangszeit nach dem Unfall von einer vorübergehenden posttraumatischen Belastungsreaktion aus, die sich aber im Rahmen der Selbstheilungskräfte zurückgebildet hat. Im Oktober 2004 fanden sich noch Symptome einer Anpassungsstörung ohne wesentliche emotionale oder sonstige psychische Krankheitssymptomatik.
Dem Vorbringen des Klägers - gestützt auf das Schreiben des zunächst vom Sozialgericht als Sachverständigen beauftragten Orthopäden Dr. C. vom 07.01.2005 - ,es hätte eine Begutachtung durch einen Abdominalchirurgen erfolgen müssen, kann der Senat nicht folgen. Zum einen hat Dr. C. vorgeschlagen, die Begutachtung durch einen Abdominalchirurgen bzw. einen Chirurgen/Unfallchirurgen durchführen zu lassen und zum anderen hält auch der Senat eine Begutachtung durch einen Unfallchirurgen - wie Prof. Dr. P. - für angemessen.
Eine MdE von 20 v.H. kann auch nicht aufgrund der Äußerung von Dr. J. vom 24.04.2003, er halte eine MdE von 20 v.H. für möglich, angenommen werden. Zum einen hat er die MdE nur für möglich gehalten, zum anderen hat er hierfür keinerlei Begründung abgegeben. Im Übrigen hat er die Einholung eines Gutachtens empfohlen.
Auch der vom Kläger vorgelegte Krankheitsbereicht von Dr. K. vom 10.11.2005 sowie der Arztbrief des Prof. Dr. B. vom 15.12.2005 können zu keinem anderen Ergebnis führen. So fand auch Dr. K. bei der klinischen Untersuchung keine Narbenhernie und er vermutete, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden auf Verwachsungen zurückgehen könnten. Unfallunabhängige Verwachsungen lagen jedoch bereits 1983 vor die dann operativ gelöst wurden.
Auch Prof. Dr. B. fand bei der klinischen Untersuchung keinen Druckschmerz im Narbenbereich und eine Hernie war nicht nachweisbar. Zudem ergab die am 01.06.2005 durchgeführte Kernspintomographie keinen Hinweis für eine Narbenhernie. Es zeigten sich lediglich im Narbenbereich geringgradige Verwachsungen und einzelne adhärente Dünndarmschlingen. Auch Prof. Dr. B. hat auf die multiplen Voroperationen in diesem Bereich hingewiesen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente hat.
Der 1962 geborene Kläger wurde am 19.02.2002 bei seiner beruflichen Tätigkeit auf einer Baustelle zwischen einem LKW und einer Hauswand eingeklemmt und erlitt dabei eine Thoraxquetschung rechtsseitig bis in den Abdominalbereich mit zentraler Leberparenchymruptur (ärztliche Unfallmeldung des Chirurgen Prof. Dr. R. vom 19.02.2002). Am 20.02.2002 erfolgte eine Laparotomie mit Lebernaht. Die stationäre Behandlung dauerte vom 19.02. bis 07.03.2002. Ab 20.05.2002 war der Kläger wieder arbeitsfähig, er klagte jedoch über verbliebene Blähungen und Narbenbeschwerden.
1979 hatte der Kläger eine Dünndarmperforation nach Verschlucken eines Geflügelknochens erlitten. Die operative Therapie erfolgte durch Übernähung, 1986 mussten Verwachsungen des Darmes operativ gelöst werden.
Prof. Dr. P., Direktor der Unfallchirurgischen Abteilung am Städtischen Klinikum K., erstellte am 31.07.2003 im Auftrag der Beklagten ein erstes Rentengutachten. Er bezeichnete eine im Bereich des Oberbauchs befindliche, leicht ellipsoid verlaufende quere und reizlose Oberbauchnarbe mit einer Länge von 34,5 cm sowie eine subjektive Beschwerdesymptomatik (Völlegefühl und Blähungen) als wesentliche Unfallfolgen und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 20.05. bis 18.08.2002 auf 20 v.H., danach auf 10 v. H. Die Beklagte holte weiter das Gutachten von Prof. Dr. G., Direktor der Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum K., vom 9.10.2003 ein. Er verneinte das Vorliegen von Unfallfolgen auf internistischem Gebiet.
Mit Bescheid vom 22.12.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Unfall vom 19.02.2002 habe keine MdE im rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche hinaus hinterlassen. Der dagegen eingelegte Widerspruch (er leide nach wie vor unter Blähungen und Völlegefühl, außerdem habe er ein rezidivierendes Reiben der Narbe am Zwerchfell, zudem habe er nächtliche Alpträume und in den eingeholten Gutachten sei nichts über seine Lungenwerte erwähnt) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004) zurück.
Dagegen hat der Kläger am 21.07.2004 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und ergänzend u. a. vorgebracht, der Unfall habe auch Auswirkungen auf seine Psyche, da er nachts immer wieder die Unfallsituation vor Augen habe und das Gefühl habe, durch den LKW erdrückt zu werden. Allein für die psychischen Folgen sei eine MdE von 10 bis 20 v.H. anzunehmen und die Unfallfolgen auf chirurgischem Bereich seien mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Chirurg Dr. J. hat von weichen Narbenverhältnissen und dem Vorliegen eines Meteorismus berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. hat mitgeteilt, er habe den Kläger einmalig am 11.10.2004 untersucht. Der Kläger sei nicht erkennbar depressiv und in neurologischer Hinsicht seien alle Befunde unauffällig. Eine MdE auf seinem Fachgebiet bestehe nicht. Außerdem hat das Sozialgericht das Gutachten des Internisten Dr. S. vom 15.04.2005 mit späterer Ergänzung eingeholt. Er hat das Vorliegen internistischer unfallbedingter Erkrankungen - insbesondere auch was die Blähungen betrifft - verneint.
Mit Urteil vom 9.12.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Unfallfolgen seien auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit einer MdE von 10 v.H. ausreichend und zutreffend bewertet. Weitere Unfallfolgen auf internistischem bzw. neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünden nicht.
Gegen das am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.2006 Berufung eingelegt und u. a. darauf hingewiesen, dass Dr. J. in seinem Nachschaubericht vom 24.04.2003 ausdrücklich eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. für möglich erachtet habe. Im Übrigen hätte das Sozialgericht einen Abdominalchirurg mit seiner Begutachtung beauftragen müssen. Er legt den Krankheitsbericht des Chirurgen Dr. K. vom 10.11.2005 sowie den Arztbrief von Prof. Dr. B., Direktor der Chirurgischen Klinik am Städtischen Klinikum K., vom 15.12.2005 vor.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9.12.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2004 zu verurteilen, ihm Verletztenrente unter Zugrundelegung einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundlagen hat die Beklagte zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt, da die Unfallfolgen ab 19.8.2002 keine MdE von 20 v. H. bedingen.
Beim Kläger besteht aufgrund des Arbeitsunfalls vom 19.02.2002 ab 19.08.2002 lediglich noch eine Oberbauchnarbe auf einer Länge von 34,5 cm. Die Narbe ist auf der Unterlage gut verschieblich, reizlos und Muskellücken sind nicht tastbar. Ein Narbenbruch im Bereich der Oberbauchnarbe liegt nicht vor. Diese Unfallfolge bedingt keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß. Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus dem Gutachten Prof. Dr. P., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Soweit Prof. Dr. P. bis zum 18.08.2002 eine MdE von 20 v. H. annimmt, kann der Senat die Richtigkeit dieser Beurteilung offen lassen. Denn selbst wenn dies zuträfe, läge eine rentenberechtigende MdE dann nicht über die 26. Woche hinaus vor.
Unfallfolgen auf internistischem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten von Dr. S. und Prof. Dr. G ... Danach besteht beim Kläger kein Hinweis auf eine relevante organische Lebererkrankung. Bei der Untersuchung durch Dr. S. bestanden eine regelrechte Läppchenarchitektur, keine Verfettung und keine entzündlichen Infiltrate. Die am 18.09.2003 durchgeführte Virusserologie ergab bei Zustand nach Verabreichung von Bluttranfusionen keinen Hinweis auf eine Restschädigung der Leber bei Ausschluss einer Hepatitis B und C und bei der Untersuchung durch Dr. S. waren die Leberwerte bis auf eine leicht überhöhte GPT normal.
Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden im Oberbauch sowie die Blähungen dürften weitaus eher auf die von dem Internisten Priv. Doz. Dr. F. festgestellte leichte Laktoseintoleranz zurückzuführen sein, wie dies von Prof. Dr. S. angenommen worden ist. Hierfür spricht nicht nur die allgemeine medizinische Erfahrung, wie sie im Gutachten von Prof. Dr. S. zum Ausdruck kommt, sondern auch die Tatsache, dass gerade bei der Testung durch Dr. F. mit Laktose Blähungen ausgelöst wurden. Schließlich können die Blähungen des Klägers möglicherweise auch im Zusammenhang mit zwischenzeitlich diagnostizierten geringgradigen Verwachsungen des Dünndarms stehen, deren Ursache aber unklar bleibt. Da hierfür auch die frühere Dünndarmperforation in Frage kommt, die schon einmal zu Verwachsungen führte, kann ein ursächlicher Zusammenhang mit der unfallbedingten Bauchoperation im Februar 2002 lediglich als möglich, nicht aber als wahrscheinlich angesehen werden.
Auch von pulmonologischer Seite sind keine Unfallfolgen vorhanden. Prof. Dr. G. fand zwar eine leichte Obstruktion, wies jedoch gleichzeitig auf einen stattgehabten Nikotinabusus hin. Der Nikotinabusus bestand bis Februar 2002 mit bis zu 20 Zigaretten pro Tag. Bei der von Dr. S. durchgeführten Lungenfunktionsdiagnostik ergaben sich keine Hinweise auf eine relevante obstruktive oder restriktive Atemwegserkrankung.
Auch auf psychiatrischem Gebiet liegen keine Unfallfolgen vor. Der Kläger befand sich lediglich einmalig im Oktober 2004 bei dem Psychiater Dr. R. in Behandlung. Dieser fand den Kläger nicht erkennbar depressiv, kognitive Störungen lagen nicht vor und das Denken war nicht psychotisch. Außerdem fanden sich keine Albträume und keine Intrusionen. Er ging lediglich in der Anfangszeit nach dem Unfall von einer vorübergehenden posttraumatischen Belastungsreaktion aus, die sich aber im Rahmen der Selbstheilungskräfte zurückgebildet hat. Im Oktober 2004 fanden sich noch Symptome einer Anpassungsstörung ohne wesentliche emotionale oder sonstige psychische Krankheitssymptomatik.
Dem Vorbringen des Klägers - gestützt auf das Schreiben des zunächst vom Sozialgericht als Sachverständigen beauftragten Orthopäden Dr. C. vom 07.01.2005 - ,es hätte eine Begutachtung durch einen Abdominalchirurgen erfolgen müssen, kann der Senat nicht folgen. Zum einen hat Dr. C. vorgeschlagen, die Begutachtung durch einen Abdominalchirurgen bzw. einen Chirurgen/Unfallchirurgen durchführen zu lassen und zum anderen hält auch der Senat eine Begutachtung durch einen Unfallchirurgen - wie Prof. Dr. P. - für angemessen.
Eine MdE von 20 v.H. kann auch nicht aufgrund der Äußerung von Dr. J. vom 24.04.2003, er halte eine MdE von 20 v.H. für möglich, angenommen werden. Zum einen hat er die MdE nur für möglich gehalten, zum anderen hat er hierfür keinerlei Begründung abgegeben. Im Übrigen hat er die Einholung eines Gutachtens empfohlen.
Auch der vom Kläger vorgelegte Krankheitsbereicht von Dr. K. vom 10.11.2005 sowie der Arztbrief des Prof. Dr. B. vom 15.12.2005 können zu keinem anderen Ergebnis führen. So fand auch Dr. K. bei der klinischen Untersuchung keine Narbenhernie und er vermutete, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden auf Verwachsungen zurückgehen könnten. Unfallunabhängige Verwachsungen lagen jedoch bereits 1983 vor die dann operativ gelöst wurden.
Auch Prof. Dr. B. fand bei der klinischen Untersuchung keinen Druckschmerz im Narbenbereich und eine Hernie war nicht nachweisbar. Zudem ergab die am 01.06.2005 durchgeführte Kernspintomographie keinen Hinweis für eine Narbenhernie. Es zeigten sich lediglich im Narbenbereich geringgradige Verwachsungen und einzelne adhärente Dünndarmschlingen. Auch Prof. Dr. B. hat auf die multiplen Voroperationen in diesem Bereich hingewiesen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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