L 10 R 579/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RA 2219/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 579/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. November 2004 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juli 2003 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Altersrente für langjährige Versicherte an Stelle der ihr gewährten Regelaltersrente.

Ein Rentenantrag der am 6. Februar 1937 geborenen Klägerin vom Februar 1997 wurde mit Bescheid vom 14. April 1997 abgelehnt, da die Vorraussetzungen nicht vorlagen. Am 13. Mai 2002 beantragte die Klägerin die Gewährung von - so im Antragsformular von der Klägerin angekreuzt - "Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres". Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie über insgesamt 412 Monate Beitrags-, Anrechnungs- und Berücksichtigungszeiten, u. a. auch für die Monate Mai bis August 1977 (Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung). Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf AS 58 ff der Akte des Sozialgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte wies die Klägerin (u. a.) darauf hin, dass die Wartezeit von 35 Jahren bisher noch nicht erfüllt sei und bat um Mitteilung, ob ihr Antrag als solcher auf Regelaltersrente - deren Voraussetzungen vorliegen würden - angesehen werden solle. Wegen der Heraufsetzung der Höchstdauer der zu berücksichtigenden Zeiten der Schul-, Fachschul-, Hochschulausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach Vollendung des 17. Lebensjahres auf acht Jahre seien weitere Zeiten berücksichtigt worden, sodass auf diese Zeiten entfallende freiwillige Beiträge in Höhe von 6041,28 DM = 3088,86 EUR auf Antrag erstattet werden könnten. Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 28. August 2002, dass sie die Wartezeit von 35 Jahren längst erreicht haben müsste. Ihre freiwilligen Beiträge, die überflüssig geworden seien, könnten bis zur endgültigen Entscheidung über den Rentenanspruch bei der Beklagten verbleiben. Damit könnte, soweit dies sinnvoll sei, eine Belegung der Monate Mai bis August 1977 erfolgen. Sie sei auch Ende 1989 weiter arbeitslos gewesen; infolge einer Sperrzeit (18. Oktober bis 12. Dezember 1989) habe sie keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr erhalten, danach Leistungen nicht mehr in Anspruch genommen sodass ihre Arbeitslosigkeit vermutlich nicht im Versicherungsverlauf festgehalten worden sei.

Mit - jenen vom 5. September 2002 ersetzenden - Bescheid vom 6. November 2002 gewährte die Beklagte Regelaltersrente ab 1. März 2002 mit einem Zahlbetrag von (ab 1. November 2002) monatlich 321,78 EUR. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf ihr früheres Schreiben. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte ab, da die Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt sei. Den gegen beide Bescheide eingelegten Widerspruch vom 5. Dezember 2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2003 zurück. Eine Berücksichtigung der dem Grunde nach erstattungsfähigen Beiträge und deren Verbuchung als freiwillige Beiträge hätte frühestens den Zeitraum 1. Januar bis 31. August 2002 belegt, sodass der Rentenbeginn der 1. September 2002 gewesen wäre. Durch die Bewilligung der Regelaltersrente zum 1. März 2002 von Amts wegen sei der frühestmögliche Rentenbeginn erreicht worden. Eine Beschwer sei damit nicht gegeben.

Während des hiergegen am 26. Juni 2003 beim Sozialgericht Karlsruhe eingeleiteten Klageverfahrens hat die Beklagte den erneuten Antrag auf Rente für langjährig Versicherte mit Bescheid vom 2. Juli 2003 abgelehnt, da der Klägerin durch die Gewährung der Regelaltersrente kein Nachteil entstanden sei und die Möglichkeit der Zahlung von freiwilligen Beiträgen nach Beginn einer Altersvollrente nicht mehr zulässig sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle nicht die notwendige Wartezeit für eine Rente für langjährig Versicherte. Ihre Schreiben vom 28. August und 5. Dezember 2002 könnten nicht als Anträge auf Erstattung freiwillig geleisteter Beiträge angesehen werden, da es insoweit an der Eindeutigkeit der Erklärung fehle. Jedenfalls wäre der frühestmögliche Rentenbeginn dann der 1. September 2002. Die Beklagte habe den Rentenantrag vom 13. Mai 2002 zu Recht als solchen auf Regelaltersrente ausgelegt, da die Klägerin bereits früher zu erkennen gegeben habe, sie wünsche die Gewährung von Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt ohnehin Hinnahme von Rentenabschlägen. Insoweit sei die Klägerin nicht beschwert. Für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind würden Kindererziehungszeiten zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt enden.

Die Klägerin hat gegen den am 16. Dezember 2004 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid am 17. Januar 2005, einem Montag, Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2002 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 5. September und 6. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 abzuändern und den Bescheid vom 2. Juli 2003 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. März 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nach § 96 SGG auch der Überprüfungsbescheid vom 2. Juli 2003, über den das Sozialgericht zu Unrecht nicht entschieden hat, sodass der Senat auf die Berufung der Klägerin auch hierüber entscheidet (BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte. Diese setzt nach § 236 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) u. a. voraus, dass die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt ist (§ 236 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Von den nach § 51 Abs. 3 SGB VI anrechenbaren rentenrechtlichen Zeiten verfügt die Klägerin aber lediglich über 412 Monate, so dass acht Monate fehlen.

Weitere rentenrechtliche Zeiten, etwa als Anrechnungszeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), können nicht aus der von der Klägerin vorgebrachten Arbeitslosigkeit ab Ende 1989 abgeleitet werden. Nach der genannten Vorschrift sind Anrechnungszeiten unter anderem Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer Deutschen Agentur für Arbeit (früher Arbeitsamt) als Arbeitssuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Bis 1. Januar 1990 hat die Beklagte die Zeit anerkannt. Weitere Zeiten der Arbeitslosigkeit hat das zuständige Arbeitsamt nicht mitgeteilt. Sie bestehen schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht. In diesem Zusammenhang gab die Klägerin gegenüber der Beklagten selbst an, nach der Sperrzeit (bis 12. Dezember 1989) die ihr bewilligte Arbeitslosenhilfe nicht mehr in Anspruch genommen zu haben. Sie bezog damit eine Leistung aus eigenem Willensentschluss und nicht etwa wegen fehlender Bedürftigkeit nicht mehr. Wie die Klägerin im Erörterungstermin vom 8. Juni 2005 angegeben hat, war sie damals im Anwesen ihrer Eltern beschäftigt, hat dort Schäden nach einem Orkan beseitigt und eine Wohnung für den studierenden Sohn eingerichtet und war mit Erbauseinandersetzungen beschäftigt. Damit stand sie dem Arbeitsmarkt auch nicht zur Verfügung (§ 103 des damals geltenden Arbeitsförderungsgesetzes), sie war nicht arbeitssuchend im Sinne des § 58 SGB VI.

Die Begrenzung der Kindererziehungszeiten für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder auf zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt folgt aus § 249 Abs. 1 SGB VI.

Die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Rente können auch nicht dadurch erreicht werden, dass die Klägerin so behandelt wird, als ob freiwillige Beiträge erstattet worden wären und sie diese für andere Zeiträume gezahlt hätte. Zwar wäre eine solche Erstattung und Nachzahlung bei entsprechendem Entgegenkommen der Beklagten theoretisch möglich, wie die anlässlich der Erörterungstermine im Berufungsverfahren erstellten Probeberechnungen zeigen. Tatsächlich ist aber eine solche Erstattung und Nachzahlung bislang nicht erfolgt. Sie ist auch nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Denn die Beklagte hat hierüber noch keine Entscheidung getroffen, auch deswegen nicht, weil sich die Klägerin - zuletzt noch im Erörterungstermin vom 30. November 2005 - nicht hat entscheiden können, ob und in welcher Weise eine solche "Umbuchung" erfolgen soll. Früheren Erklärungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren fehlt es an der notwendigen Eindeutigkeit, als dass die Beklagte hierauf Erstattungen oder die Anerkennung von Nachzahlungen hätte stützen können.

Ist somit die Ablehnung der Rente für langjährige Versicherte durch Bescheid vom 30. Oktober 2002 rechtmäßig, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Rücknahme dieses Bescheides. Denn nach § 44 des Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) würde dies die Rechtswidrigkeit der Rentenablehnung voraussetzen. Damit ist auch der Bescheid vom 2. Juli 2003, mit dem die Beklagte eine solche Rücknahme abgelehnt hat, nicht zu beanstanden. Die diesbezügliche Klage ist abzuweisen.

Dass der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 13. Mai 2002 Regelaltersrente nach § 35 SGB VI gewährt worden ist, ist gleichfalls rechtmäßig, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin die notwendige Beschwer (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) hat, um sich hiergegen gerichtlich wehren zu können. Zwar hat die Klägerin eine solche Rente nicht ausdrücklich beantragt (§ 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Doch war ihr Antrag vom 13. Mai 2002, auch vor dem Hintergrund des umfangreichen Schriftwechsels zum Rentenantrag vom 15. Februar 1997, sachdienlich als solcher auf Regelaltersrente auszulegen, da nur so - auf der Basis der rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin - eine höchstmögliche Rentenzahlung zum frühestmöglichen Termin erreicht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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