L 11 R 988/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 3887/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 988/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 30.03.1952 geborene und aus Portugal stammende Klägerin hat ihren Angaben zufolge keinen Beruf erlernt und von Juni 1971 bis Februar 1974 in Luxemburg gearbeitet. Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland war sie ab Mai 1974 in der Klinik a. E. zunächst als Reinigungskraft und ab 1986 als Versorgungskraft (Küche) beschäftigt.

In der Zeit vom 27.03. bis 24.04.2002 führte die Beklagte ein Heilverfahren in der Klinik für Rehabilitation "A. K. B. K." durch, aus dem die Klägerin arbeitsfähig entlassen wurde (Diagnosen: generalisierte Tendomyopathie, chronisches HWS-, BWS-, LWS-Syndrom bei Spondylose C4/5, C5/6, Unkovertebralarthrose der mittleren HWS, arterielle Hypertonie, Adipositas, reaktive Depressionen).

Vom 03.09.2003 bis zum 13.01.2004 befand sich die Klägerin wegen "anhaltender somatoformer Schmerzstörung, generalisierter Angststörung und ängstlicher Persönlichkeitsstörung" in stationärer psychosomatischer Behandlung in den Städtischen Kliniken E., Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin. Die Klägerin wurde mit dem Ziel einer stundenweisen beruflichen Eingliederung entlassen.

Nachdem die Klägerin ab 14.11.2002 bis zu ihrer Aussteuerung am 25.09.2003 Krankengeld bezogen hatte, erhielt sie ab 26.09.2003 Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit G ... In einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom März 2004 beurteilte die Vertragsärztin Dr. F. das Leistungsvermögen der Klägerin mit täglich weniger als drei Stunden für voraussichtlich länger als sechs Monate. Im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung beantragte die Klägerin hierauf Leistungen zur Rehabilitation. Die LVA Baden-Württemberg veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Internisten Dr. S. und die Nervenärztin Dr. S ... Dr. S. diagnostizierte eine generalisierte Tendomyopathie, Verschleißerscheinungen und Fehlhaltung der Wirbelsäule mit chronisch rezidivierendem HWS-, BWS-, LWS-Syndrom sowie einen therapiebedürftigen Bluthochdruck und ein erhebliches Übergewicht. Es zeigte sich eine Funktionseinschränkung im Bereich des Achsenorgans, jedoch keine Wurzelreizsymptomatik. Im Bereich der Extremitätengelenke konnte keine nennenswerte Einschränkung festgestellt werden. Leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule wie auch häufiges Bücken und ohne häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten erachtete Dr. S. noch vollschichtig für zumutbar. Dr. S. kam unter Berücksichtigung beigezogener ärztlicher Unterlagen (u.a. Befundbericht der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-R. vom Februar 2004) zu dem Ergebnis, bei der Klägerin handle es sich zusätzlich zu den von Dr. S. diagnostizierten Gesundheitsstörungen um eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Entwicklung aus der Lebensgeschichte ableitbar und eine selbstwertlabile, durchsetzungsgehemmte abhängige Persönlichkeitsstörung. Integrierend betrachtet könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den von Dr. S. genannten qualitativen Einschränkungen sowie ohne besonderen Zeitdruck und ohne Wechselschicht vollschichtig (sechs Stunden und mehr) verrichten. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurden nicht vorgeschlagen. Der Reha-Antrag wurde hierauf mit Bescheid vom 27.07.2004 abgelehnt.

Am 19.07.2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, der von der Beklagten mit Bescheid vom 23.08.2004 abgelehnt wurde, weil bei der Klägerin weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin geltend, sie fühle sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Trotz Einnahme von Medikamenten könne sie ihren Alltag kaum noch bewältigen, fühle sich psychisch und körperlich oft am Ende. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2004 zurück.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Sie machte im wesentlichen geltend, insbesondere auf dem Gebiet der Neurologie und der Psychiatrie seien die Beschwerden so stark, dass ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen sei. Sie habe starke depressive Gemütszustände, die auch bei medikamentöser Behandlung zu keiner Verbesserung ihres Leistungsvermögens geführt hätten. Außerdem leide sie an einer Fibromyalgie, die zu erheblichen Schmerzbefindlichkeiten führe. Seit der letzten Begutachtung im Verwaltungsverfahren habe sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Aufgrund der orthopädischen Einschränkungen könne sie nicht viermal täglich mehr als 500 m zu Fuß zurücklegen. Zur Stützung ihres Begehrens legte die Klägerin ein Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-R. vom November 2004 und einen Befundbericht des Internisten und Rheumatologen Dr. H. vom Januar 2005 vor.

Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.

Der Orthopäde P. teilte die bis zur letzten Vorstellung der Klägerin im Februar 2004 erhobenen orthopädischen Erkrankungen mit, die noch eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen durchaus vollschichtig ermöglichten.

Dr. M.-H., Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, berichtete unter Beifügung von Laborergebnissen und eines Arztbriefs von Dr. H. über die Krankheitsäußerungen der Klägerin seit Juli 2004 und die gestellten Diagnosen. Eine vollschichtige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne von der Klägerin nicht mehr verrichtet werden. Wegen der vorhandenen Fibromyalgie sei auch bei leichten Tätigkeiten von einer vorzeitigen Ermüdung auszugehen, weshalb nur eine Tätigkeit von ca. vier Stunden möglich sei.

Dr. S.-R. bekundete, die stationäre Behandlung der Klägerin bis 13.01.2004 in der psychosomatischen Abteilung des Städtischen Klinikums E. habe zu einer Besserung der Schmerzsymptomatik geführt, auch die psychische Situation der Klägerin habe sich stabilisiert. Nachdem die Klägerin einen Arbeitsversuch begonnen habe, sei es zur erneuten Eskalation der Beschwerden gekommen, so dass der Arbeitsversuch habe abgebrochen werden müssen. Im November 2004 habe die Klägerin über unverändert bestehende Schmerzen im Bereich des gesamten Körpers berichtet, weshalb eine Überweisung zu einem Rheumatologen erfolgt sei, der die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt habe. Die Frage, ob die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten, verneinte Dr. S.-R ...

Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Dr. W., Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation, Bezirkskrankenhaus G., ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten. Dr. W. diagnostizierte bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, geringgradige degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und einen Zustand nach Spondylodiscitis LWK 2/3. Zusammenfassend führte er aus, die eher leichtgradigen degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule machten bis zu einem gewissen Grad umschriebene rezidivierende Nacken- und Lendenwirbelsäulenschmerzen mit gelegentlicher pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Schultern und beide Gesäße bzw. Oberschenkel durchaus möglich. Die jedoch darüber hinausgehende erhebliche, z.T. mit brennenden Missempfindungen verbundene dauerhafte Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule und der Oberschenkel sowie des Nackens und des Kopfes sei durch die objektivierbaren körperlichen Befunde nicht erklärbar. Dies korreliere auch mit der Tatsache, dass keine relevanten neurologischen Funktionsstörungen nachweisbar gewesen seien. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung habe sich im Zusammenhang mit einer zunehmenden Belastung am Arbeitsplatz bei gleichzeitig nachlassender allgemeiner Belastbarkeit im Rahmen eines physiologischen Alterungsprozesses entwickelt. Ungeachtet dieser verständlichen und aus der Lebensgeschichte rekonstruierbaren Entwicklungen sei bei der gutachterlichen Untersuchung jedoch keine Einschränkung erkennbar gewesen, die es der Klägerin unmöglich machen würde, zumindest leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Es sei sogar durchaus denkbar, dass mit Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit die jetzt doch deutliche Selbstwertproblematik wenigstens teilweise gebessert werden könnte. Vermeiden müsse die Klägerin das Anheben von Lasten über 5 kg, einseitige Körperhaltungen, Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft, psychisch belastende Tätigkeiten sowie Akkord- und Schichtarbeit. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könnten leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen mindestens sechs Stunden täglich ausgeführt werden. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens viermal täglich mehr als 500 m zu Fuß zurückzulegen, pro Strecke sei mit einem Zeitaufwand von 5 bis 10 Minuten zu rechnen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe auch kein Grund, warum die Klägerin keinen Pkw fahren könnte.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. K. ein. Dr. K. legte dar, die bei der Klägerin vorliegende anhaltende somatoforme Schmerzstörung bedeute, dass psychische Probleme als körperlich bedingt erlebt würden. Verantwortlich hierfür sei die ängstlich-passive, wenig durchsetzungsfähige Grundpersönlichkeit der Klägerin, deren Wurzeln in der Kindheitsanamnese lägen. Es sei eine mindestens mittelschwere depressive Verstimmtheit durchgehend zu beobachten gewesen, die in jeder Hinsicht glaubhaft gewirkt habe. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zu verrichten. Leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten unter 5 kg ohne erhöhten Zeitdruck und ohne Akkordarbeiten sowie ohne Arbeiten in monotonen Körperhaltungen seien der Klägerin drei bis sechs Stunden täglich zumutbar, wobei zusätzliche betriebsunübliche Pausen nicht erforderlich seien.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen von Dr. G., Dr. P. und des Chirurgen und Sozialmediziners B. entgegen.

Mit Urteil vom 20.01.2006, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 24.02.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es, gestützt auf die Gutachten von Dr. S., Dr. W. und Dr. K., im wesentlichen aus, das Leistungsvermögen der Klägerin unterliege lediglich qualitativen Einschränkungen. Einer leichten Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch in einem Rahmen von täglich mehr als sechs Stunden nachgehen. In der Leistungsbeurteilung folge die Kammer dem Gutachten des Dr. W., der gewisse Verdeutlichungstendenzen erkannt habe. Während Dr. K. seine Leistungsbeurteilung lediglich auf sein subjektives Gefühl gestützt habe, habe Dr. W. seine Leistungseinschätzung durch objektive Testverfahren belegen können. Diesen messe die Kammer einen größeren Beweiswert zu. Auf orthopädischem Fachgebiet habe der behandelnde Orthopäde die Zumutbarkeit einer leichten körperlichen Tätigkeit bestätigt. Auch die von Dr. H. attestierte Fibromyalgie lasse den Schluss auf eine quantitative Leistungseinschränkung nicht zu, da die Sachverständigen Dr. S., Dr. W. und Dr. K. bereits die Auswirkungen der bestehenden Schmerzen umfassend gewürdigt hätten. Die Auffassung von Dr. S.-R. sei damit widerlegt. Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide von vornherein aus, da die Klägerin als ungelernte Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und ihr daher sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar seien.

Hiergegen richtet sich die am 27.02.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung verweist sie auf das von ihr vorgelegte Attest von Dr. S.-R. vom 24.02.2006 und trägt vor, ihr Gesundheitszustand habe sich weiter dramatisch verschlechtert. Aufgrund des Eindruckes ihrer behandelnden Ärztin Dr. S.-R. bestehe bei ihr keine Fähigkeit, einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit von mehr als drei Stunden täglich nachzugehen. Auch Dr. K. habe eine verminderte Erwerbsfähigkeit angenommen. Im Gegensatz zu Dr. W. habe Dr. K. keinerlei Verdeutlichungstendenzen feststellen können. Die von Dr. H. attestierte Fibromyalgie sei ebenfalls geeignet, eine weitere quantitative Leistungseinschränkung zu begründen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. August 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und hat eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. G., Fachärztin für Neurologie, vorgelegt.

Der Senat hat Dr. S.-R. als sachverständige Zeugin schriftlich gehört. Diese hat mitgeteilt, die Klägerin befinde sich seit Januar 2004 in ihrer nervenärztlichen Behandlung. Die auffälligsten Befunde zeigten sich im Bereich der Psychopathologien. Die Klägerin sei bewußtseinsklar und allseits orientiert, es bestünden keine psychotischen Symptome. Das Denken sei inhaltlich geordnet, die Gedanken kreisten jedoch formal um die eigene Situation und Problematik, eingeengt durch multiple körperliche Beschwerden, der Affekt sei betrübt, traurig, verzweifelt, teils hoffnungslos, teils nach Fassung ringend. Die Klägerin kämpfe immer wieder mit den Tränen, die Stimmungslage zeige sich deutlich herabgestimmt depressiv, die Mimik sei starr, es bestehe kaum Auslenkbarkeit. Gedächtnisstörungen bestünden keine, der Kontakt sei zögerlich herstellbar und der Rapport langsam schleppend. Es bestünden deutliche Störungen des zielgerichteten Antriebs. Im Behandlungsverlauf habe keine wesentliche Veränderung festgestellt werden können. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei aufgrund der beschriebenen Psychopathologie beeinträchtigt.

Der Senat hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. H., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum a. W., W ... Dr. H. hat dargelegt, aufgrund der geschilderten Beschwerden, des berichteten Verlaufes sowie des im Rahmen der Exploration und Untersuchung erhobenen psychischen Befundes müsse vom Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ausgegangen werden. Darüber hinaus hätten sich Hinweise für eine leichte depressive Symptomatik gefunden, wie sie im Rahmen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung häufig gesehen werde. Die geklagten Rückenschmerzen seien zum Teil dem Krankheitsbild der somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen. Hinweise für neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen hätten sich nicht ergeben. Aufgrund der Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule seien Arbeiten in einseitiger Körperhaltung sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten nicht mehr zumutbar. Ebenso seien Arbeiten in Zwangshaltungen oder Arbeiten, die häufiges Bücken erfordern, zu vermeiden. Die somatoforme Schmerzstörung schließe Arbeiten, die mit einer erhöhten Verantwortung bzw. einer besonderen (hohen) geistigen Beanspruchung einhergehen, aus. Desweiteren kämen Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, mit erhöhtem Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie Tätigkeiten, die die Überwachung von komplexeren Arbeitsvorgängen erfordern, nicht mehr in Frage. Die Klägerin sei jedoch noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb eines Zeitraumes von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und während der Hauptverkehrszeiten zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Umstellungsfähigkeit für andere Tätigkeiten in dem beschriebenen qualitativen Umfang eingeschränkt sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Bescheid vom 23.08.2004 zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar erfüllt sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, sie ist jedoch weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.

Die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet vorliegend bereits von vornherein aus, weil die Klägerin während ihres Berufslebens lediglich ungelernte, allenfalls angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs verrichtet hat und weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung noch über sonstige berufsspezifische Qualifikationen verfügt. Sie ist deshalb nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 62, 74 ff.; 59, 249 ff. und 43, 243, 246) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und auf diesem nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig auszuüben. Damit ist die Klägerin auch nicht erwerbsgemindert. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich begründet dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt deshalb insoweit auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung führen zu keiner anderen Entscheidung.

Auf orthopädischem Fachgebiet sind schwerwiegendere krankhafte Veränderungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates weiterhin nicht dokumentiert. Der letzte Befund des Orthopäden P. datiert vom Februar 2004. Eine Verschlechterung der orthopädischen Gesundheitsstörungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht, auch ergeben sich hierfür aus den eingeholten nervenärztlichen Gutachten keine Anhaltspunkte. Dr. H. fand bei der neurologischen Untersuchung keine Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten. Auch wurden von der Klägerin keine Gefühlsstörungen angegeben. Ebenso wenig ergaben sich Hinweise für die Schädigung eines peripheren Nerven, einer Nervenwurzel oder des Rückenmarks durch die Abnutzungserscheinungen im Bereich der Wirbelsäule.

Die internistischen Gesundheitsstörungen (Bluthochdruck) und das Übergewicht der Klägerin stehen einer leichten 6-stündigen Tätigkeit ohne besonderen Zeitdruck ebenfalls nicht entgegen.

Das bei der Klägerin ganz im Vordergrund stehende Schmerzsyndrom ist bereits durch Dr. S. und im erstinstanzlichen Verfahren durch Dr. W. und Dr. K. sowie zuletzt im Berufungsverfahren durch Dr. H. gewürdigt worden. Das von Dr. S. und Dr. W. beschriebene Leistungsvermögen ist von Dr. H. im Ergebnis im wesentlichen bestätigt worden. Einig sind sich die Gutachter bezüglich der bei der Klägerin bestehenden somatoformen Schmerzstörung. Dass von dem Rheumatologen Dr. H. die Schmerzsymptomatik als sekundäres Fibromyalgiesyndrom bezeichnet wurde, ist von nachrangiger Bedeutung. Maßgeblich für die Beurteilung der Erwerbsminderung sind ausschließlich die Auswirkungen einer Erkrankung auf das berufliche Leistungsvermögen. Im übrigen differiert indes die diagnostische Einschätzung. Während Dr. W. lediglich eine subdepressive Verstimmung der Klägerin erhob, spricht Dr. K. von einer durchgehend mindestens mittelschwer ausgeprägten depressiven Verstimmtheit. Dr. H. konnte wiederum nach sorgfältiger Analyse des psychopathologischen Befundes nur Hinweise für eine leichte depressive Symptomatik finden, wie sie im Rahmen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung häufig gesehen wird, ohne dass - so Dr. H. - die diagnostischen Leitlinien für das Vorliegen einer leichten oder mittelschweren depressiven Episode erfüllt werden. Die Klägerin zeigte bei der Untersuchung durch Dr. H. streckenweise eine bedrückte, aber immer wieder auflockerbare Stimmung und eine im wesentlichen erhaltene affektive Schwingungsfähigkeit. Der Antrieb und die Psychomotorik waren ohne Auffälligkeiten. Es ergaben sich keine Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen, auch die Auffassung war nicht erschwert. Die Konzentration konnte während der Exploration und Untersuchung gut gehalten werden, das Durchhaltevermögen war nicht beeinträchtigt. Klinisch zeigten sich keine relevanten Beeinträchtigungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses. Es überzeugt daher den Senat, wenn Dr. H. lediglich qualitative Einschränkungen, jedoch keine quantitative Leistungsminderung der Klägerin attestiert hat. Die getroffene Leistungsbeurteilung steht im Einklang mit den erhobenen Befunden, ist schlüssig und nachvollziehbar und stimmt im wesentlichen mit den Beurteilungen von Dr. S. und Dr. W. überein.

Für den Senat steht hiernach fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg im Wechsel von Sitzen, Stehen oder Gehen, ohne einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Bücken, ohne Gefährdung durch Nässe, Kälte und Zugluft, ohne besonderen Zeitdruck (Akkord, Fließband) sowie ohne Schichtarbeit sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Vermeiden muss sie zudem auch Tätigkeiten, die besondere Ansprüche an eine erhöhte Verantwortung und an ein erhöhtes Umstellungs- und Anpassungsvermögen stellen und schließlich auch Tätigkeiten, die die Überwachung von komplexeren Arbeitsvorgängen erfordern. Solche Tätigkeiten scheiden aufgrund der Vorbildung der Klägerin ohnehin aus.

Soweit demgegenüber Dr. S.-R. in ihrem Attest vom Februar 2006 ein regelmäßiges Leistungsvermögen der Klägerin von mehr als drei Stunden täglich verneint hat, vermochte sich der Senat dieser Beurteilung nicht anzuschließen. Weder Dr. W. noch Dr. H. konnten deutliche Antriebsstörungen und Störungen der Ausdauerfähigkeit und Belastbarkeit feststellen. Solche lassen sich auch dem Gutachten von Dr. K. nicht entnehmen.

Dr. K. konnte sich aufgrund der deutlicher erlebten Depressivität der Klägerin zwar kein vollschichtiges, sondern nur ein Leistungsvermögen für drei bis sechs Stunden täglich vorstellen. Dies bedeutet jedoch letztlich, dass auch Dr. K. von einem Leistungsvermögen bis zu sechs Stunden täglich (als Höchstgrenze) ausgeht, was einen Rentenanspruch der Klägerin nicht begründet. Ungeachtet dessen lässt sich ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden aus den von Dr. K. erhobenen Befunden nicht nachvollziehen. Dr. H. hat insoweit für den Senat deutlich gemacht, dass bei der Klägerin bei unauffälligem Antrieb und Durchhaltevermögen sowie unauffälliger Ausdauerfähigkeit auch Störungen der Aufmerksamkeit und der Konzentration nicht erkennbar waren, was bereits Dr. W. festgehalten hatte. Die Merkfähigkeit sowie das Kurz- und Langzeitgedächtnis der Klägerin sind ebenfalls nicht beeinträchtigt. Der bei der Klägerin zweifelsohne vorhandenen Depressivität kann daher auch nach der Überzeugung des Senats im Anschluss an Dr. H. mit qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Insbesondere ist der Ausschluss von Heben und Tragen schwererer Lasten, von Zwangshaltungen und häufigem Bücken bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" umfasst (BSG SozR 3200 § 1246 Nr. 117 und SozR 3 - 2000 § 1247 Nr. 10; BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17). Auch die übrigen Leistungseinschränkungen wie z.B. Akkordarbeit oder Schichtdienst oder besondere Anforderungen an die geistige Beanspruchung oder an die Verantwortung fallen nicht unter "ungewöhnliche Leistungseinschränkungen" (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -). Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.

Schließlich ist der Klägerin auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle der Klägerin ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Das Risiko, dass die Klägerin keinen für sie geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).

Die Berufung der Klägerin konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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