L 8 AS 1073/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 492/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 1073/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat, gegen den Beschluss des SG vom 09.02.2006, mit dem sein am 23.01.2006 gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist. Das SG begründete seine Entscheidung damit, der auf die Gewährung von weiteren Kosten der Unterkunft (Tilgungsleistungen) in Höhe von 1762,55 EUR monatlich gerichtete Antrag sei nicht begründet, da es hierfür sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch fehle.

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Dem Antragsteller stehen nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung die geltend gemachten weiteren Kosten der Unterkunft, bei denen es sich ausschließlich noch um Tilgungsleistungen - die Kreditzinsen und die weiteren Kosten der Unterkunft werden von der Antragsgegnerin bezahlt - handelt, im Rahmen der nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen nicht zu. Tilgungsraten für den Kredit zur Anschaffung einer Eigentumswohnung sind grundsätzlich nicht als Kosten der Unterkunft zu werten, weil die Schuldentilgung der Vermögensbildung dient und es mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen zur Grundsicherung nicht vereinbar ist, den Vermögensaufbau der Hilfeempfänger zu finanzieren (vgl. zur Sozialhilfe BVerwG Urteil vom 10.09.1992 - 5 C 25/88 - ZfSH/SGB 1993, 586). Ob eine Ausnahme unter anderem dann zu machen ist, wenn bei einer Ablehnung der Übernahme der Tilgungsraten der Verlust der Wohnung droht und die sich daraus ergebenden Folgekosten größer sind als die Kosten, die bei einer Übernahme der Tilgungsraten und einer damit einhergehenden Vermögensbildung beim Hilfebedürftigen entstehen (hierzu Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2005, § 22 Rdnr. 30f), braucht nicht entschieden zu werden, da eine solche Fallgestaltung hier nicht vorliegt. Die Unterkunftskosten (Zinsen, Tilgungsanteil und Wohngeld einschließlich Heizkosten) betragen hier über 3500,- EUR monatlich. Es liegt auf der Hand, dass die Unterkunftskosten im Falle der Anmietung einer angemessenen Wohnung selbst für eine achtköpfige Familie weitaus niedriger liegen würden.

Darüber hinaus fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihm begehrte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Aus den aktenkundigen Unterlagen geht hervor, dass das von der Gläubigerbank des Antragstellers angestrengte Zwangsversteigerungsverfahren vom Amtsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 27.12.2005 aufgehoben worden ist, nach dem die Gläubigerin zum dritten mal die Einstellung des Verfahrens bewilligt hat. Dass mittlerweile erneut die Zwangsversteigerung beantragt worden ist, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Er hat mit der Beschwerde lediglich vorgebracht, dass die Zwangsversteigerung bereits das zweite mal habe abgewendet werden können und somit nicht mit weiterer Kulanz der Bank zu rechnen sei. Hinzu kommt, dass der Antragsteller nach den hier vorliegenden Akten der Antragsgegnerin seit April 2006 wieder über Einkünfte (aus einer selbstständigen Tätigkeit) verfügt, die er nach seinen eigenen Angaben im Monat April 2006 auf 1782,- EUR monatlich geschätzt hat. Der Senat sieht deshalb derzeit keine Gefahr dafür, dass dem Antragsteller und seiner Familie die Gefahr des Verlustes der erworbenen Eigentumswohnung droht. Es ist dem Antragsteller deshalb zuzumuten, seinen Rechtstandpunkt im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens zu verfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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