Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 626/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1734/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist die Weitergewährung von Verletztenrente.
Der am 1957 geborene Kläger rutschte am 08.09.2000 während seiner Tätigkeit als Mechaniker auf dem Firmengelände aus und fiel auf das linke Knie. Er zog sich dabei eine laterale Tibiakopffraktur links zu (Durchgangsarztbericht Chirurgische Universitätsklinik H. vom 08.09.2000). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 08.09.2000 bis zum 11.03.2001. Für diesen Zeitraum erhielt der Kläger von der Beklagten Verletztengeld.
Die Berufsgenossenschaft der F. und E. hatte dem Kläger bereits aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 16.06.1984 mit Bescheid vom 25.11.1986 eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab 01.07.1986 bewilligt. Als Folgen des Arbeitsunfalls hatte sie anerkannt: "Deutliche Muskelminderung des li. Beines, insbesondere am Oberschenkel, deutliche formverbildende Veränderungen der li. Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängiger Schwellneigung und Schmerzen des Kniegelenks (innerer und äußerer Knieglenksspalt), geringes Schonhinken u. Bewegungsbehinderung beim Einnehmen der tiefen Hocke sowie reizlose Narbenbildung an der Außenseite des Kniegelenks u. re. Beckenkammes nach unter geringer Stufenbildung knöchern fest verheiltem Stauchungsbruch des seitlichen Schienbeinkopfes li.". Die Rente wurde später auf Lebenszeit abgefunden. Verschlimmerungsanträge des Klägers sind erfolglos geblieben (zuletzt bestandskräftiger Bescheid vom 01.03.2005).
Mit Bescheid vom 07.06.2001 bewilligte die Beklagte nach Begutachtung durch Priv.-Doz. Dr. B., Oberarzt der Sektion Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum H. , und entsprechend einer Empfehlung des Beratungsarztes Dr. K. ab 12.03.2001 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H.
Am 04.09.2002 erstattete der Orthopäde Dr. W., M., im Auftrag der Beklagten ein Gutachten und schätzte die MdE auf 10 v.H. Dr. K. nahm unter dem 17.10.2002 hierzu dahingehend Stellung, die krankhaften Veränderungen würden sich nicht wesentlich von den von ihm 1996 anlässlich einer Begutachtung für die Berufsgenossenschaft der F. und E. unterscheiden, sodass die Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.09.2000 mit weniger als 10 v.H. einzustufen seien.
Mit Bescheid vom 04.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 10.03.2003 entschied die Beklagte nach Anhörung des Klägers, die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente werde letztmalig für den Monat Dezember 2002 geleistet und ein Anspruch auf unbestimmte Zeit bestehe nicht. Als Unfallfolgen stellte sie "nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch mit einem Teil der Stand- und Gangbehinderung, einem Teil der formverbildenden Veränderungen des Kniegelenkes. Muskelminderung im Bereich des Oberschenkels sowie Einmuldung der lateralen Schienbeinkopfgelenkfläche, geringgradige Minderung der Fußsohlenbeschwielung" fest.
Dagegen hat der Kläger am 12.03.2003 Klage beim Sozialgericht M. erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, der Zustand seines Beines habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. C., Leiter der Gutachtenambulanz an der Orthopädischen Universitätsklinik H. , vom 27.08.2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 01.10.2003 eingeholt. Er hat die MdE auf unter 10 v. H. eingeschätzt. Zum Jahresende 2002 sei in den Unfallfolgen ein Dauerzustand eingetreten.
Mit Urteil vom 30.03.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird verwiesen.
Gegen das am 07.04.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.05.2004 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, das Sozialgericht habe seine Entscheidung auf Gutachten gestützt die nicht widerspruchsfrei seien. Weiter sei den Hinweisen des behandelnden Orthopäden Dr. R. nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Jedenfalls habe der zweite Unfall nicht unerhebliche Folgen hinterlassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 30.3.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente auf unbestimmte Zeit ab 01.01.2003 nach einer MdE von mindestens 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. C ...
Der Senat hat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 12.04.2005 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, bei Betrachtung der mehrfachen Begutachtungen vor dem Unfall im Jahr 2000 und beim Vergleich dieser mit dem Befund der jetzigen Begutachtung ergebe sich keine funktionelle Verschlechterung, sodass die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen im Wesentlichen auf die Zeit vor dem 08.09.2000 zurückzuführen seien und der zur Diskussion stehende Unfall zu keiner relevanten Verschlechterung geführt habe. Ab Januar 2003 schätze er die MdE für den Unfall vom 08.09.2000 auf unter 10 v.H.
Der Senat hat Dr. R. unter dem 09.08.2005 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Kläger hat über den 31.12.2002 hinaus aufgrund des Arbeitsunfalls vom 08.09.2000 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetztes zur Dauerrente (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII Rdnr. 10).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ein Anspruch auf Verletztenrente über den 31.12.2002 hinaus besteht nicht, denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist ab diesem Zeitpunkt unfallbedingt nicht mehr in Höhe von mindestens 10 v.H. gemindert. Eine MdE in dieser Höhe würde im vorliegenden Fall zur Rentengewährung ausreichen, weil der Kläger bereits aufgrund des Arbeitsunfalls vom 16.06.1984 Rente nach einer MdE um 20 v.H. bezieht bzw. abgefunden worden ist.
Beim Kläger liegen als Folgen des Unfalls vom 08.09.2000 ab Januar 2003 im Wesentlichen noch die von der Beklagten im Bescheid vom 04.12.2002 anerkannten Unfallfolgen vor. Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus den Gutachten von Dr. W. , das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, von Prof. Dr. C. und Dr. H ... Die darüber hinausgehenden, am linken Kniegelenk des Klägers vorliegenden Beschwerden sind Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.06.1984, für die der Kläger eine abgefundene Rente nach einer MdE um 20 v.H. bezieht. Ein Vergleich der im Gutachten von Dr. K. vom 28.05.1996 für die BG der F. und E. aufgrund des Unfalls vom 16.06.1984 festgestellten Unfallfolgen und dem ab Januar 2003 bestehenden Zustand am linken Knie ergibt, dass wesentliche darüber hinausgehende Beeinträchtigungen ab Januar 2003 nicht vorliegen.
Dr. R. bezieht seine abweichende Auffassung insbesondere auf den kernspintomographischen Befund, der jedoch ohne entsprechende Zuordnung des klinischen Befundes für sich genommen noch keine Bewertung des Grades der MdE zulässt. Im Übrigen hat er in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 12.05.2003 gegenüber dem Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es sich im vorliegenden Fall um Unfallfolgen von zwei jeweils das linke Kniegelenk betreffenden Unfallgeschehen handle und seine gutachterliche Kompetenz ihre Grenzen aufgezeigt bekomme. Auch aus den von Dr. R. im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich lediglich eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit am linken Kniegelenk. Das vom Kläger angeblich aufgrund seiner Knieerkrankung am 04.09.2005 gebrochene linke Handgelenk ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Auch bezüglich der MdE-Einschätzung stützt sich der Senat auf die überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. C. und Dr. H. sowie auf die Stellungnahme von Dr. K. , die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Wie schon oben ausgeführt hat der Unfall vom 08.09.2000 zu keiner relevanten Verschlechterung geführt. Bei den im Bescheid vom 04.12.2002 anerkannten Unfallfolgen handelt es sich - abgesehen von "einem Teil der Stand- und Gangbehinderung" - um Statusfeststellungen und nicht um Funktionseinschränkungen. Entscheidend für die Einschätzung der MdE sind jedoch die funktionellen Verhältnisse und nicht die Bewertung anatomischer Schäden und Defekte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist die Weitergewährung von Verletztenrente.
Der am 1957 geborene Kläger rutschte am 08.09.2000 während seiner Tätigkeit als Mechaniker auf dem Firmengelände aus und fiel auf das linke Knie. Er zog sich dabei eine laterale Tibiakopffraktur links zu (Durchgangsarztbericht Chirurgische Universitätsklinik H. vom 08.09.2000). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 08.09.2000 bis zum 11.03.2001. Für diesen Zeitraum erhielt der Kläger von der Beklagten Verletztengeld.
Die Berufsgenossenschaft der F. und E. hatte dem Kläger bereits aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 16.06.1984 mit Bescheid vom 25.11.1986 eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab 01.07.1986 bewilligt. Als Folgen des Arbeitsunfalls hatte sie anerkannt: "Deutliche Muskelminderung des li. Beines, insbesondere am Oberschenkel, deutliche formverbildende Veränderungen der li. Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängiger Schwellneigung und Schmerzen des Kniegelenks (innerer und äußerer Knieglenksspalt), geringes Schonhinken u. Bewegungsbehinderung beim Einnehmen der tiefen Hocke sowie reizlose Narbenbildung an der Außenseite des Kniegelenks u. re. Beckenkammes nach unter geringer Stufenbildung knöchern fest verheiltem Stauchungsbruch des seitlichen Schienbeinkopfes li.". Die Rente wurde später auf Lebenszeit abgefunden. Verschlimmerungsanträge des Klägers sind erfolglos geblieben (zuletzt bestandskräftiger Bescheid vom 01.03.2005).
Mit Bescheid vom 07.06.2001 bewilligte die Beklagte nach Begutachtung durch Priv.-Doz. Dr. B., Oberarzt der Sektion Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum H. , und entsprechend einer Empfehlung des Beratungsarztes Dr. K. ab 12.03.2001 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H.
Am 04.09.2002 erstattete der Orthopäde Dr. W., M., im Auftrag der Beklagten ein Gutachten und schätzte die MdE auf 10 v.H. Dr. K. nahm unter dem 17.10.2002 hierzu dahingehend Stellung, die krankhaften Veränderungen würden sich nicht wesentlich von den von ihm 1996 anlässlich einer Begutachtung für die Berufsgenossenschaft der F. und E. unterscheiden, sodass die Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.09.2000 mit weniger als 10 v.H. einzustufen seien.
Mit Bescheid vom 04.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 10.03.2003 entschied die Beklagte nach Anhörung des Klägers, die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente werde letztmalig für den Monat Dezember 2002 geleistet und ein Anspruch auf unbestimmte Zeit bestehe nicht. Als Unfallfolgen stellte sie "nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch mit einem Teil der Stand- und Gangbehinderung, einem Teil der formverbildenden Veränderungen des Kniegelenkes. Muskelminderung im Bereich des Oberschenkels sowie Einmuldung der lateralen Schienbeinkopfgelenkfläche, geringgradige Minderung der Fußsohlenbeschwielung" fest.
Dagegen hat der Kläger am 12.03.2003 Klage beim Sozialgericht M. erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, der Zustand seines Beines habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. C., Leiter der Gutachtenambulanz an der Orthopädischen Universitätsklinik H. , vom 27.08.2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 01.10.2003 eingeholt. Er hat die MdE auf unter 10 v. H. eingeschätzt. Zum Jahresende 2002 sei in den Unfallfolgen ein Dauerzustand eingetreten.
Mit Urteil vom 30.03.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird verwiesen.
Gegen das am 07.04.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.05.2004 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, das Sozialgericht habe seine Entscheidung auf Gutachten gestützt die nicht widerspruchsfrei seien. Weiter sei den Hinweisen des behandelnden Orthopäden Dr. R. nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Jedenfalls habe der zweite Unfall nicht unerhebliche Folgen hinterlassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 30.3.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente auf unbestimmte Zeit ab 01.01.2003 nach einer MdE von mindestens 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. C ...
Der Senat hat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 12.04.2005 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, bei Betrachtung der mehrfachen Begutachtungen vor dem Unfall im Jahr 2000 und beim Vergleich dieser mit dem Befund der jetzigen Begutachtung ergebe sich keine funktionelle Verschlechterung, sodass die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen im Wesentlichen auf die Zeit vor dem 08.09.2000 zurückzuführen seien und der zur Diskussion stehende Unfall zu keiner relevanten Verschlechterung geführt habe. Ab Januar 2003 schätze er die MdE für den Unfall vom 08.09.2000 auf unter 10 v.H.
Der Senat hat Dr. R. unter dem 09.08.2005 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Kläger hat über den 31.12.2002 hinaus aufgrund des Arbeitsunfalls vom 08.09.2000 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetztes zur Dauerrente (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII Rdnr. 10).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ein Anspruch auf Verletztenrente über den 31.12.2002 hinaus besteht nicht, denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist ab diesem Zeitpunkt unfallbedingt nicht mehr in Höhe von mindestens 10 v.H. gemindert. Eine MdE in dieser Höhe würde im vorliegenden Fall zur Rentengewährung ausreichen, weil der Kläger bereits aufgrund des Arbeitsunfalls vom 16.06.1984 Rente nach einer MdE um 20 v.H. bezieht bzw. abgefunden worden ist.
Beim Kläger liegen als Folgen des Unfalls vom 08.09.2000 ab Januar 2003 im Wesentlichen noch die von der Beklagten im Bescheid vom 04.12.2002 anerkannten Unfallfolgen vor. Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus den Gutachten von Dr. W. , das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, von Prof. Dr. C. und Dr. H ... Die darüber hinausgehenden, am linken Kniegelenk des Klägers vorliegenden Beschwerden sind Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.06.1984, für die der Kläger eine abgefundene Rente nach einer MdE um 20 v.H. bezieht. Ein Vergleich der im Gutachten von Dr. K. vom 28.05.1996 für die BG der F. und E. aufgrund des Unfalls vom 16.06.1984 festgestellten Unfallfolgen und dem ab Januar 2003 bestehenden Zustand am linken Knie ergibt, dass wesentliche darüber hinausgehende Beeinträchtigungen ab Januar 2003 nicht vorliegen.
Dr. R. bezieht seine abweichende Auffassung insbesondere auf den kernspintomographischen Befund, der jedoch ohne entsprechende Zuordnung des klinischen Befundes für sich genommen noch keine Bewertung des Grades der MdE zulässt. Im Übrigen hat er in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 12.05.2003 gegenüber dem Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es sich im vorliegenden Fall um Unfallfolgen von zwei jeweils das linke Kniegelenk betreffenden Unfallgeschehen handle und seine gutachterliche Kompetenz ihre Grenzen aufgezeigt bekomme. Auch aus den von Dr. R. im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich lediglich eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit am linken Kniegelenk. Das vom Kläger angeblich aufgrund seiner Knieerkrankung am 04.09.2005 gebrochene linke Handgelenk ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Auch bezüglich der MdE-Einschätzung stützt sich der Senat auf die überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. C. und Dr. H. sowie auf die Stellungnahme von Dr. K. , die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Wie schon oben ausgeführt hat der Unfall vom 08.09.2000 zu keiner relevanten Verschlechterung geführt. Bei den im Bescheid vom 04.12.2002 anerkannten Unfallfolgen handelt es sich - abgesehen von "einem Teil der Stand- und Gangbehinderung" - um Statusfeststellungen und nicht um Funktionseinschränkungen. Entscheidend für die Einschätzung der MdE sind jedoch die funktionellen Verhältnisse und nicht die Bewertung anatomischer Schäden und Defekte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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