L 6 VG 2051/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VG 3506/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2051/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zustehen.

Der 1962 geborene Kläger beantragte am 18. Juni 2001 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) Beschädigtenversorgung. Er gab an, am 5. Dezember 2000 gegen 18:40 Uhr überfallen worden zu sein. Angaben dazu, wie sich dieses Ereignis zugetragen hatte, konnte der Kläger mangels Erinnerung nicht mehr machen.

Sodann zog das VA die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart (Geschäftsnummer: 115 UJs 4813/00) bei, welcher die im Folgenden beschriebenen Ermittlungsergebnisse zu entnehmen sind:

Die Ehegattin des Klägers gab bei ihrer polizeilichen Vernehmung vom 7. Dezember 2000 an, sie sei mit dem Kläger am 5. Dezember 2000 mit dem Wagen auf ihrem Nachhauseweg gewesen. Gegen 18:30 Uhr habe sie den Kläger aussteigen lassen, da dieser noch einen Kontoauszug habe holen und anschließend nach Hause laufen wollen. Da der Kläger nach ihrer Ankunft zu Hause schon 20 Minuten überfällig gewesen sei, habe sie nach diesem geschaut. Sie habe ihn sodann am Straßenrand auf dem Boden liegend gefunden. Er sei bereits durch den Notarzt versorgt und später in das Krankenhaus nach H. verbracht worden. Dort habe sie festgestellt, dass die Geldbörse des Klägers gefehlt habe. In der Geldbörse habe sich eine EC-Karte der Kreissparkasse B. und eine VISA-Karte gefunden. Da sie die beiden Karten auch zu Hause nicht aufgefunden habe, habe sie die Karten gegen 22:15 Uhr sperren lassen. Noch am selben Abend sei der Kläger in die Medizinische Klinik T. verbracht worden. Am Vormittag des 6. Dezember 2000 sei ihr von einem dort tätigen Pfleger mitgeteilt worden, dass die Kopfverletzung des Klägers nach Meinung des Arztes von einem Schlag hergerührt habe. Am Abend des 6. Dezember habe ihr ihre Nichte berichtet, dass eine Frau A. aus K. mitgeteilt habe, sie habe am Abend des 5. Dezember zwischen 18:00 Uhr und 18:30 Uhr auf der Straße, auf der der Kläger aufgefunden worden sei, einen Mann mit einem Kapuzenpulli gesehen, wobei die Kapuze richtig ins Gesicht gezogen gewesen sei. Sie sei zweimal an dieser Person vorbeigefahren. Die Person sei dann in einen Pkw eingestiegen, aber nicht weggefahren. Als sie das zweite Mal an der Person vorbeigefahren sei, habe sie bereits das Martinshorn gehört. Von der Kreissparkasse B. sei ihr (der Ehefrau des Klägers) mitgeteilt worden, dass ihr Ehegatte am 5. Dezember 2000 gegen 18:24 Uhr am Geldautomaten der Kreissparkassen-Filiale in K. gewesen sei und mit seiner Scheckkarte eine Kontostandsabfrage getätigt habe. Gegen 19:44 Uhr sei in H. mit derselben Scheckkarte versucht worden, Geld abzuheben. Da jedoch die falsche PIN benutzt worden sei, sei es zu keiner Auszahlung gekommen. Der Abhebevorgang sei von einer Kamera aufgezeichnet worden, sofern ein Film eingelegt worden sei.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ließ von Prof. Dr. Dipl.-Phys. W., Direktor des Institutes für Rechtsmedizin der E.-K.-Universität T., das Gutachten vom 21. Dezember 2000 erstellen. Er führte aus, beim Kläger sei eine intracerebrale Blutung im Bereich der Stammganglien beidseits, eine frontotemporale Kontusionsblutung links, eine Orbitadachfraktur links sowie eine Felsenbeinfraktur rechts festgestellt worden. Drei Tage nach dem Vorfall seien außer einer chirurgisch versorgten Riss-Quetschwunde im Bereich der linken Unterlippe und vereinzelten Hämatomen an den Armen keine weiteren äußeren Verletzungsbefunde feststellbar gewesen. Intracerebrale im Bereich der Stammganglien lokalisierte Blutungen würden typischerweise bei Bluthochdruck und infolge krankhafter Gefäßwandveränderungen gefunden. Ausweislich der Klinikbefunde leide der Kläger seit 1998 an einer chronischen Arthritis (Morbus Still). Da diese Erkrankung sekundär zu Gefäßveränderungen und damit zum Hochdruck führen könne und ein solcher Hochdruck auch beim Kläger beschrieben sei, sei die Gehirnblutung aus rechtsmedizinischer Sicht zwanglos auf eine krankhafte innere Ursache zurückzuführen. Bezüglich der übrigen beim Kläger festgestellten Befunde sei ein dahingehender Ablauf plausibel, dass es aufgrund einer krisenhaften Blutdruckerhöhung zunächst zu einer Blutung im Bereich der Stammganglien gekommen sei, was eine Bewusstseinstrübung zur Folge gehabt habe, sodass es zu einem bzw. mehrfachen Niedersturz/-stürzen des Klägers gekommen sei. Dabei habe sich der Kläger die beschriebenen Frakturen sowie eine Platzwunde an der Lippe zugezogen. Des Weiteren habe die sturzbedingte Geschwindigkeitsänderung der Gehirnmasse beim Aufschlagen des Kopfes zu der späterhin im Computertomogramm festgestellten links frontotemporalen Rindeneinblutung geführt. Damit ließen sich die beim Kläger über die intracerebrale Blutung hinaus festgestellten Befunde durch ein solches Sturzgeschehen erklären. Auch die Schädelfrakturen sprächen gegen eine direkte Gewalteinwirkung gegen den Kopf, da schlagbedingte Frakturen in diesem Bereich des Gesichtsschädels zwangsläufig mit ausgeprägten Hämatomen und Schwellungen einhergingen. Solche Befunde fänden sich beim Kläger nicht, sodass sich aus rechtsmedizinischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine relevante Gewalteinwirkung durch fremde Hand ergäben.

KHM D. führte in seinem Ermittlungsbericht vom 8. Mai 2001 zusammenfassend aus, dass nach umfangreichen Ermittlungen kein Hinweis auf den oder die Täter hätten verifiziert werden können. Ein genauer Tatablauf, der die gesamte Bandbreite, beginnend von Raubstraftat bis Fundunterschlagung beinhalte, habe nicht herausgearbeitet werden können. Zwar sei in der Kreissparkassen-Filiale in I.-A. um 19:44 Uhr ein wegen Fehl-Eingabe der PIN erfolgloser Abhebeversuch durchgeführt worden. Allerdings sei der Raum, in dem der Kassenautomat stehe, nicht videoüberwacht gewesen. Auch seien Befragungen der Personen, die in der Kreissparkassen-Filiale in B.-K. zwischen 18:07 Uhr und 18:42 Uhr Abhebungen vorgenommen hätten, und bei den Personen, die 30 Minuten vor 19:44 Uhr in der Kreissparkassen-Filiale in I.-A. Abhebungen durchgeführt hätten, erfolglos geblieben. Des Weiteren seien mit der VISA-Karte des Klägers keine Abhebungen vorgenommen worden. Der Gesamtumstand, dass lediglich ein Abhebeversuch mit der EC-Karte vorgenommen worden sei und keinerlei Tätigkeiten im Zusammenhang mit der VISA-Karte stattgefunden hätten, ließen vermuten, dass kein professionelles Vorgehen des Täters oder der Tätergruppe vorlägen.

Mit Verfügung vom 8. Februar 2002 wurde das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2002 lehnte das VA den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff sei nach Auswertung der beigezogenen Aktenunterlagen der Strafverfolgungsbehörden nicht erwiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 21. März 2002 Widerspruch. Er legte die Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. R. vom 20. August 2001 vor. Sie führte aus, Vaskulitiden oder eine arterielle Hypertonie würden beim adulten Morbus Still nicht beobachtet und könnten in ihren Folgen deshalb auch nicht die beim Kläger beobachtete Ursache der Stammganglienblutung sein. Die in der Kernspintomographie bestehenden möglichen Amyloidablagerungen seien insbesondere bei dem relativ blanden Verlauf nicht pathognomisch. Die in der Medizinischen Klinik T. kurzfristig gemessenen hypertonen Blutdruckwerte könnten mit einer akuten Stresssituation (z. B. Überfall) ebenso wie mit der Steroidtherapie im Zusammenhang zu sehen sein, wobei Letzteres aufgrund der sehr niedrigen Dosis eher unwahrscheinlich erscheine. Zu beachten sei auch, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt der ambulanten Nachbetreuung und auch nicht in ihrer Praxis hypertone Blutdruckwerte aufgewiesen habe, die zu einem vaskulären Schaden hätten führen können. Aus internistisch-rheumatologischer Sicht scheine eine Gefäßschädigung im Rahmen des Morbus Still durch eine arterielle Hypertonie oder eine Vaskulitis extrem unwahrscheinlich.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2002 zurück. Ein Fremdverschulden anlässlich des Vorfalls vom 5. Dezember 2000 sei bereits durch die herbeigerufenen Notärzte ausgeschlossen worden. Nach Begutachtung und Kausalität des Verletzungsbildes könne es nicht als erwiesen angesehen werden, dass der Kläger Opfer einer Gewalttat geworden sei, zumal keine typischen Schwellungen oder Einblutungen im Bereich der geschädigten Körperpartien hätten festgestellt werden können. Es sei daher nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass der Kläger einen Hirnschlag infolge mehrerer Krankheitsbilder erlitten habe und gestürzt sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 26. Juli 2002 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Der Kläger führte aus, es sei ihm nicht mehr erinnerlich, wie sich das schädigende Ereignis zugetragen habe. Er führte auch aus, dass, weil seine Gattin der Notärztin gegenüber sofort geäußert habe, er leide an Morbus Still, eine verfrühte Bewertung des Geschehens stattgefunden habe. Er wies auch darauf hin, es sei bei ihm noch nie zu einer krisenhaften Blutdruckerhöhung gekommen. Außerdem stelle sich die Frage, woher der Entwender seines Geldbeutels gewusst habe, dass die Kreissparkassen-Filiale in I.-A. nicht videoüberwacht sei. Außerdem wies er auf die gelb-blau-Verfärbungen seiner Arme hin, die auf ein Zupacken durch eine andere Person schließen ließen. Schließlich trug er vor, denkbar sei auch ein unerwarteter sehr hoher Blutdruckanstieg mit der Folge eines Gefäßrisses und damit einer Hirnblutung, wenn er sich eventuell verfolgt gefühlt oder Angst gehabt habe.

Vorgelegt wurde der Arztbrief von Dr. R./Dr. G. vom Neurologischen Fach- und Rehabilitationskrankenhaus der Kliniken S. vom 31. Januar 2001 über die vom 20. Dezember 2000 bis zum 31. Januar 2001 durchlaufene stationäre Maßnahme. Die dort am 23. Januar 2001 durchgeführte Kernspintomographie wurde dahingehend beurteilt, dass eine ausgedehnte linksfronto-temporale Rindenläsion vorliege, welche von Lage und Signalcharakter her mit einer direkt traumatischen Ätiologie (Rindenkontusion) gut zu vereinbaren sei. Eine bilaterale Signalauslöschung im Stammganglinienbereich sei von der Wahrscheinlichkeit her am ehesten Ausdruck bilateraler Kalkablagerungen in diesem Bereich. Bilaterale Stammganglinienblutungen stellten eine Rarität dar.

Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. K., Leitender Arzt der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses H., vom 11. Dezember 2002 und Dr. R. vom 20. Mai 2003 ein. Dr. K. beschrieb unter Vorlage der Krankenakte über den Aufenthalt des Klägers im Kreiskrankenhaus H. am 5. Dezember und vom 12. bis zum 20. Dezember 2000 die Folgen des Ereignisses vom 5. Dezember 2000. Dr. R. führte aus, aus internistisch-rheumatologischer Sicht sei die Auffassung von Prof. Dr. W. nachzuvollziehen. Jedoch sei es denkbar, dass es, aus welchem Grund heraus auch immer, bei vorbestehenden Gefäßveränderungen im Gehirn bei einer möglichen Straftat zu einem Blutdruckanstieg gekommen sei, der dann zu der Hirnblutung auch ohne äußere Gewalteinwirkung geführt habe. Eine manifeste arterielle Hypertonie bestehe beim Kläger nicht. Zur Klärung der maßgeblichen Zusammenhangsfrage würden weitere fachärztliche Untersuchungen nicht weiterführen, da lediglich Biopsien aus Hirngefäßen, auch im Bereich der Blutung, weiteren Aufschluss geben könnten. Für eine sichere Vaskulitis habe kein Anhalt bestanden. Die aktuelle Blutdrucksituation zum Zeitpunkt eines möglichen Ereignisses sei nicht klärbar. Beigefügt wurde der Arztbrief von Dr. K., Oberärztin der Abteilung Hämatologie, Onkologie, Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums T., vom 29. Januar 2002.

Mit Urteil vom 20. Februar 2004 wies das SG die Klage ab. Zunächst bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem Hintergrund seiner Vorerkrankung zu Sturz gekommen sei und sich dabei die erheblichen Verletzungen zugezogen habe. Dass in unmittelbarem zeitlichen Anschluss hieran der Kläger seiner Geldbörse einschließlich der darin befindlichen Scheck- bzw. Kreditkarten verlustig gegangen sei, möge nun strafrechtlicherseits als Diebstahl bzw. Unterschlagung qualifiziert werden, was indessen keine Gewalttat in strafrechtlichem Sinne darstelle, deren Vorliegen anspruchsbegründend von Seiten des Klägers nachgewiesen werden müsse.

Gegen das ihm am 7. Mai 2004 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 28. Mai 2004 Berufung eingelegt. Es bestehe die Möglichkeit, dass dem Kläger zwar keine unmittelbare körperliche Gewalt zugefügt worden sei, sondern dass er lediglich durch einen oder mehrere Täter bedroht und aufgefordert worden sei, seine Wertsachen herauszugeben. Infolge dieser Bedrohung könne es zu einem Blutdruckanstieg in seinem Gehirn gekommen sein, was dann zu der Verletzung geführt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2004 und den Bescheid vom 18. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses vom 5. Dezember 2000 Beschädigtenversorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Der Senat hat den Beteiligten am 29. Oktober 2004 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Auf Sachstandsanfrage des Klägers hat der Senat unter dem 2. November 2005 nochmals auf diese Verfahrensweise hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG).

Dabei müssen der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden.

Vorliegend kann nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts ein solcher vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff, der ursächlich für die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen geworden sein könnte, nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Der Kläger selbst kann mangels Erinnerung keine Angaben zum Geschehensablauf machen. Die vor Ort eingetroffenen Notärzte schlossen zunächst ein Fremdverschulden aus. Im Krankenhaus konnten keine typischen Schwellungen oder Einblutungen im Bereich der geschädigten Körperpartien festgestellt werden. Vielmehr entstand der Eindruck, dass es sich um Verletzungen infolge eines Sturzes gehandelt habe. Prof. Dr. W. gelangte in seinem Gutachten zur der Einschätzung, aus rechtsmedizinischer Sicht ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine relevante Gewalteinwirkung durch fremde Hand. Allein aus dem Umstand, dass die Geldbörse des Klägers nicht mehr hat gefunden werden können und mit der EC-Karte des Klägers ein erfolgloser Abhebungsversuch unternommen wurde, kann nicht mit Sicherheit auf einen auf den Kläger verübten Raubüberfall geschlossen werden, zumal auch eine Fundunterschlagung in Betracht kommt. Auch gibt es nicht genügend Anhaltspunkte, um von einem Sturz des Klägers infolge einer Bedrohung durch einen Dritten ausgehen zu können.

Die Feststellungen zum Vorliegen eines Raubüberfalls oder einer Bedrohung können auch nicht unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung aus § 15 Abs. 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) getroffen werden. Nach dieser Vorschrift können der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatschen beziehen, zu Grunde gelegt werden, wenn Unterlagen nicht vorhanden sind oder ohne Verschulden des Antragstellers verloren gegangen sind. Zwar gilt diese Vorschrift gemäß § 6 Abs. 3 OEG auch für die Entschädigung nach dem OEG und nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch im gerichtlichen Verfahren (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 - 9/9a RVg 3/87 - SozR 1500 § 128 Nr. 34; BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 - BSGE 65, 123 = SozR 1500 § 128 Nr. 39). Sie hilft dem Kläger im vorliegenden Fall aber nicht. Denn § 15 KOVVfG setzt voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 - 9/9a RVg 3/87 - SozR 1500 § 128 Nr. 34; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 9 VG 3/99 R - SozR 3-3900 § 15 Nr. 3). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich der Kläger an den Geschehensablauf nicht erinnern kann.

Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 3. Februar 1999 (- B 9 V 33/97 R - SozR 3-3900 § 15 Nr. 2 = BSGE 83, 279) § 15 KOVVfG entsprechend auf einen Fall angewandt, in dem die Klägerin keine Angaben aus eigener Erinnerung machen konnte, und angenommen, dass die entsprechende Anwendung der Vorschrift ausnahmsweise zur Beseitigung einer Beweisnot herangezogen werden könne. In Abgrenzung zu diesem Urteil hat das BSG in seinem Urteil vom 28. Juni 2000 (- B 9 VG 3/99 R - SozR 3-3900 § 15 Nr. 3) jedoch klargestellt, dass diese Beweiserleichterung nur für den dort zu entscheidenden Ausnahmefall aus den Besonderheiten des Kriegsopferverfahrensrechts und der Kriegsopferversorgung herzuleiten war. Maßgebend sei gewesen, dass das Vorliegen einer Straftat als Ursache außer Zweifel gestanden habe und dass die Beweisnot im Zusammenhang mit der Durchführung der Ermittlungen durch einen Geheimdienst, der nicht rechtsstaatlich zu arbeiten gepflegt habe, zustande gekommen sei. Für andere Fallkonstellationen, in denen sich beispielsweise ein Gewaltopfer nicht an den schädigenden Vorgang erinnern kann, hat das BSG eine erweiternde Auslegung des § 15 KOVVfG ausdrücklich abgelehnt.

Die Beweisschwierigkeiten können auch nicht durch andere Beweiserleichterungen überwunden werden. Die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins liegen nicht vor. Denn dieser ist nur bei typischen Geschehensabläufen möglich, die nach allgemeiner Erfahrung aus einer bestimmten Tatsache auf einen bestimmten Verlauf schließen lassen. Sind, wie vorliegend, mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist eine solche Beweisregel ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 - 9/9a RVg 3/87 - SozR 1500 § 128 Nr. 34; BSG, Beschluss vom 22. Juni 1988 - 9/9a BVg 4/87 - SozR 1500 § 128 Nr. 35). Nach dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. W. vom 21. Dezember 2000 und der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. R. vom 20. Mai 2003 kann gerade nicht eindeutig der Schluss auf einen (versuchten) Raubüberfall gezogen werden, weil als Ursache für den Gesundheitsschaden auch der vorbestehende adulte Morbus Still in Betracht kommt.

Nach alledem ist nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Kläger Opfer eines (versuchten) Raubüberfalls oder einer anderen Gewalttat geworden ist. Die Folgen der Beweislosigkeit hat nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 - 9/9a RVg 3/87 - SozR 1500 § 128 Nr. 34).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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