L 1 U 2308/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1480/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2308/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt, ihm ab 26. Juni 2003 Verletztengeld wegen einer Wiedererkrankung zu zahlen.

Auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause fuhr er am 20. November 1999 mit dem Fahrrad auf einen PKW auf. Er zog sich dabei eine mediale, leicht dislozierte Clavikulafraktur links, eine Schädelkontusion links mit Kopfplatzwunde parieto-temporal links sowie eine Rippenserienfraktur der 5. bis 10. Rippe links zu. Stationäre Behandlung erfolgte bis 29. November 1999 (Durchgangsarztbericht des Dr. T. vom 22. November 1999/Zwischenbericht des Dr. T. vom 17. Dezember 1999). Arbeitsunfähigkeit bestand bis 13. August 2000. Die S. M.-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) zahlte Verletztengeld vom 3. Januar 2000 bis 13. August 2000. Nach einer Belastungserprobung und Urlaub vom 14. August 2000 bis 25. August 2000 nahm der Kläger am 28. August 2000 seine Tätigkeit vollschichtig wieder auf. Das Arbeitsverhältnisses endete mit Ablauf des 15. Juni 2001. Am 3. September 2002 meldete sich der Kläger arbeitslos und bezog ab 3. September 2002 Arbeitslosengeld.

Die Beklagte veranlasste zur Feststellung der Unfallfolgen verschiedene ärztliche Gutachten und bewilligte eine Verletztenrente vom 14. August 2000 bis 31. Dezember 2000 nach einer MdE von 20 vH. Über den 31. Dezember 2000 hinaus lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil die MdE unter 20 vH liege (Bescheid vom 25. Oktober 2001). Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004). Weiter lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus Anlass des Unfalls vom 20. November 1999 ab (Bescheid vom 8. September 2003). Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004). Nach den vorliegenden Unterlagen, insbesondere den durchgeführten Begutachtungen bestehe auf Grund der verbliebenen Unfallfolgen keine Indikation für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die hiergegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht Ulm abgewiesen (Urteile vom 15. November 2005 - S 2 U 1527/04 - und - S 2 U 1523/04 -). Die Berufungen blieben erfolglos (Beschlüsse des Senats vom 16. August 2006 - L 1 U 498/06 und L 1 U 55/06 - ).

Der Kläger stellte sich wegen Schulterbeschwerden am 26. Juni 2003 erneut bei dem Chirurgen Dr. F. vor. Dieser diagnostizierte eine in Fehlstellung verheilte Clavikulafraktur links, eine Periarthritis humeri scapularis sowie eine posttraumatische Arthrose des AC-Gelenks. Er leitete eine ambulante Heilbehandlung bei bestehender Arbeitsfähigkeit ein und therapierte die Beschwerden konservativ mit lokaler Infiltration in das AC-Gelenk, diadynamischen Anwendungen und krankengymnastischer Behandlung (Nachschaubericht vom 26. Juni 2003). Auf Grund einer erneuten Vorstellung am 14. August 2003 leitete Dr. F. eine ambulante Heilbehandlung bei bestehender Arbeitsfähigkeit durch Überweisung des Klägers zu einer schmerztherapeutischen Behandlung ein (Nachschaubericht vom 14. August 2003).

Nachdem der Kläger am 23. Oktober 2003 bei der Beklagten beantragt hatte, ihm wegen einer Wiedererkrankung Verletztengeld ab 26. Juni 2003 zu zahlen, teilte auf telefonische Anfrage der Beklagten Dr. F. mit, er habe bei den Behandlungen am 26. Juni 2003 und 14. August 2003 Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt. Die Krankenkasse des Klägers und die für den Kläger zuständige Agentur für Arbeit gaben auf telefonische Anfrage der Beklagten an, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien vom Kläger nicht mitgeteilt worden. Zur Aufforderung der Beklagten, zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, vertrat der Kläger die Auffassung, dies sei nicht erforderlich.

Die Beklagte lehnte einen Anspruch auf Verletztengeld ab 26. Juni 2003 ab (Bescheid vom 17. Januar 2005). Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005). Zur Begründung verwies er darauf, dass Dr. F. keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt habe und bei der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit keine Arbeitsunfähigkeit bekannt sei. Der Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei abgelehnt worden. Über die Klage sei noch nicht entschieden. Ein Verletztengeldanspruch nach § 45 Abs. 2 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) entfalle auch dann, wenn dem Versicherten eine konkrete Leistung nicht angeboten werden könne und er sich deshalb mit Unterstützung durch das Arbeitsamt um einen neuen Arbeitsplatz bemühen müsse.

Die hiergegen am 25. Mai 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Ulm abgewiesen (Urteil vom 28. Februar 2006 - S 9 U 1480/05 -). Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger mit Wiedererkrankung zum 26. Juni 2003 auch arbeitsunfähig gewesen sei.

Gegen das ihm am 28. März 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. April 2006 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht schätze die Schwere seiner bei dem Unfall erlittenen Verletzungen falsch ein. Bei den beiden ärztlichen Untersuchungen seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Das Erfordernis einer ärztlichen Bescheinigung ergebe sich nicht aus den gesetzlichen Vorschriften. Bei Dr. F. bestehe eine Befangenheit wegen vertraglicher Beziehungen gegenüber der Beklagten, die ihm ein unabhängiges und sorgfältiges Urteilen nicht ermögliche.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Februar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 26. Juni 2003 Verletztengeld für 78 Wochen in gesetzlicher Höhe gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Nach Einschätzung des Senats weist der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

I.

Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bescheid vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2005. Weitere Bescheide, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall des Klägers vom 20. November 1999 erließ, sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Keiner der weiteren ergangenen Bescheide ändert oder ersetzt den streitgegenständlichen Bescheid vom 17. Januar 2005. Des Weiteren entschied die Beklagte über weitere Anträge des Klägers regelmäßig in gesonderten Verwaltungsverfahren, denen in den meisten Fällen auch ein Klageverfahren nachfolgte.

II.

Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Nach § 46 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld u.a. von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Im Falle einer Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls gelten die §§ 45 bis 47 SGB VII mit der Maßgabe entsprechend, dass an Stelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird (§ 48 SGB VII) Die Voraussetzungen für die Zahlung von Verletztengeld wegen einer Wiedererkrankung liegen bereits deshalb nicht vor, weil Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen ist, wie dies das Sozialgericht im angefochtenen Urteil und die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt haben. Dr. F. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht, sondern ging von bestehender Arbeitsfähigkeit aus, wie sich aus den Nachschauberichten vom 26. Juni 2003 und 14. August 2003 ausdrücklich ergibt. Dies bestätigte er auch auf telefonische Nachfrage der Beklagten. Diesen beiden Nachschauberichten und auch dem vom Kläger dem Sozialgericht vorgelegten weiteren Nachschaubericht des Dr. F. vom 15. Juni 2005 (Blatt 10 der SG-Akte) lassen sich keine Befunde entnehmen, die auf eine wesentliche Änderung der Beschwerden hindeuten. Dr. F. beschreibt in Übereinstimmung mit anderen Ärzten, die den Kläger behandelt oder gutachterlich untersucht haben, als Befund die in leichter Fehlstellung verheilte Clavikulafraktur.

Des Weiteren kommt es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht darauf an, ob der Kläger im Jahre 2003 noch seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schweißer hätte ausüben können, sondern ob er objektiv der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Für die Beurteilung einer Arbeitsunfähigkeit im Juni 2003 kommt es nicht darauf an, ob der Kläger seine zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit als Schweißer im Juni 2003 noch verrichten konnte. Die Beurteilung, ob Arbeitsunfähigkeit besteht, ist für die Zeit der Arbeitslosigkeit nicht in Bezug auf die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit vorzunehmen, sondern Maßstab sind alle Beschäftigungen, die dem Kläger zu diesem Zeitpunkt arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar waren. Arbeitsunfähig ist derjenige, der aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung steht und deshalb die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr erfüllt (BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 21/05 R -; Beschluss vom 30. Dezember 2004 - B 1 KR 27/03 B - m.w.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit erklärte Arbeitsbereitschaft ab Juni 2003 eingeschränkte. Vielmehr ist vom Gegenteil auszugehen, da der Kläger der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit eine Arbeitsunfähigkeit nicht mitteilte. Dies sowie die Tatsache, dass der Kläger erst mit Schreiben vom 21. Oktober 2003, also ca. vier Monate später, gegenüber der Beklagten geltend machte, arbeitsunfähig zu sein, sprechen dafür, dass zunächst der Kläger selbst nicht davon ausging, ab 26. Juni 2003 arbeitsunfähig zu sein.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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